Protocol of the Session on March 7, 2013

Frau Klöckner hat eben den Zettel von den Kreistagswahlen gezeigt. Das ist nicht der einzige Zettel. Es kommt eine ganze Menge mit dazu. Das ist oft ein richtiger Stoß. Insbesondere ältere Menschen und Erstwähler stöhnen, wenn man ihnen diesen Packen in die Hand drückt.

Ich bin seit mittlerweile fast 25 Jahren im Ortsgemeinderat dabei und jedes Mal im Wahlvorstand. Ich kann Ihnen sagen, ich habe so oft in den letzten Jahren den Spruch gehört: Mensch, da hätte ich mich mal lieber in Ruhe zu Hause hingesetzt und da die Kreuzchen machen können.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Genau das ist der Ansatz unseres Antrages. Meine Damen und Herren, ich denke, Julia Klöckner hat eben ausgeführt, dass es nicht so ist, dass großer Missbrauch betrieben wird. Das zeigt sich aus den Erfahrungen von Baden-Württemberg heraus. Ich möchte in dem Zusammenhang auch einen zweiten Punkt benennen. Es gibt ein gelockertes Briefwahlrecht, ja. Aber ich weise darauf hin, dass auch bei der Briefwahl ein großes Risiko besteht, dass die Bürgerinnen und Bürger ungültig wählen, weil es eben nicht so einfach ist, diese Flut der Stimmzettel in den richtigen Umschlag mit dem richtigen Beilagezettel zu versehen.

Ich denke, von daher ist es gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger die Zettel vorher haben und zu Hause in Ruhe ausfüllen können.

(Beifall bei der CDU)

Der zweite wichtige Punkt in unserem Antrag betrifft die Mehrheitswahl. Wir haben schon im Vorfeld der Kommunalwahl 2009, nämlich bei der Änderung in 2008, auf diese Problematik hingewiesen. Immerhin wurde 2009 in 1.338 Ortsgemeinden und damit in fast 60 % der Gemeinden hier im Land mit Mehrheitswahl gewählt. Da gibt es zwei Problemfälle.

Problemfall 1: Es gibt keinen Wahlvorschlag. Dann kommt dieser amtliche weiße Stimmzettel. Es war beim vergangenen Mal ein großes Problem, dass die Bürgerinnen und Bürger das in der Wahlkabine ausfüllen mussten. Diese Problematik wird Gott sei Dank auch durch den Gesetzentwurf der Landesregierung aufgegriffen. Ich sage ganz klar Gott sei Dank deshalb, weil wir das schon vor der Kommunalwahl 2009 thematisiert hatten, dann ab 2010 noch einmal. Ich freue mich, dass die Landesregierung dieses Thema aufgreift.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt bei der Mehrheitswahl einen zweiten Punkt. Dieser betrifft die Situation, wenn nur ein Wahlvorschlag vorliegt. Wie läuft so etwas in der Praxis ab? Ich kann es Ihnen sagen. Die Wahlberechtigten treffen sich vorher zu einer Versammlung. Es wird mehr oder weniger abgefragt, wer denn Interesse hat und wer bereit wäre zu kandidieren.

In meiner Ortsgemeinde zum Beispiel sind 12 Ratsmitglieder zu wählen. Da hatte sich ergeben, dass mehr als 12 Leute bereit dazu waren. Gesetzt den Fall, 19 sind bereit dazu, dann ist die Problematik, dass sie nach der aktuellen Gesetzeslage nicht alle auf den Stimmzettel dürfen. Es dürfen eben nur 12 auf den Stimmzettel.

Was hat das zur Folge? Es hat zweierlei zur Folge. Es gibt Frust, weil schon im Vorfeld ausgewählt werden muss. Damit sagen sich viele: Na ja, jetzt war ich bereit, warum soll ich noch bereit sein, wenn ich jetzt schon im Vorfeld nicht darf? Oder – das war eine Problematik, die sich in anderen Ortsgemeinden gestellt hat – man hat gesagt, wir wollen niemanden vor den Kopf stoßen, dann lassen wir es eben dabei, dass wir keinen Wahlvorschlag haben.

Das hat genau zu folgendem Ergebnis geführt: Die Ungültigkeitsrate bei Mehrheitswahlen ohne Wahlvorschlag ist signifikant gestiegen. Sie lag bei 10,89 %. Deswegen sage ich ganz klar: Wir müssen alles daransetzen, dass wir auch bei Mehrheitswahlen wenigstens einen Wahlvorschlag haben. Deswegen ist unser Vorschlag: Lassen Sie uns doch bitte doppelt so viele Ratsmitglieder oder Personen auf den Wahlzettel aufführen dürfen, wie Ratsmitglieder zu wählen sind. Dann stößt man niemanden, der bereit ist zu kandidieren, vor den Kopf, und der Wähler hat in der Wahlkabine wirklich die Möglichkeit des Auswählens. Das halte ich für einen richtigen Weg.

