Protocol of the Session on May 3, 2012

Ich habe mir lange überlegt, weshalb eigentlich ein so großer Aufschrei durch Deutschland gegangen ist, als dies vorgeschlagen wurde. Herr Minister, man könnte auch auf die Idee kommen, dass Sie das alles nur deshalb fordern, weil Sie gar keine ausreichenden Haft- und Therapiebedingungen in den Gefängnissen mehr haben, weil Sie sich gar nicht mehr um das kümmern, worum Sie sich eigentlich zu kümmern haben, dass nämlich die Justiz bzw. die Justizvollzugsanstalten so ausgestattet sind, dass sie im Endeffekt ihre Leistungen in der Resozialisierung auch erbringen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Vorschlag, dass man das auf fünf Jahre vorzieht, kam aus Brandenburg von einem Minister der Linkspartei. Dieser Vorschlag wurde von Ihnen als Erstem mit aufgegriffen, Herr Hartloff, ohne Not und ohne vorher mit jemandem geredet zu haben.

Ich darf zitieren. Es gibt den Ministerpräsidenten aus Mecklenburg-Vorpommern, ein Parteifreund von Ihnen, Erwin Sellering, der sagte – ich erlaube mir ein Zitat –: „Bei schwersten Straftätern steht die Sicherheit an erster

Stelle. Es gibt keinen Grund, an den bisherigen Regeln zu rütteln.“

Die Polizei lehnt es ab. Die Deutsche Polizeigewerkschaft sagt Folgendes – Zitat Rainer Wendt –: „Wenn man Mörder und Schwerverbrecher in der Haft besser auf das Leben in Freiheit vorbereiten will, muss man die Bedingungen in unseren Haftanstalten verbessern. Dazu benötigt man mehr Personal in den Gefängnissen und mehr Therapeuten.“ Also ein Appell an die Landesregierung: Kümmern Sie sich darum. Das ist Ihre Aufgabe.

(Beifall der CDU – Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schlusspunkt. Die Gewerkschaft der Polizei stößt in das gleiche Horn. Die Strafvollzugsbediensteten sehen es als einen Hohn gegen die Opfer an.

(Glocke der Präsidentin)

95 % der Bevölkerung lehnen dies ab.

Herr Kollege, Ihre Redezeit von fünf Minuten ist vorbei.

Die Union lehnt es auch ab. Frau Vorsitzende, – –

Frau Präsidentin!

ich habe noch eine zweite Runde.

In der zweiten Runde können Sie das sagen, was Sie jetzt nicht mehr sagen können.

Mit dem letzten Satz ende ich. Wir werden uns weiterhin für die Opfer stark machen und nicht für die Täter.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU – Ramsauer, SPD: Ungehobelt!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Sippel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie so oft ist es schwierig, sachlich und differenziert über Fragen des Strafvollzugs zu reden. Ich füge hinzu, leider.

Herr Baldauf, das Thema ist zu wichtig, als dass man es populistisch aufmacht und versucht auszuschlachten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich stelle außerdem fest, dass die Entwicklung im Strafvollzug der letzten Jahrzehnte offenbar an Ihnen vorbeigegangen ist. Da hat sich vieles entwickelt. Noch ehe ein Referentenentwurf zum Gesetz vorliegt und in die parlamentarische Diskussion kommt, greifen Sie einen Punkt heraus. Das Gesetz ist sehr vielfältig, übrigens auch, was Opferbelange angeht.

Sie greifen einen Punkt heraus, und es hat sich nach Ihrer Rede der Eindruck verfestigt, es geht Ihnen im Prinzip um die Schlagzeile von morgen. Es geht darum, aus einem ganz schwierigen Thema politisches Kapital zu schlagen, indem Sie ein Szenario der diffusen Unsicherheit und der Gefahr heraufbeschwören. Das ist unverantwortlich und wird der Sache nicht gerecht.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich appelliere an Ihre Bereitschaft, sich dann, wenn es soweit ist, einer Debatte über die Ausgestaltung des Strafvollzugs insgesamt zu stellen. Das Thema taugt einfach nicht für eine Auseinandersetzung auf diesem Niveau.

