Natürlich seien auch die Teilnehmer unseres Landtagsseminars heute ebenso herzlich willkommen geheißen!
Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Christian Baldauf und Dr. Norbert Mittrücker (CDU), Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms IV gegen den Bürgerprotest – Nummer 2 der Drucksache 16/2259 – betreffend, auf. Wer trägt vor? – Herr Baldauf, bitte schön.
1. Aus welchen Gründen will die Landesregierung darauf verzichten, dem Landesentwicklungsprogramm mehr Verbindlichkeit und Rechtskraft zu geben, indem es im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens in Kraft gesetzt wird?
2. Wie beurteilt die Landesregierung die auch nach der überarbeiteten Fortschreibung des LEP IV unveränderten Proteste sämtlicher Naturschutzverbände und einer wachsenden Zahl von Bürgerinitiativen gegen die Regelungen zur Standortbestimmung von dezentralen Energieanlagen?
3. Aus welchen Gründen hält die Landesregierung eine Verminderung der Abstandsregel für Windkraftanlagen zu Bebauungsgebieten auf 800 Meter für tragbar, obwohl die neueren Anlagen höher und größer werden?
4. Aus welchen Gründen hält die Landesregierung es für notwendig oder zumutbar, in den Regionen des Landes, in denen bereits zwei Prozent der Fläche für Windkraftanlagen in Anspruch genommen sind, den Bau weiterer Anlagen unbeschränkt zuzulassen?
Danke schön, Herr Präsident! Herr Baldauf, sehr geehrte Damen und Kollegen, das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren für die Aufstellung und Änderung des Landesentwicklungsprogramms ist in der letzten Woche für die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms IV, Kapitel erneuerbare Energien, mit der Beschlussfassung über die Rechtsverordnung im Kabinett beschlossen worden. Im Vorfeld sind zwei Beteiligungs- und Anhörungsverfahren, mehrfache Befassungen in den Fachausschüssen des Landtages bis hin zur Herstellung des Benehmens im zuständigen Innenausschuss durchgeführt worden. Auch im Plenum ist hierüber schon diskutiert worden. Wenn heute nochmals Fragen zum Verfahren und zu den Inhalten aufgeworfen werden, dann beantworte ich das natürlich sehr gern wie folgt:
Zu Frage 1: Bereits im Zusammenhang mit der Neuaufstellung – die Neuaufstellung des LEP IV erfolgte im Herbst 2007 – ist die Frage der Notwendigkeit bzw. Sinnhaftigkeit eines Gesetzgebungsverfahrens intensiv diskutiert worden. Vonseiten der FDP war damals bereits ein entsprechender Antrag gestellt und auch negativ im zuständigen Fachausschuss beschieden worden. Sofern nur der Landtag über das Landesentwicklungsprogramm beschließen und damit das Landesentwicklungsprogramm Gesetzescharakter erhalten soll, wäre das in der Bundesrepublik einmalig. Bisher gab es ent
sprechende Regelungen in den Ländern NordrheinWestfalen und Niedersachsen, die jetzt jedoch durch entsprechende Gesetzesänderungen – LEP als Rechtsverordnung – entfallen sind.
Ein Gesetzescharakter des Landesentwicklungsprogramms wäre auch im Hinblick auf eventuell notwendige Planänderung und im Hinblick auf Zielabweichungsverfahren nicht unproblematisch. Die Handlungsmöglichkeiten der Landesregierung wären unter Umständen sehr eingeschränkt. Eine Zustimmungsverordnung gibt es in der Bundesrepublik nur in den Ländern Bayern und Hessen. In einigen anderen Ländern ist lediglich eine Kenntnisnahme des jeweiligen Landtages vorgesehen. In anderen Ländern erfolgt gar keine Beteiligung des Landtages.
In Bezug auf die inhaltliche Wirkung ist festzustellen, dass durch ein Gesetz keinerlei größere Rechtsverbindlichkeit entstehen würde. Die im LEP IV enthaltenen Ziele sind auch als Teile einer Rechtsverordnung verbindliche Rechtsnormen.
Zu Frage 2: Es bestehen in einzelnen Fragen unterschiedliche Auffassungen. Die im Rahmen des Beteiligungs- und Anhörungsverfahrens vorgetragenen Argumente sind sorgfältig geprüft und abgewogen worden. Mit der aktuellen Kritik werden keinerlei neuen Argumente vorgetragen als die bekannten, die hier auch schon erörtert worden sind.
