Wir sind im Jahr 2009 mit 122 Realschulen plus gestartet, die sich jetzt in Klasse 7 befinden. Die unterrichtlichen Rahmenbedingungen waren alle vorab bekannt. Ungefähr die Hälfte, nämlich 58 von den 122, haben eine Kooperative Realschule plus gebildet. Davon die Hälfte, also 29, haben aufgrund der Einstufung in getrennte Bildungsgänge eine Klasse mehr gebildet, als nach der Schülerzahl zu berechnen gewesen wäre.
Das Phänomen ist nicht neu. Das ist uns bereits aus den Regionalen Schulen oder Dualen Oberschulen bekannt. Abhängig von der Größe der Schule, von schuleigenen Profilen, Konzepten und Einstufungs- und Umstufungsentscheidungen in den Schulen werden sehr individuelle Wege und Lösungen gefunden. Dabei ist eines klar: Je mehr Schülerinnen und Schüler eine Schule hat, desto höher wird das über die Stundentafel hinausgehende zur Verfügung stehende „Lehrerwochenstundenguthaben“ für die Differenzierung, die Förderung und auch für Klassenmehrbildungen. Je größer die Schülerzahl ist, umso flexibler kann gearbeitet werden.
Klassenmehrbildungen führen in der Regel zu kleineren Klassen, was die Möglichkeit der Binnendifferenzierung und individuellen Förderung erleichtert. Bildet eine Schule größere Klassen, ergeben sich aus der Lehrerwochenstundenzuweisung Möglichkeiten für Teamteaching oder andere Doppelbesetzungen. Es ist sehr individuell, welche Wege die Schulen suchen.
Allein schon aus praktikablen Gründen besteht die Möglichkeit, bildungsgangübergreifende Gruppen in einzelnen Fächern wie Sport, Religion, Ethik oder auch in Wahlpflichtfächern zu bilden. Das bietet Synergieeffekte. Das ist allein schon aus praktikablen Gründen sinnvoll, damit man mehr wählen kann.
Die Ausgangsbedingungen für Kooperative und Integrative Realschulen plus sind gleich. Keiner wird benachteiligt. In beiden gelten die individuelle Förderung und die Aufstiegsorientierung als Ziel.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun kommt die CDU mit ihren Forderungen in dem Antrag. Die CDU will in Punkt 1, dass die ADD in Bedarfsfällen Poolstunden für Klassenmehrbildungen zuweist, obwohl sie weiß, dass die ADD den Schulen auf Antrag sowieso schon heute für schuleigene Förderkonzepte oder besondere Situationen Poolstunden zuweist und dies in der Verwaltungsvorschrift für die Unterrichtsorganisation geregelt ist.
Allein der Ansatz, dies für Klassenmehrbildungen in Kooperativen Realschulen plus zu genehmigen, läuft diesem Konzept völlig entgegen und benachteiligt Schulen mit besonderen Konzepten und in besonderen Situation. Die Poolstunden werden nämlich in eigener Verantwortung an den Schulen eingesetzt und nach dem schuleigenen individuellen Konzept verwendet. Wenn wir dem zustimmen würden, wäre der Handlungsspielraum sowohl bei der Schulaufsicht als auch bei den Schulleitungen eingeschränkt. Das wollen wir nicht.
Dann erhebt die CDU unter Punkt 2 erneut die ganz vage Forderung, die Lehrerwochenstundenzuweisung für Kooperative Realschulen plus auf die tatsächliche Zahl der Klassenbildungen zu verändern. Das ist eine sehr vage Forderung.
Frau Brück, es tut mir leid, Sie haben die Redezeit überschritten. Vielleicht gibt es noch einen zweiten Teil.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mal schauen, liebe Bettina Brück, vielleicht kann ich den zweiten Teil in meinem Part mit übernehmen.
Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, mit der Überschrift „Kooperative Realschulen plus nicht schwächen – differenziertes Lernangebot stärken“ Ihres Antrags werden Anstrengungen, die die Schwächung der Kooperativen Realschule plus zum Ziel haben, unterstellt, gegen die Sie sich zu stemmen beabsichtigen. Ich sage Ihnen dazu: Niemand will die Kooperative Realschule plus schwächen. Dies wollen weder die SPD, die sie im Jahre 2009 zusammen mit der integrativen Form zum Laufen gebraucht hat, noch wir GRÜNE; denn das Schild vor der Schule ist uns wenig wert. Mehr ist uns jedoch wert, dass wir jedem Individuum in der Schule eine angemessene Unterstützung zukommen lassen. Deshalb haben wir auch explizit im Koalitionsvertrag versprochen, die Realschule plus zu stärken. Das gilt auch für die Integrierten Gesamtschulen und die Gymnasien.
