Protocol of the Session on July 4, 2013

Insofern ist es gut, wenn wir in Rheinland-Pfalz das mit all den Erfahrungen, die wir machen, und all den Möglichkeiten, die wir haben, als Vorreiter bundesweit aufzutreten, in die bundespolitische Debatte einbringen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Malu Dreyer und Peer Steinbrück gemeinsam ein Papier in diese wichtige Debatte – ganz bewusst in die Auseinandersetzung vor der Bundestagswahl – eingebracht haben; denn sie haben damit dieses Thema auf die bundespolitische Agenda gesetzt.

(Beifall der SPD)

Wir haben in Rheinland-Pfalz über unser LWTG – das Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe – weitere Schritte in Richtung „ambulant vor stationär“ und in Richtung Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung vorgenommen. Auch da merken wir, es werden Prozesse angestoßen, auf die andere Landesregierungen mit Staunen sehen und sagen: Mein Gott, da sind uns die Rheinland-Pfälzer wieder um eine Nasenlänge voraus; die haben verstanden, wohin es geht, und sind auch bereit, die Verantwortung im Rahmen der landesgesetzgeberischen Möglichkeiten zu übernehmen. Da schauen wir uns manches ab. – Wir sind auch nicht eifersüchtig,

wenn man sich in Niedersachsen, in Bayern, in Schleswig-Holstein und in Hessen unsere Pflegeberatungsstruktur abschaut. Im Gegenteil, es soll den Menschen dort so gut gehen wie den Menschen in Rheinland-Pfalz.

Natürlich ist es so: Wir werden in all diesen Fragen nicht nur über Beratungsangebote und gesetzgeberische Maßnahmen weiterkommen, sondern wir haben es bei den Gesundheitsfachberufen allgemein, in der Gesundheits- und Krankenpflege und in einem noch stärkeren Ausmaß – so würde ich das sehen – in der Altenpflege auch mit dem Thema „Fachkräfte“ zu tun. Das ist so, und ich glaube auch, da sind wir zusammen.

Liebe Frau Thelen, wenn Sie vom Minister Zahlen einfordern, sage ich Ihnen: Ich kann sie in jeder Ausschusssitzung vortragen; ich habe sie bisher schon in fast jeder Ausschusssitzung vorgetragen. Wenn Sie wollen, trage ich sie immer vor. Ich bin da überhaupt nicht zurückhaltend. Aber sich hier hinzustellen und zu sagen, Sie hätten keine Zahlen bekommen – – –

(Frau Thelen, CDU: Nein, ich habe gesagt, wir haben Zahlen bekommen! – Frau Kohnle-Gros, CDU: Das hat sie doch nicht gesagt! Das ist doch gar nicht wahr!)

Gut, dann bin ich froh; dann ist es schön. Ich stimme Ihnen zu, Sie haben Zahlen bekommen. Das lässt mich hoffen, dass Sie dann auch bereit sind, die Zahlen aufzunehmen und auf der Basis der gemeinsamen Zahlenanalyse zu gemeinsamen Schritten zu kommen.

Das zeigt uns nämlich ganz deutlich, dass wir in Rheinland-Pfalz, was die Fachkräftestrategie angeht, auf dem richtigen Weg sind. Natürlich haben wir festgestellt, wo die Lücken entstehen oder wo es sie heute bereits gibt. Das ist regional sehr unterschiedlich. Es gibt Regionen in Rheinland-Pfalz, in denen Angebot und Nachfrage noch ausgeglichen sind, in denen es aber schon anfängt, schwierig zu werden. Es gibt aber auch Regionen in Rheinland-Pfalz, in denen wir wirklich schon die Marktsituation haben, dass wir viele Stellen nicht besetzen können.

