Protocol of the Session on June 20, 2012

Es ist nicht richtig, die Bedeutung dieses Gesetzes herunterzuspielen, so als sei mit der Verfassungsänderung und der Einfügung des Artikels 117 in unsere Landesverfassung alles schon geregelt. Ohne dieses Gesetz, das wir heute beraten, bleibt der Artikel 117 in der Landesverfassung eine Absichtserklärung. Er wird erst durch dieses Gesetz zu einem mehr oder weniger brauchbaren Instrument.

Die Frage der Brauchbarkeit entscheidet sich daran, wie wir dieses Gesetz im Konkreten ausgestalten. Deshalb geht es hier keineswegs nur um verwaltungstechnische Feinheiten und Spitzfindigkeiten, sozusagen um spezielle Feinkost für Haushälter. Die besten gut gemeinten Verfassungsregelungen nutzen nämlich nichts, wenn ihre Zielsetzung durch unzulängliche Ausführungsgesetze aufgeweicht und durchlöchert wird.

Es ist in Wahrheit nichts gewonnen, wenn ein unpräziser, ein wachsweicher Investitionsbegriff – das war der Schwachpunkt der alten Schuldenregel – durch eine ungenaue neue Schuldenregel ersetzt würde.

Die zentrale Frage dabei ist: Stellen die Regelungen dieses Ausführungsgesetzes sicher, dass die Verfassungsbestimmungen zum Einhalten der Schuldenregel durch ihre rechtliche und ihre tatsächliche Umsetzung weder umgangen noch ausgehöhlt werden?

Man war sich bei der Beratung über die Verfassungsänderung und die Einführung des Artikels 117 in die Landesverfassung unter allen Beteiligten damals einig, dass man die Grundsätze in die Verfassung schreibt und die konkrete operative Ausgestaltung diesem Gesetz überlässt.

Dabei – auch das muss man klar sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren – interessiert die Bürger nicht so sehr, was wo geregelt wird. Die Bürger interessiert, ob die Bestimmungen, die hier festgelegt werden, klar sind und diese Bestimmungen die politisch Handelnden unmissverständlich auf das gemeinsame Ziel eines Haushaltsausgleichs ohne neue Schulden verpflichten. Das ist die zentrale Frage.

(Beifall der CDU)

Dazu sind unter Bezugnahme auf den vorliegenden Gesetzentwurf einige Anmerkungen zu machen:

1. Was die unmissverständliche Verpflichtung auf einen Haushalt ohne neue Schulden angeht, wirft dieser Gesetzentwurf zunächst einmal die Frage auf, welchen Sinn eine Vorschrift macht, die einen Haushaltsausgleich ohne Kredite nur für den Haushaltsplan, nicht aber für den Haushaltsvollzug verlangt. Hier bedarf der vorliegende Gesetzentwurf nach unserer Auffassung einer Nachbesserung.

(Beifall der CDU)

2. Der Weg hin zu einem ausgeglichenen Haushalt ohne Einnahmen aus Krediten – das ist die Vorgabe der Verfassung – fängt an mit der Klarheit in der Begrifflichkeit. Rücklagen, Sondervermögen und Überschüsse kann es nach gesundem Menschenverstand und eigentlich auch nach konsequenter Auslegung der Landeshaushaltsordnung nur geben, wenn die Einnahmen abzüglich der Einnahmen am Kreditmarkt die Ausgaben übersteigen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

In diesem Punkt besteht ein – ich glaube, man kann sagen – grundlegender Dissens zwischen der Landesregierung und uns.

3. Das Konjunkturbereinigungsverfahren nach § 3 des vorliegenden Gesetzentwurfs muss für das Parlament transparent und nachvollziehbar sein. Die dazu notwendige Rechtsverordnung bedarf deshalb der Mitwirkung des Haushalts- und Finanzausschusses oder des Parlaments.

In den hierzu geführten Gesprächen stand am Ende bei diesem Punkt ein Konsens, der sich – jedenfalls nach meiner Erinnerung – darauf bezog, dass wir bei dem Erlass der Rechtsverordnung die Mitwirkung des Haushalts- und Finanzausschusses vorgesehen hatten. In dem Änderungsantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist nun von der Mitwirkung des Landtags die Rede, dies ist aber kein so fundamentaler Unterschied, als dass man dem nicht zustimmen könnte.

(Beifall der CDU)

Ein ganz entscheidender Punkt ist die Frage: Wie gehen wir mit dem Ausnahmetatbestand der Inanspruchnahme von Strukturanpassungskrediten im Falle von erheblichen Einnahmeausfällen des Landes durch Rechtsetzungen des Bundes oder der Europäischen Union um?

