Protocol of the Session on November 6, 2013

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, wenn der Vorsitzende der SPDLandtagsfraktion hier im Plenum von der deutschen Bundeskanzlerin als „Mutti“ spricht, ist das respektlos und schlichtweg nur noch peinlich.

(Beifall der CDU – Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie nennen Sie sie denn?)

Der Zwischenruf von Herrn Wiechmann war sehr parlamentarisch und erhellend: Wie nennen Sie sie denn? – Wie ich Frau Merkel bzw. die Bundeskanzlerin nenne, glaube ich, hat hiermit nichts zu tun. Ich glaube aber kaum, dass Sie glauben, dass ich sie „Mutti“ nenne, Herr Wiechmann.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Herr Wiechmann, wenn Sie das glauben, sollten Sie Ihren Schwerpunkt woanders setzen.

(Heiterkeit des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion hat für die Aktuelle Stunde das Thema beantragt – ich lese

es Ihnen noch einmal vor –, weil Sie irgendwie den Dreh nicht zu bekommen schien, „Konsequenzen der NSAAbhöraffäre für Rheinland-Pfalz“. Kurz vor dem Läuten hat Herr Hering noch die Kurve zu Rheinland-Pfalz bekommen und darauf hingewiesen, Rheinland-Pfalz hätte die Konsequenzen daraus frühzeitig gezogen. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten hier über diese Konsequenzen einmal geredet und nicht darum herum geredet und sich als Außenminister bewerben wollen. Das wird nichts, Herr Hering.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter Freunden muss man deutlich sagen dürfen, wann der andere über das Ziel hinausgeschossen hat. Unter Freunden muss man das nicht nur sagen dürfen, man soll es auch sagen. Die USA haben in der Tat über das Ziel hinausgeschossen.

Ich möchte aber persönlich den Bezug zu RheinlandPfalz herstellen. Wir Rheinland-Pfälzer haben eine besondere Freundschaft zu den Amerikanern.

(Pörksen, SPD: Umso schlimmer! – Zuruf des Abg. Köbler, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Köbler, wenn Sie das bezweifeln, ich kann auch gerne hier eine Pressemitteilung von Frau Dreyer vorlesen. Da wurden übrigens weniger die Konsequenzen des Besuchs des amerikanischen Botschafters genannt, der neulich bei Ihnen war. Wir haben beide gute Kontakte zur amerikanischen Botschaft. Im letzten Satz kam ganz kurz der Hinweis auf das Thema „Abhörskandal“.

Wenn das die Konsequenzen gewesen sind, dann frage ich mich, wo diese denn verborgen sind, die Sie hier angesprochen haben wollten, ob sie geheim geblieben sind.

Für Rheinland-Pfalz möchte ich betonen, wir sind auf die Partnerschaft mit den USA angewiesen. Es gibt eine intensive Zusammenarbeit mit den US-Streitkräften. Es gibt Hochschul- und Forschungskooperationen, 70 Schulpartnerschaften. Wir haben außerdem seit 1997 eine Partnerschaft mit South Carolina. Das möchte ich vorab sagen.

Das gehört dazu, auch wenn man Kritik übt. Nicht Russland, sondern die Vereinigten Staaten sind unsere Verbündete. Das will ich noch einmal deutlich machen.

(Beifall der CDU – Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Seit über 20 Jahren ist der Kalte Krieg beendet!)

Möchten Sie kurz herkommen, Herr Wiechmann? Gerne, wenn Sie dürfen, wenn Herr Köbler Sie lässt.

Es ist schon eine besondere Prioritätensetzung, die Herr Köbler vorgenommen hat. Trotz aller Bündnisse – ich unterstelle ihm besseres Wissen – war ihm die schnelle Schlagzeile wichtig:

(Pörksen, SPD: Das kennen Sie überhaupt nicht, was?)

Rheinland-Pfalz soll Herrn Snowden Asyl gewähren. –

(Zurufe von der SPD)

Um es einmal ganz kurz und deutlich zu sagen: Sie haben mit großem moralischen Pathos Asyl für Herrn Snowden gefordert, ohne zu wissen, ob das am Ende auch faktisch durchsetzbar ist, und ohne zu wissen, ob wir ihn ausliefern müssen oder nicht, weil es ein Auslieferungsabkommen gibt. Wir haben ein Auslieferungsabkommen mit den USA, die USA mit uns. Russland hat kein Auslieferungsabkommen mit den USA, auch nicht China, auch nicht Nordkorea. Das hat seinen Grund, lieber Herr Köbler.

Deshalb war Ihr Vorschlag für die schnelle Schlagzeile. Asyl gewähren in Deutschland weder Politiker noch Regierungsmitglieder, sondern Asyl wird nach Recht und Gesetz gewährt.

