Protocol of the Session on December 11, 2013

Sie haben mit uns die Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz geändert und mit uns beschlossen, dass das zukünftige entscheidende Kriterium das strukturelle Defizit ist. Jetzt auf einmal haben Sie Probleme mit dem Begriff. Sie können ihn kaum noch aussprechen. Das strukturelle Defizit bereitet Ihnen offensichtlich fast schon Schmerzen.

Wenn man die Kriterien des strukturellen Defizits anwendet, muss man wie der Bund der Steuerzahler, die Öffentlichkeit und die Presse anerkennen, dass das

Land Rheinland-Pfalz einen strikten Sparkurs fährt. Es hält das strukturelle Defizit ein. Es spart sogar 300 Millionen Euro mehr ein, als das Ausführungsgesetz vorgibt. Es tut Ihnen weh, dass wir dort erfolgreich sind. Deswegen haben Sie Probleme, mit dem Begriff das anzuerkennen, was Sie im Jahr 2010 selbst beschlossen haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das, was wir mittlerweile in dieser Legislaturperiode erreicht haben, ist eine Reduzierung des strukturellen Defizits – Frau Klöckner, so schwer ist es gar nicht auszusprechen – von 1,5 Milliarden Euro auf 604 Millionen Euro Ende 2015. Das ist eine gewaltige Reduzierung um 900 Millionen Euro.

Der Finanzminister hat recht, dass die nächsten Schritte bis zum Jahr 2020 schwieriger werden. Erfreulicherweise haben wir einen guten Wirtschaftsstandort, weil wir die richtigen Zukunftsinvestitionen in der Vergangenheit getätigt haben. Es ist für uns erfreulich, das zu zitieren. Wir haben die drittniedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland. Noch nie waren so viele Menschen in Rheinland-Pfalz sozialversicherungspflichtig beschäftigt wie aktuell in diesem Monat.

Wir haben eine Exportquote von 54,9 %. Das ist Platz 1 unter den Flächenländern. Selbst Bayern und BadenWürttemberg, deren Erfolgsdaten Sie häufig zitiert haben, haben nicht so eine erfolgreiche Exportquote wie Rheinland-Pfalz. Ich könnte noch viele andere Wirtschaftsdaten nennen. Das heißt, das Land RheinlandPfalz ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort.

(Baldauf, CDU: Was habt ihr denn dazu gemacht?)

Herr Baldauf, wissen Sie, bei anderen Dingen sagen Sie auch, für alle anderen Bundesländer gelten dieselben europarechtlichen Bedingungen und dieselben Bundesgesetze. Die Menschen sind dort nicht anders. Es muss irgendetwas mit der Landespolitik in RheinlandPfalz zu tun haben, dass wir erfolgreicher als andere Bundesländer sind, ob Sie das nun wahrhaben wollen oder nicht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Sie wollen das immer nur nutzen, wo es Ihnen passt. Im Wirtschaftsstandort sind wir nun einmal erfolgreicher als andere Bundesländer. Zu den anderen Punkten komme ich gern gleich.

(Zurufe von der CDU)

Wer laut schreit, hat meistens nicht recht. Ich möchte zu einem Punkt kommen, bei dem Ihre Aufmerksamkeit vielleicht angebracht wäre.

Frau Klöckner, Sie haben Punkte benannt, bei denen ich unser gemeinsames Vorgehen loben möchte. Es gibt eine Reihe von Punkten, bei denen alle drei Fraktionen gemeinsame Anträge gestellt haben. Dabei geht es um

die Resozialisierung im Strafvollzug, um die Landwirtschaftskammer, den Frauennotruf und viele Bereiche, in denen Menschen in schwierigen Situationen die Solidarität und die Hilfe der Gesellschaft brauchen. Wir haben auch Ihren Antrag zur Kinderhospizarbeit unterstützt. Es wäre auch redlich gewesen zu sagen, dass das ein gemeinsamer Antrag ist und wir gemeinsam diese Anträge gestellt haben. Ich stehe dazu, dass es positiv ist, dass es auch gemeinsame Initiativen gibt.

Dann sollten wir auch herausstellen, dass es gemeinsame Initiativen sind, und es nicht im Raum stehen lassen nach dem Motto: Wir wären eigentlich dagegen gewesen. – Es sind gemeinsame Anträge. Ich bin froh, dass bei diesen wichtigen Dingen alle Fraktionen zusammengearbeitet haben. Das sollten wir auch so darstellen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: Wir sind doch für Freiheit!)

Wenn wir uns aber die zahlenmäßig bedeutsamen Anträge der CDU anschauen, dann gibt es zentrale Unterschiede in der Politik unserer Fraktionen.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU – Pörksen, SPD: Ist das ein Zwischenruf?)

Sie stellen ganz wichtige Zukunftsinitiativen, Zukunftsinvestitionen in Rheinland-Pfalz infrage. Dazu gehört – ich bin froh, dass Sie die Katze aus dem Sack gelassen haben –, was Sie mit den Gebühren bei Kindergärten und Schülertransport wollen. Wir haben Sie immer aufgefordert, endlich Farbe zu bekennen und nicht nur herumzureden. Sie haben jetzt Zahlen genannt, wie viel Geld Sie durch Kindergartengebühren und durch Gebühren für Schülertransport einnehmen wollen.

