Die deutsche Wirtschaft ist in einer guten Verfassung. Ohne die weiterhin angespannte Lage auf den Finanzmärkten könnten wir wohl optimistisch in die Zukunft blicken; aber seit Mitte des Jahres hat uns eine ganze Serie von Ereignissen die nach wie vor bestehenden hohen Risiken für die weltwirtschaftliche Entwicklung bewusst gemacht. Ich erinnere an die medienwirksam bis zur letzten Minute hinausgezögerte Anhebung der Schuldengrenze für den US-Bundeshaushalt und den Entzug der Bestnote für die Vereinigten Staaten von Amerika durch die Ratingagentur Standard & Poor’s. Diese beiden Ereignisse ließen Zweifel an der Finanzierbarkeit der amerikanischen Konjunkturstützungsmaßnahmen und damit an der weiteren wirtschaftlichen Erholung Amerikas aufkommen.
Der Staatsschuldenthriller in Europa, Abstufungen im Kreditrating europäischer Staaten, die Diskussionen zur mehrfachen Ausweitung des Euro-Rettungsschirms und die Probleme Griechenlands bei der Sanierung seiner Staatsfinanzen rückten die Probleme überhöhter Staatsverschuldung in den Fokus. Die Angst vor einer zweiten Finanzmarktkrise mit weitaus schlimmeren Folgen als die letzte, dieses Angstgespenst begleitet uns seit Monaten, hat den Optimismus gebrochen und düsteren Prognosen den Weg gebahnt.
Wir befinden uns in einer Situation, in der trotz guter aktueller Wirtschaftsdaten das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist, in einer Lage, in der nur ein kleiner Funke genügt, um die erreichte Wirtschaftserholung wieder zunichte zu machen. Ökonomen sprechen von einem sogenannten katalytischen Ereignis – wie z. B. vor drei Jahren die Insolvenz von Lehman Brothers –, das die Finanzmärkte und ein weiteres Mal die Realwirtschaft in einen Abwärtssog ziehen könnte.
Diese Erfahrung der letzten Finanzkrise hat gezeigt, dass bei einer andauernd fragilen Lage auf den Finanzmärkten dieses Risikoszenario sehr schnell eintreten kann. Ein solches Ereignis könnte, bezogen auf die heutige gesamtwirtschaftliche Lage in der Europäischen Union, auch der ungeordnete Zahlungsausfall eines Partnerlandes in der Euro-Zone darstellen. Solange der
europäische Bankensektor gegen die Folgen eines solchen Ereignisses nicht hinreichend immunisiert ist, droht der Rückfall in eine zweite Finanzmarktkrise, die dann infolge der gesunkenen geld- und fiskalpolitischen Handlungsspielräume der Staaten weit katastrophalere Folgen haben könnte als die erste. Durch die Übernahme von Risiken auf den Finanzmärkten haben die USA und Europa zunächst der Finanzkrise die Spitze genommen. Die Notoperation ist geglückt, aber der Patient ist noch nicht gesund.
Wir haben in der Begründung unseres Haushaltsgesetzes dezidiert dargelegt, wie wir die gesamtwirtschaftliche Situation einschätzen und ob und inwieweit dieser Landeshaushalt geeignet wäre, ggfs. auf ein erneutes katalytisches Ereignis zu reagieren. Da dieser Haushalt die Regelanforderung der Verfassung „Nettokreditaufnahme nicht höher als öffentliche Investitionen“ erfüllt, hätte es formal dieser Ausführungen nicht bedurft; aber angesichts der labilen weltwirtschaftlichen Situation halten wir eine solche Einschätzung dennoch für angemessen und geboten.
