Protocol of the Session on June 21, 2012

Herr Baldauf, natürlich spielen die Themen „Scheinselbstständigkeit“ und „Werkverträge“ eine große Rolle. Herr Köbler hat es schon angesprochen. Auch dazu haben sich Sachverständige geäußert. Es ist eine zentrale Forderung im Zusammenhang zum Beispiel mit den Bürgerversicherungen und den Rentenkonzepten der SPD und der GRÜNEN, dass die Soloselbstständigen möglichst schnell in die Rentenversicherung aufgenommen werden sollten. Damit könnte man schon einiges auf dem Arbeitsmarkt regeln, weil es für die Betroffenen eine ganz andere Situation wäre und man auch einen besseren Überblick darüber hätte.

Herrn Baldauf geht es zentral um das Thema „Mindestlöhne“. Ich bedauere zutiefst, dass wir immer wieder mit den gleichen Argumenten konfrontiert werden.

(Baldauf, CDU: Ich auch!)

Natürlich kann man mit einem Mindestlohn nicht das Thema „Scheinselbstständigkeit“ bekämpfen.

Herr Baldauf, wenn Sie ab und zu in den Debatten ein bisschen wach wären, hätten Sie zumindest bei den Vorrednerinnen mitbekommen, dass es nicht nur Scheinselbstständige in diesem Bereich gibt, sondern auch viele angestellte Beschäftigte. Auch Subunternehmen sagen ganz klar, dass ihnen ein Mindestlohn helfen würde, weil sie selbst immens unter Druck sind, was ihre Beschäftigten betrifft.

Deshalb kann es keine andere Antwort darauf geben, als dass wir selbstverständlich die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt an dieser Stelle herstellen müssen. Es gibt viele andere vergleichbare Branchen. Das geht am Ende nur, indem wir einen gesetzlichen Mindestlohn fordern und diesen hoffentlich irgendwann auf der Bundesebene insgesamt umsetzen können. Das ist mein Herzenswunsch. Die Sachverständigen haben das genauso bestätigt. Herr Köbler hat es gesagt. Ich glaube, nur ein einziger Sachverständiger hat diese Meinung nicht ganz so geteilt. Im Großen und Ganzen war das so.

Die CDU geht jetzt auch auf Nebenkriegsschauplätze, um ein bisschen von diesem Thema abzulenken. Das eine ist das Thema „Berichte“. Natürlich ist die Landesregierung bereit, Berichte zu erstellen. Wir wissen doch selbst, wie schwer es ist, in Branchen verlässliche Berichte zu verfassen, in denen es viele Scheinselbstständige und Werkverträge gibt und in denen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten, die sich nicht trauen, irgendetwas zu sagen. Selbstverständlich werden wir das gerne intensivieren. Aber auch das Statistische Landesamt musste sich in der Vergangenheit immer auf Stichproben konzentrieren, weil es gar nicht möglich ist, alles verlässlich in Gänze zu erfassen.

(Vizepräsident Dr. Braun übernimmt den Vorsitz)

Wenn Sie von Kontrolle sprechen, haben Sie recht. Die Struktur- und Genehmigungsdirektionen sind in ihrer Programmarbeit als Arbeitsschutzbehörde schon unterwegs und intensivieren die Kontrollen. Selbstverständlich werden wir das auch in Zukunft weiter tun.

Herr Baldauf, es ist nicht richtig, was Sie gesagt haben, nämlich in dem Zusammenhang seien die Aufweichungen der bestehenden Kontrollmöglichkeiten in jedem Fall zu verhindern. Das ist falsch. Es gibt Bestrebungen der Bundesregierung zur Ausweitung von nationalen Ausnahmen für Paketzustelldienste von den wesentlich strengeren Aufzeichnungspflichten. Das darf einfach nicht passieren. Was soll denn der Arbeitsschutz machen, wenn es keine Aufzeichnungsverpflichtungen mehr in einer solchen Branche gibt? Diese Forderung fehlt. Sie wird von Ihnen auch in Ihrem Beitrag falsch kommentiert. Dafür werden wir uns auf jeden Fall weiter einsetzen.

Die Aufmerksamkeit ist nur noch gering, weil wir vielleicht heute schon so oft über vergleichbare Themen gesprochen haben. Alles in allem kann ich sagen, dass der CDU-Antrag aus meiner Sicht den falschen politischen Schwerpunkt legt und von dem ablenkt, was wir tun können. Es stimmt nämlich nicht, dass wir nichts tun können. Wir können einiges tun. Das heißt, dass wir unsere Bemühungen über die Gewerbeaufsicht intensivieren. Der zweite Punkt ist, dass wir den Mindestlohn brauchen, um diese Branche auch ein Stück abzusichern, wie viele andere Branchen auch.

