Protocol of the Session on January 19, 2012

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das stimmt!)

Er macht deutlich, dass wir in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen zum Opferschutz unternommen haben. Deshalb ist der Bericht auf 223 Seiten sowohl in der Quantität als auch in der Qualität angewachsen.

Meine Damen und Herren, die Gesetzgebung hat in den letzten Jahren auf allen Ebenen erhebliche Fortschritte gemacht. Ich nenne hier das Zweite Opferrechtsreformgesetz. Wir haben Verbesserungen im Strafrecht und im Strafverfahrensrecht. Beispielsweise wurde die Videovernehmung für Zeugen eingeführt. Wir haben in Rheinland-Pfalz frühzeitig eine flächendeckende Ausstattung an den Landgerichten und Justizvollzugsanstalten ermöglicht.

Darüber hinaus hat das Gewaltschutzgesetz im zivilrechtlichen Bereich Verbesserungen mit dem Grundsatz „wer schlägt, muss gehen“ gebracht. Das war ein erheblicher Fortschritt. Rheinland-Pfalz hat darüber hinaus die Regelungen zum verbesserten Schutz der Opfer von Zwangsheirat und schwerem Stalking über den Bundesrat in die Bundespolitik eingebracht.

Meine Damen und Herren, der Bericht zeigt auf, dass schwere Straftaten gegen das Leben und Sexualdelikte abgenommen haben. Das ist sehr erfreulich. Kinder werden heute deutlich seltener Opfer von Gewalt und Missbrauch. Jeder Fall ist natürlich ein Fall zu viel. Ich glaube, dennoch haben sich die Anstrengungen der Prävention, hier beispielsweise das Landeskinderschutzgesetz, und eine erhöhte Wachsamkeit und Sensibilisierung in der Öffentlichkeit ausgezahlt.

Auffällig ist die Zunahme von Opfern unter Heranwachsenden. Gewaltdelikte haben bei diesem Personenkreis deutlich zugenommen. Dies bedarf unserer Aufmerksamkeit.

Prävention ist der beste Opferschutz, um möglichst zu verhindern, dass jemand überhaupt zum Opfer wird.

Wenn wir Geld, das wir dort ausgeben, am Ende für den Justizvollzug sparen, haben alle gewonnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Opferschutz ist in Rheinland-Pfalz eine Querschnittsaufgabe, die nicht nur die Polizei und die Justiz befasst, sondern auch die Bereiche der Bildung, des Sozialwesen, ich nenne hier exemplarisch die Sicherheitsstrategie P.R.O. mit den drei Säulen Prävention, Reaktion und Opferhilfe, die Prävention im polizeilichen Bereich durch die Leitstelle Kriminalprävention und die über 100 Kriminalpräventiven Räte in den Kommunen. Weiterhin nenne ich die Präventionsarbeit in den Schulen, die Arbeit der Jugendhilfe, die Frauennotrufe und vieles mehr.

Meine Damen und Herren, ein ganz wichtiger Baustein in der Opferschutzstrategie ist die Stärkung der Zivilcourage in unserer Gesellschaft. Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens. Es ist gut, dass positive Beispiele in Rheinland-Pfalz – die gibt es Gott sei Dank immer wieder – eine entsprechende öffentliche Würdigung erfahren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine effektive Bekämpfung der Jugendkriminalität dient ebenfalls dem Ziel des vorbeugenden Opferschutzes. Bundesweit Vorreiter sind wir mit der Einrichtung der Häuser des Jugendrechts an drei Standorten. Der vierte Standort in Trier wird kommen. In Zukunft wird es hoffentlich in Koblenz auch noch einen Standort geben.

Der Täter-Opfer-Ausgleich wird intensiv ausgestaltet. Hier belegen die Zahlen einen Spitzenplatz im Bundesvergleich.

Zur Prävention gehört selbstverständlich auch, Straftäter zu einem Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu befähigen. Der Strafvollzug und insbesondere der Jugendstrafvollzug wurden in den letzten Jahren erheblich gestärkt. Modellhaft will ich außerdem das rheinlandpfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen mit den Täterarbeitseinrichtungen und Interventionsstellen im Land nennen. Hier gab es in der Vergangenheit bzw. in den letzten Wochen Bedenken, ob hinsichtlich der Einsparauflagen diese Arbeit weitergeführt werden kann. Wir werden als Koalition sicherstellen, dass diese Arbeit weitergeführt werden kann, weil dort eine gute Arbeit verrichtet wird.

Meine Damen und Herren, Opfer bedürfen der besonderen Zuwendung und Unterstützung. Wir haben in Rheinland-Pfalz Opfereinrichtungen wie der WEISSE RING oder SOLWODI, die Frauennotrufe und vieles mehr. Das ist eine Arbeit, die Dank, Unterstützung und Anerkennung verdient.

(Glocke der Präsidentin)

Das ist wirklich eine Arbeit, die schwierig und intensiv ist. Deshalb verdient sie die Begleitung der Öffentlichkeit.

Wir danken abschließend auch den Ministerien, wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen

umfangreichen und hilfreichen Bericht. Er wird für uns ein Leitfaden für die kommende Arbeit sein.