Für die Konsolidierung der Staatsfinanzen brauchen wir eine stabile Entwicklung der Realwirtschaft, aber ein stabiles Wachstum der Realwirtschaft ist ohne funktionierende Finanzmärkte und ohne einen funktionierenden Bankensektor nicht zu haben. An dieser Stelle, denke ich, wird klar, worauf wir unser Augenmerk richten müssen. Kern des Problems und größtes Risiko für einen erneuten Crash sind nach wie vor die gestörten Finanzmärkte und die angeschlagenen Banken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, als Sie heute Morgen die Zeitungen gelesen haben, in denen etwas über die Situation Italiens stand. Ich habe mich gefragt, welchen Grund es gerade jetzt für den explodierenden Zinsanstieg in Italien gibt. Der Schuldenstand Italiens ist seit Monaten unverändert. Alle wollten, dass der Ministerpräsident zurücktritt. Er hat seinen Rücktritt angekündigt. Trotzdem steigen die Zinsen gerade jetzt sprunghaft an. Wenn Zinsen steigen, zahlt einer mehr, und ein anderer bekommt mehr. Dieses Mehr ist eigentlich nur gerechtfertigt, wenn ein konkretes höheres Risiko eingetreten ist. Mich macht es schon nachdenklich, dass diejenigen, die dieses Risiko auf den Märkten definieren, auch diejenigen sind, die dann höhere Renditen bekommen.
Nach den Notoperationen der vergangenen zwei Jahre muss endlich der Kern des Problems angegangen werden. Die Finanzmärkte müssen hart reguliert werden. Sie brauchen klare und solide Rahmenbedingungen.
Meine Damen und Herren, vornehmste Aufgabe der Finanzmärkte ist die solide Versorgung der realen Wirtschaft mit Geld – und nicht die Versorgung ihrer Manager mit Prämien für riskante Geschäfte.
Wir müssen die Beweislast an den Finanzmärkten umdrehen. Cui bono – wem nützt es? Ich glaube, da würden viele Finanzprodukte und manche nicht börsennotierte Transaktionen schnell ihre Berechtigung verlieren. Wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer. Sie würde ein wenig zur gerechten Lastenverteilung bei der Bewältigung der Kosten der Krise beitragen, und sie würde einen großen Teil des rein spekulativ ausgerichteten, computergestützten Hochfrequenzhandels überflüssig machen.
Die Regulierung der Finanzmärkte ist die vornehmste Aufgabe der nationalen Regierungen – möglichst international harmonisiert und im Zweifel mit gutem Beispiel voran. Sie fragen sich, warum ich dies in einer Einbringungsrede für den rheinland-pfälzischen Haushalt thematisiere? Ich will es Ihnen sagen: Weil Versäumnisse bei der Finanzmarkregulierung mit ihren verheerenden Konsequenzen für die Realwirtschaft und die öffentlichen Finanzen in Rheinland-Pfalz unseren klaren Kurs für eine nachhaltige Konsolidierung schlagartig zunichtemachen können.
Hier trägt die Bundesregierung Verantwortung, und deswegen erwarten wir, dass sie diese auch endlich konsequent in den internationalen Verhandlungen wahrnimmt.
Gleichzeitig müssen alle – die deutschen Länder ebenso wie die europäischen Staaten – ihre Haushalte konsolidieren, und zwar in einer Art und Weise, dass Wachstum und wirtschaftliche Entwicklung durch zukunftsschädliche Sparmaßnahmen nicht abgewürgt werden.
Meine Damen und Herren, das Problem in Deutschland ist nicht eine zu hohe Steuerbelastung. Die Gewinne der Unternehmen, die Beschäftigtenzahlen und unsere Exporterfolge widerlegen das. Unsere Unternehmen – für die meisten rheinland-pfälzischen Unternehmen gilt dies in besonderer Weise – sind kreativ, innovativ und sehr wettbewerbsfähig.
Deshalb helfen uns auch keine Steuersenkungen. Sie sind sogar kontraproduktiv; denn zu einer glaubwürdigen Konsolidierung gehört die Sicherung der Steuereinnahmen auf einem angemessenen Niveau.
(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bracht, CDU: Der Nürburgring muss ja bezahlt werden!)
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle noch einige Worte zu den Plänen der Bundesregierung verlieren, ab 2013 die Steuern zu senken. Wie gerade dargelegt, wäre eine Steuersenkung nicht nur makroökonomisch wirkungslos, sondern geradezu schädlich.
