Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete, liebe Gäste! Es ist schon sehr interessant, wie sehr sich heute die CDU als Familienpartei positioniert. Immerhin steht in dem Gesetzentwurf, dass zum Beispiel Hartz-IVFamilien das Betreuungsgeld angerechnet wird und sie es damit quasi nicht bekommen.
Ich erspare mir, die Rede noch einmal zu halten, die ich schon gehalten habe, und die 41 Verbände zu benennen, die gegen die Einführung des Betreuungsgeldes sind.
Ich möchte aber ganz deutlich zum Ausdruck bringen, dass es eine fatale Außenwirkung hat, dass sich die ganze Prozedur auf der Bundesebene so gestaltet, wie sie sich gestaltet. Wieder einmal ist es verschoben worden. Wieder einmal gab es große Kritik. Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat es bereits betont, die Mehrheit der Bevölkerung – dabei sprechen wir nicht von 50 %, sondern von mehr als drei Vierteln – spricht sich gegen
das Betreuungsgeld aus. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die CDU in diesem Fall nicht endlich die alten Zöpfe abschneidet und immer noch darauf beharrt, das Betreuungsgeld einzuführen.
Liebe Damen und Herren, mit Wahlfreiheit hat das überhaupt nichts zu tun; denn wenn es keine Möglichkeit gibt zu wählen, besteht auch keine Wahlfreiheit. Das ist einfach die logische Konsequenz daraus.
Im Übrigen möchte ich auch ganz kurz darauf hinweisen, dass Sie sich in der Landespartei der CDU gar nicht sicher sein können, dass alle Mitglieder der Fraktion, die in diesem Landtag sitzen, für das Betreuungsgeld sind. Komischerweise hat auf einer Twitterseite eine Ihrer Kolleginnen – das ist schon etwas länger her – geschrieben – 449 Follower, 893 Tweets, Mitglied Enquete-Kommission „Aktive Bürgerbeteiligung“, Frauenpolitikerin –: Für Frauenquote, gegen Betreuungsgeld. – Vielleicht überlegen und diskutieren Sie noch einmal in den eigenen Reihen, ob das – – –
Frau Klöckner, die zählt aber. Wenn das laut würde in Ihrer Partei, wäre das doch einmal etwas; denn diese Diskussion in der CDU vermisse ich. Es gibt einen, der den Weg vorgibt. Ich verstehe unter Demokratie definitiv etwas anderes.
Das Komische ist nur, dass Sie mittlerweile diesen Hinweis nicht mehr finden. Der ist nämlich gelöscht worden.
Da frage ich mich, ob das eine freiwillige Entscheidung gewesen ist oder ob das auf eine deutliche Ansage von oben zurückzuführen ist.
Im Übrigen möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass ich einen recht alten Artikel in der „ZEIT“ gefunden habe, der von 2007 stammt. Darin stehen interessante Sachen. So ist zum Beispiel schon 2005 festgestellt worden, dass es eine Nachfrage nach Plätzen für Kinder unter drei Jahren im Umfang von 1,2 Millionen gibt. Weiter steht dort, dass die Politik einkalkuliert, dass die Menschen das trotz des Bedarfs nicht in Anspruch nehmen werden. Ja, wenn die Plätze bundesweit nicht vorgehalten werden, kann das auch keiner in Anspruch nehmen.
Ich meine – um die Kurve hin zu Rheinland-Pfalz zu bekommen –, in Rheinland-Pfalz läuft der Ausbau unter Hochdruck. Andere Bundesländer sind leider noch nicht so weit. Daher meine ich, würde es uns allen helfen, wenn die CDU-Abgeordneten vor Ort in den Kommunalparlamenten den Ausbau in den zuständigen Ausschüssen und Kreistagen nicht blockieren würden, sondern wenn sie das im Sinne der Familien vorantreiben könnten; denn das ist familienfreundlich.
Das ist das, was unsere Familien brauchen. Frau Kohnle-Gros, auch wenn Ihnen das nicht gefällt, das sind Erfahrungen, die ich bei meiner kommunalpolitischen Tätigkeit gemacht habe. Das müssen Sie sich, auch wenn es unbequem ist, einfach einmal einhören.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich das Wort weitergebe, darf ich ganz liebe Gäste bei uns im Landtag begrüßen, und zwar Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen. Das sind die Präsidentin des Landtags von Nordrhein-Westfalen, Frau Carina Gödecke, der 1. Vizepräsident Eckhard Uhlenberg, der 2. Vizepräsident Oliver Keymis, der 3. Vizepräsident Dr. Gerhard Papke und den 4. Vizepräsident Daniel Düngel. Ferner begrüße ich den Direktor beim Landtag Peter Jeromin. (Beifall im Hause)
Ich darf der Ordnung halber sagen, alle Parteien in Nordrhein-Westfalen sind im Präsidium vertreten. Alle sind anwesend. Sie finden aber leider nicht alle ihren Gegenpart hier in diesem Landtag.
Das war jetzt eine ganz subjektive Aussage. Carsten Pörksen hat immer etwas hinzufügen. Das nehmen wir einfach so hin.
