Deshalb möchte ich sagen: Auch bei der politischen Schwerpunktsetzung muss unsere Unterstützung vor allen Dingen auch denjenigen gelten, die – wie ich eben sagte – den Karren ziehen. Wir dürfen den Karren nicht ständig neu mit Steuererhöhungen, zusätzlichen Abgaben und unnötiger Bürokratie beladen. Das macht das Ganze nicht besser und auch nicht schneller.
Letztlich kann man sagen: Soziale Marktwirtschaft hat eine ganz klare Aussage. Nur müssen wir sie wieder
verstehen und nicht den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ ohne Inhalt nutzen. Soziale Marktwirtschaft heißt erst Verantwortung des Einzelnen und dann Letztverantwortung der Solidargemeinschaft – und nicht umgekehrt.
Denn der Wohlstand wird nicht durch Umverteilung erarbeitet, sondern er muss erst erarbeitet werden, damit umverteilt werden kann. Weder das Land noch die Kommunen können immer mehr und immer neue Ansprüche schultern. Selbst für das Bestehende wird die Luft eng werden. Auch das wissen wir. Wir müssen offen darüber reden, welche Prioritäten wir setzen. Wer die öffentlichen Haushalte überfordert, gefährdet die Mitmenschlichkeit, weil dann sogar die Mittel für das Allernötigste fehlen werden.
Der Staat, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann niemals der Ersatz für menschliche Wärme, Familie, Nachbarschaft, Freunde, Vereine oder Dorfgemeinschaft sein. Das ist bei allen Problemen so, die es im zwischenmenschlichen Zusammensein natürlich auch immer gibt. Ich will auch nichts glorifizieren. Für uns ist Familie aber nicht nur eine Art Sozialisationsagentur der Gesellschaft, sondern der wichtigste und entscheidende Ort menschlicher Geborgenheit.
Deshalb meine Forderung: Richten wir grundsätzliche Entscheidungen wieder mehr am Regelfall und weniger an den Ausnahmen aus. Stärken wir die funktionierenden Einheiten unserer Gesellschaft. Das ist notwendig.
Ich möchte auch sagen, dass den Medien eine besondere Verantwortung zukommt. Wer durchs Fernsehprogramm zappt oder durchs Internet surft, kann den Eindruck gewinnen, dass die Ausnahme in unserer Gesellschaft die Regel ist. Diesen Eindruck gewinnt man nicht mehr ausschließlich nur bei den privaten, sondern vereinzelt auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Man könnte manchmal meinen, dass familiäre Verhältnisse, Situationen im Beruf und zwischenmenschlicher Umgang kaum noch abgrundtiefer sein können, um für eine Berichterstattung oder ein Sendeformat zu taugen. Es wäre aus Sicht der Gebührenzahler angebracht, endlich wieder einmal die Normalität in den Mittelpunkt zu stellen und nicht immer nur das Sonderbare. Die Breite der Gesellschaft repräsentiert das nicht.
Dann wundern wir uns darüber, welch ungewöhnlichen Leitbilder die jungen Fernsehzuschauer haben. Wer sich auf die Mitte der Gesellschaft konzentriert, muss auch die Schwächeren in den Blick nehmen. Das Scheitern gehört zum Leben dazu, egal ob verschuldet oder unverschuldet. Kein Leben verläuft ohne Brüche. Wer Hilfe braucht, muss auch Hilfe bekommen. Dies ist ein Gebot der Menschlichkeit. Wer Hilfe gibt, darf aber auch Bedingungen stellen. Mitgefühl allein verändert keine Strukturen. Mitgefühl allein ist verkürztes Verständnis von Solidarität. Nach dem Verständnis der christlichen Sozi
allehre aber ist Hilfe zur Selbsthilfe angelegt. Warum? Damit Menschen nicht in institutionalisierter Abhängigkeit stranden. Sie merken, unser Solidaritätsbegriff geht weiter. Für uns spielt Aktivierung eine wichtige Rolle. Wir begnügen uns nicht damit, nur die Symptome zu bekämpfen. Wir möchten Menschen aktivieren, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Es muss gefördert werden. Förderung und Fortbildung lohnen sich; denn jeder hat ein Talent. Es gibt keinen, der nichts kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass es in unserer Gesellschaft wieder fair zugeht. Wir müssen bereit sein, in diesem Land endlich wieder Schwerpunkte zu setzen. Die Zeit der „Gießkannenpolitik“ muss vorbei sein, auch wenn dies Mut kostet. Gießkanne hat nichts mit Fairness und Gerechtigkeit, sondern mit Unentschlossenheit und Mittelmaß zu tun.
Es ist doch zum Verzweifeln, dass Rheinland-Pfalz im nationalen Vergleich meist bestenfalls im Mittelmaß versinkt und dabei trotzdem hoch verschuldet ist.
Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, Bestehendes zu hinterfragen. Beizeiten Augenmaß bei sozialen Versprechen zu behalten, verhindert soziale Härten, wenn einem endgültig die Hände durch die Schuldenbremse gebunden sind.