(Beifall der CDU)

Herr Minister, ich teile nicht Ihre Auffassung, dass bei einer doppelten Anzahl der Ratsmitglieder der Stimmzettel zu lang und zu unübersichtlich wird.

Ich verweise auf das, was ich selbst an Rückmeldungen nach der letzten Kommunalwahl bekommen habe. Ich verweise auch auf das Ergebnis der Großen Anfrage der CDU. Hier heißt es: „Viele betroffenen Gemeinden sprechen sich dafür aus, wie zuvor bei den nichtamtlichen Stimmzetteln, den gesamten Wahlvorschlag (bis maxi- mal zur doppelten Anzahl der Sitze) auf dem Stimmzettel abzubilden. Dadurch würde sichergestellt, dass die Wahlberechtigten unter einer größeren Anzahl wählbarer Personen direkt auswählen können.“

Ich denke, hier sollte man auf die Ansicht von vor Ort vertrauen; denn hier weiß man es am besten.

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen. Er ist in keinem der heutigen Anträge enthalten. Das ist mir ein Anliegen. Ich bin der Meinung, das sollten wir im weiteren Diskussionsprozess beleuchten. Es ist mir ein großes Anliegen zu überlegen, wie wir es schaffen, dass mehr Frauen in die Räte kommen. Aktuell haben wir in den Kommunalräten einen Frauenanteil von nur 16 %. Ich denke, das ist zu wenig. Hier sollten wir gemeinsam überlegen, mit welchen Instrumenten wir es schaffen, den Anteil der weiblichen Mandatsträger zu erhöhen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Kollegen Noss das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich grüße auch die Bürgermeister und Beigeordneten aus Römerberg und Dudenhofen, die den Beratungen über den eingebrachten Gesetzentwurf über die Fusion der beiden Verbandsgemeinden beiwohnen wollen. Ich glaube, das ist für sie ein wichtiger Tag. Wir freuen uns, dass sie den Weg zur Freiwilligkeit gefunden haben.

Hiervon unabhängig möchte ich zunächst Folgendes sagen: Herr Minister, ich freue mich, dass das Gesetz

eingebracht worden ist. Es basiert auf den Ergebnissen der letzten Kommunalwahl sowie einer Änderung durch das Bundesverfassungsgericht. Es dient der Fortentwicklung und darüber hinaus der Vereinfachung des Gesetzes.

Frau Beilstein, es sollte nicht so einfach wie möglich sein, wie Sie gesagt haben, sondern es sollte zweckmäßig sein und den demokratischen Gepflogenheiten und Anforderungen genügen. Ich höre immer wieder, dass insbesondere ältere Menschen stöhnen. Ich glaube, wenn etwas nicht verstanden wird, dann betrifft dies nicht nur ältere Menschen, sondern die Menschen insgesamt in vielen Lebensbereichen. Man sollte sich davor hüten, das auf eine Personengruppe zu fokussieren.

(Pörksen, SPD: Danke für den Hinweis!)

Du bist betroffen.

Ja, wir wollen mehr Frauen in die Kommunalpolitik. Wir werden in der nächsten Sitzung des Innenausschusses gemeinsam mit den GRÜNEN einen entsprechenden Antrag einbringen, mit dem wir speziell dieses Problem aufarbeiten und versuchen wollen, den Frauenanteil in der Kommunalpolitik zu steigern.

Lassen Sie mich kurz ein paar Sätze zum Gesetzentwurf der Fraktion der SPD sagen, die belegen, dass wir als SPD in der Lage sind zu lernen. Wir sind in der Lage, Wahlen entsprechend zu analysieren.

Wie gesagt, bis 2004 hatten wir das Zweifache an Bewerbern auf dem Stimmzettel beim Mehrheitswahlrecht. Aufgrund der vom Minister genannten Gründe und aufgrund von Einlassungen des Gemeinde- und Städtebundes, dass das Ganze zu unübersichtlich war, ist die Zahl auf das Einfache reduziert worden. Was war die Folge davon? Die Folge davon war, dass in kleineren Gemeinden oft weniger Kandidaten gewählt wurden, als erforderlich waren, um die Räte zu beschicken. Wir haben das verstanden und sagen, 2004 waren es zu viele. Da gab es eine Unübersichtlichkeit, lange Listen, einen langen Auszählungsprozess. 2009 war es zu wenig. Wir glauben, dass wir mit dem Eineinhalbfachen den gegebenen Erfordernissen gerecht werden.

Ich komme zur Mehrheitswahl ohne Wahlvorschlag. In der Tat hat es dort eine äußerst signifikante Erhöhung der ungültigen Stimmen gegeben. Wir hatten es vor der Wahl 2009 abgeschafft, in diesem Bereich die Wahlzettel zuzusenden. Das werden wir wieder zurücknehmen. Wir werden Wahlzettel den Wählerinnen und Wählern drei Tage vorher zusenden, vorher war es ein Tag vorher. Damit besteht die Möglichkeit, dass sie entsprechend wählen können.

