Protocol of the Session on May 3, 2012

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Vergleicht man dann in einem zweiten Schritt die Anteile und das Aufkommen vermögensbezogener Steuern und Abgaben an den Gesamteinnahmen, so findet sich die Bundesrepublik Deutschland insgesamt sogar im unteren Drittel der Vergleichsskala wieder.

Gleichzeitig stellen die OECD, die Bundesbank und das Bundesfinanzministerium seit Jahren und wiederholt fest, dass sich in den letzten zehn Jahren die Vermögen drastisch erhöht und die Reallöhne drastisch nach unten verringert haben bzw. stagnieren.

Meine Damen und Herren, das ist angesichts der bestehenden Schuldenlast eine ungerechte Verteilung, die wir nicht länger hinnehmen wollen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Darum begrüßt es die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN außerordentlich und ausdrücklich, dass der Finanzminister Gespräche führt, um eine Wiedereinführung – eigentlich eine Reaktivierung – der Vermögensteuer zu erreichen. Dieses Ziel tragen wir ausdrücklich und in jeder Form mit.

Aber weil dieses Thema viele Ängste, viele Besorgnisse auslöst, ist es vielleicht an der Zeit, einmal mit einigen Mythen in der Debatte aufzuräumen. Wer viel Geld hat und es versteuern muss, hat danach immer noch viel Geld. Natürlich wollen wir eine Vermögenssteuer, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht und daher keine strangulierende oder gar enteignende Wirkung auslöst. Das hat niemand in diesem Land vor.

Ich habe mich lang genug in verschiedenen Debatten bewegt, sodass ich die Sorgen und Ängste vieler Menschen mitbekommen habe und die verstehen kann, die ganz pathetisch fragen: Nehmen die mir mein Häuschen weg oder muss ich mich von meinem Schmuck trennen? – Meine Damen und Herren, das sind alles Gruselgeschichten aus der übelsten Mottenkiste. Alles das ist durch angemessene Freibetrags- und Pauschalierungsregelungen zu berücksichtigen. Das will niemand in diesem Land.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber es ist nicht hinzunehmen, dass die Ungleichheit im Vermögensbesitz in der Bundesrepublik stetig und drastisch zunimmt. Es ist dauerhaft nicht hinzunehmen, dass die reichsten 20 % der Gesellschaft 80 % des gesamten Vermögens ihr Eigen nennen. Nein, meine Damen und Herren, es ist keine Neiddebatte, es ist eine Debatte um eine gerechte Verteilung der Lasten, die als Staatsschulden auf unseren Schultern lasten.

Wir können eine Debatte um Konsolidierung der Staatshaushalte, und zwar egal, auf welcher Ebene, nicht führen und auch nicht anführen, wenn wir nicht den ersten Teil, nämlich die Einsparung und Effizienzsteigerung dazu leisten. Aber das allein – das betone ich ausdrücklich – wird nicht ausreichen. Darum werben wir als GRÜNE dafür, dass wir in einer breiten gesellschaftlichen Debatte – das schließt Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ausdrücklich ein – darüber eine Einigung herstellen, dass Vermögen – und wenn ja, in welcher Weise – wieder mit einem stärkeren Anteil zu den Einnahmen des Staates beiträgt.

Wir werden diese Debatte sachlich führen, sie voranbringen und gemeinsam mit der Landesregierung für Mehrheiten für diese Position werben. Meine Damen und Herren, wie gesagt, auch dazu sind Sie aufgefordert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Schreiner.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Uli Steinbach! Wenn es um den Haushalt geht, dann fallen euch immer nur Steuererhöhungen ein. Da gab es als kleines Osterei die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Gestern haben wir die Wassersteuer diskutiert, heute diskutieren wir die Vermögenssteuer. Was kommt morgen?

(Hering, SPD: Erbschaftssteuer!)

Morgen diskutieren wir dann die Einkommensteuer.