Frau Dickes, worauf zielt Ihr Antrag eigentlich ab? – Sie hören mir gar nicht zu. Na gut. Ja, worauf zielt Ihr Antrag ab? – Im zweiten Teil der Überschrift verraten Sie es mit Ihrem Gefasel von differenzierten Lernangeboten, die allen empirischen Befunden sowie Ratschlägen aus Wissenschaft und Praxis widersprechen.
Dazu merke ich an, dass die Differenzierung der Lernangebote ohne Ansehen der Schulart unser Programm ist.
Meine Damen und Herren, ich bitte die Unterhaltungen, die eine normale Lautstärke haben, draußen weiterzuführen.
Allerdings gibt es in der Tat unterschiedliche Ansätze für eine Differenzierung. Keine Schulart spiegelt diese deutlicher in sich wider als die Realschule plus, die in der kooperativen Form ab der 7. Jahrgangsstufe auf eine äußere Differenzierung setzt, während sie in der integrativen Form auf eine Binnendifferenzierung setzt. Welchen Weg die Schule jeweils geht, liegt in ihrer Entscheidung. Die Ressourcen dazu in Form der Lehrerinnenstundenzuweisung enthalten beide Varianten nach demselben Berechnungsschlüssel, den wir alle kennen. Frau Dickes, auch Sie kennen ihn spätestens seit der Antwort auf die Kleine Anfrage durch das Ministerium, auf die Sie auch abgehoben haben, und zu der Frau Bettina Brück bereits Ausführungen gemacht hat.
Das, was bereits aus der Überschrift zu Ihrem Antrag deutlich wird, bestätigt sich weiter in Ihrem Antrag, dessen Zungenschlag im besten Fall als voreilig zu bezeichnen ist.
Dies nehme ich an, weil Sie im ersten Absatz die unterhälftige Wahl der äußeren Differenzierung in der Kooperativen Realschule plus als Beleg für deren Nachfrage heranziehen. Die Schülerzahlen der Orientierungsstufe sind jedenfalls nicht geeignet, sie gerade deshalb als positiven Beleg für die Profilierung zu unterstützen.
Der erste Absatz des Antrags wird dann zusehends kühner, wenn er positive Rückmeldungen der Ausbildungs- und Praktikumsbetriebe vereinnahmt, durch die die Notwendigkeit einer starken kooperativen Form belegt werde. Frau Brück ist darauf bereits eingegangen. Die Ihrer Behauptung angefügte Begründung erschließt sich nicht; denn von einer – ich zitiere – „zwangsläufig meist ungleichen Verteilung der Schülerinnen und Schüler“ kann im ersten Jahr der Differenzierung nicht reell gesprochen werden. Es gehört, wie alle Differenzierungs- und Fördermaßnahmen, zum Konzept der kooperativen Schulart, dass die Mehrbildung von Klassen in der 7. Jahrgangsstufe aus Regelzuweisungen zu schultern ist. Die besonderen Bedarfssituationen – auch das hat Frau Brück schon ausgeführt – gibt es bislang schon. Dafür gibt es nach der Verwaltungsvorschrift vom 7. April 2009 – auch das wissen wir nicht erst seit dem 30. März – auf Antrag besondere Möglichkeiten. Damit ist die erste Forderung in Ihrem Antrag hinfällig.
Die Konzeption wird allerdings auf den Kopf gestellt, wenn Sie die Lehrerinnenzuweisung an den tatsächlich gebildeten Klassen festmachen wollen. Außerdem wäre es kontraproduktiv, Kooperative und Integrative Realschulen plus bei den Zuweisungen unterschiedlich zu behandeln. Dadurch würde ihre Profilierungsoption verzerrt. Wenn die Kooperative Realschule plus ihrem Namen gerecht wird, kooperiert sie ohnehin schon hausintern, indem sie die äußere Differenzierung in Neigungsgruppen und im Unterricht punktuell und seriell aufhebt. An dieser Stelle eröffnen sich neue Wege. Dies übrigens sogar nach Ihrer eigenen Logik; denn wer in Musik gut
ist, ist nicht immer notwendigerweise fit in Mathematik. Also mehr Mut zur hausinternen Kooperation auch in abschlussbezogenen Zügen übergreifend zum Wohl der Kids und unserer Gesellschaft.
Im Klartext: Wir wollen die Gestaltungsfreiheit jeder Schule stärken. Sie dagegen haben eine Schere im Kopf. Auf ein Schulmodell, das zwei Schulen nur im Türschild vereint, läuft Ihr Antrag hinaus.
Es ist eine bewusste Entscheidung, die die Schulen treffen, wenn sie sich für die eine o d e r die andere Form entscheiden. Uns ist es natürlich recht, wenn sie es zu einem „Und“ bringen und das „Oder“ nicht mehr die alleinige Grundlage für das Schulprofil ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Das meiste ist gesagt, aber lassen Sie mich ein paar Anmerkungen machen.