Was darüber hinaus Ihren Vorschlag betrifft, sämtliche Wahlzettel für Verhältniswahlen und die Mehrheitswahlen zuzuschicken, kann ich sagen, hier können wir aus den vorhin genannten verfassungsmäßigen Gründen nicht folgen. Diese Gründe können wir nicht einfach wegradieren. Ich glaube, dass das Wahlrecht davon bestimmt ist, dass es im Wesentlichen im Wahllokal an der Wahlurne stattfindet. Ausnahmen sind die Briefwahlen. Das sollten wir weiterhin so machen.

Ich möchte Folgendes verlesen – ich zitiere –: „Die Stimmzettel werden spätestens am Tag vor der Wahl an die Wahlberechtigten verteilt (…) Auf dem Stimmzettel werden höchstens doppelt so viele Bewerber aufgeführt, wie Ratsmitglieder zu wählen sind.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist Ihr Gesetz von 2010, das Sie eingebracht haben. Im Prinzip fast das Gleiche bringen Sie jetzt wieder ein.

(Bracht, CDU: Was damals richtig war, ist heute noch richtig, das ist doch konsequent!)

Es ist ein alter Hut; der ist damals abgelehnt worden und wird auch dieses Mal abgelehnt.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Das sage ich, damit wir uns da verstehen.

Ich komme zu den Einlassungen, die zu dem Thema gemacht worden sind. Zunächst einmal ist es nicht richtig, dass bei Verhältniswahlen die ungültigen Zahlen explodieren. Bei den Verhältniswahlen hatten wir 1999 2,45 % ungültige Stimmen, dann 2,72 % und dann wieder 2,4 %. Das ist etwa gleichbleibend mit geringen Abnahmen. Beim Mehrheitswahlrecht hatten wir an der Stelle, an der ohne Stimmzettel gewählt worden ist, eine signifikante Steigerung von 5,7 % auf 10,9 %. An der Stelle, an der ein Stimmzettel vorhanden war, hatten wir ebenfalls abnehmende Ungültigkeitszahlen. Es wird die Mär verbreitet, das Wahlrecht wäre zu kompliziert. Wir können dieser Ansicht nicht folgen. Wir werden diesen Antrag ablehnen.

Frau Klöckner, Sie haben vorhin zu dem Thema gesprochen. Ich weiß nicht, ob Sie noch einmal zu dem Thema sprechen. Ich finde es schon bezeichnend, dass Sie das, was heute den Reiz der Diskussion ausmacht, nämlich eine Änderung der Verfassung, mit keinem einzigen inhaltlichen Wort würdigen.

(Frau Klöckner, CDU: Es kommt noch jemand!)

Wenn Sie hier stehen, wäre es gut, wenn das die Fraktionsvorsitzende selbst machen würde. Sie können Ihre Schwerpunkte setzen. Wir haben das Recht, diese zu kommentieren.

(Frau Klöckner, CDU: Es kommt noch jemand!)

Ich möchte eines sagen. Der heutige Parlamentstag hat uns weitergebracht. Ich nenne die Stichpunkte gleichgeschlechtliche Beziehungen, Mindestlohn, Wahlalter 16. Das sind Themen der Zukunft, die deutlich machen, ob eine Politik zukunftsfähig ist oder nicht. Sie haben Ihr Zeugnis abgegeben. Ihre Politik ist nicht zukunftsfähig, ist überholt und generiert nach unten. Für uns war das erhellend.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Frau Klöckner, CDU: Herr Noss, Sie können es doch besser!)

Ich erteile Herrn Kollegen Köbler das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Zunächst einmal danke ich der Landesregierung für diesen Gesetzentwurf. Es ist eine hervorragende Grundlage. Es ist ein modernes Kommunalwahlgesetz, das die Kommunalwahl einfacher, gerechter und demokratischer macht. Das sind hehre Ziele, die bei einem Wahlgesetz nicht immer gleich aufzulösen sind. Das hat die bisherige Debatte gezeigt.

Frau Beilstein, ich gebe Ihnen in einem Punkt recht, wir wollen alle gemeinsam, dass möglichst viele Menschen wählen gehen. Dazu gehört, dass möglichst viele Menschen wählen können. Für uns geht es zunächst darum, mehr Menschen aktiv an Wahlen beteiligen zu können. Dazu gehört die Änderung der Landesverfassung für das Wahlalter 16.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Weil wir Bürgerbeteiligung, das Parlament und die Enquete-Kommission „Aktive Bürgerbeteiligung“ ernst nehmen, werden wir im weiteren Verlauf über zwei Dinge intensiv diskutieren. Das ist die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Herr Kollege Noss hat es schon angesprochen. Wir werden einen Änderungs- oder Erweiterungsantrag zum Gesetzentwurf einbringen, der im Licht der Diskussion der Enquete-Kommission und des Gutachtens von Professor Ebsen in Richtung eines Parité-Gesetzes die Repräsentanz von Frauen in kommunalen Gremien stärken soll.