Doch wo ist bisher überhaupt etwas passiert? – Mit den Verbandsgemeinden und den verbandsfreien Gemeinden wurde nur eine Verwaltungsebene herausgenommen. Sie haben sich diese Ebene herausgepickt, aber die Wechselwirkung mit Städten und Kreisen blieb unberücksichtigt. Herr Minister Lewentz, dann wundern Sie sich, dass es vor Ort Widerstand und Kritik gibt?
Frau Ministerpräsidentin Dreyer, Ihre Ausführungen von gestern lassen den Beobachter und die Betroffenen sehr ratlos zurück. An den Flickenteppich ohne erkennbare Strukturen, wie der SWR gestern die Kommunalreform nannte, wollen Sie offensichtlich gar nicht erst herangehen. Stattdessen machen Sie die Verwirrung komplett, indem Sie ankündigen, im Einzelfall den Bürgerwillen bei kreisübergreifenden Lösungen moderieren zu wollen, allerdings „ohne damit eine vorgezogene Änderung der Kreisgrenzen zu verbinden“, so Ihre Worte.
Natürlich wird es bei dem Wechsel von Gemeinden von einem Landkreis in den anderen auch um die Zukunftsfähigkeit und Größe des abgebenden Kreises gehen. Wollen Sie das? Wenn Sie jetzt plötzlich eine Moderation vor Ort wollen, warum haben Sie unserem Antrag vom 7. Dezember vergangenen Jahres dann nicht zugestimmt, in dem wir genau das gefordert haben?
Mit Ihren kryptischen Ankündigungen zur Moderation und zur kreisübergreifenden Lösung wecken Sie falsche Hoffnungen, da die Voraussetzungen, die Sie benennen, zu unkonkret und höchst auslegungsbedürftig sind.
Bleiben Sie so vage, weil Sie Ihren Innenminister nicht beschädigen möchten? Dazu muss aber die Frage erlaubt sein: Wenn Sie bei der Verbandsgemeinde Bad Kreuznach-Land von einer Fusion wegen des erklärten Bürgerwillens absehen, wie bewerten Sie dann beispielsweise die Bürgerentscheidung der Verbandsgemeinde Maikammer? – Gibt es für Sie einen Bürgerwillen erster und zweiter Klasse? Das müssen Sie uns schon erklären.
Es ist kein Wunder, dass die Mandatsträger beider großer Kommunalparteien, CDU und SPD, in seltener Einigkeit das Vorgehen der Landesregierung kritisiert haben. Deutliche Kritik kam auch von den Spitzenverbänden und Bürgerinitiativen.
So erklärte der bisherige Vorsitzende des Städtetages, der Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen, dass der Kommunal- und Verwaltungsreform ein ausreichendes Gesamtkonzept fehle.
Wir hatten im vergangenen Jahr zwei umfangreiche Anträge zur Kommunal- und Verwaltungsreform in den Landtag eingebracht und Ihnen unter anderem die Mediation – wie schon erwähnt – angeboten. Sie aber haben die ausgestreckte Hand von uns nicht ergreifen wollen.
Dass unsere Anträge richtig waren, bewahrheitet sich jetzt. Springen Sie doch einmal über Ihren Schatten. Wir machen es doch auch.
1. Wir brauchen die Einbeziehung der Landkreise, einen sofortigen Stopp der Kommunal- und Verwaltungsreform und die Aussetzung des Landesgesetzes. Sie können es auch Moratorium nennen.
2. Wir brauchen ein ganzheitliches Konzept unter Einbeziehung aller kommunalen und staatlichen Verwaltungsebenen in Zusammenarbeit mit allen Fraktionen und den kommunalen Spitzenverbänden, damit wir gemeinsame Leitlinien zu einem guten Ziel, nämlich einer Verwaltungsreform, erarbeiten.
4. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf keine Denk- und Handlungsverbote bei freiwilligen Gebietsänderungen geben.
5. Der Bürgerwille muss beachtet werden. Man merkt, dass der Kollege von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anscheinend Stadtpolitiker, aber kein Kommunalpolitiker weit über das Land ist. Natürlich gibt es diese Denkverbote. Kommen Sie mit mir in den Kreis Bad Kreuznach. Dort gibt es mehrere Verbandsgemeinden, die gern außerhalb des Kreises fusionieren würden, aber anders zwangsfusioniert werden sollen.
Gehen Sie in andere Landkreise. Kommen Sie mit mir in den Norden des Landes. – Herr Köbler, einfach nur zu sagen, es stimmt nicht, ist für den Moment verfänglich; wenn man aber nachfragt, wo Sie es genau meinen, wird es etwas schwieriger.
Es kann nicht sein, dass von Mainz aus Streit und Krach in die Gemeinden hinein transportiert wird. Es wird ein Stein ins Wasser geworfen, und danach wird sich nicht mehr darum gekümmert, sondern es gibt Streit vor Ort anstatt klare Entscheidungshilfen. Das ist nicht in Ordnung.
