Protocol of the Session on June 15, 2011

Wir wissen, dass noch mancher Konflikt durchzustehen sein wird, wenn es um die Windkraft, die Solarenergie und manch anderes mehr geht. Es ist eine große Herausforderung, einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen.

Die Landesregierung will alles in ihren Kräften Stehende tun, um diesen Konsens herzustellen – das ist auch in der Wirtschaftsdebatte von Frau Kollegin Lemke schon einmal angeklungen –, um auch in Zukunft die Produkte und Dienstleistungen der deutschen und der rheinlandpfälzischen Wirtschaft anbieten zu können, die in der Zukunft national und international gefragt sein werden, und die, wenn sie energiepolitisch wirtschaftlich tragfähig sind, entsprechende Erträge für unsere Volkswirtschaft garantieren.

Insoweit geht es um eine der größten Veränderungen, die wir derzeit in dem wirtschaftlichen und energiepolitischen Geschehen in der Nachkriegszeit vornehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde, es war beachtlich, dass sich 16 Länder unterschiedlicher Regierungscouleur in weiten Teilen konsensual zu einem gemeinsamen Katalog von Forderungen und Maßnahmen zusammengefunden haben, der der Bundesregierung am gleichen Tag, nämlich am 3. Juni der vorletzten Woche, vorgelegt worden ist.

Nunmehr laufen die Gespräche in den Ausschüssen. Das rheinland-pfälzische Kabinett hat am gestrigen Tag die Ausschussberatungen ausgewertet und zu einer Position des Landes Rheinland-Pfalz verdichtet. Wir werden am Freitag dieser Woche im Bundesrat die erste Debatte zu diesem Thema führen. Frau Kollegin Lemke wird dazu für uns Stellung nehmen.

Wir werden darüber hinaus am 8. Juli 2011 nach der abschließenden Beratung des Deutschen Bundestags darüber zu befinden haben, wenngleich die Mehrzahl der anstehenden Gesetze als Einspruchsgesetze konzipiert sind.

Ich habe es vorhin als Kritik verstanden, dass die Landesregierung die Regierungserklärung angemeldet hat. Sie hat es gestern vor einer Woche getan, das heißt absolut fristgemäß. Ich hätte mich schwergetan, das Parlament vor einer solch großen Entscheidung für Deutschland nicht in diese Debatte einzubeziehen. Deshalb gab es diese Regierungserklärung. Ich glaube, es hätte niemand verstanden, auch wenn es jetzt eine Sondersitzung zu anderen Punkten geben sollte. Das war aber nicht vorhersehbar.

Es hätte wahrscheinlich niemand verstanden, wenn wir bei der zentralen Entscheidung für die Zukunft dieser Republik und unseres Landes eine solche Debatte während der abschließenden Beratungen in den Parlamenten auf der Bundesebene nicht gesucht hätten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Mit den Zielprojektionen, zu denen ich jetzt komme, ist absolut kompatibel, was wir uns als anspruchsvolle Ziele für Rheinland-Pfalz gestellt haben, nämlich bis zum Jahr

2030 bilanziell 100 % unseres Stromes aus erneuerbaren Energien herzustellen und unser Land auf dieser Basis zu einem Stromexportland zu machen.

Wir können und dürfen sagen, dass die Vorgaben der Koalitionsvereinbarung und der Regierungserklärung den jetzigen Debatten auf der Bundesebene vorausgegangen sind. Wir werden versuchen, diese klaren Ziele noch an einigen Stellen zu erreichen.

Meine Damen und Herren, ich finde, das sind beachtliche Zahlen, die ich doch noch einmal in unser aller Erinnerung rufen möchte, um dem Argument zu begegnen, das sei alles nicht real erreichbar.

Wir decken heute in Rheinland-Pfalz rund 55 % unseres Strombedarfs selbst. Der Anteil der erneuerbaren Energien an dieser Stromerzeugung in unserem Land liegt bei 24 %, im Bundesdurchschnitt bei 17 %. Ich finde, das ist eine gute Ausgangsposition. Wir sind schon weiter als andere vorangeschritten. Auf diesem erreichten Stand haben wir eine bessere Chance als andere, um die Ziele, die wir uns selbst gesetzt haben, und die wir hoffen, auch bundesweit durchsetzen können, zu erreichen.

Dass wir diese Zielerreichung im Einklang mit den Klimaschutzzielen schaffen wollen – das füge ich hinzu –, setzt dem Einsatz von fossilen Energieträgern entsprechend Grenzen und lässt innerhalb der fossilen Energieträger wiederum eine Abstufung der unterschiedlichen Brennstoffe notwendig erscheinen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Insoweit können wir einen begonnenen Weg fortsetzen und daraus einen wirklichen Systemwechsel machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, konkret möchte ich noch einmal deutlich machen, dass wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energienetze die Bürgerinnen und Bürger in die entsprechenden Planungen und Absichten einbeziehen möchten. Ich glaube, dass das auch gelingen kann, wenn uns dieser gesellschaftliche Konsens weiterhin gelingt.

