Protocol of the Session on March 7, 2013

Frau Brück, vielen Dank.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Ratter das Wort. – Sie haben noch eine Redezeit von 2 Minuten 30 Sekunden.

Danke, Herr Vorsitzender.

Meine Damen und Herren, liebe Gäste! Die 85 %, die Sie zitiert haben, dürfen die mitreden? Die sind noch nicht sitzengeblieben, oder?

(Frau Klöckner, CDU: Woher wissen Sie das?)

Oder nur Wenige davon; denn so viele Sitzenbleiber haben wir nicht.

(Zurufe von der CDU)

Sitzenbleiben hat mit Sicherheit den Effekt, dass es Kinder und Jugendliche stigmatisiert, traumatisiert und sich in etlichen Fällen auf das gesamte Leben auswirkt;

(Zurufe von der CDU)

denn die Botschaft – lieber Herr Dr. Wilke –, die der Schüler bekommt, der sitzenbleibt oder gar „abgeschult“ wird, ist nicht die: „Deine Leistung ist schlecht!“; sondern der bezieht das auf seine Person. Das ist das Schlimme am Sitzenbleiben; dann noch einmal, auch zum Mitschreiben: Wir wollen das Sitzenbleiben nicht grundsätzlich abschaffen!

(Frau Klöckner, CDU: Ich dachte, es stigmatisiert!)

Ja.

Wir wollen sie mitnehmen. Frau Klöckner, auch Sie. Vielleicht haben Sie die Erfahrung gemacht.

Wir wollen sie mitnehmen und ihnen die Lernchance eröffnen, dass sie es besser machen können und es eben ohne Sitzenbleiben geht. Wir haben das schon seit vielen Jahren in der Orientierungsstufe. Auch das habe ich schon gesagt, von der Klassenstufe 5 nach 6 wird jedes Kind versetzt.

Noch einmal zurück. Sie haben einen winzigen Ausschnitt, einen kleinen Ausschnitt, der im Übrigen in meinen Augen sehr bedeutsam ist, aus unserem Modellversuch, den wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, auf den Schild gehoben. Das ist auch gut so, weil ich es gut finde, dass wir den gesellschaftlichen Diskurs in dieser

Frage anstoßen können. Deswegen debattiere ich mit viel Engagement in der Sache mit Ihnen.

(Unruhe im Hause)

Hören Sie auch zu.

(Licht, CDU: Frau Brede-Hoffmann, hören Sie zu!)

Die anderen Aspekte des Modellversuchs sind nämlich ebenso tragend. Wir reden schließlich auch über Personalhoheit, Budgethoheit und über Demokratisierung, das heißt, über das Engagement, über die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in ihrer Schule. Das weckt auch ihr Politikverständnis und ihre Beteiligung an der Gesellschaft.

Insgesamt versteckt sich aber etwas anderes dahinter: dass wir die Schule ernst nehmen, so, wie sie ist, und uns bemühen, den Schulen mehr Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten zu geben, damit Kinder und Jugendliche ihr Umfeld stärker mitgestalten können,

(Glocke des Präsidenten)

was sich letzten Endes auch darin niederschlägt, dass die Noten eine andere Dimension bekommen und

(Glocke des Präsidenten)

die Wertschätzung der Kinder und Jugendlichen im Vordergrund steht.

Frau Ratter, vielen Dank. Ihre Redezeit ist zu Ende.

Danke, Herr Vorsitzender.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist der erste Teil der Aktuellen Stunde abgeschlossen.

Wir kommen zum zweiten Thema der

AKTUELLEN STUNDE

„Aktuelle Diskussion um die Rechte gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/2100 –

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Schellhammer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Gäste! Mitte Februar hat das Bundesverfassungsgericht sich erneut mit eingetragenen Lebenspartnerschaften befasst und sich gegen die Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare bei der Sukzessivadoption ausgesprochen. Auch mit diesem Urteil hat das Verfassungsgericht erneut aufgezeigt, dass die rechtliche Ungleichbehandlung beendet werden muss. Die derzeitige Regelung ist verfassungswidrig.