Wir freuen uns insbesondere deshalb, weil die Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen ihren ersten Besuch zu dem kleinen Partner Rheinland-Pfalz gefunden haben, wie der Präsident vorhin gesagt hat. Sie fühlen sich sehr wohl. Ich habe gerade bei dem Empfang und bei der Begrüßung festgestellt, dass die Atmosphäre stimmt.
Wir sind eingeladen zu einem Gegenbesuch. Vielleicht können sich die Fraktionen irgendwann anschließen. Das wird mit Sicherheit auch getan.
Ich darf Sie noch einmal ganz herzlich begrüßen und freue mich, dass Sie hier in Rheinland-Pfalz bei uns in Mainz einmal etwas Parlamentarismus schnuppern wollen. Wir haben schon darauf hingewiesen, die Fahne vom Hambacher Schloss von 1832 hängt hier, als es die ersten Demokratiebewegungen gegeben hat. In diesem Sinne noch einmal herzlich willkommen!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Gäste!
Ich glaube, man kann sagen, das Betreuungsgeld wird in Deutschland auf breiter Front abgelehnt. Es ist in allen Bereichen umstritten. Es wird mit großer Mehrheit von vielen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen abgelehnt.
Es bestehen mittlerweile Differenzen zwischen den Regierungsfraktionen des Bundes. Die CDU streitet sich mit der CSU. Es gibt jetzt eine Einigung. Jetzt streitet sich die CDU mit der CSU und der FDP. Man muss sagen, wenn man das insbesondere unter dem Blickwinkel von Bürgerinnen und Bürgern betrachtet, ist es schon befremdlich, wenn jetzt sozusagen Deals in den Ring geworfen werden, dass man sagt: Gibst du mir das Betreuungsgeld, dann schaffe ich mit dir die Praxisgebühr ab.
Es hat schon den Eindruck, dass es hier weniger um die Zukunft unserer Kinder und Familien geht als um Befindlichkeiten innerhalb der Regierungsparteien.
Ich will Ihnen sagen, dass wir in Rheinland-Pfalz das Betreuungsgeld ablehnen. Es widerspricht aus unserer Sicht der Chancengerechtigkeit aller Kinder in diesem Land, nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern in ganz Deutschland.
Ich will an dieser Stelle sagen, wir haben jetzt vielfach heute die Argumente ausgetauscht und hatten sie schon mehrfach ausgetauscht. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben auf die Gründe aufmerksam gemacht, weshalb wir diese ablehnende Haltung gegenüber dem Betreuungsgeld einnehmen.
Ich will ihr Augenmerk heute noch einmal auf einen Punkt legen, über den heute noch gar nicht gesprochen worden ist; denn man muss sagen, wenn das Betreuungsgeld jetzt käme – ich will im Konjunktiv sprechen, weil ich immer noch die Hoffnung hege, dass es nicht kommt –, so würde das bedeuten, dass wir mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand und damit mit einem erheblichen personellen Aufwand rechnen müssen.
Für das Land Rheinland-Pfalz haben wir einmal ausgerechnet: Für die Kommunen, die dieses Geld auszahlen müssten, würde das bedeuten, 25 neue Stellen müssten geschaffen werden, nur um das Betreuungsgeld auszuzahlen.
(Frau Klöckner, CDU: So wie bei der Schul- buchausleihe! – Pörksen, SPD: Das zu vergleichen, ist hirnverbrannt!)
Sollte noch die Verpflichtung zu den Früherkennungsuntersuchungen dazukommen – auch das ist in der Diskussion –, bedeutet das auch noch einmal einen viel höheren Aufwand.
Ich will für das Land Rheinland-Pfalz deutlich sagen, gerade was die Früherkennungsuntersuchungen angeht, sind wir ganz weit vorne. Wir haben mit dem Landeskinderschutzgesetz ein verbindliches Einladungswesen für die Früherkennungsuntersuchungen hier im Land eingeführt. Wir halten das nach. Wir leben das. Wir erreichen damit eine Teilnahme an 99 % aller Früherkennungsuntersuchungen. Das ist bundesweit vorbildlich. Das bedarf keiner Doppelstrukturen im Zusammenhang mit dem Betreuungsgeld.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich vorstellt, die Voruntersuchungen werden noch an das Elterngeld geknüpft, dann müssen die Eltern gegenüber den Kommunen sieben bis acht Untersuchungen bis zum dritten Geburtstag nachweisen. So viele werden bis dahin durchgeführt. Das ist ein Aufwand, der noch einmal dazu führen wird, dass eine Bürokratie aufgebaut wird, um das aus unserer Sicht sinnlose Betreuungsgeld umzusetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will abschließend zitieren. Herr Präsident, ich habe mir sagen lassen, man muss den Präsidenten eigentlich nicht immer fragen, aber ich frage trotzdem. Ich will die ehemaligen Bundesfamilienministerinnen Frau Prof. Dr. Ursula Lehr, Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth von der CDU, gemeinsam mit ihren sozialdemokratischen Kolleginnen Dr. Christine Bergmann und Renate Schmidt zu dem geplanten Betreuungsgeld zitieren:
„Das geplante Betreuungsgeld für Kleinkinder (…) würde (…) alte Fehler erneuern und Fehlanreize verstärken, anstatt Defizite zu reduzieren. Das Betreuungsgeld verbessert die soziale Lage der Frauen nicht und schadet Kindern, die Betreuung und Bildungsförderung besonders nötig hätten.“