Herr Baldauf, ehrlich gesagt, sind die Argumente kläglich, dass mit einem Mindestlohn schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse gefährdet sind; denn wir reden in dieser Branche davon, dass es zum Teil um menschenunwürdige Verhältnisse geht. An dieser Stelle können wir nicht darüber sprechen, dass wir einen Mindestlohn nicht einführen können, weil diese Arbeitsverhältnisse gefährdet sind. Das sind Ihre Worte.

Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Arbeitsverhältnisse verbessern und qualitativ besser werden. Dazu gehört ein Mindestlohn. Viele Länder in Europa haben lange gezeigt, dass dies überhaupt kein Problem ist und ein Mindestlohn nicht zu einem Wegfall von Arbeitsverhältnissen führt.

Alles in allem ist der CDU-Antrag so gestaltet, dass er weit hinter dem zurückbleibt, was wir in diesem Bereich bräuchten. Wie so oft wird an dieser Stelle verwechselt, dass ordnungspolitische Problematiken auf dem Arbeitsmarkt nicht nur durch Kontrollen beseitigt werden können, sondern dass es wichtig ist, die Struktur des Problems zu verändern. Die Struktur des Problems verändert man nicht mit den Vorschlägen der CDU.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur unmittelbaren Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1350 –.

Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/1354 –.

Wer dem Alternativantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Alternativantrag ist mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:

EU-Datenschutzreform fördern – hohen Datenschutzstandard erhalten Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/1327 –

Wir haben eine Grundredezeit von fünf Minuten je Fraktion vereinbart.

Zur Vorstellung und Begründung hat Herr Abgeordneter Pörksen für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir bereits heute wieder über das Thema Datenschutz sprechen, nachdem wir in der letzten Sitzung den Bericht des Datenschutzbeauftragten besprochen haben. Ich freue mich weiterhin darüber, dass zu dieser Zeit das Haus noch so voll ist. Ich bin fast etwas überrascht. Ich weiß nicht, woher das kommt.

Wir haben in der Datenschutzkommission schon mehrfach über die Frage der Entwicklung des Datenschutzes in Europa gesprochen, nachdem die zuständige Kommissarin, Frau Reding, Anfang dieses Jahres einen Entwurf für eine Datenschutzverordnung sowie eine neue Datenschutzrichtlinie vorgelegt hat.

Es ist wichtig, dass dieser Bereich in Europa besser geregelt wird, als er bisher geregelt worden ist; denn die Entwicklung ist erheblich weitergegangen. Die alte Datenschutzrichtlinie stammt aus dem Jahr 1995 oder 1997. Ich weiß es nicht genau. Was sich in der Zeit auf dem Gebiet getan hat, brauche ich weder den Kolleginnen und Kollegen im Plenum noch den Gästen auf der Tribüne näher zu erläutern.

Ich habe bereits in meiner Rede im Mai darauf hingewiesen, dass das Gesamtkonzept sehr begrüßenswert ist. Dabei soll aber nicht verschwiegen werden, dass darin einige Punkte enthalten sind, die zu einer gewissen Veränderung führen müssen und auf die auch der Antrag der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hinweist.

Warum begrüßen wir das Verfahren, das von Frau Reding angeleiert worden ist? Wir begrüßen es deshalb, weil der europäische Datenschutz modernisiert und überarbeitet wird, um den neuen Anforderungen an den Datenschutz in einer sich ständig verändernden Welt einigermaßen gerecht werden zu können.

Es ist uns genauso wichtig, dass der Datenschutz in Europa harmonisiert wird. Darin liegt aber auch zugleich ein Kritikpunkt. Harmonisierung heißt für uns nicht, dass eine Harmonisierung auf dem geringsten Stand erfolgen soll. Daher darf nicht ein Land in Europa, das über einen wesentlich ungünstigeren Datenschutz verfügt, als das bei uns der Fall ist, der Maßstab für Europa sein.

Wir begrüßen es, dass grenzüberschreitende Sachverhalte berücksichtigt werden.

Wir begrüßen es, dass der europäische Datenschutz auch bei Unternehmen angewendet werden soll, die außerhalb von Europa ihren Sitz haben.

Wir begrüßen es, dass der Schutz von Kindern in der Verordnung enthalten sein soll. Auch dazu ist ein Kritikpunkt anzubringen. Bisher sind Kinder bis 13 Jahre definiert. Es entspricht nicht unseren Vorstellungen, den Schutz von Kindern bei diesem Alter zu beenden.

Als weiterer Punkt ist uns wichtig, dass das Recht eingeräumt werden soll, eigene Daten mitzunehmen, damit sie nicht das Opfer von Unternehmen werden, die damit Geld verdienen wollen. Das sind die Punkte, die uns dazu veranlassen zu sagen, es ist gut, dass Frau Reding auf dem Gebiet tätig wird.

