Protocol of the Session on September 19, 2013

Sie schreiben in Ihrem Antrag, ein Drittel all derer, die in 450-Euro-Jobs arbeiten, sind jünger als 25 oder älter als 60 Jahre, und Sie sagen dann, es treffe vor allem Schüler und Studierende, wenn die Möglichkeit, 450-EuroJobs anzubieten, abgeschafft würde.

Ich möchte zwei Dinge dazu sagen. Erstens: Niemand möchte Verdienstmöglichkeiten in bestimmten Bereichen einschränken oder abschaffen. Gerade für Studierende und auch für Rentner muss es natürlich möglich sein, dass es Zuverdienstmöglichkeiten gibt. Aber wenn wir uns den Anstieg gerade der über 60-Jährigen anschauen, die in Minijobs arbeiten, dann bedeutet das doch nicht, dass diese Menschen alle unbedingt zwingend in 450-Euro-Jobs arbeiten wollen, sondern es bedeutet in sehr vielen Fällen, dass sie ohne dieses Geld überhaupt nicht leben können und es notwendig ist, dass sie sich dieses Geld dazuverdienen, weil die Rente zu niedrig ist.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Kessel, was ist denn mit den zwei Dritteln, von denen die meisten – wie auch Sie es angeführt haben – Frauen sind? – Die scheinen Sie gar nicht zu interessieren. Sie haben gesagt, Sie wollen den Missbrauch bei den 450-Euro-Jobs bekämpfen. Aber wie möchten Sie das tun? – Sie haben nicht eine einzige Maßnahme genannt, mit der Sie den Missbrauch bei dieser Beschäftigungsform bekämpfen wollen, während wir eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht haben, zum einen natürlich den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro oder eine Stundenbeschränkung bei den 450Euro-Jobs. Aber nichts von dem haben Sie unterstützt, nichts von dem hat Ihre Partei im Bundesrat unterstützt.

Wenn Sie schließlich in Nummer 5 Ihres Antrags schreiben, die mögliche Abschaffung der 450-Euro-Jobs sei ein Angriff auf die Familien, dann fällt mir dazu nur ein: Der eigentliche Angriff auf Familien ist, dass Frauen in 450-Euro-Jobs gedrängt werden, weil sie gar keine anderen Jobs angeboten bekommen. Das trifft vor allem viele Alleinerziehende. Das ist der eigentliche Angriff auf Familien und natürlich auch, dass es keine eigenständige Absicherung im Alter gibt.

Sie kümmern sich also im Grundsatz nur um die Familien, die sich eine Haushaltshilfe leisten können. Das sind nicht allzu viele. Die anderen, die von diesen 450 Euro leben müssen, sind Ihnen herzlich egal.

Wir bleiben dabei: Wir wollen den Mindestlohn auch innerhalb der 450-Euro-Jobs, um dort das Lohndumping zu verringern. Wir wollen auch die Fehlanreize im Steuersystem beseitigen, sodass natürlich auch die Aufnahme von regulärer Teilzeitarbeit oder Vollzeitarbeit deutlich attraktiver wird.

(Glocke des Präsidenten)

Wir wollen keine Dumping-Löhne. Ich würde mich freuen, wenn Sie das kapieren und nicht nur einfach Anträge kopieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Köbler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was soll man zu diesem Antrag sagen? Liebe CDU, ich glaube, die größte Leistung, die Sie da vollbracht haben, ist, dass es gelungen ist, beim Copy-and-paste des Antrages aus Hessen das Wort „Hessen“ durch „Rheinland-Pfalz“ zu ersetzen. Das zeigt Ihre Erfahrung beim Thema „Copy and-paste“.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Aber wir können uns den Antrag einmal anschauen. Sie ignorieren, dass über 7 Millionen Menschen in Deutschland einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, fünf Millionen Menschen ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen und 10 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neben ihrem Vollzeiterwerb noch eine geringfügige Beschäftigung aufnehmen, in aller Regel deswegen, um sich und ihre Familie überhaupt ernähren zu können.

