Protocol of the Session on November 6, 2013

(Zurufe von der CDU)

Das, was die NSA in Deutschland tut, selbst wenn es sich bewahrheitet, ist verfassungswidrig und bedarf der umfassenden Aufklärung, und zwar nicht nur des parlamentarischen Kontrollteams der Bundesregierung, sondern eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages.

Wenn Herr Snowden Bedenken äußert, in Moskau verhört zu werden, weil er dann eventuell nicht umfänglich die Informationen geben kann, dann bin ich der Auffassung, dass die Möglichkeit geschaffen werden muss, dass die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag die Möglichkeit erhalten, Edward Snowden auch in der Bundesrepublik Deutschland zu verhören.

(Licht, CDU: Wie naiv sind Sie! – Weitere Zurufe von der CDU)

Da gibt es Möglichkeiten nach Recht und Gesetz.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Frau Klöckner, § 22 Aufenthaltsgesetz und § 23 Aufenthaltsgesetz sind zu nennen. Ich will, dass es endlich zu Klarheit in diesen Fragen kommt, und zwar im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger, unserer Unternehmen und der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.

(Glocke des Präsidenten)

Das soll auch im Sinne der deutsch-amerikanischen Freundschaft erfolgen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Minister Lewentz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerne nehme ich die Aktuelle Stunde zum Anlass, um zum Thema „Konsequenzen der NSA-Abhöraffäre für Rheinland-Pfalz“ Stellung zu beziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage, wie wir unsere Daten vor unberechtigten Zugriffen schützen können, rückt seit Jahren auch in Rheinland-Pfalz zunehmend in das Interesse nicht nur der staatlichen Einrichtungen, sondern auch von Wirtschaftsunternehmen und Privatleuten; denn mit der rasanten Ausbreitung des Internets kann letztlich jedes angeschlossene Gerät, völlig gleich, ob es ein PC, ein Tablet-PC – davon werden hier im Raum auch einige sein –, ein Smartphone – davon werden wir viele hier im Raum haben – oder – das haben wir hoffentlich nicht – die Spielkonsole am heimischen Fernseher handelt, Ziel eines potenziellen Angriffs werden. Das wissen wir. Wir müssen es jedenfalls wissen. Das ist kein Geheimnis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man noch berücksichtigt, dass nach aktuellen Studien etwa 78 % der Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer online sind, wird schnell deutlich, dass heute nahezu jede und jeder Opfer einer solchen Ausspähung von Daten werden kann.

Wie real diese Gefahr ist, sehen wir bereits am Beispiel des Rheinland-Pfalz-Netzes, des gemeinsamen Datennetzes der Landesregierung, der Landesverwaltung und unseres Landtages. Dieses ist regelmäßig Ziel von Cyberangriffen. Im Schnitt werden täglich zwei bis fünf schwerwiegendere Angriffe festgestellt, die sich teilweise bis nach China zurückverfolgen lassen.

Bei den Maßnahmen zur Gefahrenabwehr standen aber bisher kriminelle Cyberangriffe und die Informationsbeschaffung östlicher Geheimdienste im Vordergrund. Dass auch Nachrichtendienste verbündeter Staaten solche Aktivitäten in unsere Richtung unternehmen, wurde zwar nicht ausgeschlossen, allerdings fehlten hierfür bisher die belastbaren Tatsachen.

Seit Mai dieses Jahres sind aber durch die Berichterstattung im Zusammenhang mit Edward Snowden umfangreiche Informationen über die US-amerikanischen Programme zur Überwachung der weltweiten Internetkommunikation, PRISM und Boundless Informant sind genannt worden, sowie – und das deckt sich dann nicht mehr ganz mit der Überschrift der Aktuellen Stunde heute, weil auch das mussten wir in den letzten Tagen erfahren – das britische Überwachungsprogramm Tempora bekannt geworden. Seitdem besteht eine traurige Gewissheit, dass unsere Daten auch im Fokus der westlichen Bündnispartner stehen.