Im Übrigen ist die Landesregierung davon überzeugt, dass die Mehrheit der Bevölkerung für einen Ausbau der Windenergienutzung ist. 94 % befürworten die Energiewende. 73 % befürworten nach verschiedenen Umfragen sogar Windenergieanlagen in ihrem unmittelbaren Umfeld. Ich verweise auf die heute vom SWR veröffentlichte Umfrage, nach der 61 % der Menschen auch für mehr Windkraftanlagen sind.
Zu Frage 3: Die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms enthält keine Abstandsregelungen. Diese sind aufgrund der ständigen technischen Weiterentwicklung in den entsprechenden Empfehlungen zu Abständen im zeitnah folgenden Rundschreiben enthalten. Mit höheren und größeren Anlagen sind nicht zwangsläufig auch höhere Belastungen verbunden. Die neuen moderneren Anlagen sind je nach Art und Bautyp häufig wesentlich leiser als niedrigere Altanlagen. Dies verdeutlicht, dass für die Festlegung von Mindestabständen letztlich die Einhaltung der Lärmgrenzwerte der TA Lärm entscheidend ist.
Dies folgt aus den Bestimmungen des BundesImmissionsschutzgesetzes. Vor diesem Hintergrund ist die im Rundschreiben vorgesehene Angabe von 800 Metern eine Größenordnung, die die Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der TA Lärm einschließlich eines Vorsorgezuschlages einhält.
Zu Frage 4: In der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms wird als Grundsatz eine Vorgabe für das Land insgesamt vorgenommen. Nicht einzelne
Regionen oder Gemeinden müssen einen Anteil von 2 % erbringen, sondern dieser Anteil soll sich in der Summe ergeben. Folglich werden aufgrund der unterschiedlichen Windhöffigkeiten in den Teilräumen des Landes auch unterschiedliche Beiträge geleistet werden.
Darüber hinaus kann von einem unbeschränkten Ausbau keine Rede sein, da es eine Vielzahl von fachgesetzlichen und raumordnerischen Ausschlüssen und Einschränkungen gibt, die die Möglichkeiten einer Standortausweitung auf der Ebene der Regional- und Bauleitplanung deutlich einschränken.
Frau Ministerin, wie bewerten Sie denn die Einstellung der zwischenzeitlich 18 Bürgerinitiativen, die Sie mit einem offenen Brief am 15. April 2013 angeschrieben haben und Ihnen vorwerfen, die Bürgerinitiativen, die Menschen und deren Anliegen nicht ausreichend zu berücksichtigen?
Ich nehme wahr, dass die Bürgerinitiativen einen sehr hohen Anspruch an sich selbst und an ihre Aufgabe haben, auch mit den Naturschutzverbänden die Natur zu schützen, und sich die Intensität ihrer Arbeit natürlich mit den vielen Vorhaben auch einfach intensiver gestaltet. Früher war es so, dass bei drei bis fünf Vorhaben pro Jahr die Naturschutzverbände diese auch mit ihrem hohen Anspruch gut begleiten konnten.
Die große Anzahl von Vorhaben im Land macht natürlich eine intensivere Begleitung auch für die Verbände notwendig. Da sie dies auch gut machen wollen, ist jetzt auch viel zu tun. Vor diesem Hintergrund kann der Eindruck entstehen, es würde sehr schnell gehen, es würde viel passieren, und es würde vielleicht in den Kommunen auch auf Verbandsgemeindeebene hier nicht die notwendige Vorsorge und Mitnahme erfolgen.
Wir beantworten das so: Eine intensive Beratung und Begleitung ist dringend notwendig. Dafür haben wir die Energieagentur gegründet. Regionale Energieagenturen sollen folgen, um dem großen Bedürfnis unserer Bürgerinnen und Bürger im Land, selbst entscheidend mitwirken und mitgestalten zu können, nachkommen zu können.