Das Schlimme ist, es wird behauptet, das alles wäre erforderlich für die Konsolidierung. Wenn man genau hinschaut, wofür ihr es ausgeben wollt, dann geht es – vielleicht auch – um die Konsolidierung, aber in erster Linie geht es um den Konsum.

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Das Wichtige: Wenn wir uns auf eine gemeinsame Basis über Steuerpolitik in diesem Land einigen wollen, dann wäre es, dass wir erkennen, dass die Staatsquote zu hoch ist, wir als Staat weniger Geld ausgeben müssen

(Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

und die Staatsverschuldung zu hoch ist.

(Beifall der CDU)

Da ist es wohlfeil, auf den Bundesrat zu schielen. Dafür müsst ihr hier die Verantwortung übernehmen.

(Beifall der CDU)

Ihr müsst hier sagen, was ihr euch nicht mehr leisten wollt, weil wir alle es uns nicht mehr leisten können. Es ist doch nur eine Scheindiskussion, die hier vonseiten Rot-Grün geführt wird.

Aber es ist nicht nur eine Scheindiskussion. Ich möchte die grundsätzliche Position noch einmal deutlich machen. Eine Substanzbesteuerung ist ungerecht und – verzeihen Sie mir den Begriff – dumm, unabhängig davon, dass das Vermögen, das dort besteuert wird, aus bereits versteuertem Einkommen gebildet worden ist.

(Dr. Konrad, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Mehrwertsteuer auch!)

Das Verfassungsgericht hat u. a. deshalb gesagt, dass die Substanz zu wahren ist und eine substanzantastende Steuer nur in absoluten staatlichen Notlagen zulässig ist. Wenn Sie das Urteil von 1995 lesen: Da wird der Versailler Vertrag erwähnt. Das sei eine Situation gewesen, in der der Staat in der Lage gewesen wäre, eine substanzverzehrende Steuer aufzulegen.

Was wir brauchen, ist die Erkenntnis, dass das Vermögen der Menschen in diesem Land, das sie sich hart erarbeitet und auch versteuert haben, die Basis für den Ertrag, für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen und der Gesellschaft ist.

(Beifall der CDU)

Es ist nebenbei auch die Basis für eine Vielzahl anderer Steuern, zum Beispiel für die Ertragssteuer. Das ist eine Steuer, die wesentlich gerechter ist. Es ist gerecht, dass die Gemeinschaft ihren Anteil an dem wirtschaftlichen Erfolg eines Einzelnen einfordert, weil die Gemeinschaft im Zweifelsfall auch Anteil daran hatte.

(Zuruf des Abg. Konrad, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn ich eine Spedition habe, dann lebe ich davon, dass der Staat Straßen baut. Deshalb ist es vernünftig, dass ein Spediteur Ertragsteuern zahlen muss. Deshalb ist es – genauso, wie es gerecht und klug ist – vernünftig, dass sich die Gemeinschaft ihren Anteil am Ertrag holt – einen gerechten Anteil, einen vernünftigen Anteil, einen Anteil, der in diesem Land Arbeitsplätze sichert und schafft und nicht Arbeitsplätze ins Ausland treibt. Genauso ist es unvernünftig und unklug, das Vermögen zu besteuern und auf diese Art und Weise den Bürgern die Grundlage für deren wirtschaftlichen Erfolg zu rauben.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Rot-Grün ist jeden Tag Zahltag, mit der CDU ist das nicht zu machen.

(Beifall der CDU)

Für die SPD spricht Herr Abgeordneter Wansch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier oftmals über die Frage, wie der Staat funktioniert, wie wir einen funktionierenden Staat vor dem Hintergrund ausreichender Finanzmittel sicherstellen können, debattiert. Diese Debatte ist natürlich, nachdem wir es in der Landesverfassung festgeschrieben hatten, über das Thema „Schuldenbremse“ verstärkt worden. Was wollen, was können wir uns mit unserem Staat erlauben? – Wir haben bei dieser Diskussion oftmals nur die Ausgaben im Blick und vergessen, den Blick in Richtung Einnahmen zu richten.

