Frau Ministerin, auf der einen Seite haben wir die Situation, dass Sie ausführen, Sie stehen im engen Schulterschluss mit der BA. Das begrüßen wir. Es ist auch bekannt, dass für 2012 noch 195 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Wir hoffen, dass wir dieses Geld über die BA gerade für diesen Bereich als Unterstützung bekommen können.
Natürlich kann man auch sagen, es ist zu begrüßen, dass Sie einen Kümmerer einsetzen. Dabei habe ich jedoch ein bisschen herausgehört, so genau wissen Sie noch gar nicht, was der machen soll – zehn Stunden, in welchem Umfang? Ich würde Ihnen an dieser Stelle vorschlagen, gehen Sie folgenden Weg, bei dem wir Sie unterstützen werden: Qualifizieren Sie von sich aus, und bilden Sie die Menschen, um die es geht, weiter und aus, damit sie auch in der Fläche eine reelle Chance haben, einen Arbeitsplatz zu finden, weil es darum geht.
Herr Ministerpräsident, nichts gebracht und in dieser Phase nicht gut war, eigentlich war das schäbig, weil ich so ein Unternehmen auch in eine Ecke drücken kann, wenn ich lese, SPD-Abgeordnete haben zum Boykott aufgefordert,
SPD-Abgeordnete haben Mahnwachen abgehalten, und von SPD-Abgeordneten hieß es: Bitte kauft dort nicht mehr! – Dann müssen Sie sich auch nicht wundern, wenn so etwas hinterher den Bach heruntergeht. Das finde ich nicht in Ordnung, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Erster Punkt: Die Situation bei Schlecker war in den Jahren bis 2009/2010, als es dann zu Tarifverhandlungen gekommen ist und als Betriebsräte teilweise unter heftigster Gegenwehr des Unternehmen gegründet worden sind, sozialpolitisch unhaltbar. Sie kennen alle die Berichte. Ich kenne die Situation. Aus einer Reihe von Gesprächen zur damaligen Zeit mit betroffenen Frauen ging hervor, dass zumindest in einer Vielzahl der Filialen des Unternehmens Schlecker die elementarsten Rechte nicht gewahrt und Sicherheitsvorkehrungen nicht
getroffen waren. Insoweit war es eine Selbstverständlichkeit, dafür einzutreten und an der Seite dieser Frauen zu stehen, als es darum ging, sie zu unterstützen, weil sie deutsches Recht auf deutschem Boden für sich in Anspruch genommen haben, nämlich sich gewerkschaftlich zu organisieren, Betriebsräte zu wählen und darüber hinaus für einen Tarifvertrag zu kämpfen. Ich verstehe nicht, was es daran zu mäkeln gibt.
Zweiter Punkt: Meine sehr geehrten Damen und Herren, als die Situation in Ordnung gebracht war, ist öffentlich anerkannt worden, dass sich das Unternehmen bewegt hat. Kein Mensch hat in den vergangenen Jahren zu Boykotts oder Ähnlichem aufgerufen, nachdem dort normale betriebliche Verhältnisse eingekehrt waren.
Wenn all das stimmt, was Fachleute sagen und was dann später über den Insolvenzverwalter verlautbart wurde, waren die Ursache – Frau Kollegin Dreyer hat das deutlich gemacht – ausgemachte unternehmerische Fehler, weil man das Unternehmen, weil man die einzelnen Filialen nicht attraktiv genug gestaltet hatte, weshalb man nicht mehr genug Kundinnen und Kunden fand.
Heute wird deutlich – wenn all das richtig ist, was öffentlich unwidersprochen berichtet wird –, dass man das Unternehmen kapitalmäßig ausgesaugt hat. Durch Berichte wird belegt, dass die Kinder von Herrn Schlecker mit dem Unternehmen Verträge geschlossen haben und Leiharbeit dorthin zu Preisen und Konditionen vermittelt haben, die gar nicht erarbeitet werden konnten. Damit sind Millionen aus dem Unternehmen gezogen worden. Das Unternehmen hätte aber dringend Millionen benötigt, um attraktiv aufgestellt werden zu können und damit eine Zukunftschance zu haben. Das kann man doch nicht einfach übersehen.
In der Presse wird von relativ hohen zweistelligen Millionenbeträgen berichtet. Diese Millionenbeträge sind so abgesichert worden, dass niemand die unternehmerische Verantwortung einfordern kann, nämlich das Geld in das Unternehmen zu stecken – jetzt ist es zu spät, aber vor ein paar Monaten wäre das noch gegangen –, um das Unternehmen wieder flott zu bekommen. Diesen Sachverhalt darf man auch in Erinnerung rufen.
Das zusammen hat zum Zusammenbruch von Schlecker geführt und nicht, dass Frauen Betriebsräte gewählt haben oder Tariflöhne bekommen haben.