Wir haben gemeinsam mit den Akteuren am Markt im Bereich der Pflege – den Betreibern, den Ausbildungsanbietern und den Arbeitgebern – festgelegt, dass wir eine Strategie verfolgen, die auf Ausbildungsleistungserhöhung fußt. Sie setzt voraus, dass wir die Ausbildungsleistung Jahr für Jahr um 10 % erhöhen. Auf diesem Weg sind wir schon ordentlich weit gekommen. Zusammen mit anderen Maßnahmen, etwa dem Ausgleichsverfahren in der Altenpflege, ist es uns gelungen, die Zahl der Ausbildungsplätze seit 2004 kontinuierlich um sage und schreibe 40 % zu erhöhen, sodass wir heute, 2012/2013, 3.121 Auszubildende haben. Wenn wir auf diesem Weg weitergehen, werden wir über die Steigerung der Ausbildungszahlen tatsächlich dem Fachkräftemangel begegnen können.

Aber das wird nicht genügen. Wir brauchen auch Impulse für Berufsrückkehrerinnen und -rückkehrer. Wir brauchen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch in der Pflege, wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen, und wir brauchen eine bessere Entlohnung. Ich

habe übrigens diese Reihenfolge bewusst so gewählt; denn in vielen Gesprächen mit Pflegeberufsangehörigen höre ich: Natürlich wäre es schöner, wir würden mehr verdienen, das ist richtig; aber noch besser wäre es, wir könnten Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren. Wenn die Arbeitsverdichtung so ist, dass man einige Schichten hintereinander absolvieren muss, weil es nicht anders geht, wird irgendwann die Familie zu Hause auf der Strecke bleiben. – Sie sagen auch: Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind, was die physische und auch die seelische Belastung angeht, so, dass man nach einigen Jahren nahe dran ist, selbst ein Pflegefall zu werden. – Darum müssen wir an dieser Stelle gemeinsam besser werden.

Die Handlungsfelder sind benannt. Ich wiederhole: Ich bin sehr froh, dass der Kanzlerkandidat der SPD das gemeinsam mit Ministerpräsidentin Dreyer zu einem prominent besetzten Thema gemacht hat. Ich bin auch sehr froh, dass er eine Zahl in den Raum gestellt hat, von der wir jetzt alle sagen können: Ja, sie ist verifizierbar und auch belastbar. – 125.000 Pflegekräfte werden wir in Deutschland in Zukunft brauchen. Das würde auch für Rheinland-Pfalz einen klaren Impuls geben. Er hat auch gesagt, wie man so etwas finanzieren kann, nämlich indem man den Mut aufbringt, deutlich zu erklären, wir müssen in der Pflegeversicherung, was die Beiträge betrifft, nach oben gehen: um 0,5 Prozentpunkte. Das bedeutet 6 Milliarden Euro für die Pflegeversicherung. Das ist eine Summe, mit der man dann auch umgehen kann.

All das steht im Widerspruch zu dem, was unser Bundesgesundheitsminister macht oder vielmehr unterlässt. Es gab 2011 das Jahr der Pflege, von dem wir alle nichts mitbekommen haben, weil nichts geschehen ist. Es gab eine Expertenkommission, die sich mit einem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff befasst hat. Das ist jetzt, in dieser Woche, veröffentlicht worden. Vor drei Jahren hätte man das auch schon haben können. Mit dem, was Ulla Schmidt damals auf den Weg gebracht hat, war man schon genau so weit.

Wir sind also in der Situation, dass wir, ähnlich wie in der Rentendebatte gestern, feststellen können: Auch in der Pflege gab es unter dieser Bundesregierung verlorene Jahre. Es ist an der Zeit, dass die Pflege stärker in den Mittelpunkt rückt. In Rheinland-Pfalz sind wir auf diesem Weg. Wir haben gestern die Pflegekammer mit einer Gründungskonferenz sozusagen auf die Schiene gesetzt: alle Pflegeberufsangehörigen in ihren Organisationen und die Pflegegesellschaft. – Ich bin besonders froh, dass ver.di, die Gewerkschaft in der Pflege, in der Gründungskonferenz mit an Bord ist, eine Vertreterin von ver.di stellvertretende Vorsitzende der Gründungskonferenz der Pflegekammer ist und Schwester Basina, die wir alle gut kennen und schätzen, den Vorsitz der Pflegekammer übernommen hat. Das ist eine gute Geschichte.