Karlsruhe hat erneut in seinem Urteilsspruch eine Richtungsweisung vorgegeben; denn schaut man sich die Urteilsbegründung an, dann geht sie über die bloße Sukzessivadoption hinaus und spricht in der Begründung im Plural über Adoptionsmöglichkeiten und zeigt erneut, dass wir nach zwölf Jahren Lebenspartnerschaftsgesetz einen deutlichen Schritt weiter sind.

Auch Expertinnen und Experten sind sich einig. Dort, wo Kinder geliebt werden, wachsen sie gut und geborgen auf, und dies unabhängig vom Geschlecht ihrer Eltern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Haltung des Bundesverfassungsgerichts zeigt auch – Herr Präsident, hier würde ich gerne zitieren –, was der Kern der Aktuellen Stunde ist. Wenn man sich nämlich die Grundsatzentscheidung anschaut, dann formuliert das Bundesverfassungsgericht: „Die Rechtfertigung der Privilegierung der Ehe, und zwar auch der kinderlosen Ehe, liegt, insbesondere wenn man sie getrennt vom Schutz der Familie betrachtet, in der auf Dauer übernommenen, auch rechtlich verbindlichen Verantwortung für den Partner.

In diesem Punkt unterscheiden sich eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe aber nicht. Beide sind auf Dauer angelegt und begründen eine gegenseitige Einstandspflicht.“ –

Wir sehen, es geht um Menschen, die verbindlich füreinander eintreten in guten und in schlechten Zeiten.

In Anbetracht der Tatsache, dass ein Drittel der heterosexuellen Ehen kinderlos bleibt, ist es kein Argument zu sagen, dass die Ehe deshalb gleichgeschlechtlichen Paaren verwehrt bleiben soll, weil diese nicht auf herkömmlichen Weg Kinder zeugen können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Fuhr, SPD)

Liebe CDU, Sie müssen nicht das Hohelied der homosexuellen Liebe singen. Das verlangt keiner von Ihnen. Aber Sie können sich doch der Tatsache nicht verschließen, dass eingetragene Lebenspartnerschaften die gleichen Pflichten füreinander übernehmen wie in Ehen. Warum verwehren Sie also den Menschen in diesen Partnerschaften die gleichen Rechte?

Wir GRÜNE sind konsequent für die gleichen Rechte und befinden uns damit auf der Seite der Liebe, und wir

möchten die Gleichstellung von Lesben und Schwulen herstellen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Immer und immer wieder hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Hinsicht geurteilt. Das Grundsatzurteil aus dem Jahr 2002 wurde durch weitere fünf Urteile ergänzt, zur Beamten- und Hinterbliebenenversorgung 2009, zur Erbschaftsteuer 2010, zur Beamtenversorgung 2011 und 2012 sowie im Urteil zur Sukzessivadoption 2013. Diese Reihe von Urteilen zeigt, es ist eine rechtliche Revolution, wenn man alleine bedenkt, dass diese Entwicklung erst so kurz ist, da die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaften erst zwölf Jahre her ist. Wir leben damit in einer zunehmend diskriminierungsfreieren Gesellschaft; denn die deutliche Mehrheit der Bevölkerung in diesem Land ist für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare.

Diese positive Entwicklung verdient ihren Platz in den Top Ten der guten Nachrichten; denn Schwule und Lesben erfreuen sich in diesem Land immer mehr der gesellschaftlichen Akzeptanz, und das ist auch gut so. Aber dieser Akzeptanz müssen auch die gleichen Rechte folgen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es braucht auch keine prophetischen Fähigkeiten, dass wir bei dem für Sommer prognostizierten Urteil zur Einkommensteuer ein ähnliches Urteil erwarten können. Es ist daher nur eine logische Konsequenz, auch hier einen deutlichen Schritt weiterzugehen. Für uns GRÜNE ist diese logische Konsequenz die Öffnung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare.