Ich gebe zu, ich war schon etwas erstaunt, welch kühlen und funktionalen Blick mancher Wirtschaftsfunktionär auf Familien hat. Das sehen wir Christdemokraten anders. Wir brauchen keine arbeitsgerechten Familien, sondern wir brauchen familiengerechte Arbeit in unserem Land.
Das Land muss dazu ebenfalls seinen Beitrag leisten. Wir beobachten mit Sorge, welche Auswirkungen der Erzieherinnenmangel hat, nämlich häufiger Personalwechsel, längere Vakanzen und stärkere Arbeitsbelastung derer, die verblieben sind. Nach unserem Verständnis brauchen die Kleinsten besondere Fürsorge und auch Bindung. Größere Gruppen und häufiger Personalwechsel haben dramatische Folgen. Wenn irgendwo eine Qualitätsdiskussion angebracht ist, dann doch hier, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Um dem Mangel entgegenzuwirken und Qualität zu ermöglichen, hat die CDU-Landtagsfraktion ein eigenes
Konzept vorgelegt. Ich möchte drei der Punkte, die wir vorgelegt haben, noch einmal kurz unterstreichen.
1. Es ist eine Erhebung des Fachkräftebedarfs in Kindertagesstätten notwendig, der regionalisiert ist.
2. Die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Erzieherinnenausbildung muss in einer vergüteten dualen Berufsbildung richtig Fuß fassen.
3. Erzieherinnen müssen von bürokratischen Tätigkeiten durch die Anstellung von Verwaltungsfachkräften insbesondere in sehr großen Tagesstätten entlastet werden; denn Qualität hat nichts mit Formularen zu tun. Zuwendung zu Kindern geht über den direkten Kontakt und nicht über irgendwelche Anordnungen, die nur auf dem Papier stehen.
Da muss ich sagen: Der Realitätscheck für die Landesregierung zeigt eine ganz deutliche Diskrepanz zwischen Reden und Handeln. Die Landesregierung hat ab 2010 einen Betreuungsanspruch für Zweijährige eingeführt. Mit dafür verantwortlich war der damalige Staatssekretär, Herr Ebling. Die Landesregierung lässt sich sehr gerne dafür feiern, dass sie diesen Anspruch – früher als alle anderen zumindest – gesetzlich vorgeschrieben hat. Als Oberbürgermeister von Mainz tritt jedoch Herr Ebling vor Gericht gegen Eltern auf, die diesen durch ihn und seine damalige Landesregierung zugedachten Anspruch ernst nehmen, ihn nicht bekommen und deshalb klagen müssen. Das muss man sich einmal vorstellen.
Eltern nehmen das in Anspruch, was die Landesregierung festgesetzt hat, aber jetzt klagt der Oberbürgermeister gegen den zustehenden Anspruch. Das hat mit Verlässlichkeit überhaupt nichts zu tun.
Ich sage nur, wecken wir lieber weniger Erwartungen und schaffen stattdessen solide Rahmenbedingungen, auf die sich die Eltern verlassen können.
Ich möchte im zweiten Teil meiner Rede auf die Baustellen in diesem Land zu sprechen kommen. Ich werde Ihnen acht Baustellen nennen und sagen, welchen Lösungsansatz wir vorschlagen und wo wir Probleme sehen, die die Landesregierung nicht angeht. Sie sieht sie vielleicht, aber sie trifft keine Entscheidungen.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, in diesen Tagen schauen viele auf uns beide. Es geht immer irgendwie um das Duell der Frauen. Wissen Sie, es geht viel weniger um zwei Personen, glaube ich, es geht um unser Land und die besten Konzepte für unser Land.
Klar ist auch, dass die kommenden Generationen weniger interessiert, wie die Stimmung war, um wen es personell gegangen ist, sondern was bei den Entscheidungen herausgekommen ist, die sie nachher als kommende Generation tragen müssen.
Frau Ministerpräsidentin, ich bin mir sicher, dass uns beide eines eint, dass wir diesem Land dienen möchten. Wir haben das gleiche Ziel. Es wäre unsinnig, wenn RotGrün und Schwarz nicht das Ziel hätten: Rheinland-Pfalz zukunftsfest zu machen.
Wir erwarten von Ihnen aber einen neuen Stil, wenn Sie uns in Einzelfällen in Verantwortung mit dabei haben wollen. Hierzu gehört zum Beispiel, dass wir aus erster Hand erfahren möchten, wenn es Probleme gibt, und nicht erst aus der Zeitung, Herr Minister Lewentz.
Hierzu gehört auch, dass die Regierung nicht Berater über Berater und Gutachter über Gutachter braucht. Das ist ein Ausdruck eigener Schwäche. Manchmal wäre es wirklich besser gewesen, frühzeitig auf den kritischen Rat und den Sachverstand der eigenen Fachbeamten in den Ministerien zu hören. Das hätte in der Vergangenheit – das wissen Sie ganz genau – vieles verhindert. Denken wir nur an die unzähligen kritischen Vermerke, die es zum Nürburgring-Projekt gegeben hat. Sie haben darauf nicht reagiert. Dass das den Steuerzahler teuer zu stehen kommt, das wissen wir heute.