Besonders nachdenklich machen muss dabei die Erkenntnis, dass diese Daten nicht nur zur Terrorabwehr gesammelt werden, sondern seitens der NSA gezielt Daten und Gespräche verbündeter Staatschefs unserer Bundeskanzlerin aufgezeichnet wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sage ich in aller Freundschaft mit den Amerikanern ganz deutlich, ein solches Verhalten kann unter Partnern nicht akzeptiert werden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das von Deutschland vorgeschlagene No-Spy-Abkommen wäre ein Schritt in die richtige Richtung, weil es nicht nur das Ausspähen von Regierungen und Behörden verhindern soll, sondern auch die Privatsphären der Bürgerinnen und Bürger schützen würde. Aber unabhängig davon, ob bei einem solchen Abkommen schnelle Erfolge erzielt werden können oder nicht, müssen wir eines erkennen, die Sicherheit der Daten von Regierung, Wirtschaft, aber auch der Bürgerinnen und Bürger ist und bleibt in einem erheblichen Umfang gefährdet. Daher gilt es zunächst, die bestehenden Programme zur Datensicherung konsequent auszubauen und weiterzuentwickeln.

Ich will für uns in Anspruch nehmen, dass wir bereits seit Mitte der 90iger-Jahre eine Sicherheitspartnerschaft in Rheinland-Pfalz mit der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Forschung und allen in diesem Bereich Tätigen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Absicherung der Daten der Bürgerinnen und Bürger und der Verwaltung im Rahmen von E-Government verfolgt die Landesregierung eine ganzheitliche Informationsstrategie. Diese setzt zum einen auf die Absicherung der zentralen IT-Infrastrukturen und zum anderen auf den zentralen Betrieb von geschäftskritischen Verfahren beim LDI. Dadurch können Bürgerinnen und Bürger mit Regierung und Verwaltung kommunizieren, und sie können dies sicher tun.

Gerade im Hinblick auf die aktuelle Berichterstattung zu gezielten Spähangriffen auf Regierungschefs drängt sich insbesondere die Frage auf, wie es um die Sicherheit der Kommunikation in der Landesregierung bestellt ist. Der Austausch von Daten, also zum Beispiel von E-Mails und Dateien innerhalb des sogenannten Rheinland-Pfalz-Netzes, ist als sicher einzustufen. Dass ich das heute mit Überzeugung sagen kann, ist das Ergebnis erheblicher Investitionen in den letzten Jahren zum Aufbau eines flächendeckenden, hoch sicheren und hoch verfügbaren Datennetzes. Die Datenleitungen für dieses Netz werden zwar von Dritten, insbesondere von T-Systems bereitgestellt, das Management der Leitungen wird aber ausschließlich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesbetriebes Daten und Information durchgeführt. Sämtliche Datenleitungen zwischen den Dienststellen werden mit höchst effektiven, sicherheitstransparenten kryptographischen Techniken durch den LDI verschlüsselt.

Noch vor Bekanntwerden der aktuellen Veröffentlichungen über Tempora und PRISM wurde erkannt, wie wichtig eine eingehende Überprüfung der Konzepte für Schutz und Sicherheit der Daten durch externe Gutachter und Auditoren ist. Die gesamte technische Umsetzung und der Betrieb des Rheinland-Pfalz-Netzes wurden durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informa

tionstechnik (BSI) im Rahmen einer Zertifizierung untersucht. Im April dieses Jahres wurde durch das BSI das sogenannte international gültige ISO 27001-Zertifikat auf der Basis von IT-Grundschutz erteilt. Wir sind das zweite Bundesland, das diese hohe Auszeichnung und diese Feststellung bekommen haben, dass wir diese höchsten Sicherheitsstandards haben. Ich weiß nicht, wie es sich in dieser Frage für die Bundesregierung verhält. Wir haben dieses Zertifikat. Wir sind sehr stolz darauf. Wir haben es, wie gesagt, als zweites Bundesland erhalten und als erstes beantragt.

Wir wissen auch bzw. wir mussten wissen, dass die Situation bei Telefongesprächen problematischer ist. Zwar sind Gespräche, die innerhalb der Landesregierung am Standort Mainz über interne Leitungen geführt werden, als sicher einzustufen. Das gilt auch für Gespräche zwischen Landesregierung und Landtag. Von dieser Sicherheit kann aber bei sonstigen Telefonaten nicht ausgegangen werden. Die Berichterstattung zu den sonstigen Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA hat gezeigt, wie leicht wir gerade bei Mobiltelefonen angegriffen werden können. Da zwischenzeitlich ein erheblicher Teil der Gespräche über Mobiltelefone abgewickelt wird, prüft die Landesregierung eine Abhilfe.