Wir haben seit Ende 2008 die Steuern in Deutschland um 36 Milliarden Euro abgesenkt. Das Land – wir haben
das häufig gesagt – hat dadurch einen dauerhaften Einnahmeausfall von 580 Millionen Euro pro Jahr, unsere Kommunen von 220 Millionen Euro.
Meine Damen und Herren, entweder meint die Bundesregierung es ernst mit der angekündigten Steuersenkung. Dann sind die 6 Milliarden Euro ohne Gegenfinanzierung eine aus meiner Sicht viel zu teure Rettungsaktion für eine politisch instabile Koalition,
oder die Bundesregierung geht davon aus, dass die Vernunft der Länder sie davor bewahren wird, die negativen Folgen ihres populistischen Vorschlags ausbaden zu müssen.
Meine Damen und Herren, dann aber hat sich diese Regierung innerlich und geistig schon in die Rolle der Opposition zurückgezogen, und zwar in Opposition zu sich selbst.
Ein neuer Spielraum für Steuersenkungen besteht nicht. Die angekündigte Steuerentlastung von 6 Milliarden Euro würde für Rheinland-Pfalz zusätzliche strukturelle Steuerausfälle in Höhe von beinahe 100 Millionen Euro bedeuten. Das entspricht fast 2.000 Lehrerstellen.
Wer Steuern senken will, muss sagen, wo er sie im System gegenfinanzieren will. Diese rot-grüne Koalition hat in ihrer Koalitionsvereinbarung Vorschläge unterbreitet, welche Einkommensgruppen stärker belastet werden sollten.
Meine Damen und Herren, ich komme zu den Eckwerten des Regierungsentwurfs zum Doppelhaushalt 2012/2013. Die Eckwerte des Doppelhaushalts sprechen für sich. Gegenüber dem laufenden Haushalt, der bei seiner Aufstellung noch vom konjunkturellen Einbruch der Jahre 2008/2009 geprägt war, verbessert sich der Finanzierungssaldo bis 2013 um mehr als 1 Milliarde Euro.
Die Nettokreditaufnahme 2013 wird gegenüber dem Jahr 2011 um rund 800 Millionen Euro abgesenkt. Die gleiche Größenordnung errechnet sich für das strukturelle Defizit des Landeshaushalts. Mehr als 500 Millionen Euro strukturelle Verbesserung lassen sich auf die Konsolidierungsmaßnahmen der Landesregierung zurückführen. Rund 300 Millionen Euro ergeben sich durch die strukturelle Gesundung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland und der damit zusammenhängenden Normalisierung der Steuereinnahmen.
Sowohl die neue Schuldenregel als auch die „alte“ Verfassungsgrenze werden eingehalten. Dies ist von zentraler Bedeutung: Diese Aussage gilt auch dann, wenn man die Ergebnisse der Steuerschätzung vom Freitag letzter Woche in diesen Haushalt überträgt.
Die Gesamteinnahmen haben wir im Jahr 2012 mit 12,936 Milliarden Euro und im Jahr 2013 mit 13,384 Milliarden Euro veranschlagt. Bereinigt um eine rein haushaltstechnische Darstellungsänderung, die sowohl Einnahmen als auch Ausgaben in gleichem Maße bis 2013 um 151 Millionen Euro ansteigen lässt, also keinerlei Auswirkungen auf die Nettokreditaufnahme hat, ergibt sich im vorliegenden Regierungsentwurf gegenüber dem Haushalt 2011 eine jahresdurchschnittliche Steigerungsrate von 7,8 %. Die Steuereinnahmen verbessern sich dabei im Doppelhaushalt gegenüber der Haushaltsveranschlagung 2011 um rund 1,5 Milliarden Euro.
Allerdings ist rund ein Drittel dieser Verbesserungen dem Aufwuchs der Steuereinnahmen bereits in diesem Jahr geschuldet und bedeutet insoweit keine Verbesserung gegenüber dem voraussichtlichen Ist der Steuereinnahmen in 2011. Enthalten ist ebenfalls die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer.