Dritter Punkt: Es muss sehr wohl heute darüber geredet werden, wer dafür verantwortlich war und weshalb es nicht zu einer Transfergesellschaft gekommen ist. Aus all den sozialen und menschlichen Gründen, die genannt worden sind, aber auch weil es für den Insolvenzverwalter de facto gar nicht möglich war, dieses Unternehmen an einen Übernehmer zu veräußern; denn wer übernimmt ein Unternehmen, in dem bis zu 6.500 Arbeitsgerichtsklagen und Kündigungsschutzklagen anhängig sind? Kein Mensch konnte die Kosten kalkulieren, weil
natürlich klar ist, dass damit nicht, wie das bei einer Transfergesellschaft der Fall gewesen wäre, den Frauen geholfen wird und ihnen ein Übergang ermöglicht wird, sodass sie gezwungen gewesen seien, zum Arbeitsgericht zu gehen und ihre Rechte einzuklagen. Das hätte man durch einen sozialen Ausgleich und durch Hilfe in die Zukunft hinein völlig anders gestalten können.
Im Übrigen, es war nicht die böse Gewerkschaft, die die Klagen in dieser Größenordnung geführt hat. Schauen Sie sich das an. Ich habe mit dem für diesen Bereich zuständigen Gewerkschaftssekretär ein Gespräch geführt. Man hat seitens der Gewerkschaft, um die Arbeitsplätze, die zu diesem Zeitpunkt vor dem zweiten großen Kündigungsschub, der jetzt auf uns zukommt, noch vorhanden waren, zu sichern, nach einem Sozialausgleich gesucht, ohne den Frauen außer in einigen Fällen, bei denen die Sozialauswahl nach Überzeugung nicht korrekt gehandhabt worden ist, zu raten, den Weg zum Arbeitsgericht zu beschreiten. Die große Zahl ist aber zustande gekommen, weil sich die Frauen in ihrer Not an Anwälte gewandt haben, die logischerweise das empfohlen haben, was man dann tut, nämlich in jedem Einzelfall zu sagen, dann gehen wir zum Arbeitsgericht, damit die Fristen nicht versäumt werden.
Bis zu 6.500 anhängige Klagen. Wer sollte, wenn man nicht weiß, ob die gesamte Sozialauswahl noch einmal neu getroffen werden muss, dieses Unternehmen übernehmen?
Das alles wussten diejenigen bei der Bundesregierung, die sich der Transfergesellschaft verweigert haben. Wir haben damals eine Nacht und einen Tag Gespräche geführt, übrigens die CDU-Kollegen genauso wie wir am Rande und während einer Ministerpräsidentenkonferenz und die Nacht zuvor. Am Nachmittag hat man dann offensichtlich nach Rücksprache mit dem Bundeswirtschaftsminister von den entsprechenden Ländern gesagt, nein, das sei die Koalitionsfrage in Bayern und anderswo, deshalb könne man das nicht machen.
Zu diesem Zeitpunkt war jeder und jedem, die die Entscheidung getroffen haben, bewusst, dass damit das Risiko, dass das Unternehmen insgesamt in die Insolvenz geht, und zwar in die endgültige Insolvenz und dann auch aufgelöst wird, sehr hoch, fast unausweichlich sein würde. Deshalb muss das deutlich gemacht werden. Man hat sehenden Auges aus Ideologie diesen Weg verweigert, den wir in Rheinland-Pfalz über Transfergesellschaften – Frau Kollegin Dreyer – mit großem Erfolg an vielen Stellen schon gegangen sind. Bei privaten Unternehmen, im Bereich der Konversion, an vielen Stellen sind wir diesen Weg schon mit großem Erfolg gegangen. Das muss in Erinnerung gerufen werden, damit nicht Legendenbildungen entstehen.
Meine Damen und Herren, ich bin Frau Kollegin Dreyer sehr dankbar dafür. Wir haben im Kabinett mehrfach entlang ihrer Berichte darüber gesprochen und beraten. Ich bin sehr dankbar, dass man sich in einem guten Miteinander mit der Bundesagentur für Arbeit auf den Weg verständigt hat, den wir gehen können, die Möglichkeiten der Bundesagentur einzusetzen, aber auch auf die individuelle Situation jeder einzelnen Frau und, wenn ich an das Lager bei Alzey denke, auch der Män
Ich will Ihnen natürlich ohne Namen ein Beispiel aus meiner letzten Sprechstunde nennen. Da ist eine Frau, 58 Jahre alt, die – glaube ich – 27 Jahre bei Schlecker gearbeitet hat, die von der dortigen Regelung im Unternehmen „Vorruhestand als Blockzeit“ Gebrauch gemacht hatte, wie viele ihrer Kolleginnen auch. Am 1. Dezember hätte sie jetzt in die Ruhestandsphase der Blockzeit gehen können. Jetzt ist alles, was sie an Zeit erarbeitet hat, weg. Es ist völlig ohne Bedeutung, und sie muss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Ich habe es prüfen lassen. Das ist rechtlich unangreifbar, aber eine bittere Situation für die Lebensplanung von Menschen, und viel Geld ist fort, zwar nicht bares Geld, aber erarbeiteter Lohn, der nicht zum Tragen kommt. Solche Fälle gibt es viele. Deshalb bin ich dankbar, dass wir versuchen, in diesen Fällen wenigstens zu beraten. Es ist nicht einfach zu begreifen. Da geht es um die Frage: Ist es rentenschädlich? Da geht es um die Frage: Wie sieht es mit Sozialversicherungsbeiträgen aus? Da geht es um die Frage: Wonach und wie lange bemisst sich in einem solchen Beispielsfall die ALG-IZahlung? Zählt eigentlich das, was man erarbeitet hat, noch dazu, oder ist man entscheidend früher in ALG II?
