Wir haben eine Grundredezeit von fünf Minuten. Die CDU-Fraktion hat dabei die eineinhalbfache Redezeit. Die Redezeit hat sich noch ein bisschen verlängert, sodass sie eine Redezeit von acht Minuten und fünf Sekunden hat.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Eine gute Schulbildung, eine erfolgreiche und auch praxisnahe Ausbildung oder auch ein abgeschlossenes Studium, das alles sind wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Berufsleben. Heute wissen wir, dass Bildung aber nicht mit dem Eintritt ins Berufsleben endet und auch nicht enden darf, sondern Weiterbildung und ein lebenslanges Lernen wichtige Faktoren der Lebens- und Arbeitswelt sind.
Weiterbildung und lebenslanges Lernen stärken aber auch unsere soziale Kompetenz. Im 9. Bericht der Landesregierung zum Bildungsfreistellungsgesetz vom 21. April 2011 heißt es daher zu Recht:
„Lebenslanges Lernen ist gerade mit Blick auf den fortschreitenden demografischen, sozialen und technischen Wandel unserer Zeit ein zentrales Element zum Erhalt der Zukunftsfähigkeit des Landes Rheinland-Pfalz.“
Die geltenden Bestimmungen des BFG tragen dem auch Rechnung; denn ein Arbeitnehmer hat in einem Zeitraum von zwei Jahren – Frau Ministerin Ahnen hat es soeben vorgetragen – einen Anspruch auf zehn Tage Freistellung, und ein Auszubildender kann sich während seiner Ausbildung zurzeit einmalig für drei Tage freistellen lassen, um an einer gesellschaftspolitischen Weiterbildung teilzunehmen. Dieser gesetzliche Anspruch besteht seit fast 20 Jahren und wird auch von den Betrieben, die ihre Auszubildenden und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Weiterbildungen im Rahmen des BFG freistellen, mitgetragen und ermöglicht.
Daneben müssen wir heute aber auch darauf verweisen, dass es viele inner- und außerbetriebliche Fort- und Weiterbildungen gibt, die nicht durch das BFG berücksichtigt werden. Im Berichtszeitraum 2009/2010 wurde kein einziger Antrag auf Bildungsfreistellung abgelehnt, so ist es im Bericht zu lesen. Insgesamt wurden 9.413 Veranstaltungen anerkannt, davon rund 83 % im beruflichen Bereich und nur etwa 16 % im gesellschaftspolitischen Bereich. Den größten Anteil der Kurse nehmen die 2.230 anerkannten Sprachkurse ein, dies ist ebenfalls dem Bericht der Landesregierung zu entnehmen.
Wenn wir nun heute über eine Änderung des Bildungsfreistellungsgesetzes und damit eine Ausweitung des Freistellungsanspruchs sprechen, so müssen wir erst einmal feststellen, dass nur 1,4 % der Anspruchsberechtigten – also der Arbeitnehmer und auch der Auszubildenden – in Rheinland-Pfalz in den Jahren 2009 und 2010 von diesem Rechtsanspruch Gebrauch gemacht haben. – Nur 1,4 %!
Wenn wir dann die Gruppe der Auszubildenden herausrechnen – die junge Generation ist heute ein wenig in den Blickpunkt geraten –, dann können wir feststellen, dass in den Jahren 2009 und 2010 nur 388 Auszubildende insgesamt an entsprechenden Veranstaltungen teilgenommen haben. Dies entspricht nur für die Gruppe der Auszubildenden einer Quote von 0,25 %. Meine Damen und Herren, ich glaube, in diesem Bereich besteht dringender Handlungsbedarf. In diesem Bereich sind wir bzw. ist die Landesregierung aufgefordert, uns in dem entsprechenden Ausschuss Gedanken zu machen, um mehr Anreize zu schaffen und die jungen Menschen zu motivieren, dass sie von diesem Recht Gebrauch machen; denn 0,25 % ist nicht genug.
Jugendliche, die eine Ausbildung machen, beschäftigen sich in der Berufsschule bereits mit gesellschaftspolitischen Fragen in den dafür vorgesehenen Fächern wie Sozialkunde, Volkswirtschaftslehre, Religion oder auch Ethik. Das können sie aber nur, wenn der Unterricht auch stattfindet; denn gerade an den Berufsschulen in Rheinland-Pfalz besteht ein Rekordunterrichtsausfall von 6 %, und deshalb muss die gesellschaftspolitische Bildung junger Menschen erst einmal dort gewährleistet sein, wo sie ihren originären Platz hat und alle Auszubildenden erreicht, und dies geschieht nun einmal in der Schule.
Gesellschaftspolitische Bildung wird auch im außerschulischen Bereich in vielfacher Weise – vorwiegend durch Ehrenamtliche in Jugendorganisationen der Kirchen und bei vielen anderen Trägern – geleistet; dort nämlich, wo sich junge Menschen durch ihr eigenes ehrenamtliches Engagement einbringen, erlernen sie in erster Linie soziale Kompetenzen.