Die Ergebnisse der Steuerschätzung von letzter Woche liegen um 53 Millionen Euro im Jahr 2012 und um 103 Millionen Euro im Jahr 2013 niedriger als im Regierungsentwurf veranschlagt. Bei der Verabschiedung des Haushalts am 25. Oktober im Ministerrat haben wir die Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung mit den dort für 2012 und 2013 von der Bundesregierung vorgegebenen Wachstumsraten unterstellt. Wir haben davon ausgehend die voraussichtlichen Steuereinnahmen 2012 und 2013 um den verbesserten Verlauf der Ist-Einnahmen 2011 gegenüber der Mai-Steuerschätzung nach oben korrigiert.
Wir haben bereits bei der Präsentation des Haushaltsentwurfs – der Ministerpräsident und ich in der Pressekonferenz nach der Verabschiedung des Regierungsentwurfs – darauf hingewiesen, dass wir eine Korrektur der Steuereinnahmen für wahrscheinlich halten, wenn die Bundesregierung ihre Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Sie hat das für 2012 durch eine Absenkung des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts von 1,8 % auf 1 % getan.
Die Landesregierung würde es begrüßen, wenn der Landtag im Zuge der parlamentarischen Beratungen, wie das bereits von den Regierungsfraktionen angekündigt wurde, die aktuellen Zahlen in den Haushalt einbringen würde. Eine solche Anpassung an die aktuelle Steuerschätzung hatte der Landtag auch bereits im letzten Haushaltsaufstellungsverfahren vorgenommen.
Meine Damen und Herren, ich betone nochmals, dass die alte und neue Verfassungsgrenze auch nach einer solchen Korrektur klar eingehalten wird, ohne die gesamtwirtschaftliche Situation zur Begründung heranzuziehen.
Die im Regierungsentwurf vorgesehenen Gesamtausgaben belaufen sich auf 14,076 Milliarden Euro im Jahr 2012 und 14,35 Milliarden Euro im Jahr 2013. Damit steigen die Ausgaben im Doppelhaushalt gegenüber dem Haushalt 2011 um 887 Millionen Euro. Davon sind 151 Millionen Euro der bereits angesprochenen haushaltstechnischen Bruttoveranschlagung zuzurechnen.
Die Vorsorgezahlungen an den Pensionsfonds steigen in den nächsten beiden Jahren um 130 Millionen Euro. Die Personalausgaben liegen in 2013 um 282 Millionen Euro über denen im Ansatz 2011. Davon wiederum sind 165 Millionen Euro höhere Aufwendungen für die stark steigende Zahl von Pensionären.
Aber auch der recht hohe Tarifabschluss für die Jahre 2011 und 2012 von zusammen jährlich über 2 % und die jeweils 1 %igen Gehaltssteigerungen für die Beamten in den Jahren 2012 und 2013, die wir umsetzen wollen, schlagen sich in den Mehrausgaben von 282 Millionen Euro nieder.
Die Gesamtzahlungen an die Kommunen aus dem Landeshaushalt steigen bis 2013 um 280 Millionen Euro. Darin ist zum Beispiel die regelgebundene Weitergabe von Steuermehreinnahmen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs enthalten, aber auch die vom Land finanzierten Mittel für den Kommunalen Entschuldungsfonds oder die erhöhten Zuweisungen an die Kommunen für Sozialhilfe. Insgesamt verbleiben nach Abzug dieser Positionen für die restlichen Aufgabenbereiche noch Mehrausgaben in Höhe von 43 Millionen Euro über zwei Jahre.
Wenn man bedenkt, dass darüber hinaus zahlreiche gesetzlich gebundene Ausgaben, wie zum Beispiel die Zahlungen im Rahmen des BAföG, einer zwangsläufigen Ausgabensteigerung unterliegen und die meisten Sach- und Investitionsausgaben, die selbstverständlich nominal etatisiert sind, den üblichen Preissteigerungsraten unterworfen sind, wird deutlich, dass dieser Haushalt auf der Ausgabenseite ein Sparhaushalt ist.