Für jemanden in diesem Alter ist es die Frage, ob man die Möglichkeit, in die Rente zu gehen, dann noch erreicht oder nicht, oder ob man zurückgeworfen wird auf ALG II mit der Folge, wie das auf dem Land ist, man hat ein Häuschen, ein bisschen Vermögen und muss alles offenbaren, um die Prüfung zu bestehen, ALG II zu bekommen. Um solche Fragen geht es jetzt in der Tat.
Deshalb bin ich froh, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeit helfen. Ich hoffe, dass dieses Beispiel für die Zukunft eine andere Art der Erörterung in Deutschland zwischen den Parteien herbeiführt, als dies entlang dieses Beispiels geschehen ist.
Wir haben erlebt, dass in Teilen der deutschen Presse damals Herr zu Guttenberg gefeiert worden ist, weil er den Opel-Kompromiss, den wir im Kanzleramt in vielen Nächten ausgehandelt hatten, kaputt gemacht hat. Heute sehen wir, wie schwierig die Lage bei Opel wieder ist.
Ordnungspolitik ist das eine, aber zu überlegen, ob man wirklich Menschen, ohne dass man an ihrer Seite steht, dann in solchen Situationen im Stich lässt, ist das andere. Unser Verständnis von sozialer Marktwirtschaft ist, dass man nicht versucht, besserer Unternehmer oder bessere Unternehmerin zu sein, man nicht versucht, jede Insolvenz zu verhindern – das kann man nicht, wenn es keine Fortführungschance des Unternehmens gibt –, man aber die Interessen der in einem Unternehmen arbeitenden Menschen abwägt und man wie in diesem Fall, ohne dass man wirklich hätte öffentliche Mittel in die Hand nehmen müssen, handeln kann und dann auch handelt. Man hätte wahrscheinlich Tausende Arbeitsplätze, Personen retten können, die jetzt ihre Kündigung bekommen, und man hätte Tausenden zumindest einen leichteren Übergang in eine neue Perspektive geben können.
Ich muss sagen, ich habe ein Interview mit dem Bundeswirtschaftsminister gesehen, als diese Geschichte mit der Übernahmechance geplatzt ist. Dann auf die Frage des Reporters, was sollen die Frauen denn jetzt machen, zu sagen, sie sollen sich um neue Arbeit bemühen, finde ich, ist an Zynismus nicht zu überbieten, deshalb muss es auch kritisiert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ordnung halber, möchte ich feststellen, Herr Ministerpräsident Beck hat 14 Minuten geredet. Damit hat die CDU noch 14 Minuten, die SPD hat sogar noch 16 Minuten, und die GRÜNEN haben auch noch – – – Entschuldigung, da teilen wir, jeweils 7 Minuten, GRÜNE 7 Minuten und SPD 7 Minuten.
Also noch einmal. Natürlich, Frau Machalet hat sowieso noch zwei Minuten und bekommt von den 7 Minuten bzw. es ist nur die Hälfte, das heißt, 6,5 bekommt sie noch hinzu, und da werden wir schon sehen, dass wir zu einer ordentlichen Zeitnahme kommen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich werde die Zeit natürlich nicht voll ausschöpfen, aber zwei Punkte möchte ich noch einmal ansprechen, weil das eben bei dem Thema „Erzieherinnen“ hochgekocht ist.
Mir ging es darum, deutlich zu machen, wie eine Ankündigung, einfach nur zu sagen, die kann man zu Erzieherinnen umschulen, bei der entsprechenden Gruppe ankommt. Hätte man gleich gesagt, es geht darum, Qualifikationsmöglichkeiten zu schaffen, die eine adäquate Ausbildung gewährleisten, wäre das an der Stelle sicherlich nicht so hochgekocht.
Ich bin dankbar dafür, dass Frau Ministerin Dreyer noch einmal sehr deutlich gemacht hat, dass es um eine Dreijahresqualifikation geht und wir diese Frauen nicht im Rahmen einer Schmalspurausbildung in die Kitas schicken wollen.
Noch ein Satz zum Thema „Transfergesellschaft“, Herr Baldauf. Sie haben vorhin gesagt, das sei alles hinter dem Pflug. Es gibt einen schönen Spruch, der heißt: Wer hinter dem Pflug geht, der bestellt das Feld. Das heißt, wir legen im Prinzip damit die Grundlagen für das, was passiert.
(Baldauf, CDU: Jetzt ist die Landesregierung dran! – Staatsministerin Frau Dreyer: So einfach ist das nicht!)