Protocol of the Session on March 22, 2012

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegen SahlerFesel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die sofortige und dauerhafte Abschaltung des Kernkraftwerkes Cattenom – das ist die Forderung der Region, wie Herr Kollege Henter es schon richtig dargestellt hat. Wir sitzen in ein und demselben Kreistag. Dies ist auch die Forderung der Großregion, es ist aber auch die Forderung, die die Landesregierung und unser Ministerpräsident schon sehr lange unterstützt und bei der er mit uns an einer Seite kämpft, allerdings mit dem Riesenproblem, dass sich doch nichts tut, weil – wie dargestellt – die Zuständigkeiten leider nicht im Bundesland Rheinland-Pfalz liegen, sondern primär in Frankreich. Wie wir noch am 2. März in der Sitzung des Internationalen Parlamentarierrates in Perl ganz klar von der französischen Seite gehört haben, kann die Diskussion nur über Berlin und Paris geführt werden, und darunter tut sich gar nichts. Daher ist die Bundesregierung ganz klar gefordert, etwas für die Sicherheit ihrer Bürger zu tun. Es geht um die glasklare Forderung der Abschaltung von Cattenom.

Im Umkreis von 50 Kilometern dieses Kernkraftwerks leben 1,5 Millionen Menschen. Das Kernkraftwerk ist in die Grenznähe zu Rheinland-Pfalz gebaut. Die Hauptwindrichtung verläuft in die Region Trier hinein, und die Mosel, deren Wasser als Kühlwasser genutzt wird, fließt nach Deutschland und zuerst nach Rheinland-Pfalz. Die Gefährdungen zielen genau in diese Region und aus Frankreich hinaus.

Leider sehen aber nicht allein die Franzosen die Kernkraftwerke als eine Gefahrenquelle an. Dies konnte man daran erkennen, dass im Jahr 1986, im Jahr des Supergaus in Tschernobyl, der erste Block des Kernkraftwerks Cattenom ans Netz ging. Selbst diese Katastrophe hat in

Deutschland oder bei der schwarz-gelben Regierung nicht zum Umdenken geführt; denn damals blieben die deutschen Kernkraftwerke am Netz mit der Begründung, die deutschen Anlagen seien wohl alle sicher. Erst die Katastrophe in Fukushima brachte das Umdenken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, auch ich bin sehr froh darüber, dass wir einen gemeinsam Antrag dazu eingebracht haben; dennoch kann ich es mir an dieser Stelle nicht verkneifen, Sie daran zu erinnern, dass der von Rot-Grün beschlossene Atomausstieg von Ihnen im Oktober 2010 wieder eingesammelt wurde.

(Frau Klöckner, CDU: Was soll das denn jetzt? Dann müssen wir es nicht mehr zusammen machen! Lassen Sie das doch!)

Ich weiß, Sie haben dabei mitgestimmt, das gefällt Ihnen jetzt nicht, Frau Klöckner.

Erst Fukushima hat dazu geführt, dass wir uns in dieser Thematik jetzt wieder so einig sind. Diese Einigkeit bleibt in diesem Hause, dessen bin ich mir ganz sicher, auch wenn man an die Fehler der Vergangenheit erinnert wird, Frau Klöckner. Damit müssen Sie schon leben. Ich bedanke mich deshalb ausdrücklich, dass Herr Ministerpräsident Beck nicht gewackelt hat

(Baldauf, CDU: Dafür hat er heute gewackelt, das hat gereicht!)

und wir nun gemeinsam an die Bundesregierung appellieren können, nachdem auch der Stresstest ganz klar bewiesen hat, dass alle Befürchtungen zutreffend sind und sogar noch übertroffen werden.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Es wurden 78 Mängel festgestellt. Herr Henter hat einige davon genannt. Es wurde festgestellt, dass Notstromaggregate nicht betriebsfähig sind, weil beispielsweise der Treibstoff fehlt. Die Pannen, die allein in diesem Jahr schon wieder aufgetreten sind, bestätigen uns in unserer Forderung, dass dieser Pannen-Reaktor dringend abgeschaltet werden muss.

Leider wird vonseiten der Bundesregierung nach wie vor die Linie gefahren, dass es eine nationale Zuständigkeit gebe und man damit zunächst einmal nichts zu tun habe. Gestern wurde im Rahmen einer Fragestunde im Bundestag von unserem ehemaligen Kollegen Manfred Nink, der jetzt Bundestagsabgeordneter ist, gefragt, was Berlin für die Sicherheit der Bürger in dieser Grenzregion tut. Auch dabei wurde sich leider nur auf die nationale Zuständigkeit zurückgezogen. Ich hoffe aber, dass sich das bald ändern wird, wenn der Wahlkampf in Frankreich vorbei ist. Dann können wir wieder sachlich und normal miteinander umgehen, und dann bin ich mir ganz sicher, dass sich auch in Berlin etwas bewegen wird.