Ein technisches Wettrüsten allein hilft uns nicht weiter; denn diese Geräte sind vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nicht für alle Geheimhaltungsstufen zertifiziert – das gilt übrigens auch für die Telefone der Frau Bundeskanzlerin –, was ihre Einsatzmöglichkeiten bereits erheblich einschränkt.

Zudem sind auch nur Gespräche zwischen den abgesicherten Mobiltelefonen geschützt, nicht aber von einem abgesicherten zu einem herkömmlichen Gerät. Deswegen ist es vorrangig erforderlich, dass die amerikanischen und britischen Stellen alle Abhörvorwürfe uneingeschränkt aufklären. Darauf muss die Bundesregierung bestehen. An uns alle gewandt und an alle Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz gerichtet sage ich, die Nutzer von Mobiltelefonen und Smartphones müssen sehr sensibel mit ihrer Kommunikation und diesen Kommunikationsmitteln umgehen. Es muss uns bewusst sein, dass jede Information, die über das Mobiltelefon übermittelt wird, auf die eine oder andere Weise angezapft werden könnte. Wir sollten deshalb nicht in Aktionismus oder Panik verfallen, aber vielleicht das eine ohne andere Mal wieder das gute alte persönliche Gespräch wählen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Ministerpräsidentin Dreyer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Verzeihen Sie bitte, dass ich noch einige Sätze

sage, obwohl die Redezeit insgesamt eigentlich schon herum ist. Sie kennen meine Position zu NSA. Ich brauche sie nicht noch einmal zu wiederholen, aber ich will trotzdem noch einmal betonen, Frau Klöckner, dass es natürlich rhetorisch ist. Wir können das Problem bezogen auf die NSA nicht von Rheinland-Pfalz aus lösen. Deshalb war es natürlich auch unser Vorstoß damals gewesen, sehr frühzeitig, nämlich sobald NSA tatsächlich publik wurde, diesen Skandal zum einen zu skandalisieren und zum anderen die Sorge deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass Bürger und Bürgerinnen, wir alle keinen privaten und öffentlichen Raum in Deutschland mehr haben, der nicht ausspioniert wird oder der nicht abgehört wird, und das wirklich ein ernsthaftes Problem ist. Es bleibt auch dabei, dass die damalige Aktuelle Stunde, die von Herrn Hering angesprochen worden ist, als Wahlkampfmanöver, als populistisch, als was auch immer abgetan worden ist. Dabei haben wir sie damals total sachorientiert geführt.

(Starker Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich sage, die Affäre ist nicht beendet. Das war damals schon absehbar. Wir haben es tatsächlich mit einer Problematik in einer Dimension zu tun, von der heute viele sagen, eigentlich wussten wir das alles, aber ich bin sicher, eigentlich konnte es sich keiner vorstellen, dass die Dimension des Ganzen so groß ist. Deshalb finde ich es auch richtig, dass sich dieses Parlament immer wieder damit beschäftigt. Es geht um die Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen. Es geht natürlich um die Souveränität von Deutschland, und ich sage noch einmal, wir müssen nicht immer wieder bei der Debatte um NSA hier in Rheinland-Pfalz unsere Freundschaft zu Amerika beteuern.

(Pörksen, SPD: Richtig!)

Wir haben ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu den Amerikanern hier in unserem Land. Dabei bleibt es auch. Dazu stehe ich auch als Ministerpräsidentin ganz ausdrücklich. Ich sage aber auch, das Verhältnis zwischen Amerika und Deutschland ist in einer Vertrauenskrise, das Vertrauen ist erschüttert. Deshalb sind wir am Zug, diese Fragen miteinander zu klären, nicht ich als Ministerpräsidentin, aber natürlich die Bundesregierung mit unseren amerikanischen Partnern. Es ist selbstredend, dass wir in Begegnungen mit den Amerikanern, wie beispielsweise dem Botschafter, dieses Thema thematisieren, weil wir in einer Freundschaft nicht so tun können, als hätten wir kein Problem.

