Protocol of the Session on January 19, 2012

Die UNO hat das Jahr 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt und unter das Motto gestellt, Genossenschaften schaffen eine bessere Welt. Das ist so. Weltweit sind über 700 Millionen Menschen in Genossenschaften organisiert und, egal ob in der Landwirtschaft, in der Medienbranche, im Wohnungsbau, bei Dorfläden, im Finanzwesen, Genossenschaften finden sich in allen Bereichen.

Das Genossenschaftsgesetz stammt aus dem vorletzten Jahrhundert. Seit 2006, seit dieser Novellierung dieses Genossenschaftsgesetzes können auch soziale und kulturelle Bereiche über Genossenschaften abgedeckt werden.

Die gute Idee kommt eben nicht aus der Mode, und wir haben in Rheinland-Pfalz mit Friedrich Wilhelm von Raiffeisen einen Vertreter aus dem Bereich der Genossenschaften. Er kommt aus Neuwied, also Weyerbusch, das gehört heute zu Neuwied. Diese Genossenschaftsbewegung im 19. Jahrhundert war eine Antwort auf die vorherrschenden schlechten sozialen Bedingungen.

Seit 2011 erleben die Gründungen von Genossenschaften eine Renaissance. Heute gelten Genossenschaften als anerkannte Gesellschaftsformen, und mehr als 22 Millionen Bundesbürger sind in Genossenschaften organisiert. Es sind mehr als Aktionäre.

Ich denke, mit gutem Grund; denn die Genossenschaftsidee, der Genossenschaftsgedanke ist ein urdemokratischer Gedanke. Er vertritt auch die Prinzipien Selbstverwaltung, Mitbestimmung und Eigeninitiative, die dann in den jeweiligen Satzungen verankert sind.

Aber nicht allein diese Prinzipien, sondern auch Unabhängigkeit und Transparenz sind ganz wesentliche Teile dieses Genossenschaftsmodells, weil alle Entscheidungen von der Genossenschaft selbst über die Generalversammlung herbeigeführt werden und nicht der maximale Profit im Vordergrund steht, sondern eigentlich das Genossenschaftsziel, aber auch weil die Entscheidungsträger, die Geschäftspartner und die Kapitalgeber deckungsgleich sind.

Das bringt gerade bei diesen Genossenschaften ein hohes Maß an Identität mit den Zielen und ein hohes Maß an Identifizierung mit dem, was die Genossenschaft als Ziel formuliert hat.

Dabei ist in meinen Augen sehr, sehr wichtig – deshalb bin ich froh, dass wir zu einem gemeinsamen Antrag gekommen sind –, dass unabhängig von der Höhe der gezeichneten Einlagen jeder Anteilseigner nur eine Stimme hat. Das ist ganz, ganz wichtig und bildet eigentlich den Kern der Genossenschaft und der Genossenschaftsidee. Dadurch werden die Genossenschaften davor gesichert, dass sich Profithaie in ihnen etablieren

und dort eine Plattform finden, aber zugleich werden sie auch vor feindlichen Übernahmen gesichert. Eine Genossenschaft ist per se durch die Regelung „eine Einlage – eine Stimme“ geschützt. Man kann zwar mehrere Einlagen zeichnen, aber man hat trotzdem nur eine Stimme.

Mit dem Genossenschaftsantrag betreten wir kein Neuland. Seit 2010 gibt es in Rheinland-Pfalz ein bundesweit einmaliges Projekt zur Förderung von Bürgerenergiegenossenschaften, das damals noch unter Frau Ministerin Margit Conrad gemeinsam mit der Evangelischen Kirche der Pfalz verwirklicht wurde.

(Glocke der Präsidentin)

Dort werden Projektentwickler ausgebildet. Ich meine, dieses Projekt ist erfolgreich. Es sind dadurch auch schon einige Energiegenossenschaften auf den Weg gebracht worden.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Baldauf das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich den Dank zurückgeben und für die Gespräche danken, die zu dem Ergebnis geführt haben, dass wir heute einen gemeinsamen Antrag einreichen können. Grundlage hierfür ist selbstverständlich das Internationale Jahr der Genossenschaften, das wir 2012 entsprechend würdigen wollen. In diesem Hohen Hause – da bin ich mir sicher – gibt es niemanden, der die Institution der Genossenschaften nicht zu schätzen weiß.