Wenn wir die Gesellschaft und die Einkommensentwicklung der Gesellschaft sehen, dann müssen wir in den letzten Jahren feststellen, die Schere klafft auseinander, die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Interessant ist das eine oder andere, was dazu von der Deutschen Bundesbank oder vom Statistischen Bundesamt veröffentlich wird, wenn man feststellt, dass in den letzten Jahren das private Geldvermögen in einem Zeitraum von etwa 15 Jahren um rund 70 % angestiegen ist. Man spricht heute von einem privaten Geldvermögen von rund 4,7 Billionen Euro. Bei Immobilien- und Sachvermögen sprechen wir immer noch von Beträgen – die sind fast doppelt so hoch – von bald 10 Billionen Euro. Auch dort gab es in den letzten Jahren einen enormen Anstieg, in den letzten 15 Jahren – heißt es – rund 55 %.

Diese Entwicklung hat im Bereich der Arbeitnehmer bei der Frage der Lohnstruktur mit Sicherheit in den letzten 15 Jahren nicht stattgefunden. Wir haben auf jeden Fall eine Öffnung der Schere zwischen Reich und Arm. Dieser starke Trend zur Vermögenskonzentration ist, wenn wir uns über das Funktionieren des Staates unterhalten, für uns natürlich auch eine Frage. Steuergerechtigkeit ist hier das Stichwort, und Steuergerechtigkeit sehe ich nicht mehr gegeben, wenn Reiche und sehr Reiche von der Versteuerung ausgenommen sind, wenn es um die Frage geht, welche Vermögenswerte sie ausweisen können.

Wenn jetzt der Finanzminister von Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg eine solche Initiative zu einer Wiederbelebung der Vermögensteuer unternommen hat, kann das von unserer Seite nur begrüßt werden. Wir sprechen von 1 % Abgabe auf Vermögen, das in den Raum gestellt wurde, unter Berücksichtigung von enormen Freibeträgen. Der Herr Kollege Steinbach hat das ausgeführt. Es geht nicht um das Einfamilienhäuschen. Man kann sogar drei von dieser Sorte haben, ehe man überhaupt infrage kommt, dass ein Freibetrag überschritten werden soll.

Wir haben riesige Möglichkeiten, Freibeträge zu nutzen. Das heißt, es soll wirklich nur derjenige abgeschöpft werden, der die Möglichkeit hat, aufgrund eines enormen Vermögens einen kleinen Teil zum Funktionieren des Staates beizutragen.

Es gibt Berechnungen, die sagen, 8 Milliarden Euro bis 10 Milliarden Euro wären als Jahreseinnnahmen möglich. Genaues soll sich erst ergeben, wenn das Gutachten vorliegt, das die Bundesländer beim Deutschen

Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegeben haben.

Ich kann eine Zahl benutzen, die wir immer einmal wieder in Erinnerung rufen. Der Ansatz für Rheinland-Pfalz liegt bei etwa 5 %, wenn man Steuervolumina von der Bundesebene auf Rheinland-Pfalz herunterbricht. Wir machen die Rechnung ganz einfach. Bei 10 Milliarden Euro sind das 500 Millionen Euro. Das ist ein Riesenbetrag, der für den politischen Raum Rheinland-Pfalz zur Verfügung stehen würde. Ich möchte auch verdeutlichen, dass das konkret hierher soll, weil der Ansatzpunkt ist, dass ein solcher Betrag für zukunftsorientierte Aufgaben im Bildungsbereich eingesetzt werden soll.

(Glocke des Präsidenten)

Es ist enorm, welche Möglichkeiten sich mit dem Betrag von 500 Millionen Euro eröffnen. Das ist aus unserer Sicht die Chance, im Rahmen der Steuergerechtigkeit nach vorne zu kommen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Herr Finanzminister Kühl.