Protocol of the Session on November 8, 2012

Ich möchte einen letzten Aspekt hervorheben, der mir wichtig ist. Ich glaube, wir tun gut daran zu reflektieren, wie wir über Fragen der sozialen Gerechtigkeit und über Fragen der gerechten Besteuerung miteinander reden.

Ich möchte das mit wenigen Sätzen an der Biografie eines Ökonomen namens Fritz Neumark festmachen. Fritz Neumark war in den 30er-Jahren Finanzwissenschaftler an der Universität Frankfurt. Er war mit einer Jüdin verheiratet. Die Fakultät sagte ihm, er solle sich entweder von seiner Frau trennen oder die Fakultät verlassen. Fritz Neumark hat sich, was, glaube ich, immer richtig ist, für die Liebe entschieden und ist ins Asyl in die Türkei gegangen. Er ist dort ein bedeutender Finanzwissenschaftler geworden. Noch heute ist das Einkommensteuerrecht der türkischen Regierung von Fritz Neumark geprägt.

Als gemachter und angesehener Mensch in der Türkei hat er sich bewusst entschieden, ins Nachkriegsdeutschland zurück in seine Fakultät, zurück zu den Kollegen zu kommen, die er damals schon hatte, beseelt von der Vorstellung, dass er am demokratischen Wiederaufbau mitwirken muss, und beseelt von der Vorstellung, dass eine Demokratie darauf angewiesen ist, dass die Menschen die Steuerpolitik als gerecht empfinden.

Das ist immer wieder formuliert worden. „Gerechtigkeit“ ist ein schwer zu fassender Begriff. Aber die Menschen müssen das Gefühl haben, dass es bei der Besteuerung gerecht zugeht und asymmetrische Entwicklungen bei der Vermögensverteilung entsprechend korrigiert werden können. Ich glaube, in Respekt vor diesen Menschen, von denen es viele gibt, tun wir gut daran, in unserer Auseinandersetzung ein gewisses Vokabular zu vermeiden. Es ist dargestellt worden, wie über die Erbschaftsteuer gesprochen wird. Sie sei eine „ideologisierte Neidsteuer“.

Meine Damen und Herren, die „Ideologie“ ist die soziale Marktwirtschaft. Es geht nicht um Neid, sondern um soziale Gerechtigkeit und um die Zukunft unserer demokratischen Ordnung. Deshalb wird die Landesregierung alles daransetzen, die Erbschaftsteuer in ihrer Substanz zu erhalten. Sie wird sich bemühen, ähnliche Formen der Besteuerung zu schaffen. Ich denke an die Vermögensteuer. Sie werden uns nachsehen, dass wir das in der Verantwortung für die künftigen Generationen mit einer gewissen Leidenschaftlichkeit machen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Für die Fraktion der GRÜNEN hat nun noch einmal Kollege Steinbach das Wort.

Ich bin Dr. Barbaro für seine grundsätzlichen Ausführungen äußerst dankbar. Ich möchte sagen, dass ich seine Ausführungen teile und seine Betrachtungsweisen und Ziele voll unterstütze. Das erkläre ich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich. Ich will auch darauf hinweisen, dass, wer Fritz Neumark zitiert, so falsch nicht liegen kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt hat die CDU zum Teil das geliefert, was ich eingefordert habe: Sie hat sich positioniert. Sie hat erklärt, sie steht zu dem Kompromiss, der 2007 im Rahmen der Großen Koalition in Berlin gefunden wurde. Das ist, zumindest im Grundsatz, ein Bekenntnis zum Erhalt der Erbschaftsteuer. Ich finde, das ist eine wichtige Positionierung. Ich bedanke mich dafür, dass Sie darauf reagiert haben und diese Position eingenommen haben. Herr Schreiner, das finde ich richtig. Offensichtlich haben Sie hier zum Ausdruck gebracht, dass Sie die Position und die Forderung der Jungen Union nicht teilen. Ich begrüße das ausdrücklich.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Aber ich muss noch auf zwei Sachen eingehen. Der eine Punkt ist, ich kann es nachvollziehen, wenn Sie sagen, dass Sie im Grundsatz zu dem Kompromiss stehen, der 2007/2008 gefunden wurde. Wir müssen nur anerkennen, dass es die Vorlage des Bundesfinanzhofs an das Bundesverfassungsgericht mit der Monierung der entsprechenden Punkte erforderlich macht, dass wir daran noch etwas ändern, damit wir es so erhalten können, wie es ursprünglich gedacht war. Wir sehen nämlich Ausweichreaktionen, die nicht im Sinne dessen sind, was die Gesetzgeber damals gewollt haben. Darum ist eine Anpassung heute erforderlich, und darum ist es richtig,

dass sich die Vertreter der Länder im Bundesrat in großer Breite zu Wort gemeldet haben. Die Umgehung, die dort stattfindet, nämlich indem privates Vermögen in Pseudogesellschaften geparkt wird, damit es von der Erbschaftsteuer verschont bleibt, müssen wir unterbinden. Dazu müssen wir gesetzliche Anpassungen vornehmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schreiner, noch eines möchte ich Ihnen kurz sagen: Wenn Sie über die Höhe der Erbschaftsteuer im internationalen Vergleich reden, bedenken Sie bitte, dass in der Bundesrepublik Deutschland der Anteil der vermögensbezogenen Steuern im Vergleich zu den gesamten OECD-Ländern relativ niedrig ist. Ich glaube, hier besteht insgesamt ein deutlicher Nachbesserungsbedarf.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Kollege Schreiner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär, ich möchte eines festhalten: Dass wir in Rheinland-Pfalz einen solch hohen Konsolidierungsbedarf haben – 1,6 Milliarden Euro bis 1,8 Milliarden Euro –, liegt nicht an niedrigen Erbschaftsteuersätzen. Rheinland-Pfalz hat ein Ausgabe- und kein Einnahmeproblem.