Das ist das von Ihnen immer proklamierte Jobwunder unter Schwarz-Gelb, prekäre Beschäftigung, Minijobs und Dumpinglöhne. Das ist doch die sozialpolitische Realität in diesem Land. Leider haben Sie in Ihrem Antrag den beschreibenden Teil vergessen.

Dann gehen wir einmal auf den Antrag ein. In Nummer 1 wollen Sie, dass der Landtag begrüßt, dass die Grenze für die Minijobs angehoben worden ist. Das haben wir alles diskutiert. Das haben Sie selbst wieder referiert. Wir haben uns ganz klar kritisch dazu im Landtag positioniert.

Dann kommen wir zu Nummer 2. Da behaupten Sie, die GRÜNEN wollen die Mini- und Midijobs abschaffen. Das ist falsch. Das steht so nicht in unserem Programm. Aber wir sind es in diesem Wahlkampf gewohnt, dass Sie versuchen, mit Dreck nach dem Motto zu schmeißen: Irgendetwas wird schon hängenbleiben.

Wir wollen die Mini- und Midijobs reformieren. Wir wollen, dass sie nicht länger sozialversicherungspflichtige Jobs in diesem Land verdrängen und Menschen in prekäre Arbeitssituationen drängen.

In Nummer 3 schreiben Sie, dass die Abschaffung vor allem Schüler, Studenten und Rentner treffen würde. Ja, genau die Schüler und Studenten wollen wir eben nicht treffen, weil es durchaus politisch gewollt ist, dass auch Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten neben ihrem Studium oder neben der Schule eine geringfügige Beschäftigung ausüben können. Dafür ist es einmal mitgedacht worden.

In Nummer 4 schreiben Sie, dass die Maßnahme vor allem auch die ehrenamtlich Tätigen und die Vereine treffen würde. Das ist ganz falsch. In unserem Wahlprogramm ist genau nachzulesen, dass es genau in diesen Bereichen geringfügige Beschäftigung auch weiterhin geben soll, um dort weiterhin das ehrenamtliche Engagement entsprechend zu unterstützen.

Dann versteigen Sie sich in Nummer 5 in eine Formulierung, die, wie ich finde, der Würde dieses Hauses nicht angemessen ist, vielleicht der Würde des Hessischen Landtages, ich weiß es nicht.

Aber hier von einem Anschlag auf Familien zu reden, ist schon allerbilligste Wahlkampfpolemik. Wenn Sie genau nachgelesen haben, so steht in unserem Wahlprogramm, dass es gerade im Bereich der Haushaltshilfen und der Familienunterstützung bei den vereinfachten Verfahren wie bei der jetzigen Minijobregelung bleiben soll. Das heißt, Sie haben nichts anderes getan, als hier sozusagen eine billige Polemik aus Hessen aufzugreifen. Sie haben sich noch nicht einmal die Mühe ge

macht, unseren Antrag zu lesen, geschweige denn, sich mit den Fakten vertraut zu machen.

Dass wir dort aber ein Problem bei den Mini- und Midijobs haben, gibt sogar eine Studie her, die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben worden ist, in der genau steht, dass das Hauptziel der geringfügigen Beschäftigung, nämlich eine Brücke zwischen der Erwerbslosigkeit und den sozialversicherungspflichtigen Jobs zu schlagen, objektiv verfehlt und nicht erreicht worden ist.

Ich komme einmal zu den Relationen. Wenn es Ihnen wirklich um Ehrenamtliche gehen sollte, die auch bei uns explizit ausgeschlossen sind, wenn wir bei über 7 Millionen Minijobs gerade einmal 230.000 Beschäftigte in diesem Bereich, um den es Ihnen ja vorgeblich geht, überhaupt haben, dann können Sie doch nicht sagen, dass mit einer grundsätzlich sozialpolitisch gewollten Reform im Bereich der geringfügigen Beschäftigung insbesondere diese betroffen wären, zumal diese bei der Reform, wie wir sie uns vorstellen, explizit ausgeschlossen sind.