Meine Damen und Herren, wir halten das für den falschen Weg.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Er ist rückwärtsgewandt, weil die Einführung von Gebühren für Bildung von Kindern die Bildungschancen für alle gefährdet, und es ist gegen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und von Gebühren für Bildung sind im Ergebnis häufig Frauen mit ihren Zukunftschancen im Beruf nachteilig betroffen. Das ist ein Ergebnis aller Studien dort, wo wir Bildungsgebühren haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie wissen auch, dass dort, wo Gebühren für Bildung eingeführt werden – ich werde gleich darlegen, wer alles zahlen muss –, diejenigen mit mittleren und geringen Einkommen häufig so reagieren, dass sie Kinder von Kindertagesstätten fernhalten, und zwar gerade die Kinder, die es dringend nötig hätten, eine Kindertagesstätte zu besuchen, um gleiche Bildungschancen durch diese Bildungseinrichtungen zu bekommen.

Sie wissen auch, dass beim Betreuungsgeld – bedauerlicherweise konnte das nicht wegverhandelt werden –

dieselbe Klientel betroffen ist. Diese Maßnahmen zerstören die gleichen Bildungschancen von Kindern, die dringend die Unterstützung der Gesellschaft benötigen.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Genau!)

Das wissen Sie, und dennoch wollen Sie diese Gebühren einführen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie behaupten immer, das seien Gebühren für einige wenige Gutverdienende, und sie seien deswegen sozial gerechtfertigt.

Weil wir Sie aufgefordert haben, einmal Zahlen zu nennen, kann man genau nachrechen, wer alles betroffen ist. Sie wollen dadurch 80 Millionen Euro einnehmen. Das steht in den entsprechenden schriftlichen Vorlagen zum Haushalt, die Sie gemacht haben. Am 1. März 2013 besuchten in Rheinland-Pfalz 145.066 Kinder eine Kindertagesstätte. Auch Sie wollen im letzten Kindergartenjahr keine Gebühren erheben. Nehmen wir im ersten Schritt den Jahrgang heraus, der dieses letzte Kindergartenjahr besucht; das sind 33.264 Kinder. Dann verbleiben 111.802 Kinder.

Gehen wir einmal davon aus, dass Sie von den Personen, die am allerwenigsten verdienen – 120.000 Euro; die 25 % –, keine Gebühren erheben wollen – das unterstelle ich auch der CDU –, dann muss ich wieder 25 % abziehen. Es verbleiben 83.851 Kinder, deren Eltern Sie zu Gebühren heranziehen wollen.

Jetzt kann man, ohne in Mathematik eine 1 zu haben, ausrechnen:

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Um 80 Millionen Euro zu erhalten, müssen 962 Euro pro Kind und Jahr gezahlt werden. Das sind 81 Euro pro Monat pro Kind, die zukünftig gezahlt werden müssen; bei zwei Kindern sind das 1.924 Euro pro Jahr.

(Billen, CDU: Bei zwei Kindern fällt man unter den Sozialstatus!)

Nein. Dann müssen die anderen wieder mehr zahlen, dann wird es für die anderen sehr teuer. Denn Sie müssen jedes Kind abziehen, dem Sie einen Freibetrag geben. Dann wird es teuer. Diese Zahlen stimmen absolut im Durchschnitt.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Damit deutlich wird, wer dann zahlen muss, diese 25 % unterstellt, da wir auch bei der Schulbuchausleihe keine Zahlung mehr verlangen: Das sind 26.000 Euro brutto im Jahr für eine Familie mit Kindern. Dort wollen Sie Gebühren verlangen. Sonst kommen Sie nicht auf den Betrag von 80 Millionen Euro.

Deswegen ist das, was Sie machen, unverantwortlich und sozial ungerecht. Es werden eben nicht nur der Chefarzt und der Architekt belastet, sondern die Kran

kenschwester, der Handwerksgeselle, der Krankenpfleger. Das sind die Personen, die in der Masse bezahlen müssen. Deswegen ist es abzulehnen. Das hat mit sozialer Gerechtigkeit, die Sie unterstellen wollen, nichts, aber auch gar nichts zu tun, meine Damen und Herren.

(Anhaltend Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Billen, ich weiß nicht, wie man da grinsen kann.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Denn bei 26.000 Euro reden wir über 4 % bis 5 % des Nettoeinkommens an Gebühren. Wenn man weiß, was für Miete und Auto gezahlt werden muss, ist das der Betrag, über den die Familien bisher noch frei verfügen konnten – 100 bis 150 Euro im Monat –, um mit ihren Kindern vielleicht einmal ins Kino zu gehen, das Geburtsgeschenk für die Kinder zu kaufen. Dafür ist ein großer Teil des Betrags zukünftig weg. Das bedeutet Ihre Politik im Ergebnis.

Selbst wenn Sie sagen, diejenigen, die viel verdienen, könnten es etwas mehr zahlen; netto wären sie trotzdem nicht mehr belastet. Denn diejenigen, die viel verdienen, können diese Kosten von der Steuer absetzen. Derjenige, der 26.000 Euro verdient, kann es nicht bei der Steuer absetzen; er zahlt es netto 1 : 1.

Das zeigt, wie unausgegoren dieser Vorschlag ist. Er hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun. Täuschen Sie die Menschen nicht mit dem, was Sie hier vorhaben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Jetzt könnte man der Ansicht sein, das sei nur die Auffassung der rheinland-pfälzischen SPD. Die Kirchen in Rheinland-Pfalz haben auch auf diesen unsozialen Vorschlag aufmerksam gemacht.