Das ist der entscheidende Punkt. Bei dieser Sache hat man den Eindruck, als ob dies bewusst gewollt ist, damit die Menschen, die gegen den Rechtsextremismus stehen, nicht mehr aufstehen und dagegen kämpfen.
Bei der Frage, die man sich stellen kann, ob das der Staat darf bzw. in diesem Maße darf, stellt man fest, dass es dazu ein wissenschaftliches Gutachten aus dem Bundestag gibt. Ich will das, was in dem Gutachten steht, nur mit zwei Punkten ansprechen. Es ist erstens ein Zweifel vorhanden, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Zweitens verstößt das gegen ein Bestimmungsverbot. Das heißt in der Zusammenfassung nichts anderes, als dass hier gegen das Recht der freien Meinungsäußerung verstoßen wird. Nicht nur der Wissenschaftliche Dienst ist zu dieser Erkenntnis gekommen, sondern das CDU-geführte Sachsen kam zu dem gleichen Ergebnis. Die ganze Sache hängt also nicht nur an einem oder zwei Juristen.
Wenn Sie einmal mit den Menschen reden, die es betrifft, dann finden Sie genügend, die sagen: Ich stelle keinen Antrag mehr. – Das ist kein Einzelfall. Deswegen ist dieser Weg so fatal.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen Satz mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren, und zwar vom Generalsekretär des Zentralrates der Juden, Stefan Kramer: „Die Extremismusklausel der Bundesregierung ist ein Symbol für den Überprüfungswahn, für die Bürokratisierung und schließlich das Misstrauen dieser Regierung und damit von Teilen der konservativliberalen Politik in die eigenen Bürger. Frau Schröder verlangt ein Bekenntnis zum Grundgesetz und verliert dabei das Wesentliche aus dem Blick.
Die Tatsache, dass so viele Menschen in unserem Lande aufstehen und sich gegen Nazis und Rechtsextremisten engagieren, ist das deutlichste und emotionalste Bekenntnis zum Grundgesetz und zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung.“ Er sagt weiter: „Wer das nicht sieht, wem das nicht Bekenntnis genug ist, der hat wirklich nicht verstanden, was Bürgergesellschaft und Demokratie ausmachen“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir bleibt nur eines hinzuzufügen: Liebe Frau Schröder, verzichten Sie auf diese Erklärung, bevor das Verfassungsgericht Sie einholt.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hüttner, ich glaube, Sie haben etwas vergessen oder vielleicht etwas missverstanden. Die Programme der Bundesregierung, die Sie erwähnt haben und die es schon länger gibt, richten sich zunächst nicht an Menschen, die in dem Sinne aufstehen, dass sie zu Demonstrationen gehen, sondern sie richten sich an Kinder, Jugendliche und zum Teil an Multiplikatoren.
Es geht hier um die Förderung von Initiativen, Gruppen, Einrichtungen und Verbänden bis hin zu politischen Gruppierungen in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Struktur und der Menschen, die sie einbinden – auch hauptamtliche Menschen, die sie einbinden –, und um Kinder und Jugendliche, um sie zu stärken, damit sie nicht Rattenfängern – so nenne ich es jetzt einmal – auf den Leim gehen.
Sie sollen gestärkt werden für ein tolerantes Verhalten gegenüber jeglicher Minderheit in Deutschland. Sie sollen gestärkt werden, damit sie demokratische Strukturen verstehen und nutzen können, damit sie nicht auf der Straße mit Gewalt und anderen unzulässigen Instrumenten für ihre Rechte kämpfen müssen. Das ist die Ausrichtung dieser Programme, das war die Ausrichtung schon immer.
Es geht nicht nur darum, die Menschen zu treffen, die vielleicht nach ihrem Verständnis demonstrieren. Das heißt, wir fördern mit diesem Bundesgeld Strukturen. Wir wollen verhindern, dass sich in diese Strukturen Menschen einschleichen, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und nicht die freiheitlichdemokratische Grundordnung vertreten. Dafür gab es in der Vergangenheit immer wieder Hinweise. Otto Schily hat damals als Innenminister darauf bestanden, dass zu dem Förderungsbescheid eine Anlage als zwingende Voraussetzung für die Förderung hinzukommt. Da hat im Grunde genommen das dringestanden, was wir heute als Bekenntnis verlangen.
Es geht darum zu verhindern, dass extremistische Organisationen von der Bundesrepublik bzw. von der Bundesregierung mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Werfen Sie einmal einen Blick in das Gesetz über den Bundesverfassungsschutz, dann können Sie sehen, was extremistische Organisationen sind. Es soll auch verhindert werden, dass ihnen wissentlich eine Plattform geboten wird und sie so ihre extremistische Weltanschauung mit staatlicher Hilfe verbreiten können. Wer kann dagegen etwas haben?
Dafür, dass das eindeutig geklärt ist, bedarf es einer Sensibilität der Träger, die unter anderem über die Zeichnung der Erklärung erreicht werden soll.
Sinn und Zweck der Demokratieerklärung ist nicht das, was Sie meinen, nämlich die Auseinandersetzung mit extremistischen Strömungen und Gruppierungen zu unterbinden.
Sie haben darauf hingewiesen, dass es Rechtsgutachten gibt, die diese Demokratieerklärung hinterfragen oder verfassungsrechtlich als bedenklich einstufen. Ich will Ihnen sagen, es gibt inzwischen auch andere Gutachten, zum Beispiel von Herrn Professor Ossenbühl, die das so nicht sehen.
Damit ganz klar ist, um was es geht, lassen Sie mich das hier vorlesen. Das betrifft die Bestätigung. Man kann sie sich im Internet ausdrucken. Ich darf zitieren: „Hiermit bestätigen wir, dass wir uns zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten.