Es wird auch mit Sicherheit nicht ungehört verhallen, dass wir uns in diesem Hohen Hause parteiübergreifend – wie schon in Trier über all die Jahre hinweg – einig sind, dass wir die Abschaltung des Kraftwerks Cattenom gemeinsam fordern und wir gemeinsam fordern, dass es

zu einem Sondergipfel kommt, auf dem die Dinge bewegt werden, die zu einer Abschaltung führen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Franzosen derzeit dabei sind, die Laufzeit dieses Atomkraftwerks locker flockig um weitere 40 Jahre zu verlängern. Es ist also nicht so, dass eine Einsicht vorhanden wäre, dass eine Abschaltung geboten ist.

Es werden Störfälle heruntergespielt, und es war auch nur ein Stresstess „light“, weil nämlich genau die Gefahren von Erdbeben und Flugzeugabstürzen gar nicht überprüft wurden, weil die französische Seite gesagt hat, das ist so unwahrscheinlich, das müssen wir nicht überprüfen. Deshalb wiederhole ich noch einmal die Forderung. Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland alles abschalten, uns an den Ausstieg machen und dann den Strom aus Cattenom beziehen. Wir fordern, dass Cattenom – und nicht nur Cattenom – abgeschaltet wird und nicht die Menschen in ihrem Sicherheitsgefühl nur mit Jod-Tabletten abgespeist werden.

Schönen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Kollegin Nabinger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Atomkraft ist technisch nicht beherrschbar und darum politisch nicht verantwortbar. Dieses gilt weltweit, nicht erst seit Fukushima. Bereits seit Tschernobyl wissen wir, Radioaktivität kennt keine Grenzen.

Deshalb ist das Atomkraftwerk Cattenom keine abstrakte, sondern eine ganz reale Bedrohung direkt vor unserer Haustür. Genau deshalb kann das Bemühen um den Atomausstieg nicht an nationalen Grenzen haltmachen, sondern muss eine europäische Debatte werden. Genau deshalb stehe ich heute hier für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und fordere die sofortige und endgültige Abschaltung Cattenoms.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Bevölkerungsdichte in der Region war schon während der Planung des AKW ein Streitpunkt. Der erste Präsident der französischen Atomaufsichtsbehörde trat 1975 deshalb zurück. Auch der zweite protestierte gegen die Auswahl Cattenoms als Standort eines Atomkraftwerks. Trotz des Risikos für eine solch große Zahl von Menschen und trotz der Zweifel der französischen Atomaufsichtsbehörde bleibt der Atomdinosaurier Cattenom weiterhin am Netz.

Da stellt sich natürlich die Frage nach der Unabhängigkeit der ASN. Wenn eine Atomaufsichtsbehörde Zweifel

am Bau eines AKW hat, dann sollte diese es verhindern können. Das ist in Cattenom nicht geschehen.

Gerade die Katastrophe von Fukushima hat uns aber gezeigt, dass man auch mit den unwahrscheinlichsten Ereignissen rechnen muss. Es ist und bleibt deshalb unverständlich, warum in Cattenom Kriterien des EUStresstests einfach nicht eingehalten oder als unwichtig abgetan wurden.

Seit Inbetriebnahme im Jahr 1986 gab es in Cattenom fast 800 Zwischenfälle. Allein in diesem Jahr kam es in Cattenom bereits zu neun Störfällen in dieser Art. Dies zeigt, dass man diese Zwischenfälle nicht mit leichter Hand abtun kann, vor allem, wenn, wie beim Zwischenfall am 18. Januar, eine sicherheitsrelevante Vorkehrung nicht berücksichtigt wurde und dies 25 Jahre lang niemandem auffiel.

Wie viel andere sicherheitsrelevante Teile wurden hier denn noch vergessen?