Dabei geht es sicher darum, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft deutlich machen können, dass wir eine zuverlässige Versorgung sicherstellen können, saubere und bezahlbare Energie aus ungefährlichen Quellen einsetzen und darüber hinaus die Chance nutzen werden, bestehende Arbeitsplätze sowie neue Arbeitsplätze in diesen Technologien der erneuerbaren Energien zu sichern.

In Deutschland gibt es zwischenzeitlich einen ganzen Wirtschaftszweig, der auf diesen Zielprojektionen und auf dem basiert, was derzeit umgesetzt wird. So können wir von 370.000 Jobs sprechen, die in diesem Sektor bereits entstanden sind. Wir sind sicher, dass dies bei Weitem nicht das Ende dieser Entwicklung sein wird.

Man könnte aus rheinland-pfälzischer Sicht eine ganze Reihe von Unternehmen nennen, die in diesem Sektor mehr als nur erfolgreich sind: von den Dämmstoffpro

duktionen beim größten Chemieunternehmen der Welt, der BASF, bis hin zu den verarbeitenden Betrieben im Handwerk. – Man kann von Fuhrländer und juwi, von vielen Forschungsbereichen und Anwendungsbereichen bis hin zu klassischen Technologien sprechen, beispielsweise in der Gusstechnologie, in der wir mit HegerGuss – wie Fachleute sagen – das modernste Gusswerk der Welt haben, das die Basis für hochleistungsfähige Windenergie produziert. Wir haben eine realistische Chance auf einen neuen wirtschaftlichen Weg. Diesen Weg wollen wir im Interesse der Arbeitnehmerinnen und -nehmer und im Interesse unserer Unternehmen und unserer Volkswirtschaft gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns ist das kein neuer Weg, für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war es sozusagen Gründungsgrundlage. Die SPD hat einmal zwischendurch ihre Orientierung in diesen Fragen nicht mehr ausreichend im Fokus gehabt nach den Vorgaben, die Willy Brandt uns einmal gegeben hat, aber es sind 30 Jahre einer klaren Positionierung, was den Ausstieg aus der Atomenergie angeht.

Darauf basierend war es zu der Regelung in Zeiten der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder gekommen. Ich will noch einmal deutlich machen, auch der Energiewirtschaft gegenüber: Damals konnte man sich darauf verständigen, dass eine gesetzliche Grundlage geschaffen und eine Vereinbarung mit der Wirtschaft getroffen worden ist, diesen Ausstieg zu organisieren. Man kann nur hoffen, dass man auf diesen Stand wieder zurückkehrt und sich nicht nur vor Gerichten begegnet, was die entsprechenden Interessenlagen angeht.

Dass wir damals mit dem EEG, dem ErneuerbareEnergien-Gesetz ein Musterbeispiel der Energieorientierung hinbekommen haben, darf man guten Gewissens sagen. Dieses EEG ist zwischenzeitlich zu einem – wenn man so will – juristischen Exportartikel geworden und weltweit geachtet. Man ist weltweit interessiert.

Ich hoffe, dass die letztherbstliche Wende zu verlängerten Laufzeiten jetzt nicht so stark in den Wirkungen ist, dass man bei den Energieerzeugungsunternehmen versucht, auf dem Gerichtsweg all diese Fragen zu klären und entsprechende Schadenersatzdimensionen zu realisieren.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass zu einem echten und dauerhaften Energiekonsens in Deutschland neben der stabilen, sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung auch die verstärkten Anstrengungen zur Energieeinsparung und die Steigerung der Energieeffizienz gehören und durch eine Kombination aus erneuerbaren Energien und hoch effizienten Kraftwerken möglichst in Kraft-WärmeKopplung dann eine sichere Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen hergestellt werden kann, die dem Klimaschutz gerecht wird und die natürlichen Ressourcen schont, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie

und der mittelständischen Unternehmen national und international in Gefahr zu bringen.

(Beifall der Abg. Frau Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund dieser Orientierungen haben wir uns auf eine Riehe von konkreten Punkten verständigt, die wir in den nächsten Tagen im Bundesrat und in seinen Ausschüssen sowie in den politischen Verhandlungen auf Bundesebene deutlich machen werden.

Das bedeutet im Einzelnen zum Ersten: Der Atomausstieg muss schnellstmöglich, unumkehrbar und geordnet vollzogen werden.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dazu gehört, dass die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie das AKW Krümmel endgültig abgeschaltet bleiben müssen.

Die Nachrichten, die wir derzeit hören, – – –

(Unruhe im Hause)

Ich dachte, dass es vielleicht für manche auch ein bisschen wichtig ist, was derzeit diskutiert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir davon ausgehen, dass diese Kraftwerke abgeschaltet bleiben.