Als Träger der geförderten Maßnahmen haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.“ Wer kann dagegen etwas haben?
Wenn Sie davon sprechen, dass damit Misstrauen und andere nicht förderliche Dinge geschürt werden, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie energisch daran beteiligt sind, das zu tun; denn die Fakten geben das nicht her.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kohnle-Gros, Sie haben eben erläutert, dass die Förderung von Strukturen, die sich dezidiert an Kinder und Jugendliche richten, erfordere, dass diese Extremismusklausel eingefordert werden muss, weil sonst Extremisten die Möglichkeit hätten, den Zugang noch mit staatlicher Förderung auch zu Kindern und Jugendlichen zu haben.
Das gibt es bereits jetzt. Es gibt zum Beispiel in der Abgabenordnung, die Vereinen die Gemeinnützigkeit garantiert oder nicht garantiert, die Möglichkeit, extremistische Organisationen herauszunehmen. Mit dieser Extremismusklausel werden aber explizit die Initiativen betroffen, die sich vor Ort für ein offenes demokratisches Miteinander einsetzen. Da werden explizit diese ehrenamtlichen Initiativen erfasst. Wo ist da Ihr Hohes Lied auf das Ehrenamt in diesem Fall?
Wo ist da Ihr Hohes Lied auf das Ehrenamt, wenn es um diese Initiativen geht? Sie organisieren Demonstrationen. Sie organisieren Seminare. Sie organisieren Aufklärungsveranstaltungen. Sie setzen sich vor Ort ein, und Sie fordern diesen Initiativen noch zusätzlich ab, dass sie sich bekennen müssen, dass sie sich in einen bürokratischen Aufwand begeben müssen, und nicht nur sie, sondern auch ihre Kooperationspartner. Das halte ich für eine unnötige Gängelung.
Schauen wir uns das einmal an, welche Initiativen da zum Beispiel in Rheinland-Pfalz sind und was die für eine tolle Arbeit machen, welche Initiativen hier in Rheinland-Pfalz betroffen sind. Das ist zum Beispiel das Netzwerk für Demokratie und Courage, das auch Bundesmittel erhalten hat, sich aber jetzt entschieden auch gegen die Extremismusklausel wendet. Hier sind ehrenamtlich tätige junge Menschen an den Schulen aktiv, um für Zivilcourage und für Demokratie zu werben. Diese Initiativen werden unnötig gegängelt. Das ist meiner Meinung nach eine unangebrachte Verdächtigung von Initiativen. Es bürdet den Initiativen Bürokratie auf. Ich halte es für nicht angebracht.
Viele Ehrenamtliche empfinden das auch als eine Kränkung. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass wir mit unserer ablehnenden Haltung zur Extremismusklausel nicht allein stehen. Herr Hüttner hat das auch schon erwähnt. Es gibt inzwischen viele Gruppen, die sich dagegen wenden. Das ist der DGB. Das ist der Zentralrat der Juden. Das ist der Zentralrat der Muslime. Das sind alles Gruppen, die sich dagegen gewendet haben, und inzwischen auch viele Bundesländer.
Das sind Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen, Baden-Württemberg. Jetzt merken Sie, dass Sie gegen diese Extremismusklausel Gegenwind haben, und versuchen, eine Linksextremismusdebatte vom Zaun zu brechen, um mit dieser Debatte dann zu legitimieren, dass Sie auf der anderen Seite damit Kürzungen in der Förderung von Initiativen vornehmen und somit die wichtige Arbeit für Demokratie und Zivilcourage vor Ort hemmen. Das halte ich für nicht angebracht.
Dieses Verhalten der Bundesregierung zeigt nichts anderes als eine absolute Unkenntnis der Situation vor Ort. Es zeigt eine absolute Unkenntnis der Arbeit der Initiativen. Wo soll es auch herkommen? Ich habe Sie noch nie bei einer Organisation einer Gegendemonstration gesehen, wenn Nazis wieder einmal durch irgendeine Stadt hier in Rheinland-Pfalz marschieren wollen. Da sitzen verschiedene Initiativen, Vereine und Verbände an einem Tisch und organisieren eine Demonstration. Wenn man jedes Mal in diesem Ablauf, der teilweise auch sehr schnell sein muss, dass man eine Gegendemonstration auf die Beine stellt, erst noch die ganzen bürokratischen Hürden überwinden müsste, dann ist das eine Gängelung, die diese Initiativen, die wichtig sind, damit in unseren Städten nicht ständig irgendwelche Nazis aufmarschieren, behindert. Diese Initiativen sind wichtig, und deswegen halte ich es für völlig – – –
In der Erklärung heißt es, dass man sich auch dafür einbringt, dass Kooperationspartner sich auch der Verfassung verpflichten. Wenn aber Neonazis einen Aufmarsch anmelden, dann ist oftmals nur eine Woche Zeit. Dann setzt man sich zusammen.
Ich kann es Ihnen gern in Ruhe erklären. Dann setzt man sich zusammen und bringt eine Gegendemonstration auf die Beine. Wenn dabei eine Initiative ist, die vom Bundesprogramm gefördert wird, dann muss sie, bevor sie mit den anderen Kooperationspartnern etwas macht, diese Demokratieerklärung abverlangen. Das hemmt den ganzen Prozess, besonders, wenn man nur wenige Tage Zeit hat. Wenn Sie wissen, was eine Demonstration an Organisationsaufgaben bedeutet, dann ist das ein Hemmnis. Ich finde, diese Flexibilität sollten wir vor Ort haben, weil ich immer, wenn Nazis aufmarschieren, Leute mit Zivilcourage haben möchte, die aufstehen. Da können und müssen auch Initiativen dabei sein, die vom Bund gefördert werden.