Danke schön.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Kohnle-Gros hat das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Lieber Herr Kollege Sippel, das war ganz beachtlich, das war eine ganz gute Rundumdiskussion über diesen Bericht.

Herr Minister, ich bin gespannt, was Sie aus Ihrer Sicht noch dazu sagen werden.

Ich muss natürlich etwas Wasser in den Wein schütten. Das ist völlig klar.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Das ist Aufgabe der Opposition, dass sie eine solche Debatte nutzt, um auf Dinge hinzuweisen, die nicht immer gut laufen und die vielleicht mit der derzeitigen politischen Realität nicht mehr viel zu tun haben.

Ich nehme dankbar auf, dass Sie für die Regierungsfraktionen gesagt haben, dass Sie diesen Opferschutzbericht als Leitfaden für die Diskussion in den nächsten Wochen benutzen werden. Wir haben das schon in den letzten Wochen gemacht. Darauf werde ich gleich zurückkommen. Sie werden bei den Haushaltsberatungen dafür Sorge tragen, dass nicht alles, was darin als gut, hervorragend und vom Land umgesetzt beschrieben wird, tatsächlich nachher nicht mehr da ist. Ich sage gleich noch etwas dazu.

Ich sage noch etwas zu dem, was Sie bezüglich der Zahlen der Kriminalitätsbelastung gesagt haben. Der Bericht bezieht sich auf einen längeren Zeitraum. Er ist nicht mehr ganz taufrisch. Der Zeitraum, der besprochen wird, geht von 2000 bis 2009. An anderer Stelle ist schon gesagt worden, dass wir im Land eine erhebliche Zunahme der Straftaten, aber auch der Opfer und der Geschädigten haben. Das ist nicht wegzudiskutieren. Sie haben völlig zu Recht gesagt, wir haben eine veränderte Gesetzeslage. Wir haben vielleicht – darauf komme ich jetzt zu sprechen – gerade im Bereich der Kriminalitätsbelastung bei den familiären Situationen – man nennt es heute Gewalt in häuslichen Beziehungen – eine Zunahme zu verzeichnen.

Sie haben vorhin gesagt, die Zahl der Kinder, die Opfer werden, ist etwas zurückgegangen. Man muss das relativieren. Das hängt mit den statistischen Zahlen zusammen, dass es weniger Kinder unter 14 Jahren gibt. In dem Bericht steht auch, dass es dafür mehr Kinder im Land gibt, die zu den Jugendlichen gehören. Daher ergibt sich diese Verschiebung.

Insgesamt ist es so, dass Kinder und Frauen immer häufiger Opfer von häuslicher Gewalt werden. Wir wissen das, weil diese Tatbestände inzwischen strafbar sind und die Öffentlichkeitsarbeit mit dazu beigetragen hat, dass es ein höheres Anzeigeverhalten gibt. Es gibt Gott sei Dank auch eine bessere Reaktion auf diese Tatbestände.

Warum sage ich das so ausführlich? Wir hatten im frauenpolitischen Ausschuss in der letzten Woche auf unseren Antrag hin eine Diskussion zu diesem ganzen Themenspektrum. Der eigentliche Anlass war die Zusammenlegung von K 1 und K 2, das sind die beiden Kriminalkommissariate. K 2 beschäftigt sich mit der Gewalt gegen Frauen und Kinder. Es ging um die Kommissariate auf dem Land. Die Landesregierung hat in den letzten Wochen verschiedene Aktionen in die Welt gesetzt. Herr Sippel, Sie haben darauf hingewiesen. Diese haben heftige Reaktionen vor allen bei denen, die im Ehrenamt an diesen Stellen, aber auch im Hauptamt arbeiten, ausgelöst. Wir hatten Briefe von Erzieherinnen wegen der Polizeipuppenbühne bis hin zu solchen von Frauenhäusern, Frauennotrufen und von SOLWODI, die sich über diese Art von Einschränkung der bisher bewährten Arbeit gewehrt haben.

Die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/GRÜNEN haben mir im Ausschuss nicht durchgehen lassen wollen, dass ich bei dem Thema K 1 und K 2 abweiche und die ganze Bandbreite mit beleuchte. Deshalb habe ich mich gestern gefreut, als ich erfahren habe, dass ich zu dem Bericht sprechen darf.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Ich habe es schwarz auf weiß vorgefunden und kann belegen, was los ist.

Das Schwerste war, die Polizeipuppenbühne zu finden. Ich gebe Ihnen die Fundstelle bekannt. Das ist Seite 101, weil es nicht in der Überschrift, sondern nur im Text vorkommt. Die Überschrift lautet „Maßnahmen zur Vorbeugung sexueller Gewalt“. Das Leitwort ist Polizeipuppenbühne „So schütze ich mein Kind“.

Da wird ausgeführt, solche Gewalt wird durch die bei den Polizeipräsidien eingerichteten Polizeipuppenbühnen bei Auftritten in Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen spielerisch vor Kindern, Eltern und Erzieherinnen sowie Erziehern angesprochen. Daneben erfolgt eine Thematisierung im Rahmen von Präventionsveranstaltungen. An der Stelle kommen schon die K-2Damen, die dort arbeiten. Dann kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendverkehrsschulen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass auch in diesem Bereich gespart wird. Wir wären froh, wir würden an allen Jugendverkehrsschulen noch die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Einsatz vorfinden können, wie wir sie bisher hatten. Auch da wird gute Arbeit geleistet.