Frau Ministerpräsidentin, Sie können allein entscheiden. Sie haben die Mehrheit. Sie brauchen die Opposition für Ihre Entscheidungen nicht, außer bei Verfassungsänderungen. Wenn Sie uns nur bei den heiklen und schwierigen Entscheidungen mit im Boot haben möchten, dann verlangen wir aber Augenhöhe.
Nun wird von verschiedenen Seiten gern behauptet, dieses Angebot der Zusammenarbeit von uns sei nicht ernst gemeint. Deshalb habe mich mir – weil es um Fakten geht – im Archiv des Landtages heraussuchen und zusammenstellen lassen, wie vielen Gesetzentwürfen der Regierung und der regierungstragenden Fraktionen wir in dieser und der vergangenen Legislaturperiode zugestimmt haben.
In der vergangenen Wahlperiode hat die Landesregierung insgesamt 121 Gesetze eingebracht. 73 davon – das sind gut 60 % – wurden mit Zustimmung der CDUFraktion verabschiedet. Die SPD-Fraktion hatte 15 Gesetze eingebracht, zehn davon, also zwei Drittel, wurden mit Zustimmung der CDU-Fraktion verabschiedet.
Wenn ich noch einmal hineinschaue: In der laufenden Wahlperiode – ich lese die Zahlen einfach einmal vor – haben die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN insgesamt fünf Gesetzentwürfe eingebracht. Bei zwei dieser Gesetzentwürfe hat die CDU zugestimmt. Die Landesregierung hat bislang in dieser Wahl
periode 27 Gesetzentwürfe eingebracht, 18 von ihnen – das sind zwei Drittel – hat die Union zugestimmt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Zahlen sprechen für sich. Deshalb noch einmal: Vorsicht mit dem Vorwurf, wir würden das Angebot nicht ernst meinen. Ich komme gern darauf zurück, wie häufig Sie uns bedingungslos zugestimmt haben. Das sieht anders aus.
Frau Ministerpräsidentin, Sie haben in diesen Tagen gesagt, dass Sie ein reiches Erbe von Herrn Beck übernehmen. Was aber ist dieses Erbe? – Ich möchte es gern definieren. Von Johann Wolfgang von Goethe stammt die Feststellung, dass einer neuen Wahrheit nichts schädlicher ist als ein alter Irrtum.
Amtswechsel sind deshalb auch immer Zeit, Bilanz zu ziehen, eine Eröffnungsbilanz aufzustellen und zu fragen, in welchem Zustand sich unser Land befindet und zu fragen: Kann es so weitergehen? Wollen Sie, dass es so weitergeht wie bisher?
Wir als CDU-Fraktion sehen viele offene Baustellen. Es reicht nicht, dass die Regierung diese nur beschreibt, aber dann wiederum klare Entscheidungen schuldig bleibt.
Baustelle Nummer 1: Der Verbraucherschutz. Es hat sich als falsch erwiesen, dass dieses Ressort ins Justizministerium gewechselt ist und dort ein Schattendasein fristet.
Die Angelegenheiten wurden einer Ministerin weggenommen, die sie gerne gehabt hätte, und einem Minister gegeben, der es gar nicht werden wollte. Das nutzt dem Verbraucher nicht. Das haben wir bei den Kontrollen bei der Essensverpflegung in Schulen, Kindertagesstätten und Seniorenheimen gesehen.
Seit über zwei Jahren wurden dort keine Lebensmittelkontrollen in öffentlichen Einrichtungen mehr durchgeführt. Die Verantwortung in Sachen Lebensmittelsicherheit wird nun zwischen Minister Hartloff und der anderen Seite, Ministerin Höfken, hin- und hergeschoben.
Deshalb fordern wir als CDU-Fraktion, die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher stärker zu bündeln. Herausforderungen gibt es genügend, sei es der steigende Strompreis, die Internetabzocke oder der Datenschutz. Hier erwarten wir eine ganz klare Linie und kein Herumgeeiere wie bisher.
Was die Landesregierung jedoch seit nunmehr sieben Jahren zustande gebracht hat, ist maximal eine Landkartendiskussion. Wer wirklich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger vor Ort etwas ändern will, muss alle Ebenen von den Ministerien über die Mittelbehörden, über die Landkreise, die Städte und Gemeinden mit einbeziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wer macht was? – Diese Frage muss gestellt werden. Welche Aufgaben erfüllen die einzelnen Ebenen? Sind sie dort noch richtig angesiedelt? Wo gibt es Mehrfachzuständigkeiten, die Geld und Zeit kosten? – Erst nach dieser Aufgabenkritik stehen die Zahlen und die Größen der Gemeinden auf dem Programm.
Ziel einer Kommunal- und Verwaltungsreform muss sein, finanzielle Handlungsspielräume zu schaffen, um die Städte, Gemeinden, Landkreise zukunftsfest zu machen.