Ich bin sehr froh, dass wir in Rheinland-Pfalz in dieser Debatte – hoffentlich – gemeinsam feststellen können: In Rheinland-Pfalz steht die Pflege ganz oben auf der Tagesordnung. – Wir werden uns mit diesen Debatten in Zukunft dann leichttun, wenn wir versuchen, die Antwor

ten auf die Zukunftsherausforderungen gemeinsam zu formulieren.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wegen der Überschreitung der Redezeit durch die Landesregierung ergeben sich für die Fraktion der CDU neue Zeiten: Sie bekommt 4 Minuten und 40 Sekunden Redezeit dazu; für die anderen Fraktionen sind es jeweils 2 Minuten und 20 Sekunden.

Sehr geehrter Herr Präsident, geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Vielen Dank für die zusätzliche Zeit.

Sehr geehrte Frau Kollegin Thelen, da Sie mich persönlich angesprochen haben, antworte ich gerne. Sie haben gesagt, die Lage der Pflege sei bei der SPD angekommen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Ja!)

Darauf antworte ich Ihnen ganz persönlich, Frau Thelen. Ich habe 20 Jahre lang in der Pflege gearbeitet, bevor ich ins Parlament gewählt wurde.

(Pörksen, SPD: Frau Thelen aber nicht!)

Das habe ich gerne in vielen, vielen Diensten mit großem Engagement getan. Ich bin heute noch eng mit der Pflege und der Ausbildung verbunden.

Für mich als Abgeordnete und für meine SPD-Fraktion, die im Ländervergleich hervorragende Anträge gestellt und intensiv für die Pflege und den Bedarf in der Pflege gearbeitet hat, und für eine Landesregierung, die bundesweit herausragend bei der Pflege aufgestellt ist, ist die Analyse der Ursachen so interessant, dass ich auf Sie persönlich erwidern darf: Da haben Sie etwas nicht gemerkt.

Vielleicht haben Sie auch nicht gemerkt, dass wir in dieser Legislaturperiode in den Ausschüssen unheimlich oft die Thematik „Pflege“ diskutieren. In der Ausschussarbeit beschäftigen wir uns oft mit der Arbeitsmarktpolitik, aber auch sehr oft mit der Pflege, den demografischen Herausforderungen und dem Ärztemängel in unserem Land. Dies deshalb, weil es eine der größten Herausforderungen sein wird, wie wir es gestalten, wenn die Menschen vom Hausarzt, von der Krankenschwester, von der Altenpflegerin, von den Hilfsdiensten, die bei den täglichen Verrichtungen helfen müssen, versorgt werden müssen.

Das ist die Analyse der Ursachen, die ich in meinem fünfminütigen Redebeitrag vorhin deutlich gemacht habe. Was ist notwendig, um die Menschen arbeiten zu

lassen und ein auskömmliches Vermögen zu haben, damit man sich überhaupt eine Unterstützung leisten kann? Der nächste Punkt ist natürlich, was wir, was der Staat, braucht, was er leisten muss, welche Aufgaben zu bewältigen sind, um 2030 demografiefest für die Herausforderungen zu sein, die uns begegnen.

Die simple Antwort, die ich heute unter dem Strich gegeben haben, lautet: Mehr qualifizierte Hände für mehr Arbeit, für mehr Leistungen, die unter etwas weniger Zeitdruck dem Berufsbild der Pflege angepasst getätigt werden müssen; denn die Menschen, die Pflege erlernen, möchten nicht im Minutentakt waschen, bürsten, trocknen, sondern sie möchten sich den Menschen zuwenden und diese gut versorgen. – Nur dann ist die Berufszufriedenheit so hoch, dass die Menschen im Beruf verbleiben und Frauen oder Männer ganztags und nicht in Teilzeit arbeiten.