Frau Kollegin, noch zwei kleine Randbemerkungen zu Herrn Raiffeisen zur Ergänzung, damit Sie das genau auf dem Schirm haben. In Neuwied ist er gestorben. Gewirkt hat er im Wahlkreis meines Kollegen Peter Enders. Der Grund, weshalb wir natürlich aus tiefster Überzeugung diesem Antrag unsere Hand reichen, liegt auch darin, dass Herr Raiffeisen durchaus aus christlicher Grundüberzeugung diese Dinge Ende des vorletzten Jahrhunderts angeschoben hat. Christliche Grundüberzeugungen schaden aber bekanntlich nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt viele Beteiligungsformen. Heute reden wir bei diesem Antrag vor allem darüber, dass wir gerade in der sich wandelnden Gesellschaft bezüglich der Energieversorgung darauf Wert legen, dass diese auch in Gemeinschaftsverbünden, also auch in Genossenschaften stattfinden, kann. Allerdings sagen wir auch ganz klar, dass es nicht

nur Genossenschaften sind, die das verwirklichen können und sollen, sondern das kann auch in vielen anderen Unternehmensformen geschehen.

Natürlich – das ist richtig – sind die Genossenschaften die, bei denen jede Stimme gleich zählt. Es gibt aber auf der anderen Seite natürlich auch Anleger, die sich lieber mit anderen Formen befassen wollen. Denen soll man das nicht verwehren. Deshalb muss es eine breite Palette geben. Daher bin ich auch dankbar, dass wir eine – ich sage einmal – kleine redaktionelle Änderung, die uns aber nicht ganz unwichtig war, noch aufgenommen haben, nämlich dass die Genossenschaft eine von vielen Beteiligungsformen ist, die in diesem Bereich eine große Stütze vor allem auch in Bezug auf die Energiewende darstellen kann.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch erwähnen, dass unter II. – auch das ist mir sehr sympathisch – der Subsidiaritätsgedanke zum Ausdruck kommt, indem man nämlich sagt, man nimmt gerade auch das regionale Handwerk in die Verantwortung hinein. Das muss uns wichtig sein, weil gerade bei der Energiewende viele mittelständische Unternehmen beteiligt werden können – ja müssen. Dann ist es gut, wenn die Wertschöpfung im eigenen Lande, gerade im eigenen Mittelstand bleibt. Daher ist es auch wichtig, dass das mit aufgenommen worden ist.

Unter III. hatten wir darum gebeten, dass dann, wenn die Landesregierung schon aufgefordert wird, weitere ergänzende und neue Themen anzusprechen und gesetzliche Grundlagen zu schaffen, selbstverständlich auch die Genossenschaften selbst beteiligen sollte, sodass das mit denen, die es betrifft, zu diskutieren ist.

Ich möchte an dieser Stelle noch auf einen Punkt hinweisen – auch das ist im Antrag niedergelegt –: Wir hatten gerade aufgrund der Situation, dass wir während der Krise sowohl Genossenschaftsbanken als auch Sparkassen hatten, in unserem Land ein Fundament, das uns geholfen hat, die Krise so zu überstehen, wie sie überstanden worden ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau die Modelle der Sparkassen und der genossenschaftlichen Banken mit ihrer hohen Eigenkapitalquote, mit der geringen Risikofinanzierung und mit der Situation, sich nachhaltig auf dem Finanzmarkt zu bewegen, haben dazu geführt, dass wir Deutsche diese Krise weitaus besser überstanden haben als viele andere.

(Beifall der CDU und des Abg. Steinbach, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wage in diesem Zusammenhang die Behauptung, wenn andere Staaten dieser Erde bzw. andere Staaten Europas das gleiche Modell der Kreditfinanzierung über Sparkassen und Genossenschaftsbanken gehabt hätten, hätten wir uns vielleicht Basel III ersparen können. Es wird auch noch ein großes Thema werden, inwieweit wir uns bei Basel III vielleicht auch darauf verständigen sollten, dass wir gerade die Genossenschaftsbanken und Sparkassen mit einer geringeren Eigenkapitaldeckung versehen, weil sie die sowieso schon erbringen und wesentlich weniger Risiken mit sich tragen. Das ist aber heute nicht das Thema. Heute sind wir auf dem

Weg, die Landesregierung aufzufordern, uns erquickende, ergänzende und neue Vorschläge zur Verbesserung des Genossenschaftswesens zu unterbreiten.

Wir stimmen dem Antrag deshalb zu. Ich werbe auch bei denen, die nach mir zu reden haben, dafür, dass dem Antrag insgesamt zugestimmt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Kollege Steinbach das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste!

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Liebe Genossen!)

Das hättest Du gern.

Ich finde es sehr schön, dass der Hort der Kapitalismuskritik inzwischen in der CDU-Fraktion ein so breites Echo gefunden hat. Dass das namentlich von Christian Baldauf vorgetragen wurde, zeigt, welche Lernfähigkeit auch in Teilen der CDU-Fraktion vorhanden ist. Ich schließe mich dem, was Christian Baldauf und Margit Mohr gesagt haben, im Großen und Ganzen an. Ich will das nicht wiederholen, sondern ich will ein bisschen anders ausleuchten, warum auch uns dieser Antrag besonders wichtig ist, warum es uns wichtig war, ihn einzubringen, warum wir gerne mit der CDU gemeinsam einen solchen Antrag einbringen wollen und welche Zielsetzung wir damit verfolgen.