Davon abgesehen verlagert das Landesentwicklungsprogramm die Entscheidungskompetenz in die Hände derjenigen Menschen, die die Flächennutzungspläne
erstellen, nämlich die Verbandsgemeindebürgermeister und Verbandsgemeinderäte. Sie können auch den notwendigen Konsens herstellen, wenn einzelne Ortsgemeinden dazu möglicherweise kleine Differenzen haben. Damit haben wir die Entscheidungsmöglichkeiten wieder so weit unter den Bürgern verankert, wie das nicht nur unsere Verfassung vorsieht. Wir wissen auch, dass die Verbandsgemeinden das können.
Ich darf gerne daran erinnern, dass die Verbandsgemeinden auch in den 50er- und 60er-Jahren maßgeblich in der Wasserversorgung und Wasserentsorgung sowie der Abfallentsorgungsgestaltung tätig waren. Das ist auch ein Stück Infrastrukturabsicherung. Für die Energiewirtschaft gilt die Ausgestaltung dann ähnlich. Damit haben wir das ganz nah am Bürgergeschehen, dicht dran an den Menschen vor Ort. Diesen Auftrag haben wir schon mitgenommen in diese Regierung, deswegen wollen wir das natürlich auch begleiten.
Wie gesagt: Ich habe großes Verständnis dafür. Die Energieagenturen werden helfen. Ich bin sicher, dass unsere Verbandsgemeinden und Verbandsgemeindebürgermeister kompetent sind, dies in die Hand zu nehmen.
Frau Ministerin, Sie haben sich bei der Beantwortung der dritten Frage zu den Abstandsgrößen zu Recht darauf bezogen, dass es Bundesimmissionsschutzregelungen und andere Lärmschutzvorschriften gibt. In der Industrie, in der Wirtschaft im Allgemeinen gibt es genau diese Vorschriften auch. Wenn Sie aber in den Mittelstand und auch in die Industrie gehen, werden klare Vorgaben gemacht, was Geräuschemissionen angeht. Wie viele Dezibel setzen Sie an, wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger mit einem Abstand von 800 Metern belasten? Sagen Sie uns klipp und klar, welche Größenordnungen Sie dazu brauchen, – –
Wir setzen die im Bundes-Immissionsschutzgesetz und in der TA Lärm dafür vorgesehenen Werte an. Die Kommunen können bei der Festlegung der Flächennutzungspläne – dazu dient dann ja auch das Rundschreiben – in den Abstandsregelungen über die 800 Meter hinausgehen und weitere Abstände selbst definieren.
Frau Ministerin, inwiefern haben Sie die Einsprüche und Anregungen der Bürger und der Verbände in den neuen Entwurf mit einfließen lassen? Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Aussage der Naturschutzverbände, dass es insbesondere im Hinblick auf den zweiten Entwurf keinen entsprechenden Dialog mehr gab?
Wir haben die Anliegen der Naturschutzverbände insbesondere dadurch einfließen lassen, dass wir die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms in eine zweite Offenlegung gebracht haben.
Diese zweite Offenlegung unterschied sich von der ersten dadurch, dass wir insbesondere die Gebiete, die kulturhistorisch besonderen Wert haben, auch im Hinblick auf die Rolle der Regionalen Planungsgemeinschaften noch einmal höher bewertet haben. Hier erhielten die Regionalen Planungsgemeinschaften den Auftrag, die Ausgestaltung zu spezifizieren.
Insofern haben wir einen guten Teil der Kritik aufgenommen und in das zweite Verfahren, die zweite Offenlegung mit eingebunden.
Frau Ministerin, können Sie bestätigen, dass auch in anderen Bundesländern, beispielsweise in Bayern, eine Abstandsregelung von 800 Metern gilt, dass die 800 Meter eben nicht im Landesentwicklungsprogram (LEP) festgelegt werden und dass sich der Verdacht aufdrängt, dass die CDU das LEP gar nicht gelesen hat?
Sehr geehrter Kollege Braun, die ersten zwei Drittel Ihrer Frage bestätige ich gern. Zum letzten Teil der Frage: Ich gehe davon aus, dass die Kollegen aus der CDUFraktion sich selbstverständlich intensiv damit befasst haben. (Heiterkeit im Hause)
Frau Ministerin, wie bewerten Sie die Aussage der Initiative „Soonwald“, die einen Dialog mit Ihnen gesucht hat und deren Vorsitzender daraufhin ausgeführt hat: „Wir wurden nicht gefragt.“?