Frau Ministerpräsidentin, ich möchte eins noch einmal sagen, Sie haben gemerkt, dass wir Ihnen gestern zugehört haben. Es gab sicherlich die eine oder andere Stelle, an der wir sehr gerne hineingerufen hätten. Aber es geht um eine neue Art der Zusammenarbeit. Wir haben sie eingehalten. Es wäre schön, wenn Ihre Kollegen dies auch täten.
Diejenigen, die sich heute als Politiker für neue kostspielige Versprechen feiern und wählen lassen, müssen wissen, dass die sozialen Härten von morgen ihr Gesicht tragen werden. Soziale Gerechtigkeit nur für hier und heute ist so einfach. Mit der Schuldenpolitik der vergangenen Jahre in diesem Land wurden Wohltaten auf Kosten der Zukunft verteilt. Deshalb müssen wir uns jetzt alle verstärkt anstrengen, um den Ausgleich zwischen den Gruppen wieder hinzubekommen, damit Solidarität auch in Zukunft in Rheinland-Pfalz möglich sein wird.
Wir werden das ausbessern müssen, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten falsch gemacht worden ist.
Deshalb müssen sich Politiker an den Konsequenzen und nicht nur an den Absichten ihres Handelns messen lassen. Diese Konsequenzen liegen nur zum Teil in der Gegenwart. Das ist das Trügerische. Es ist so einfach, auf Kosten anderer großzügig zu sein.
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, deshalb fordern wir als CDU-Fraktion, bevor wir neue Leistungen einführen, egal auf welcher Ebene, müssen wir an anderer Stelle entsprechende realistische – ich betone „realistische“ – Kürzungen vornehmen.
Hierzu gehört, dass Normalverdiener ihren Beitrag leisten, aber auch nicht überfordert werden. Angestellte, Beamte, Arbeiter tragen maßgeblich das soziale Netz in unserem Land. Deshalb wird die CDU bei ihren Bemühungen nicht nachlassen, Klein- und Mittelverdiener zu entlasten. Aber den Abbau der kalten Progression haben ihre Kollegen, hat die Regierung, der Regierungschef vor Ihnen und andere SPD-Länder verhindert. Diese Blockade ist schlichtweg leistungsfeindlich, sozial ungerecht gerade dann, wenn der Hauptprofiteur einer Lohnerhöhung der Staat und nicht der Arbeitnehmer ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse kurz zusammen, die Veränderung der Bevölkerung wird von uns noch vieles abverlangen. Das Land und die Kommunen werden das allein nicht schaffen können. Wir brauchen die Eigeninitiative der Bürgerinnen und Bürger; denn die Bürger sind verunsichert; denn sicher geglaubte Arbeitsplätze sind plötzlich hinfällig.
Wer hätte vor einem Jahrzehnt gedacht, dass Warenhäuser wie Karstadt pleitegehen oder Opel um das Überleben kämpft? Wer hätte gedacht, dass Schlecker pleitegeht und auch die Frankfurter Rundschau? Wer hätte gedacht, dass das Land als öffentlicher Arbeitgeber zunehmend auf befristete Arbeitsplätze setzt und seine eigenen Beamten in diesem Land verprellt? Wer hätte das gedacht?
Politik ist deshalb gefordert, Orientierung zu geben. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns zu Recht Ehrlichkeit, Berechenbarkeit, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit.
Wir haben gestern anderthalb Stunden zugehört und auf Positionen gewartet, die nicht kamen. Sie mögen auf anderes warten. Aber ich finde, es gehört schon zur Souveränität und zu der Fähigkeit des Miteinanders dazu, dass man zuhört, sehr geehrter Herr Kollege Hering. Sie können von uns nicht Dinge erwarten, die Sie selbst nicht einhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte unsere Position auch am Beispiel der Bildungs- und Familienpolitik erläutern. Inhalte statt Strukturdiskussionen sind uns wichtig. Gute Bildung bemisst sich an Inhalten und Qualität. Ich bin der festen Überzeugung, dass bei guter Bildung der einzelne Schüler, seine individuelle Entwicklung und nicht Schulstrukturen und Namensgebungen im Mittelpunkt stehen müssen, um gut und besser werden zu können.
Wir Christdemokraten wollen nicht eine Bildung, sondern jedem Kind seine Bildung. Was muss Bildung erreichen? – Sie soll die Grundlage schaffen, dass jeder Heranwachsende den Mut hat, sich seines eigenen Verstands zu bedienen, urteilen zu können als Heranwachsender, ein Urteilsvermögen und Souveränität zu haben, um auch in der Informationsflut unserer Zeit das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden zu können. Deshalb setze ich auf verbindliche Lehrpläne. Sie garantieren den Schülerinnen und Schülern Orientierungswissen für ihr Leben. Deshalb geht – dies sage ich ganz deutlich – meine CDU-Fraktion nicht mit bei den Plänen der Regierungsfraktionen, die Lehrpläne in diesem Land aufzuweichen. Das machen wir nicht mit.