Da wir als Parlament nur im Rahmen der Landesgesetzgebung tätig werden können und die Landesregierung im Bundesrat die Möglichkeit hat, auf bestimmte Entwicklungen einwirken zu können, haben wir im Antrag eine Reihe von Punkten aufgeführt, die wir von der Landesregierung berücksichtigt haben möchten. Das sind folgende Forderungen: Wir möchten – das habe ich bereits erwähnt –, dass die angestrebten und erreichten Fortschritte im Datenschutz auch auf europäischer Ebene Anwendung finden.

Wir sind der Auffassung, dass es wichtig ist, dass die Sanktionen wirkungsvoll sind. Es darf nicht mit Geringststrafen gearbeitet werden, sondern es müssen wirklich schmerzhafte Strafen bei Verstößen gegen Datenschutzbestimmungen verhängt werden. Ich nenne nur ein kleines Beispiel. Wenn das, was die EU vorhat, auf die Bahn angewandt würde, die gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen hatte, würde dies bedeuten, dass sie 700 Millionen Euro an Strafe zahlen muss. Das halten wir für einen richtigen Weg; denn Datenschutz muss uns viel, viel wert sein.

Wir erwarten, dass die Landesregierung mit dafür sorgt, dass sich die Datenschutzbestimmungen auf europäischer Ebene auf hohem Niveau bewegen.

Wir erwarten weiter, dass die Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten, wie wir sie heute haben, erhalten bleibt. Es besteht nämlich das Problem, dass durch eine Verordnung, die wie ein Gesetz wirkt, die Zuständigkeiten bis hin zum Verfassungsgericht ausgehebelt werden und dann Europa – der Kommissar oder wer auch immer – die Zuständigkeit hat, womit ein Durchgriffsrecht auf unsere Datenschutzbeauftragten bestehen würde. Das wünschen wir uns nicht. Da wünschen wir schon eine klare Beibehaltung des jetzigen Rechts.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir möchten eine größtmögliche Kontrolle über die eigenen Daten.

(Glocke des Präsidenten)

Wir alle wissen, welche Entwicklung es bei den eigenen Daten in den modernen sozialen Netzwerken gegeben hat. Darüber haben wir schon sehr oft gesprochen. Auch

da erwarten wir, dass in aller Strenge das eingehalten wird, was uns Frau Reding signalisiert hat.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schlusssatz. Wir möchten über diesen Antrag heute abstimmen, da die Zeit drängt. Im Bundesrat ist die Sache bereits anhängig. Es erscheint uns in der Sache selbst nicht erforderlich, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen, um ihn dann irgendwann im Herbst erneut im Plenum aufzurufen, weil ich meine, dass wir uns in der Sache einig sind.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Klein.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Pörksen, ich teile Ihre Begeisterung, dass jetzt noch so viele Personen anwesend sind und den Antrag mit uns diskutieren; denn es handelt sich um einen wichtigen Antrag, wie wir schon alle fraktionsübergreifend bei der Beratung des Datenschutzberichts im vergangenen Monat festgestellt haben.

Der Antrag befasst sich mit einer Weiterentwicklung des Datenschutzes auf der europäischen Ebene. Es ist natürlich richtig und wichtig, dass der Datenschutz auf der europäischen Ebene weiterentwickelt werden muss; denn – wie schon vor einem Monat gesagt – der Datenfluss macht natürlich nicht an Staats- und Landesgrenzen halt. Er macht im Übrigen aber auch nicht an Kontinentgrenzen halt. Daher ist es grundsätzlich begrüßenswert, dass sich die EU-Kommission diesem wichtigen Thema in der Datenschutz-Grundverordnung angenommen hat. Es geht da um die Gewährung hoher Standards auch in anderen Ländern beispielsweise für Bürger, die grenzüberschreitend Geschäfte tätigen, indem sie zum Beispiel über das Internet in einem anderen Staat etwas bestellen. Es geht um die Stärkung von Auskunfts- und Informationsrechten. Das ist im Grundsatz alles zu begrüßen.

Deshalb ist es auch richtig, dass im Antrag unter Abschnitt I festgestellt wird, dass der Verordnungsweg, wie er jetzt gewählt wurde, eigentlich der falsche ist. Diese Feststellung teilen wir. Wir haben das schon in der Datenschutzkommission und im Europaausschuss beraten. Da haben wir ausdrücklich begrüßt, dass sich die Landesregierung der Rüge im Bundesrat angeschlossen hat und der Meinung ist, dass das neu beraten werden muss. Insofern sind die Feststellungen unter dem Abschnitt I völlig richtig.

Bedauerlich finde ich allerdings die Forderungen unter Abschnitt II. Da fangen Sie zunächst unter Nummer 1 mit den Lobbyisten und unter Nummer 2 mit den Sanktionen an. Da geht es um 5 % und 10 % des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens. Sie haben eben