Frau Ministerpräsidentin, Sie haben in den vergangenen Tagen eine Politik des Dialoges angekündigt. Wir bieten Ihnen bei der Kommunal- und Verwaltungsreform ausdrücklich die Zusammenarbeit an. Wir bieten Ihnen an – auch angesichts der jüngsten Entwicklungen –, noch einmal unseren Vorschlag der Moderation und – man könnte auch sagen – der Mediation zu diskutieren.
Wir hatten einen Antrag dazu eingebracht, daher wäre dies schon von Vorteil. Ich sehe es nicht gerade als Auszeichnung für die Qualität eines Fraktionsvorsitzenden an, wenn er sich nicht mehr an Anträge der Opposition erinnert, die richtig große Relevanz haben. – Ich erinnere an den 7. Dezember vergangenen Jahres. Bitte lesen Sie es nach.
Ich komme zu den kommunalen Finanzen. Das ist die dritte Baustelle. Es muss über die Schulden der Städte und Gemeinden geredet werden. Rheinland-Pfalz steht
Die finanzielle Situation der rheinland-pfälzischen Kommunen macht uns Sorge, sie muss uns Sorge bereiten. Seit über 20 Jahren gibt es erschreckend hohe Defizite. Die Verschuldung der rheinland-pfälzischen Städte, Gemeinden und Landkreise geht ungebremst voran, sie erreicht Rekordniveau. Ja, auch die Kommunen anderer Bundesländer sind verschuldet, aber jetzt wird es spannend. Vergleichen wir doch einmal die Bundesländer! – Oder sagen Sie: Schulden ist gleich Schulden? – Nein, es geht auch darum, welche Zukunftschancen wir haben und welche Steine im Rucksack liegen.
Bereits Ende des vergangenen Jahres betrugen die Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände insgesamt weit über 11 Milliarden Euro. Dies sind 2.921 Euro pro Kopf. Diese Pro-Kopf-Verschuldung lag um fast 70 % über dem Durchschnitt der kommunalen Schulden anderer Flächenländer.
Auch die Entwicklung der Kassenkredite verläuft in Rheinland-Pfalz dramatisch. Mit 5,8 Milliarden Euro lagen sie im vergangenen Jahr um 393 Millionen Euro über dem Wert des Vorjahres. Der Pro-Kopf-Betrag dieser Schulden liegt in Rheinland-Pfalz bei 1.444 Euro, und – das ist das Entscheidende – er übertraf den Länderdurchschnitt um mehr als 160 % – und da behaupten Sie, der Bund sei schuld daran. Soweit ich weiß, gelten die Bundesgesetze in allen Bundesländern.
Was ist aber die Ursache für diese hohe Belastung der Kommunen besonders in Rheinland-Pfalz? – Der Verfassungsgerichtshof hat es gesagt: Die Ausstattung der Kommunen ist nicht verfassungskonform in diesem Land. Große Kostentreiber sind auch die hohen Sozial- und Jugendhilfeausgaben. Aber das allein erklärt doch noch nicht, weshalb just in Rheinland-Pfalz die Verschuldung der Kommunen so dramatisch angestiegen ist. Ein großer Teil der Probleme ist hausgemacht. Wir wissen, was Sie den Kommunen aus dem kommunalen Finanzausgleich alles herausgenommen haben. Wir wissen, dass Sie Bescheide nicht auszahlen, dass Sie Dinge ankündigen, aber nichts tun. Wir wissen, dass die Kommunen vorfinanzieren müssen und dann auch noch die Zinsen bezahlen müssen.
Ich möchte dies mit einem Beispiel verdeutlichen. Es geht um die Zuschüsse für den Schulbau. Die Kommunen erhalten Bewilligungsbescheide für die Landeszuschüsse, aber deren Auszahlung ist über Jahre hin gestreckt. Die Schulbauten sollen aber dennoch schnell fertig sein, damit die Schüler nicht über Jahre hinweg hingehalten werden. Die entsprechenden Bauten sind bereits begonnen, sind zum Teil fertiggestellt worden und sind auch bereits bezahlt und vorfinanziert worden von den Kommunen, aber die Kommunen warten auf die Bescheide. Sie warten auf die Auszahlung der Zuschüs
se des Landes. Bis wirklich einmal Geld vom Land kommt, vergehen manchmal sogar zehn Jahre. – Ist das wirklich fair, was Sie hier machen?
Ich möchte ein weiteres Beispiel nennen. Seit 2002 beantragt das Land Rheinland-Pfalz fast das gesamte Aufkommen der Grunderwerbsteuer. Ich möchte es kurz machen: Die Grunderwerbsteuer soll in die Tasche des Landes fließen, gerade die Erhöhung in dieser Legislaturperiode, aber die Kommunen sollen davon nichts abbekommen. Das heißt, Sie möchten sich auf dem Rücken der Kommunen sanieren. – Dies hat nichts mit fairer und auch nichts mit sozialer Politik zu tun.