(Pörksen, SPD: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, es liegt ein Musterentwurf für ein Landesstrafvollzugsgesetz auf dem Tisch, den die Landesregierung sehr genau prüfen wird. Herr Minister Hartloff hat das zugesagt. Inwieweit daraus ein Gesetzentwurf wird, ist heute noch nicht klar.

Es ist jedenfalls die Prämisse richtig, zu sagen, dass wir länderübergreifend zusammenarbeiten. Der Musterentwurf ist Ausfluss einer Zusammenarbeit von zehn Bundesländern, übrigens auch CDU-geführten Bundesländern wie das Saarland, Schleswig-Holstein, Sachsen, Thüringen, um hier nur einige zu nennen.

Es ist das Ziel, sich möglichst länderübergreifend abzustimmen und im Strafvollzug keinen Flickenteppich entstehen zu lassen. Das begrüßen wir ausdrücklich.

Fakt ist aber – das will ich vorwegschicken –, RheinlandPfalz ist ein sicheres Land. Das gilt für die Innere Sicherheit insgesamt, aber auch für den Bereich des Strafvollzugs. Die Gefangenenzahlen gehen deutlich zurück. Das hat sicher demografische Ursachen, ist aber auch Ergebnis einer guten Präventionsarbeit, einer guten Polizeiarbeit und nicht zuletzt der Erfolge im Strafvollzug, die einerseits aus Gesetzen resultieren, ande

rerseits auch der Arbeit der Bediensteten im Strafvollzug geschuldet sind.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

„Resozialisierung“ und „Behandlungsvollzug“ sind die Stichworte. Es ist allgemein anerkannt, dass sich der Strafvollzug mit der Reform in den 70er-Jahren gravierend verändert hat. Damals galt noch das Prinzip des Wegsperrens. Mit der Reform ging es um Behandlungsvollzug, um Möglichkeiten der Therapie und der Begleitung, um Möglichkeiten, frühzeitig ein Übergangsmanagement zu organisieren, damit Menschen nach ihrer Haft ein straffreies Leben führen. Das muss Ziel des Strafvollzugs sein.

Wir merken auch, dass die Rückfallquoten dort sinken, wo wir sehr intensiv dran sind mit Behandlungsvollzug und mit Therapiemöglichkeiten. Wir waren als Strafvollzugskommission in der Sozialtherapeutischen Anstalt in Ludwigshafen und haben gesehen, wie sich die Rückfallgefahr vermindert, wie sich Rückfallquoten durch eine intensive Betreuung absenken lassen. Darum geht es bei dem Musterentwurf zum Landesstrafvollzugsgesetz.

Wir wollen die Resozialisierungschancen weiter verbessern. Das ist unser verfassungsrechtlicher Auftrag, nicht zuletzt auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Es gilt, alles dafür zu tun, dass Strafgefangene nach ihrer Haft straffrei leben können, im Interesse der Betroffenen, im Interesse der Bevölkerung, wenn Straftäter künftig straffrei bleiben, und auch im Interesse der Volkswirtschaft, wenn es uns gelingt, Haftkosten für die Zukunft zu vermeiden.

Meine Damen und Herren, der Musterentwurf greift den Gedanken der Resozialisierung in vielen Punkten auf. Dabei geht es unter vielen Vorschlägen auch um Haftlockerungen für lebenslänglich Verurteilte, bereits nach fünf Jahren Haft, eine Absenkung von zehn auf fünf Jahre. Es ist ein Vorschlag von Experten, nicht mehr und nicht weniger. Ich will gerne in der zweiten Runde zu unserer Beurteilung dazu noch etwas näher ausführen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Kollegen Heinisch das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Seit 2006 ist die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug in die Verantwortung der Länder übergegangen. Diese Entwicklung wurde und wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Die Kritik kam von so unterschiedlichen Seiten wie dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem Deutschen Richterbund, vom BSBD, den Strafvollzugsbediensteten, Vertretern der Kirchen und der

Anwälte und auch von Professorinnen und Professoren aus dem Bereich Strafrecht und Kriminologie.