Deshalb erwarte ich auch in der Zukunft, dass die Bundesregierung wirklich umfangreich aufklärt – das habe ich damals schon gesagt – und auch Konsequenzen daraus zieht. Ich bin fest davon überzeugt, dass geheimdienstliche Aktivitäten, egal, von wem sie ausgehen, sich nur auf elementare Bedrohungen wie Organisierte Kriminalität oder internationaler Terrorismus beziehen dürfen. Sie müssen auch einer demokratischen Kontrolle unterliegen. Das ist zurzeit eines unserer Hauptprobleme, dass eigentlich niemand genau weiß, was eigentlich getan wird, und von demokratischer Kontrolle in keiner Weise mehr zu sprechen ist.

Nur wenn wir einen nennenswerten Datenschutzstandard in Europa sicherstellen, können wir glaubhaft entsprechende Schutzstandards auch von anderen einfordern. Auch das war Thema vor vielen Wochen. Ich habe in der NSA-Debatte hier am Rednerpult gesagt, dass Deutschland damals das europäische Abkommen zum Datenschutz verhindert hat. Wir sind jetzt auf einem Weg in der Hoffnung, dass das Datenschutzabkommen oder die Richtlinie am Ende verabschiedet werden kann. Aber es ist natürlich eine Grundvoraussetzung dafür in unseren Forderungen dritten Partnern gegenüber, dass wir uns auch in Europa auf bestimmte Datenschutzregelungen miteinander verständigen.

Darüber hinaus fordern wir natürlich auch – ich glaube, das ist ein gemeinsames Anliegen – ein internationales No-Spy-Abkommen. Daran wird im Moment gearbeitet, was wir richtig finden. Das sage ich ausdrücklich. Wir brauchen aber auch – auch das war angesprochen – den Aufbau einer europäischen Kommunikationsstruktur. Ganz am Anfang von NSA haben viele darüber gelächelt. Heute ist es bei allen, die sich damit beschäftigen, eine Standardforderung, dass wir stärker darauf bauen müssen, eine eigene europäische Kommunikationsstruktur und einen effektiven Schutz von kritischen Kommunikationsstrukturen sowohl auf staatlicher und wirtschaftlicher, aber auch auf individueller Ebene zu entwickeln. Natürlich brauchen wir einen effektiven Schutz.

Last but not least, die Förderung technischer Maßnahmen zur Datensicherung, insbesondere Technologien zur durchgängigen Verschlüsselung bei der Übertragung und Speicherung von Daten – Herr Lewentz hat es eben gesagt –, muss in Deutschland weiter forciert werden, dass wir überhaupt in die Lage versetzt werden, einen entsprechenden Schutz anzubieten. Wir stehen hier vor einer großen Herausforderung. Aber ich denke, es ist berechtigt, dass wir uns in Rheinland-Pfalz mit dieser Frage beschäftigen, weil ich weiß, dass sich viele Bürger und Bürgerinnen mit dieser Frage befassen. Dass es keinen lauten Aufschrei gibt, hat ganz viel damit zu tun, dass es eine große Ohnmacht diesen Fragen gegenüber gibt.

Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass die Bundesregierung in diesem Bereich wirklich aktiv sein muss, um die Fragen zu klären, und wir den Bürgern auch ein Angebot machen können, wie wir in Zukunft sicherstellen können, dass die Grundrechte in Deutschland und damit auch in Rheinland-Pfalz eingehalten werden können, und das in gutem Einvernehmen mit unseren Partnern in den USA. Ich glaube, man kann einer Freundschaft auch zutrauen, dass man solche eklatanten Probleme miteinander gemeinsam löst.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Klöckner, Sie haben das Wort für 8 Minuten.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Frau Klöckner hatte sich vorher gemeldet. Im Übrigen ist es im Sinne eines Dialoges sinnvoll, wenn wir wechseln.

(Pörksen, SPD: Das ist aber ganz neu, Herr Präsident!)

Nein, das ist nicht neu, das steht in der Geschäftsordnung.