Protocol of the Session on November 10, 2011

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich erläutere das deshalb so ausführlich, weil gelegentlich nach der Präsentation des Regierungsentwurfs – ich finde schon – die naive Vorstellung geäußert wurde, wenn ein Haushalt steigende Ausgaben aufweise, könne man nicht von Konsolidierung reden. Noch einmal zur Erinnerung:

Meine Damen und Herren, Konsolidierung heißt konsequente Rückführung des strukturellen Defizits, und da sprechen die Zahlen dieses Haushalts eindeutig für sich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wie bereits erwähnt, sinkt das strukturelle Defizit im vorliegenden Regierungsentwurf um rund 800 Millionen Euro gegenüber dem Haushalt 2011.

(Bracht, CDU: Konjunkturbedingt!)

Herr Bracht, ich habe es Ihnen doch vorhin vorgerechnet. Soll ich noch einmal vier Seiten zurückgehen?

(Zurufe von SPD und CDU)

Herr Bracht, Achtung, jetzt für Sie.

508 Millionen Euro der Verbesserung ergeben sich aufgrund der von uns beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen.

Wir hatten bereits im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ein umfangreiches Paket an Maßnahmen bis 2016 verabschiedet. Diese beliefen sich seinerzeit auf rund zwei Drittel der notwendigen Konsolidierung bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Ein weiteres Drittel sollte im Rahmen der jeweiligen Haushaltsaufstellungen konkretisiert werden. Dies ist zu einem großen Teil bereits mit diesem Doppelhaushaushalt umgesetzt.

Wir gehen davon aus, dass wir mit den Beschlüssen aus der Koalitionsvereinbarung und den weiteren Einsparungen in diesem Doppelhaushalt bereits 85 % des Konsolidierungsvolumens, das wir uns für diese Legislaturperiode vorgenommen haben, politisch verbindlich festgelegt haben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen bereits den Entwurf eines Dienstrechtsänderungsgesetzes zur Verbesserung der Haushaltsfinanzierung zur Beratung vorgelegt. Die Einbringung des Entwurfs eines Landesgesetzes über die Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer wird demnächst zugeleitet. Das Gesetz zur Fusion von ISB und LTH wird heute Nachmittag in erster Lesung beraten. Zusammen mit dem Ihnen vorliegenden Haushaltsentwurf sind damit die wesentlichen gesetzlichen Maßnahmen zur Realisierung der bis 2016 angekündigten Konsolidierungen auf den Weg gebracht.

Im vorliegenden Doppelhaushalt werden vor allem die folgenden Maßnahmen wirksam: Die Anhebung des Grunderwerbsteuersatzes um 1,5 Punkte auf 5 % verbessert die Einnahmesituation des Landes um dauerhaft 99 Millionen Euro.

(Frau Klöckner, CDU: Aber nicht der Kommunen!)

Insgesamt elf Länder haben nach den starken Steuersenkungen seit Ende 2008 ihre Grunderwerbsteuer erhöht oder planen eine Erhöhung.

(Frau Klöckner, CDU: Und die Kommunen?)

Ab 2013 wird zudem ein Wasserentnahmeentgelt eingeführt, das langfristig in Höhe von 20 Millionen Euro pro Jahr wichtige ökologische Maßnahmen finanzieren soll.

Meine Damen und Herren, die Begrenzung des Besoldungsanstiegs auf 1 % im Jahr bis 2016 vermeidet – gegenüber einer prognostizierten Gehaltssteigerung in Höhe der Inflationsrate und einer geringfügigen Beteiligung am realen Wirtschaftswachstum – Mehrausgaben,

die sich im Doppelhaushalt auf 73 Millionen Euro und bis 2016 auf 169 Millionen Euro belaufen werden.

Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir die Besoldung in den Krisenjahren 2009 und 2010 um effektiv 3,4 und 1,6 % erhöht hatten, obwohl unsere Steuereinnahmen in beiden Jahren um 4,5 % zurückgingen. Ich darf auch daran erinnern, dass wir immer gesagt haben, dass wir, sobald es die konjunkturelle Lage wieder zulässt, weitere Sparmaßnahmen ergreifen müssten.

Die von uns vorgesehene Besoldungserhöhung von 1 % im Jahr bis 2016 wirkt im Übrigen nicht einseitig. Sie sichert unsere Beamten für den Fall einer weiteren Finanzmarktkrise auch gegen Gehaltskürzungen ab. Weitere Maßnahmen des finanziellen Dienstrechts sparen 17 Millionen Euro Ausgaben bis 2013.

Alle Einschränkungen für die Bediensteten des Landes gelten selbstverständlich in vollem Umfang auch für die Ministerinnen und Minister sowie für die Staats- sekretärinnen und Staatssekretäre der Landesregierung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Die Landesverwaltung wird auch auf die demografischen Veränderungen reagieren und neue technische Möglichkeiten nutzen. Dementsprechend wird die Verwaltung kleiner werden.

Durch sozialverträglichen Abbau werden wir Ende der Legislaturperiode 205 Millionen Euro einsparen. Um diese Einsparziele zu erreichen, werden alle Dienststellen und alle Verwaltungen des Landes ihren Personalbestand in den nächsten Jahren zurückführen müssen. Hierfür wird die natürliche Fluktuation genutzt, betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben.