Diese Regelung stellt – ich möchte die gesamte Diskussion nicht noch einmal nachzeichnen – eine verfassungsrechtlich herausgehobene Position dar. Sie hat verfassungsrechtlich zunächst einmal etwas Singuläres, und sie soll – jedenfalls nach unserer Vorstellung, und auch diesbezüglich habe ich in den Gesprächen, die wir im Zusammenhang mit der Beratung dieses Gesetzentwurfs geführt haben, keinen grundlegenden Dissens erkannt – nur in ganz extremen Ausnahmesituationen zur Geltung kommen. Deshalb ist es nach unserer Auffassung nur logisch, ja sogar zwingend, für die Inanspruchnahme dieser Strukturanpassungskredite eine Zweidrittelmehrheit vorzusehen,

(Beifall der CDU)

nicht zuletzt auch, um praktisch und tatsächlich deutlich zu machen, dass es hierbei um eine gesamtstaatliche Aufgabe geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, all diese Punkte, inklusive einer Konkretisierung der Tilgungsregelung für die Rückzahlung der Strukturanpassungskredite, die ebenfalls in unseren Gesprächen Konsens gewesen ist und die sich sowohl in dem Änderungsantrag von SPD

und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch in unserem Änderungsantrag wiederfindet – in diesem Falle sogar wortgleich, wie ich glaube –, haben wir in unseren Änderungsantrag aufgenommen. Wir sind nämlich der Auffassung, dass die Schuldenbremse so, wie sie jetzt im Originaltext vorliegt, zunächst noch löchrig ist wie ein Schweizer Käse, wenn nicht diese Änderungen eingearbeitet werden.

(Beifall der CDU)

Dass selbst die Regierungsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – zumindest an der einen Stelle – Ergänzungs- und Verbesserungsbedarf sehen, zeigt doch wohl, dass der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung nicht nur verbesserungsfähig, sondern auch verbesserungsbedürftig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Lassen Sie mich nun noch ein paar Worte zu der jetzt anstehenden Entscheidungssituation sagen. Wir haben Gespräche geführt unter den Finanzpolitikern der Fraktionen unter Beteiligung des Finanzministeriums. Ich fand, es waren sehr gute, offene und konstruktive Gespräche. Wir haben diese Gespräche mit dem Ziel geführt, so, wie wir die Verfassung gemeinsam geändert haben, auch das Ausführungsgesetz zu Artikel 117 der Landesverfassung gemeinsam zu beschließen.

Wir waren kurz vor einer Einigung, bis dann die Notbremse hineingehauen wurde, meine Damen und Herren, und dies vermittelte dann doch schon sehr stark den Eindruck, als hätten die Regierungsfraktionen plötzlich Angst bekommen vor der eigenen Courage, als sie merkten, dass dies mit dem Einhalten der Schuldenbremse und mit dem Sparen plötzlich ganz ernst wird. Wenn dann die jeweilige Opposition – denn in wenigen Jahren ist das Verhältnis umgekehrt –

(Pörksen, SPD: Träumen Sie nur weiter!)

mit im Boot ist, können wir als Landesregierung in den wenigen Jahren, die uns noch bleiben, nicht mehr so selbstherrlich und frei über die Finanzen des Landes verfügen.

(Beifall bei der CDU)

Wir halten es für einen Irrweg; denn wo hat eine Landesregierung oder überhaupt eine Regierung schon einmal für ein so schwieriges Projekt wie das Erreichen der Schuldenbremse die ausgestreckte Hand der Opposition? – Diese ausgestreckte Hand haben Sie leider ausgeschlagen.

(Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Seien Sie doch froh, dass sie die Hand nicht abgeschlagen haben!)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Wansch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Dezember 2010 wurde die Landesverfassung geändert, und die Schuldenbremse, Artikel 117, wurde aufgenommen. An dieser Stelle war nach langen Beratungen zwischen den Fraktionen Einstimmigkeit im damaligen Plenum erzielt worden, und man war sich sehr wohl darüber bewusst, dass dies die Grundlage für die weitere Haushaltspolitik dieses Landes sein wird.

Das hat sich dann auch gezeigt, als der Haushalt 2012/2013 aufgestellt und verabschiedet wurde: Die dort vorgelegten Rahmenbedingungen mit dem Abbaupfad bis hin zum Jahr 2020 wurden aufgezeigt, und der Haushalt 2012/2013 wurde mit schwierigen Entscheidungen auf den Abbaupfad der Verschuldung gebracht, damit das, was wir in der Landesverfassung festgelegt haben, auch umgesetzt wird.

In der Ausführung bedarf das, was in der Landesverfassung festgeschrieben ist, natürlich noch eines Ausführungsgesetzes. Einige Dinge müssen klar definiert werden, und manches ist zu konkretisieren. Dies wurde mit dem heute vorliegenden Gesetz aufgezeigt.

Über Monate hinweg haben wir gemeinsame Gespräche geführt. Im Haushalts- und Finanzausschuss wurde eine Anhörung von Fachleuten – Ökonomen, Juristen, Verfassungsjuristen und Vertretern des Bundesfinanzministeriums – durchgeführt. Wir haben gemeinsame Gespräche unter den Haushaltspolitikern aller Fraktionen geführt. Herr Dr. Weiland, ich darf an dieser Stelle auch ausdrücklich sagen, es waren sehr gute Gespräche. Fachlich ist nichts so, dass es nicht noch besser werden könnte, und dafür haben wir dieses Gesetz als Grundlage gesehen und haben uns daran orientiert, was wir noch verbessern können, um das Ziel der Schuldenbremse so konkret wie möglich zu beschreiben.