Der Landtag Rheinland-Pfalz kann an seiner vergleichsweise neuen Zuständigkeit für die Strafvollzugsgesetzgebung nichts ändern. Sehr wohl können wir uns aber um eine verantwortliche Wahrnehmung dieser Zuständigkeit bemühen. Wir können daran arbeiten, die hiergegen vorgetragenen Bedenken zu entkräften. Dazu gehören auch kritische Stimmen, die vor einer Rechtszersplitterung und vor einem Übergang vom Resozialisierungs- zum Verwahrvollzug gewarnt haben.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus zu begrüßen, dass Rheinland-Pfalz gemeinsam mit neun weiteren Bundesländern einen Musterentwurf für ein Strafvollzugsgesetz erarbeitet hat. Zu begrüßen ist auch, dass dieser Entwurf einen zeitgemäßen, humanen und noch konsequenter am Ziel der Resozialisierung ausgerichteten Vollzug ermöglichen soll.

Es hilft dagegen in keiner Weise weiter, einzelne Details aus diesem Musterentwurf herauszugreifen und für populistische und parteipolitische Profilierung zu verwenden. Die Welt ist nicht so einfach, wie sie die Opposition in diesem Hause manchmal darstellt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Hier die wackere CDU, dort Minister Hartloff und sein Amtskollege von der bösen Linkspartei in Brandenburg. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass an der Erarbeitung des Musterentwurfs für ein Strafvollzugsgesetz sechs Länder mit CDU-Regierungsbeteiligung mitgewirkt haben, darunter zwei Bundesländer, in denen das Justizressort unter CDU-Leitung steht.

Was macht einen modernen, humanen und noch konsequenter am Ziel der Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzug aus? Diese Frage wird sich spätestens dann stellen, wenn wir in absehbarer Zeit den angekündigten Regierungsentwurf für ein rheinland-pfälzisches Vollzugsgesetz beraten werden.

Bei der Beantwortung dieser Frage helfen grobe Vereinfachungen wie „Opferschutz vor Täterinteressen“, wie von der CDU in der Presse mitgeteilt und heute erwähnt, überhaupt nicht weiter. Es hilft auch nicht weiter, mit Warnungen vor vermeintlichen Sicherheitsrisiken diffuse Ängste zu schüren. Populistische Parolen ändern nichts daran, dass die Resozialisierung auch dann Ziel des Strafvollzugs ist, wenn die Gefangenen zu lebenslanger Haft verurteilt sind. Sie ändern nichts daran, dass eine erfolgreiche Resozialisierung der bestmögliche Beitrag des Strafvollzugs für den Schutz vor weiteren Straftaten ist. Sie ändern auch nichts daran, dass die vollständige Isolation der Gefangenen kein geeigneter Beitrag für eine erfolgreiche Resozialisierung sein kann, ganz im Gegenteil.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vollzugslockerungen können einen Beitrag zur Eingliederung der Gefangenen in ein selbstbestimmtes Leben

in Freiheit leisten, und zwar vom begleiteten Ausgang für weniger als 24 Stunden bis zum Langzeitausgang für mehrere Tage.

Es darf in diesem Zusammenhang nicht unterschlagen werden, dass Vollzugslockerungen sowohl nach derzeitiger Rechtslage als auch nach dem Musterentwurf für ein Vollzugsgesetz überhaupt nur dann möglich sind, wenn dies nach einer gründlichen Prüfung im Einzelfall verantwortet werden kann.