Aufgrund dieser Sachlage kann es nicht genug sein, die Mängel des Stresstests zu beseitigen. Cattenom ist ein Pannenreaktor und ein Sicherheitsrisiko für RheinlandPfalz. Unsere Mindestanforderung ist und kann daher nur die sofortige und dauerhafte Abschaltung der Schrottreaktoren in Cattenom sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Darüber hinaus ist es fragwürdig, ob den Betreibern genügend Gelder zur Verfügung stehen, um Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit durchzuführen. Aber vor Kurzem wurde die Mär des billigen Atomstroms widerlegt. Der oberste Rechnungshof in Frankreich hat erstmalig einen 400 Seiten langen Bericht veröffentlicht. In diesem Papier steht, dass der wahre Preis der Kilowattstunde nicht bei 12 Cent, sondern bei 50 Cent bis 56 Cent zu finden wäre.

Dieser Bericht bezweifelt massiv, dass genügend Gelder für Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zur Verfügung stehen. Es ist daher zu bezweifeln, dass der Betreiber EDF weitgehende Sicherheitsmaßnahmen finanziell umsetzen kann. Die EDF und die ASN haben uns immer wieder die Mär der Sicherheit Cattenoms erzählt oder suggeriert.

Der Endbericht des Stresstestbeobachters Dieter Majer und seine Aussagen zur Sicherheit Cattenoms sind der Beweis, dass die französische Atomaufsichtsbehörde nicht unabhängig und Cattenom alles andere als sicher ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Die EDF hat natürlich ein wirtschaftliches Interesse, Cattenom so lange wie möglich am Netz zu lassen, möglichst ohne große Investitionen, und spielt deshalb die Sicherheitsmängel herunter. Bei beiden sind die Besitzer das Problem, denen der schnelle Profit wichtiger ist als die Sicherheit und Unversehrtheit der Menschen.

Im Falle Cattenoms wird der Profit mit Menschenleben und Existenzen aufgewogen. Dies kann nicht in unserem

Interesse sein. Es ist gewiss nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz, die wir hier eindeutig vertreten.

Das Grundgesetz gewährleistet in Artikel 2 Abs. 2 den Bürgerinnen und Bürgern gerade das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Cattenom gefährdet dieses Recht; denn die Radioaktivität macht an den Grenzen nicht halt.

Daher stellt Cattenom für die Bevölkerung in RheinlandPfalz eine Gefahr dar. Wir sind nicht bereit, dieses Risiko länger zu akzeptieren.

Ich persönlich finde es besonders begrüßenswert, dass auch die CDU-Fraktion dieses Risiko Cattenom nicht länger akzeptieren möchte. Hier und heute sollten wir für unsere Bürgerinnen und Bürger ein ganz klares Zeichen setzen:

(Glocke der Präsidentin)

die sofortige und dauerhafte Stilllegung der Schrottreaktoren Cattenom!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Lemke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist alles sehr beunruhigend, was wir in Cattenom wahrnehmen. Ich möchte gar nicht auf alle Details des Stresstests hier eingehen. Sie haben ausreichend verfolgt und im Ausschuss schon beraten, was unser Fachmann im Stresstest, Dieter Majer, berichtet hat und kennen sich mittlerweile auch sehr gut aus.

Ich möchte aber noch eines sagen, weil ich das hier in der Wahrnehmung der Beiträge feststelle. Fukushima hat jetzt mit Cattenom so nichts zu tun. Wir brauchen keinen Tsunami, um das AKW Cattenom wirklich als gefährdet eingestuft zu sehen. Es reicht zum Beispiel ein Stromausfall, um dafür zu sorgen, dass wir eine wirklich sicherheitsgefährdende Lage haben. Ich möchte Ihnen deswegen nur kurz noch einmal berichten, wie das mit den Zwischenfällen, die sich seit 1. Januar dieses Jahres ereignet haben, zusammenhängt, um zu verstehen, wie es mit einer Reaktorschnellabschaltung laufen kann.

Wir haben viermal Reaktorschnellabschaltungen gehabt, einmal im Block 4, dreimal im Block 2. Die Ursachen waren Probleme mit Ventilen und druckluftgesteuerten Schiebern sowie Störungen an Generatoren. Einmal wurde Öl freigesetzt. In den Blöcken 3 und 4 kam es auch zu einer Rauchentwicklung an der Pumpstation. Die Feuerwehr musste kommen und löschen.

Block 4 beunruhigte dann erneut auch mit einer Rauchentwicklung im Bereich der Dieselmotoren. Da rückte

dann auch die Feuerwehr an. Es lässt sich also feststellen, dass in rund 25 Jahren Betriebsdauer insbesondere in den Blöcken 2 und 3 nun erstmals die Sicherheitsprobleme auch an den Brennelementelagerbecken auftreten, an den sogenannten Rückflussverhinderern, weil hier die Sicherheitseinrichtungen fehlen.