Die aktive Teilhabe an politischen Prozessen im Gemeinwesen müssen wir weiter ausbauen, und dies haben wir heute auch schon zu Beginn der Sitzung diskutiert. Ich denke dabei an vielfältige Möglichkeiten, beispielsweise an einen Jugendstadtrat, wie er in Pirmasens eingerichtet worden ist. Meine Damen und Herren, solche Beteiligungsformen müssen wir fördern; denn diese wiederum fördern ganz konkret die politische Beteiligung junger Menschen.
Das Ergebnis der Anhörung der Verbände und der damit eingegangenen Stellungnahmen zur geplanten Geset
zesänderung ist eindeutig: Auf der einen Seite stehen die anerkannten Weiterbildungsträger, die auch einen Großteil der im Rahmen des BFG anerkannten Veranstaltungen anbieten und durchführen. Sie stimmen diesem Gesetzentwurf zu. Auf der anderen Seite – dort sind die Stimmen genauso eindeutig – stehen die Meinungen der Arbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern, der Landesvereinigung der Unternehmerverbände oder auch der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände. Sie lehnen diesen Entwurf einstimmig ab.
Sie sehen die gesellschaftspolitische Weiterbildung in der Ausbildung bereits ausreichend abgedeckt und plädieren für einen Vorrang der fachlichen und praktischen Ausbildung. Das ist nicht meine Meinung, sondern die Meinung der Verbände.
Auch für die Betriebe selbst wäre eine bis zu 15-tägige Abwesenheit der Auszubildenden aus dem Betrieb neben den Zeiten des bereits vorhandenen Blockunterrichts, des Urlaubs oder etwaiger krankheitsbedingter Fehltage möglicherweise eine Hürde der betrieblichen, fachlichen und praktischen Ausbildung.
Wir befinden uns heute in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs und müssen die unterschiedlichen Argumente sehr sorgfältig abwägen. Dazu stehen uns die weiteren Beratungen im Ausschuss, aber auch zusätzliche Anhörungen als Instrumente zur Verfügung. Ich möchte Sie an dieser Stelle bitten, dass wir gemeinsam diese Instrumente nutzen und zu einer Entscheidung kommen, wir uns aber zunächst einmal noch weiter beraten lassen und Meinungen einholen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ganster, ich muss sagen, sie lassen mich zugegebenermaßen etwas verwirrt zurück. Sie haben viele Zahlen aus dem Bildungsfreistellungsbericht vorgetragen. Ich bin vor allem nach der Diskussion, die wir vorhin zum Thema „Wahlrecht mit 16“ geführt haben sowie auch nach der Argumentation aus Ihrer Fraktion heraus eigentlich davon ausgegangen, dass es von Ihrer Seite schon eine durchaus positive Positionierung zu dem Vorschlag gibt, den Bildungsanspruch für junge Auszubildende auszuweiten; denn – O-Ton Herr Klein – das Wahlrecht ist nur die eine Form der Beteiligung. Es geht um mehr, und es gibt auch andere Formen. Insofern bin ich etwas verwirrt, aber ich hoffe, dass wir Sie in den weiteren Beratungen im Ausschuss durchaus noch davon überzeugen können, dass das sinnvoll ist.
Allerdings haben wir schon viel von Ihren Beratungsgremien und Beratungszirkeln in der Vergangenheit erfahren können, und ich habe ein wenig die Befürchtung, dass dies letztendlich doch wieder dazu führt, dass Sie nach langer und ausführlicher Beratung dann doch wieder dazu kommen, dass das alles so nicht machbar und nicht vollziehbar ist.
Worum es in dem Gesetzentwurf geht, hat die Ministerin eben sehr ausführlich dargelegt. Unser Ziel ist es, die Beteiligung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich auszuweiten. Eben ist schon relativ viel über den demografischen Wandel gesprochen worden. Wir müssen der jungen Generation mehr Gehör verschaffen. Ich muss sagen, die CDU führt immer die Generationengerechtigkeit als großes Argument ins Feld. Hier können Sie ganz konkret einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit leisten, wenn Sie nach der zweiten Beratung diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Ich möchte noch einmal betonen, wir sind uns einig – das klang zumindest so an – dass die Voraussetzungen für Beteiligung und für Engagement die Information und das Verstehen und das Verständnis für gesellschaftliche Zusammenhänge, eben nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit sind. Insofern ist es durchaus schön, wenn auch Kurse im Ausland stattfinden, weil man da auch ein Stück interkulturelle Kompetenz lernt.
Es geht um das Kennenlernen von unterschiedlichen Konzepten und unterschiedlichen Ideen, um sich eine eigene Meinung zu bilden.