Frau Dickes, Ihre einführenden Worte waren, ich hätte damals den Schulen die Wahl gelassen, ob sie integrativ oder kooperativ arbeiten wollen. Frau Dickes, das ist aber auch ziemlich der einzige Punkt, in dem wir übereinstimmen. Das stimmt, und die Schulen haben gewählt. Wir haben 174 Realschulen plus, von denen 86 Integrative und 88 Kooperative Realschulen plus sind. Noch ausgewogener kann man wohl kaum noch wählen.
Der zweite Punkt ist, ja, Sie machen heute wieder einmal die Schulstrukturreform zum Thema. Ich kann das aus Ihrer Sicht sogar nachvollziehen, weil wir gehandelt haben und eine Schulstrukturreform auf den Weg gebracht haben, die offensichtlich auch von den Betroffenen akzeptiert wird, während sich die CDU auf der Bundesebene noch immer mit dem Abschied von der Hauptschule auf Raten schwer tut. Da geht man in RheinlandPfalz nach der Methode vor, Angriff ist die beste Verteidigung. Vielleicht versuchen Sie aber zuerst einmal, in Ihren eigenen Reihen Klärungen herbeizuführen. Das wäre sicherlich für die Schulen in anderen Ländern ein Fortschritt.
Drittens haben wir eine Lehrerstundenzuweisung gemacht, die zweierlei ganz klar besagt: Wir wollten, dass sich die ehemaligen Hauptschulen nicht schlechter stellen. In der Konsequenz heißt das, dass sich die heutigen Realschulen plus gegenüber den früheren Realschulen
deutlich besserstehen. Wir haben allerdings auch dazu gesagt, ja, wir wollen die gleiche Zuweisung für beide Schulformen, weil für die Schulen eine wirkliche Wahlfreiheit nur dann besteht, wenn sie die gleiche Zuweisung bekommen. Dann können Sie nämlich das jeweils für sich beste pädagogische Konzept wählen.
Ich will Ihnen die Lehrerwochenstundenzuweisung nicht noch einmal im Einzelnen erklären, weil man das nachlesen kann. Ich will aber darauf hinweisen, dass von 58 Kooperativen Realschulen 29 die Möglichkeit genutzt haben, eine zusätzliche Klasse zu bilden, die so nicht vorgesehen war. Wie man dann davon sprechen kann, dass die Schulen mit dem Rücken an der Wand stünden oder ausbluten, bleibt mir in der Tat schleierhaft.
Dann sehe ich mir noch an, wie sich die Klassengrößen entwickelt haben. Wenn es in der Klassenstufe 5 im Schnitt 19,7, in der Klassenstufe 6 im Schnitt 21,2 und in der Klassenstufe 7 im Schnitt 22 Schülerinnen und Schüler sind, kann ich nicht erkennen, wo die Schulen mit dem Rücken an der Wand stehen.
Ich will übrigens einmal, da Sie gerne Beispiele aus Hessen nehmen, ein rheinland-pfälzisches Beispiel nehmen.
Ich sage Ihnen anhand einer Kooperativen Realschule plus, was das bedeutet. Eine Schule, ein konkretes Beispiel, eine Realschule plus mit 652 Schülerinnen und Schülern in 26 Klassen. Dieser Schule stehen im Endausbau für die Klassenstufen 5 bis 10 insgesamt 183 Lehrerwochenstunden über den Pflichtunterricht hinaus zur Verfügung, das heißt, 6,8 zusätzliche Stellen für Differenzierungsförderungsmaßnahmen oder eine zusätzliche Klassenbildung.
Ich finde, wenn man in der Bildungspolitik glaubwürdig argumentieren will, darf man durchaus auf Probleme hinweisen, aber man muss sich die richtigen Beispiele aussuchen, weil sonst hat man einfach nur noch den Eindruck, hier soll alles zum Problem gemacht werden, alle Forderungen, die irgendjemand erhebt, werden addiert. Ich sage Ihnen nur, das wird niemand finanzieren können, und am Ende haben dann die Schulen, wenn man so handeln würde, mit Zitronen gehandelt. Die Schulen haben ein Recht darauf, dass man mit ihren Problemen ernsthaft umgeht und versucht, auf diese ernsthaften Probleme eine Antwort zu finden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man die Verwaltungsvorschrift gelesen hat, weiß man, dass die ADD schon heute die Möglichkeit hat, bei kleineren Schulen zu helfen. Dann weiß man auch, dass diese Hilfen für die kleineren Schulen unabhängig von den Förderkonzepten für die Schulen sind, die die Schulen noch zusätzlich in Anspruch nehmen können.
Wenn man in die Praxis der Schulen schaut, sieht man, dass die neben den zusätzlichen Klassenbildungen durchaus auch das entwickelt haben, was eben gesagt
worden ist, nämlich Formen der inneren Kooperation, zum Beispiel im Bereich Religion, Ethik, im Bereich der Wahlpflichtfächer, und dass viele Schulen das gerne noch ein Stück ausweiten wollen.