(Glocke des Präsidenten)

Ich glaube, auch für die sozialpolitische Debatte würde das Niveau steigen, wenn die Wahlen am Sonntag endlich in unserem Sinne vorbei sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat Herr Schweitzer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal einen Blick in die Social Media werfen und Ihnen zur Kenntnis geben, was Frau Abgeordnete Klöckner gerade eben getwittert hat.

(Frau Klöckner, CDU: Super!)

Sie hat geschrieben: Rot-Grün will 450-Euro-Jobs verbieten und Schülern, Rentnern, Studenten etc. Nebenverdienst wegnehmen. –

(Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist die Unwahrheit!)

Meine Damen und Herren, liebe Frau Klöckner,

(Frau Klöckner, CDU: Zu bürokratisch!)

das ist entweder bewusst die Unwahrheit gesagt, oder Sie haben keine Ahnung. Beides ist bei Ihnen nicht ausgeschlossen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Frau Klöckner, ich kann Ihnen sagen, es täte Ihnen gut, Ihr Sitznachbar würde Ihnen hin und wieder einmal das Handy wegnehmen. Das wäre wirklich gut für die politische Debatte.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Herr Schreiner wird ganz rot. Das würde er sich nie trauen, aber es wäre im Sinne Ihrer Fraktionsvorsitzenden, meine Damen und Herren.

Bis eben habe ich gedacht, es geht Herrn Kessel, den ich sehr schätze, wie er weiß, um eine ernsthafte Debatte, nämlich darüber, wie wir die Gratwanderung hinbekommen zwischen der Bekämpfung von Missbrauch von Mini- und Midijobs und gleichzeitig dem weiteren Möglichmachen dieser flexiblen Arbeitsmöglichkeiten. Das ist genau die Herausforderung. Das ist ein bisschen schwierig, liebe Frau Klöckner, wenn man nicht nur in 140 Zeichen tippt, sondern manchmal auch nicht darüber hinaus denkt. Es ist aber tatsächlich die Herausforderung, die wir an dieser Stelle brauchen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es gibt tatsächlich in völlig legitimer Weise bei Schülerinnen, Schülern, Studierenden, bei Rentnern, und zwar meine ich die Vollrentner in Altersrente, einige, die sagen, ich möchte gerne noch vielleicht entlang meiner Möglichkeiten und meiner Kompetenzen etwas obendrauf machen. Wenn ich dann noch mehr als 3,50 Euro am Tag dafür bekomme, dann bin ich da gar nicht undankbar. Das kann ich vielleicht ganz gut gebrauchen. –

Das ist etwas, was die Sozialdemokratie und Rot-Grün insgesamt nie in irgendeiner Weise kritisiert oder abgelehnt hat, im Gegenteil. Wir werden auch in Zukunft einen Arbeitsmarkt haben, der diese flexiblen Möglichkeiten braucht.

Aber wir haben natürlich auch die Situation, wie das manchmal so ist mit den flexiblen Instrumenten, dass sie von den Falschen aus falschen Motiven zu falschen Ergebnissen manipuliert werden. Das haben wir bei der Leiharbeit erlebt. Das erleben wir zurzeit – schauen Sie sich in Niedersachsen um – bei den Werkverträgen, und wir erleben es bei den Mini- und Midijobs, meine Damen und Herren.

Es ist doch nicht zu viel verlangt, dass wir gemeinsam überlegen, wie wir Flexibilität und Ansprüche an Flexibilität und Sicherheit zusammenbringen.

Ich habe Sie in einer anderen Debatte, die wir heute geführt haben, darauf hingewiesen, dass ich diesen Sommer sehr stark auch mit Unternehmen, Selbstständigen, kleinen und mittleren Unternehmen gesprochen habe, die gesagt haben, natürlich wollen wir auch diese flexiblen Instrumente. Aber wir sind schon lange darauf angewiesen, dass wir auch Sicherheit bei den Arbeitsangeboten ausstrahlen, die wir formulieren, weil wir Fachkräfte an uns binden wollen. Wir wollen, dass

Fachkräfte auch in den schwierigen Regionen bleiben. Dann können wir uns schon mit diesen Instrumenten gar nicht mehr lange helfen.