Sie haben auch eine Kleine Anfrage zu dem Thema gestellt. Wenn man sich anschaut, um welche Seminare es geht, an denen Jugendliche teilgenommen haben, dann sieht man, es geht zum Beispiel um junge Arbeitnehmerinnen im Betrieb, in Wirtschaft und Gesellschaft oder auch um die Situation und Interessen junger Arbeitnehmerinnen im Betrieb, aber auch um die Berliner Mauer, den 13. August 1961. Das sind Geschichtsseminare, in denen die Jugendlichen eine ganze Menge über Demokratie lernen können.
Um Dinge aber kennenzulernen, brauchen jugendliche Arbeitnehmer Zeit. Die bisherige Regelung mit drei Tagen quasi nur in einem Ausbildungsjahr, wenn man von zwei Ausbildungsjahren ausgeht, ist zu wenig. Das zeigt auch der Vergleich mit anderen Bundesländern. Wir müssen und wollen diese Regelung angleichen.
Wir wollen, dass junge Menschen Raum haben, sich intensiv mit Themen zu befassen und sich darüber auch mit anderen im Rahmen eines Seminars auszutauschen. Das stärkt letztendlich auch die soziale Kompetenz. Diese haben Sie eben ausführlich ins Feld geführt.
Im Übrigen ist Sozialkompetenz auch ein Benefit für die Arbeitgeber. Nur Azubis, die über den Tellerrand schauen und nicht nur fachlich gut qualifiziert sind, bringen auch gute Ideen und neue Konzepte in den Betrieb ein.
Sie bringen neue Kompetenzen in den Betrieb ein. Das führt letztendlich auch zum unternehmerischen Erfolg.
Es klang an, dass Sie noch einmal eine Anhörung zu dem Thema machen wollen, auch wenn wir die Stellungnahmen eigentlich kennen. Ich gehe davon aus, dass letztendlich auch die Skeptiker in den eigenen Reihen das erkennen werden.
Ich bin auch fest davon überzeugt, dass Arbeitgeber, die ihren Azubis und Beschäftigten die Möglichkeit bieten, an Maßnahmen der gesellschaftspolitischen Bildung teilzunehmen, in Zukunft deutliche Wettbewerbsvorteile haben, wenn es um das Werben um die besten Azubis und die besten Schulabsolventen geht. Das wird ein ganz wesentlicher Faktor sein.
Die Neuregelung so, wie sie vorgesehen ist und wie wir sie hoffentlich im nächsten Plenum verabschieden können, nutzt nicht zuletzt den Trägern von Weiterbildungsmaßnahmen. Auch dort kann man davon ausgehen, dass ein 5-Tages-Seminar eine deutlich größere Planungssicherheit bietet und vor allem auch Möglichkeiten für neue Angebote schafft.
Frau Ganster, ich gebe Ihnen recht, wir vollziehen diese Änderung nicht, damit sie nicht auch genutzt wird. In der Tat ist es so, dass die Teilnahme an Maßnahmen der Bildungsfreistellung zu wünschen übrig lässt. Wir alle sind dort in Verantwortung. Auch da gebe ich Ihnen recht, was Sie gesagt haben. Wir alle sind in der Verantwortung, dafür zu werben, dass diese Angebote auch wahrgenommen werden.
Ich für meinen Teil werde auf jeden Fall schon die nächstbeste Gelegenheit am Freitag nutzen, beim Schulbesuchstag dafür zu werben, dass es diese Möglichkeit gibt und sie auch von Jugendlichen und jungen Erwerbstätigen angenommen wird. Ich möchte noch einmal sagen, ich hoffe, dass wir nach den Beratungen in den Ausschüssen und dann in der Anhörung zu dem Ergebnis kommen, dass wir das alle mittragen und hier mit einer breiten Mehrheit verabschieden können.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kommt ein weiteres wichtiges Vorhaben der rot-grünen Koalition im Bildungsbereich zur Umsetzung. Von der Ausweitung
Die Auszubildenden erhalten weitere Möglichkeiten, eigenständig Bildungsangebote zu wählen, die über die Inhalte ihrer dualen Berufsausbildung hinausweisen. Gesellschaftspolitische Weiterbildung erweitert den Horizont. Sie ist auch eine wichtige Grundlage, bei der Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft mitzumischen. Gerade darum muss es gehen, wenn wir bessere Möglichkeiten für gesellschaftliche Beteiligung schaffen wollen.
Die Enquete-Kommission „Aktive Bürgerbeteiligung für eine starke Demokratie“ hat nicht ohne Grund die sozialen Voraussetzungen für Beteiligung an den Anfang ihrer Arbeit gestellt. Natürlich ist auch die politische Bildung ein wichtiges Instrument, um Beteiligung zu stärken.