Ich kann es nur als eine Provokation empfinden, dass derzeit darüber diskutiert wird, Philippsburg 1 und möglicherweise auch Biblis B vorübergehend wieder ans Netz zu nehmen. Wir wissen alle, das Hoch- und Herunterfahren von Kraftwerken gehört zu den kritischsten Momenten des Betriebs von Kernenergiekraftwerken. Deshalb kann man nur darauf hoffen, aber auch entsprechendes Handeln und Verhandeln der Bundesregierung einfordern, dass es dazu nicht kommt.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zum zweiten Punkt: Wir haben es zunächst mit einem Szenario zu tun gehabt, dass die Bundesregierung die Absicht hatte, neben den sieben Kraftwerken, die im Moratorium abgeschaltet waren, und Krümmel, alle anderen Kraftwerke erst zum Jahr 2022 vom Netz zu nehmen.

Viele Fachleute haben uns deutlich gemacht, dass das nicht funktionieren kann, es technisch und wirtschaftlich nicht funktionieren kann, weil man schwer ausreichende Ersatzkapazitäten bauen, sie nicht nutzen oder als Überkapazitäten überhaupt nicht an den Markt bringen und somit dann nicht auf einmal diesen Wechsel vollziehen kann.

So war doch auch die politische Besorgnis vorhanden, dass diese Stauchung, wie sie in der politischen Debatte genannt worden ist, zu einem Ausstiegsszenario genutzt werden könnte, so nach dem Motto: Sie sehen doch

selbst, dass es nicht funktioniert, also können wir den Weg nicht gehen. – Auf der anderen Seite verstehe ich die Bundesregierung, dass sie versucht, einen Weg zu gehen, der das Schadenersatzrisiko möglichst minimiert, indem die Restlaufzeiten auf die Kraftwerke verteilt werden.

Zwischen diesen beiden Ansätzen gilt es, einen politischen Weg zu finden, der ein gestuftes Ausstiegsszenario möglichst schnell als Grundlage hat – und siehe da, nachdem sich alle Länder sehr klar diesbezüglich positioniert hatten, war es in den Gesprächen möglich, ein gestuftes Verfahren zum Stand der jetzigen Diskussion – und – wie wir alle hoffen – dann auch zu der endgültigen Diskussion werden zu lassen, nach der Abschaltung der acht Kraftwerke – 7 + 1 –, mit einem weiteren Ausstieg im Jahr 2015, 2017, 2019, 2021 und der Abschaltung der restlichen drei Atomkraftwerke im Jahr 2022.

Wir sind der Auffassung, dass man diesen Zeitplan durchaus noch etwas weiter nach vorn entzerren könnte. Dazu laufen die Gespräche. In jedem Fall sind wir aber einen entscheidenden Schritt weiter, was die Stufung des Verfahrens angeht.

Ich komme zu meinem dritten Punkt: Es geht um etwaige Entschädigungsverpflichtungen gegenüber den Kernkraftwerksbetreibern. Der Bund hat sich – unrechtmäßigerweise, wie wir sicher sind – beim Herauffahren nicht beteiligt, und er beteiligt uns jetzt über die Einspruchsgesetzgrundlage beim Herunterfahren. Dies zeigt die Zuständigkeit. Zum Zweiten ist sicherlich auch die Tatsache der Verlängerung der Laufzeiten aus dem letzten Herbst zusätzlich risikosteigernd gewesen, was Schadenersatzforderungen angeht. Vor diesem Hintergrund lautet unsere Forderung ganz klar, wenn es zu solchen Schadenersatzregelungen kommt, muss der Bund dafür geradestehen und kann und darf dies nicht auf die Länder und die Kommunen abwälzen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

In meinem vierten Punkt komme ich noch einmal auf die sogenannte „atomare Kaltreserve“, also auf den Standby-Betrieb von einem Kernkraftwerk, zu sprechen. Das Szenario kommt von der Bundesnetzagentur. Ich will noch einmal deutlich machen, dass wir die Kaltreserve in dieser Form ablehnen und erwarten, dass bis zu den endgültigen Entscheidungen die Bundesregierung eine Konzeption vorlegt, wie auf fossiler Grundlage dieses theoretische Versorgungsrisiko abgedeckt werden kann. Ich möchte im Übrigen auch in diesem Punkt meinen Eindruck nicht verschweigen: Ich bin sogar sicher, dass es dort mehr um ein koalitionspolitisches Problem der Bundesregierung als um ein technisches oder atomrechtliches Problem geht. Das sollte doch überwunden werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in meinem fünften Punkt geht es um den Rückbau. Darüber können wir Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer einiges berichten, wenn wir an Mülheim-Kärlich denken. Der Rückbau stillgelegter Kernkraftwerke und Forschungsreaktoren darf die Länder nicht belasten. Dies gilt auch für