Das Jahr der Genossenschaften bietet eine ganz, ganz wichtige Gelegenheit und einen geeigneten Rahmen, um die wichtige und nachhaltige Rolle, die die Genossenschaften spielen, zu unterstreichen. Es geht auch darum, der politischen Ebene die Aufgaben, die Zielsetzungen und die Möglichkeiten stärker zu verdeutlichen. Dazu wird in diesem Antrag aufgefordert. Da wollen wir gemeinsam voranschreiten.

Die Prinzipien der genossenschaftlichen Unternehmensformen folgen dem Dreiklang Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Das Jahr der Genossenschaften in diesem Jahr steht unter dem Motto „Ein Gewinn für alle“. Das ist eine Idee, die sich von den Ideen, die viele andere Wirtschaftsunternehmen haben, deutlich unterscheidet und abgrenzt.

Christian Baldauf hat richtig darauf hingewiesen, wir wollen das nicht als alleinige Form und insbesondere als allein glückseligmachende Form des Wirtschaftens darstellen, aber das ist eine wichtige, gleichberechtigte und auch zukunftsweisende Form des Wirtschaftens – darauf werde ich nachher noch einmal eingehen –, die in vielen, vielen Bereichen ganz, ganz große Leistungen für die

Gesellschaft erbringt und sich mit dem, was wir an Wirtschaftsformen haben, durchaus gut verträgt.

Die Genossenschaften haben sich in der Finanzkrise durchaus widerstandsfähig gezeigt. Das liegt an einigen Aspekten. Sie verfolgen in erster Linie einen nicht kapitalistischen, sondern einen an den realwirtschaftlichen Bedürfnissen ihrer Mitglieder ausgerichteten Zweck. Genossenschaften werden nicht rein über das Kapital im Eigentümersinne beherrscht, sondern ihre Eigentümer sind zugleich auch Kunden und Stammkunden, die in allerster Linie neutral und langfristig zusammenarbeiten wollen. Die meisten Genossenschaften sind lokal und regional mit den Menschen verankert und keineswegs global und anonymisiert tätig. Genossenschaften unterziehen sich der kollektiven Selbstprüfung, und sie sind auch miteinander in einem solidarischen Gedanken untereinander verbündet.

Es gibt hervorragende Beispiele für das Wirken von Genossenschaften, wie wir sie ganz alltäglich haben, die wir vielleicht auch viel zu stark als selbstverständlich annehmen. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe für die Politik, in der Zukunft stärker darauf hinzuweisen. Da greife ich eine Aussage meines Vorredners gerne auf. Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien bildet die Idee von Genossenschaften vor Ort in den einzelnen Kommunen zur Produktion, zur Verteilung von erneuerbaren Energien – egal ob das in Form von Bürgersolaranlagen oder über Windparks erfolgt –, eine ganz wichtige Grundlage, um diese Idee weiterzutragen und weiter zu verbreiten.

So sind allein in der Bundesrepublik in den letzten Jahren rund 300 neue Genossenschaften im Bereich der erneuerbaren Energien gegründet worden, oft in Zusammenarbeit mit kommunalen Entscheidungsträgern und öffentlichen Einrichtungen. Wesentliche Träger des Gedankens der Energiewende werden von solch einem Gedanken beseelt, darum halten wir solche Projekte für ganz besonders unterstützenswert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch in Bereichen, in denen wir es nicht im ersten Moment vermuten, nämlich bei den Ärztinnen und Ärzten in der Bundesrepublik, existieren rund 10.000 Ärztegenossenschaften, die sich vor allem im Bereich der integrierten Versorgung und der medizinischen Versorgungszentren organisieren und dort sehr wichtige Leistungen für Bürgerinnen und Bürger anbieten.

Nicht zuletzt auf der Ebene der Städte und Gemeinden haben wir eine Vielzahl von Genossenschaften, die mit ganz unterschiedlichen Aufgaben und Erfüllungen verbunden sind, als Betreiber von Wasserenergieversorgung, von Krankenhäusern, aber auch bei Wochenmärkten beispielsweise.

Das ist ein Gedanke, der sehr weit trägt und sehr stark das Leben der Menschen durchdringt und betrifft. Wir sollten uns gerade in Rheinland-Pfalz, wo doch ein so wichtiger Hort und ein wichtiger Geburtsort dieses Gedankens und dieser Organisationsform liegt, dem verpflichtet fühlen. Darum freue ich mich auf die Art und Weise, wie die Landesregierung das umsetzen wird. Ich

freue mich darauf, dass wir das zusammen hier entwickeln werden und den Gedanken gemeinschaftlich vorantragen. Das ist ein gutes Zeichen nach außen, gut für diese Gesellschaft und gut für die Menschen in Rheinland-Pfalz.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank.

Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Lemke das Wort.