Wir haben Grundlagen verändert, Sie haben einige Punkte genannt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Rechtsverordnung die Zustimmung des Landtags oder auch des Haushalts- und Finanzausschusses braucht. Es ist sicherlich eine Frage der Form zu sagen, dass der Landtag Vorrang hat, und ich bin mir sicher, dass der Haushalts- und Finanzausschuss dies auch entsprechend beraten wird.

Wenn wir über die Konjunkturkomponente reden, also über die Konjunkturausgleichskredite, die notwendig werden, bedürfen wir im Rahmen der Berichterstattung Informationen, die jährlich zu geben sind, damit man klar weiß, wo wir stehen und wann ein solcher Fall eintreten wird. Damit genau das vermieden wird, was Sie soeben beschrieben haben, dass nämlich irgendwelche Scheunentore offenstehen, muss diesem Hohen Hause regelmäßig berichtet werden, um aufzuzeigen, wie sich die Konjunktur entwickelt, und um keine Überraschungen in der Beschlussfassung zu erleben.

An dieser Stelle glaube ich schon, dass der Landtag dann sicherlich im Rahmen der Ausführungen dem Haushalts- und Finanzausschuss überträgt, dass er sich mit diesen Fachbegriffen und Fachdaten auseinandersetzt.

Das Thema „Strukturanpassungskredite“ war sehr umfänglich diskutiert worden. Wir sind der Auffassung, dass wir diese brauchen, um die Handlungsfähigkeit dieses Landes gewährleisten zu können. An dieser Stelle waren wir einig. Über die Frage der Abstimmung waren wir dann nicht einig.

Aber es geht hier um nicht weniger als um die Handlungsfähigkeit dieses Landes. In kritischen Situationen muss das Land, müssen die dafür verantwortliche Landesregierung und das Parlament handlungsfähig sein. Dazu bedarf es auch einer entsprechenden kraftvollen Beschlussfassung. Ob das die Zweidrittelmehrheit ist, glaube ich nicht. Das wäre jetzt auch vom Verfahren her wieder der Punkt, dass wir erneut in die Verfassung einsteigen müssen. Wir müssen erneut die Verfassung ändern. Warum war das denn nicht im Dezember 2010 Grundlage der Gespräche?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damals hat man sich klar Gedanken gemacht, wie man das Ganze angehen will. Die Verfassung ist für mich kein Jo-Jo-Spiel. Da geht es nicht einfach hin und her, sondern da muss man Grundlagen legen. Diese sind im Jahre 2010 gelegt worden. Insoweit ist die jetzt vorgelegte Ausführungsgesetzgebung sicher genau der richtige Weg, um auch in Krisensituationen richtig entscheiden zu können.

Damit muss man wieder darauf hinweisen, es geht nicht um eine aktuelle Frage, sondern wir werden nach dem Jahr 2020, wenn überhaupt, erst an diese Sache heranmüssen.

Die Strukturanpassungskredite sind mit sehr restriktiv gefassten Ausnahmetatbeständen definiert. In der entsprechenden Begründung ist auch vieles dargelegt, und insoweit ist das auch nicht eine Kleinigkeit, die einmal zu einer Veränderung führen und den Kreditrahmen erweitern kann. Da muss schon einiges passieren.

Wenn wir darüber nachdenken, wie die Schuldenbremse dann auch die Handlungsfähigkeit bei dieser Gesetzgebung gewährleisten soll – Sie sprechen von Rücklage und Sondervermögen, Sie sprechen da sicherlich auch den Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung an –, dann ist das Gesetz so strukturiert, dass an dieser Stelle die entsprechenden Zuführungen neutralisiert wurden.

Damit ist das auch bei einem Auflösungstatbestand, also dann, wenn die betroffenen Beamtinnen und Beamten in Ruhestand gehen und aus diesem Fonds versorgt werden, mit der Konsequenz neutral gestellt, auch zu einem dortigen Zeitpunkt würde das nicht zu einer Veränderung der Kreditobergrenze führen. Das, was Sie also im Bereich Rücklage oder Finanzierungsfonds, Sondervermögen, angemahnt haben, ist bereits in dem Gesetzentwurf neutralisiert. Insoweit besteht auch an dieser Stelle keine Handlungsnotwendigkeit.

Zusammengefasst kann man feststellen, dass der vorgelegte Änderungsantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Gesprächsergebnis aufnimmt und in eine Gesetzesform gießt. Ich muss sagen, ich war am Ende

dann doch enttäuscht, dass Sie mit uns den Weg nicht gemeinsam zu Ende gehen wollten. Sie sind im Dezember 2010 mit uns gemeinsam eingeschwenkt, als es um die Frage der Verfassung ging. Dann kamen Sie im März 2012 im Haushalts- und Finanzausschuss damit heraus, dass Sie sagten, nein, das machen wir mit, aber an der Stelle geht es nicht, dafür brauchen wir eine Verfassungsänderung. Wir meinen, so kann man Politik nicht gestalten. Wir wollen das klar und einvernehmlich regeln.