Dann haben wir hier in diesem Bericht ausdrücklich an zwei Stellen das Kommissariat K 2: auf Seite 101 – das habe ich eben schon genannt – und auf Seite 159. – Da werden in einem größeren Zusammenhang die bedeu

tende Arbeit gerade von weiblichen Polizeibeamtinnen, ihre Fortbildung und andere wichtige Dinge in diesem Zusammenhang noch einmal dargestellt.

Wir haben auf Seite 90 und auf Seite 164 die Polizeiläden, die Sie jetzt wieder alle dichtmachen. Auch die sind ein ganz wichtiger Baustein im Konzept, vor allem, was das niedrigschwellige Angebot an Menschen, die sich an die Polizei wenden, die Schutz suchen, die Beratung suchen, angeht.

Meine Damen und Herren, zur Täterarbeit hat der Kollege Sippel gesagt, dass da etwas gemacht werde. Dieses Feld ist im Innenministerium angesiedelt. Ich will nur die Seiten 140 und 141 benennen. Die spezielle Ausstattung in Landau auf Seite 185 will ich ebenfalls ansprechen. Dort ist es am allerunverständlichsten, dass wir ein Angebot, das wir an Täter richten, die von sich aus in die Beratungsstelle kommen, die ihre Frauen und Kinder geschlagen oder sonst misshandelt haben und Beratung suchen, nicht mehr machen.

Meine Damen und Herren, ich will das einfach nur sagen, die Polizei bewegt sich inzwischen personell auf so dünnem Eis, dass sie – das hat uns die Frau Staatssekretärin im Ausschuss auch noch einmal gesagt – nicht mehr in der Lage ist, das, was vorher an guten Strukturen aufgebaut worden ist, mit ihrem Personal zu bedienen. Deswegen müssen Sie wohl gerade beim Schutz von Opfern, die sich am allerwenigsten wehren können, sparen. Ich wäre Ihnen ausgesprochen dankbar, wenn Sie das noch einmal überdenken würden. Es steht auch in dem Bericht – ich glaube, auf Seite 69 –, dass eine gute Ausstattung von Polizei und Justiz unabdingbare Voraussetzung für gute Arbeit auch im Sinne der Opfer ist, Herr Minister.

Damit schließe ich meinen Bericht und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat die Kollegin Raue von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Vorredner! Dieser vorliegende Zweite Opferschutzbericht – die erste Fortschreibung – liegt uns zur Besprechung vor. Er umfasst den Berichtszeitraum 2009 bis 2010. Er ist eine wertvolle Arbeitsgrundlage. Er zeigt eindrucksvoll die Strategien der Vergangenheit und die Entwicklungen auf. Er zeigt die langfristigen Vorhaben, und er lenkt den Blick auf die vielfältigen und wichtigen Initiativen, die unsere Unterstützung benötigen.

Er zeigt ebenso eindrucksvoll, dass Prävention der beste Opferschutz ist. Mit der Strategie „Prävention, Reaktion und Opferhilfe“ – kurz P.R.O. – beschreitet die Landesregierung den richtigen Weg. Der beste Opferschutz ist der Schutz vor einer Straftat. Wenn aber eine Straftat

begangen worden ist, muss schnell reagiert werden. Schnelle Aufklärung und eine angemessene Hilfe für die Opfer sind dann erforderlich. Es ist erfreulich, dass die Straftaten gegen das Leben und Diebstahlsdelikte deutlich zurückgegangen sind. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auf einen Aspekt eingehen, der mir besonders am Herzen liegt, nämlich die Frage der Gewalt gegen Frauen. Zwar werden Frauen im Allgemeinen nicht überdurchschnittlich häufig Opfer einer Straftat – so sind sie bei Körperverletzungen zu einem Drittel die Opfer –, bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind sie jedoch mit 85 % am weitaus stärksten betroffen. Dies gilt übrigens auch in absoluten Zahlen. 2009 wurden 133 Menschen Opfer einer Straftat gegen das Leben, aber gegen 2.500 Menschen wurde eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verübt. Davon waren fast 2.400 Frauen.

In diesem Zusammenhang zeigt sich sehr deutlich die Notwendigkeit präventiver Arbeit. Es ist daher erfreulich, dass dieser Bereich einen Schwerpunkt der Sicherheitspolitik in Rheinland-Pfalz bildet. Auf fast 100 Seiten berichtet der Opferschutzbericht über Initiativen und Projekte zu verschiedensten Bereichen der Kriminalprävention. Hier leistet vor allem das rheinland-pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen – kurz RIGG – hervorragende Arbeit. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind die Frauenhäuser, Frauenhausberatungsstellen und die Frauennotrufe. Hinzu kommen die Interventionsstellen. Davon gibt es 16 im Land. Die letzte wurde 2010 in Pirmasens eröffnet.