(Beifall der CDU – Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig! Genau!)

Man kann einen Antrag stellen. Die zuständigen Behörden werden darüber entscheiden. Bei Streitfällen machen das die Gerichte. Herr Snowden verdient Respekt. Er hat zivilen Ungehorsam bewiesen, dadurch auch mit zur Aufklärung beigetragen. Aber wir sollten jetzt nicht in eine Heldenverehrung übergehen. Auch etwas Nüchternheit bei dieser Sache sei angebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben drei grundlegende Herausforderungen. Wir brauchen eine Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten, dass nicht nur die Geheimdienste verpflichtet werden, sondern auch die Regierungschefs sich verpflichten, die Überwachungen zurückzuführen und zu begrenzen; denn wir sind in einer Wertegemeinschaft innerhalb der NATO.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Wir müssen die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützen, die Ausspähung minimieren

(Pörksen, SPD: Sonntagsrede!)

und letztlich auch die Wirtschaftsspionage zurückfahren. Deshalb bin ich dafür, dass wir das SWIFT-Abkommen zurückstellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Herr Köbler, Sie haben das Wort.

(Baldauf, CDU: Darf der Nils gar nicht?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Asyl für Snowden – das ist nicht von mir, das ist der Titel des

aktuellen „SPIEGEL“. Wie ist es denn dazu gekommen? Dazu gekommen ist es, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich ein massives Problem mit der Erfüllung der Grundrechte auf Datenschutz haben. Da gibt es das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das in Frage gestellt ist. Es sind die Rechte der EU und die UN-Grundrechtecharta, was das Recht auf Privatleben und ungestörte Kommunikation angeht, und da sind natürlich auch die Eigentumsrechte von Unternehmen, speziell auch ihre Patente und Ideen, in Gefahr.

„Tempora“, „PRISM“, „XKeyscore“, „Muscular“, all das, was wir da hören, ist nichts anderes als ein Angriff auf die Bürgerinnen und Bürger, auf die Unternehmen, auf unsere Grundrechte und letztlich auch, wenn sich Dinge bewahrheiten, auf den Kern unserer freiheitlichdemokratischen Verfassung, meine Damen und Herren.

Deswegen ist es gut, dass wir heute darüber reden, auch darüber, welche Konsequenzen wir hier für unsere Bürgerinnen und Bürger, aber auch für unsere Unternehmen in Rheinland-Pfalz ziehen.

Wir haben aber auch eine Vorgeschichte. Herr Snowden hat seit Mitte des Jahres seine Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dann hat Anfang August Kanzleramtschef Pofalla von der CDU im Bundestagswahlkampf die NSA-Abhöraffäre für beendet erklärt. Die Kanzlerin hat im ZDF-Sommerinterview gesagt: Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass die Fragen, die aufgeworfen sind, geklärt wurden. – Ja, zu dieser Zeit ging es auch nur um das Abhören von Bürgerinnen und Bürgern und von Unternehmen, meine Damen und Herren. Das ist der amtierenden CDU-Bundesvorsitzenden und geschäftsführenden Bundeskanzlerin offensichtlich egal. Für sie war das abgehakt.

Für sie kam das erst wieder auf die Agenda, als sie gehört hat, dass sie persönlich abgehört wird. Das ist eine Verantwortung, Frau Klöckner, der sich die Christdemokraten gegenüber den Bürgern, aber auch gegenüber den Unternehmen und unserem Land stellen müssen. Sie haben mehr als die Verantwortung nur für die Bundesregierung. Sie haben auch die Verantwortung für den Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen in Rheinland-Pfalz und in Deutschland, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das war der 24. Oktober. Es ist schon bezeichnend, dass Sie von der ganzen Diskussion überhaupt nichts gelernt haben. Morgen haben Sie als Mündliche Anfrage nur das angefragt, was die Landesregierung gegen Spionage tut.

(Zurufe von der CDU)

Wo sind Ihre Initiativen für Datenschutz für Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen? Die haben Sie immer alle blockiert, ob es bei der Vorratsdatenspeicherung oder bei vielen andere Dingen war. Die Tatsache, dass

die Daten der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen in diesem Land nicht geschützt sind, ist nicht nur ein Problem, das wir auf internationaler Ebene mit Geheimdiensten haben, sondern es ist auch ein Grundversagen der CDU-geführten Bundesregierung der letzten Jahre, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Sternstunde der Demokratie: Hans-Christian Ströbele fährt nach Moskau.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Es ist eine Sternstunde des Parlamentarismus, dass ein direkt gewählter Abgeordneter aus FriedrichshainKreuzberg das tut, was die Bundesregierung im August für beendet erklärt hat, nämlich die Fragen mit dem zu klären, der sie beantworten kann, meine Damen und Herren.