Das gilt nicht nur für den stationären Bereich. Frau Thelen, an der Stelle muss ich Ihnen energisch widersprechen. Im ambulanten Bereich müssen die Menschen auch am Sonntagmorgen um 06:00 Uhr, am Heiligabend, an Silvester spät abends versorgt werden. Irgendjemand muss durch Eis und Schnee zu ihnen fahren und die pflegerische Leistung erbringen, damit der Mensch nicht nur satt und sauber, sondern wirklich gut versorgt ist. Dafür kämpfen wir. Dafür überlegen wir uns für die Zukunft Konzepte. Dazu habe ich von Ihnen nichts weiter gehört als eine – ich zitiere – moderate Erhöhung. Frau Thelen, das hilft uns nicht. Das sagen wir schon seit langer Zeit. Wir legen Ihnen ein Papier auf den Tisch mit 125.000 neuen Stellen, davon 6.000 für Rheinland-Pfalz. Das ist ein bezahlbarer Finanzierungsvorschlag.

Gestern haben wir in diesem Saal die Mütterrente diskutiert. Frau Thelen, auch da hat die gesamte Finanzierung gefehlt. Auch da haben Sie nicht geliefert.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das stimmt doch nicht! Das wissen Sie!)

Wir wollen eine generalistische Ausbildung. Wir brauchen Berlin, das seit Jahren schläft und nicht weiterarbeitet.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das gilt auch für eine Altenpflegeausbildung in Deutschland, für die alle kein Schulgeld bezahlen müssen und bei der alle eine tarifliche Entlohnung bekommen, damit wir keinen Wettbewerb zwischen den ausgebildeten Kräften haben. Das ist kein rheinland-pfälzisches, sondern ein deutschlandweites und sogar ein europäisches Problem; denn ausgebildete Fachkräfte werden überall benötigt. (Glocke des Präsidenten)

Frau Thelen, zum Thema „Demenz“ haben Sie kein Wort gesagt. Das ist sehr enttäuschend!

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Thelen, Sie haben das Wort. Wie gesagt, Ihnen steht eine Redezeit von 6 Minuten und 20 Sekunden zur Verfügung.

6 Minuten 20 Sekunden? Ich habe gemeint, 4 Minuten und 40 Sekunden.

Die Grundredezeit plus die von der Landesregierung überzogene Redezeit. Die Opposition erhält die ganze Zeit, während sich die beiden anderen Fraktionen die Redezeit teilen müssen.

Sehr schön.

Bitte, jetzt sind Sie an der Reihe.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch Zuhören können anscheinend Missverständnisse entstehen. Das Missverständnis von Herrn Schweitzer konnten wir aufklären. Ich habe ganz klar gesagt, wir haben von Ihnen Zahlen vorgelegt bekommen. Aufgrund der Antwort vom Oktober 2011 auf unsere Große Anfrage mussten wir gerade zur Situation der Pflege und ihrer Entwicklung vor dem demografischen Hintergrund feststellen, dass der Bedarf bis 2025 dazu führen wird – bis dahin sind es nur noch zwölf Jahre –, dass 12.000 Plätze wahrscheinlich nicht besetzt werden können. Die Nachfrage nach Pflegekräften insgesamt wird allein in Rheinland-Pfalz bei über 45.000 liegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe schon einige Jahre in diesem Landtag verbracht und mich gerade mit dem Thema „Pflege“ sehr intensiv beschäftigt. Ich kann mich sehr gut daran erinnern – Frau Ministerpräsidentin Dreyer wird sich daran auch erinnern können –, dass es Zeiten gab, zu denen wir wirklich den Eindruck hatten, dass es für Sie schwer war, sich dem demografischen Wandel an der Stelle zu stellen.

(Beifall der CDU)

Das war vor zehn Jahren. Ich kann Ihnen gerade dazu die Plenarprotokolle vorlegen. Wir haben darauf hingewiesen, wie dramatisch die Situation werden wird.

(Dröscher, SPD: Unglaublich! Sie wissen genau, wer das Thema eingebracht hat! Unglaublich!)

Selbst wenn wir die Versicherungsleistungen geklärt bekommen und selbst wenn wir es finanziell hinbekom