(Beifall der CDU – Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Herr Ministerpräsident, dadurch, dass ich es wiederhole, wird es nicht falsch.

(Ministerpräsident Beck: Das ist blanker Unsinn! – Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Dadurch wird es aber auch nicht richtig!)

Wir sind uns auch einig, dass wir gemeinsam zu dem Kompromiss stehen, den die Große Koalition in Berlin gefunden hat, und wir gemeinsam gegen rechtsmissbräuchliche Steuergestaltungen eintreten. Wir sind uns nicht einig, wenn Sie Steuererhöhungen das Wort reden.

Noch etwas möchte ich sagen: Ich glaube, wir, die politischen Parteien, sollten auf unsere Jugendorganisationen stolz sein.

(Hering, SPD: Sind wir! – Baldauf, CDU: Sie sollten Ihre mit der Lupe suchen!)

Die SPD sollte auf die Jusos stolz sein – das finde ich gut –, die GRÜNEN sollten auf die GRÜNE JUGEND stolz sein, und wir sind auf die Junge Union stolz. Die

Regierungskoalition hat gestern, als es um die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ging, und heute, indem sie das Thema „Erbschaftsteuer“ aufgegriffen hat, Themen auf die Tagesordnung gesetzt, bei denen sie durch Beschlüsse der Jungen Union motiviert worden war.

Ich könnte Ihnen sagen, welche Vorschläge der Jusos und der Jungen Union wir in der nächsten Sitzung auf die Tagesordnung setzen könnten,

(Frau Klöckner, CDU: Von den jungen GRÜNEN!)

der Jusos und der Jungen Grünen.

Ich kann aber verstehen, dass Sie es bisher nicht getan haben. Dann müssten wir nämlich zum Beispiel über die Einrichtung einer dritten öffentlichen Toilette diskutieren für den Fall, dass sich jemand nicht entscheiden möchte, ob er zu den Männlein oder zu den Weiblein gehen muss. All das sind Beschlüsse Ihrer Jugendorganisationen.

(Beifall der CDU)

Wir würden über ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutieren – nicht nur für Deutschland, sondern weltweit. Das ist eine Forderung Ihrer Jugendorganisation. Wir würden zum Beispiel über die Kita-Pflicht für die Kleinsten diskutieren.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da ist bis jetzt keine schlechte Idee dabei gewesen! – Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, ich habe vorhin nur vier Minuten geredet. Ich erlaube mir, diesen Satz zu Ende zu führen.

(Ramsauer, SPD: Worüber reden Sie denn jetzt? Über die Vermögensteuer? – Frau Schleicher-Rothmund, SPD: Das ist nur peinlich!)

Ich rede darüber, was Sie nächstes Mal auf die Tagesordnung setzen können, und darüber, ich würde mir wünschen, dass sich alle Jugendorganisationen unserer Parteien mit der gleichen Ernsthaftigkeit mit den Problemen unseres Landes beschäftigen. Die einen reden über die Erbschaftsteuer, und die anderen reden über eine dritte öffentliche Toilette.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Kollege Wansch, Sie haben nun das Wort.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle in diesem Hause, die wir uns politisch engagieren, sind sicherlich froh über Jugendorganisationen mit

sich leidenschaftlich engagierenden Mitgliedern. In der Politik ist es wichtig, sie auf dem Weg zum Engagement für diese Gesellschaft mitzunehmen. Es ist aber auch, wenn eine Jugendorganisation Beschlüsse fasst, unsere Pflicht aufzuzeigen, was diese bedeuten. Aber lassen wir das an dieser Stelle so stehen.

Bei der Erbschaftsteuer und bei der Schenkungsteuer geht es um die Frage: Sind wir in der Lage, Schlupflöcher, die sich aufgetan haben, zu schließen? – Ich kann verstehen, dass die Bundes-CDU kein Interesse daran hat, da etwas zu machen; denn warum soll sie sich gegen die eine oder andere gesellschaftliche Bewegung stellen, wenn sie noch nicht einmal etwas davon hat, da das Steueraufkommen den Ländern zusteht? Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nehmen Sie auch Ihre Verantwortung für das Land Rheinland-Pfalz wahr. Für das Land Rheinland-Pfalz ist es wichtig – der Schnitt liegt bei Steuereinnahmen in Höhe von 200 Millionen Euro pro Jahr –, dass diese Einnahmen stabil sind und vielleicht sogar steigen, wenn es uns gelingt, diese Steuerschlupflöcher zu schließen. Wirken Sie daran mit, dass diese Steuerschlupflöcher in Zukunft – ab dem Jahr 2013 – geschlossen werden können.

Das hat nichts damit zu tun, dass wir gegen den damals in Bezug auf die Erbschaftsteuer gefassten Kompromiss sind. Das hat etwas damit zu tun, dass wir die Konsequenzen aus den Erfahrungen ziehen. Wirken Sie daran mit! Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr! Dazu fordere ich Sie auf; denn hier ist eine Korrektur erforderlich.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Somit sind wir am Ende der Aussprache zu den Mündlichen Anfragen und treten nun in die Mittagspause ein bis 14:00 Uhr.

U n t e r b r e c h u n g d e r S i t z u n g: 12:58 Uhr.

W i e d e r b e g i n n d e r S i t z u n g: 14:04 Uhr.