Beispielsweise werden von den bis 2016 demografisch bedingt nicht mehr benötigten 3.000 Lehrerstellen 2.000 zurückgeführt und 1.000 Stellen zur Qualitätsverbes- serung eingesetzt. In den Vermessungs- und Katasterämtern werden mit diesem Doppelhaushalt die Voraussetzungen für den Abbau von 210 Stellen geschaffen. In den Grundbuchämtern werden bis 2016 55 Stellen reduziert.

Die Zielzahl 9.014 für die Polizei wird bis 2016 realisiert. Auch an den Finanzämtern ist eine Rückführung von 300 Stellen bis 2016 vorgesehen.

Die Landesbetriebe erbringen bis 2016 einen Konsolidierungsbeitrag von zusammen 130 Millionen Euro. Bei den Landesgesellschaften werden ebenfalls Effizienzpotenziale realisiert. So erbringt z. B. die Fusion von ISB und LTH im Doppelhaushalt einen einmaligen Konsolidierungsbeitrag von 12,7 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren, im Rahmen der Haushaltsaufstellung wurden darüber hinaus weitere Einsparungen in Millionenhöhe über eine Vielzahl von Einzeltiteln bei den sächlichen Verwaltungsausgaben, den Zuweisungen und Zuschüssen und den Investitionsausgaben umgesetzt. Schließlich kommen Zinseinsparungen von 9

Millionen Euro im Jahr 2013 als Folge der bis dahin realisierten Konsolidierungen hinzu.

Meine Damen und Herren, dass dieser Doppelhaushalt und die strikte Einhaltung der Schuldenbremse keine Selbstverständlichkeiten sind, belegt eindrucksvoll eine Rede der Bundeskanzlerin vor gerade einmal zwei Monaten im Deutschen Bundestag, als sie bestritten hat, dass diese Landesregierung jemals die Schuldenbremse wird einhalten können.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zurufe von der CDU)

Herr Weiland, heute können wir in aller Demut sagen, das war ein Trugschluss, die Bundeskanzlerin hat geirrt, und im Interesse der Menschen und des Landes sage ich auch, das ist gut so.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Weiland, CDU: Bisher haben wir nur vollmundige Ankündigungen gehört! Nur Gegacker! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Einsparungen im kommenden Doppelhaushalt sind eingebettet in eine Gesamtstrategie zur Realisierung der Verfassungsvorgabe des strukturell ausgeglichenen Haushalts bis 2020. Hierzu haben wir die Finanzplanung – wie bereits beim letzten Mal – um eine Langfristprojektion bis 2020 erweitert. Sie zeigt unter Einbeziehung zukünftig steigender struktureller Belastungen – wie z. B. dem Anstieg der Pensionäre, aber auch dynamisch ansteigender Ausgaben an die Kommunen –, wie bereits dargelegt, einen Gesamtkonsolidierungsbedarf von 1,9 Milliarden Euro.

Meine Damen und Herren, dies entspricht bis zum Jahr 2020 einer jahresdurchschnittlich notwendigen Konsolidierung von 210 Millionen Euro. Der Schwerpunkt der geplanten und bereits auf den Weg gebrachten Konsolidierungsmaßnahmen liegt in der aktuellen Legislaturperiode bis 2016. Hierfür haben wir uns eine jahresdurchschnittliche Konsolidierung von rund 235 Millionen Euro vorgenommen, die wir in den ersten beiden Jahren auch schon deutlich übererreicht haben.

Anders gewendet: Wir werden in dieser Legislaturperiode bezogen auf den Konsolidierungsbedarf bis 2020 eine überproportionale Konsolidierungsanstrengung leisten. Um es noch deutlicher zu sagen, diese Koalition hat es geschafft, einen weit größeren Konsolidierungsbeitrag zu erarbeiten, als es bei einem linearen Verlauf des geforderten Defizitabbaus notwendig gewesen wäre. Sie erkennen daran das große Maß an Gemeinsamkeit in dieser Koalition.

(Dr. Weiland, CDU: Das muss man extra betonen!)

Wir wollen damit ein gutes Beispiel geben; denn solches Regierungshandeln ist in Deutschland, vor allen Dingen in Berlin, nicht überall selbstverständlich.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, unsere Finanzplanung sieht keine gesetzlichen Steuererhöhungen vor

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Herr Bracht, die haben wir herausgenommen –, weder in dieser Legislaturperiode noch in der Zeit von 2017 bis 2020, nicht zuletzt, weil wir hierüber in diesem Land nicht politisch entscheiden können.

Wir haben uns in unserer Koalitionsvereinbarung dennoch klar dafür ausgesprochen, Menschen mit sehr hohem Einkommen und Vermögen steuerlich etwas stärker zu belasten.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Grund ist einfach. Erstens würde eine Konsolidierung alleine auf der Ausgabenseite – insbesondere in den letzten Jahren vor 2020 – aufgrund der Haushaltsstruktur in den Ländern immer stärker zulasten der wenigen gestaltbaren Sozialleistungen, der Bildungsausgaben und der öffentlichen Bediensteten gehen.

Zweitens kann eine irgendwann notwendige Korrektur der kalten Progression bei den kleinen und mittleren Einkommen nur bei entsprechender Gegenfinanzierung im Steuersystem gelingen.

Meine Damen und Herren, Steuerpolitik muss wieder zu einem Teil des gesellschaftlichen Interessenausgleichs werden und darf nicht länger Teil interessengeleiteter Klientelpolitik sein.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)