Protocol of the Session on October 6, 2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das strukturelle Defizit ist eine wichtige Kenngröße zur Beurteilung eines Haushalts, aber es ist nicht die alleinige Kenngröße dafür. Ich zitiere Ihren Wirtschaftlichkeitsbeauftragten. Frau Ministerpräsidentin, ich meine nicht Ihren persönlichen, sondern den Wirtschaftlichkeitsbeauftragten der Landesregierung. Er sagt nämlich:

„Das vergleichsweise hohe Steueraufkommen, der in der laufenden Rechnung erzielte Überschuss und das verringerte strukturelle Defizit dürfen nicht dazu verleiten, die Konsolidierung auf der Ausgabenseite zu vernachlässigen.“

Genau das bemängeln wir in Ihrem Haushalt, den Sie vorgelegt haben. Exakt das bemängeln wir in Ihrem Haushalt.

(Beifall der CDU)

Ihnen fallen günstige und günstigste Rahmenbedingungen in den Schoß, für die Sie nun wirklich nichts können. Es zeichnet Sie aus, dass Sie auch nicht behauptet haben, dass Sie an dem großen finanziellen Handlungsspielraum von über 700 Millionen Euro irgendwelche eigenen Verdienste hätten. Es zeichnet Sie aus, dass Sie das nicht tun.

Aber Sie haben natürlich die über 700 Millionen Euro als finanzielle Verfügungsmasse zu Ihrer Verfügung, und das reicht Ihnen nicht, um ein Zeichen der Solidität und der Zukunftszugewandtheit dieses Haushalts zu setzen. Das ist unser zentraler Kritikpunkt.

(Beifall der CDU)

Sie sind nicht in der Lage, trotz idealer, günstigster Voraussetzungen dieses Land in den Reigen der sieben Flächenländer in Deutschland zu führen, die keine neuen Schulden mehr machen.

Wir wollen aufgrund der Vergangenheit, mit der Sie sich herumzuschlagen haben, noch gar nicht davon reden, dass Sie, wie drei andere Flächenländer, schon damit anfangen, Schulden zu tilgen. Wir wissen schließlich, was wir realistischerweise von Ihnen erwarten können und was nicht; Letzteres können wir von Ihnen nicht erwarten.

Aber wir können von Ihnen ernsthaft erwarten, dass Sie bei einem Haushaltsvolumen von 16 Milliarden Euro und bei einem zusätzlichen finanziellen Handlungsspielraum von über 700 Millionen Euro auf die Aufnahme von neuen Schulden in der Größenordnung von 400 Millionen Euro verzichten.

(Beifall der CDU – Glocke des Präsidenten)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Die Höflichkeit gegenüber den beiden Damen gebietet es aber, noch einen letzten Satz zu sagen.

Das ist unsere Forderung an Sie, und darin unterscheiden wir uns grundlegend. Sie können sich gute Politik ohne Schulden nicht vorstellen; wir glauben, gute Politik kann man erst dann machen, wenn man keine neuen Schulden braucht.

(Beifall der CDU – Jochen Hartloff, SPD: Herr Kollege, beides stimmt nicht! – Julia Klöckner, CDU: Da muss auch Herr Hartloff nachdenken!)

Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Dr. Alt das Wort. Er hat noch eine Redezeit von acht Minuten.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Gestern hat Frau Staatsministerin Ahnen einen soliden Haushalt in das Parlament eingebracht. Sie hat dargelegt, dass das Defizit von 1.630 Millionen Euro auf 467 Millionen Euro gesunken ist. Das sind 29 % des Ausgangswertes, und insoweit muss man nicht von einem Ausgabenhaushalt reden, sondern von einem Konsolidierungshaushalt. Das ist es nämlich, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Finanzministerin hat darüber hinaus allerdings auch

klargemacht, dass das Land gleichzeitig seine Aufgaben, die ihm nach der Verfassung obliegen und die politisch notwendig sind, finanziert und wahrnimmt. Dies sind einerseits die zwangsläufigen Ausgaben, beispielsweise Versorgungsausgaben aufgrund der steigenden Zahl der Pensionärinnen und Pensionäre, andererseits aber auch politische Schwerpunkte, die wir für richtig halten, zum Beispiel die deutliche Verstärkung des Kommunalen Finanzausgleichs, Bildungsinvestitionen, Ausgaben für Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten, Investitionen in Landesstraßen und in die Innere Sicherheit. Diese Schwerpunkte finden unsere Zustimmung, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute war – oder man sollte besser sagen, heute hätte sein sollen – zunächst zu Beginn dieser Debatte die Stunde der Opposition. Wir konnten schon am Tag zuvor die endgültige Bewertung dieses Haushalts zur Kenntnis nehmen. Die Frage ist, ob man das kritisieren soll; denn wenn man selbst nicht vorhat, etwas Innovatives beizutragen, ist es vielleicht richtig, wenn man schon vor Beginn der Debatte seine endgültige Bewertung vorträgt. Allerdings möchte ich doch sagen, dass der Ideenreichtum seitens der Opposition in dieser Debatte etwas stärker hätte ausgeprägt sein können.

(Zurufe von der CDU)

Ich möchte aber gern ein Motiv in den Reden der Opposition aufgreifen, nämlich die Frage: Wann soll das Nullwachstum beim strukturellen Defizit, wann soll die strukturelle Null vorhanden sein?

Übrigens möchte ich sagen, die Finanzministerin dafür zu kritisieren, dass sie diese Kennzahl in den Mittelpunkt stellt, halte ich für völlig daneben; denn das ist die Kennzahl, die wir in die Verfassung hineingeschrieben und im Ausführungsgesetz geregelt haben. Sie muss diesem Parlament gegenüber sagen, wie sie dabei vorankommt. Das ist ihre Aufgabe, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber bleiben wir bei der Frage: Wann soll die schwarze Null erreicht sein?

Ich komme noch einmal kurz darauf zu sprechen, wie die Jahreszahl 2020 in die Welt kam. Im März 2007 konstituierte sich eine Föderalismusreformkommission II, in der Bundestagsabgeordnete, Landtagsabgeordnete und Ministerpräsidenten vertreten waren. Sachverständige wurden gehört, Stellungnahmen gesichtet, Datenmaterial ausgewertet. Die Kommission arbeitete zwei Jahre lang.

Ein wesentlicher Teil der Kommissionsarbeit bestand darin, sich einen Zeitraum zu überlegen, bis zu dem Obergrenzen bei der Staatsverschuldung eingehalten werden können. Diese Kommission kam im März 2009 zu dem Ergebnis, dass das Jahr 2020

(Hans-Josef Bracht, CDU: Spätestens!)

für die Länderebene ein sinnvolles Datum ist.

Herr Bracht, man darf früher, aber alles hat auch seinen Preis. Wir können es früher erreichen, eben ist Ihnen aber noch einmal vorgetragen worden, worin dieser hohe Preis besteht, was man alles unterlassen müsste, um heute schon so weit zu sein.

Dieser Kommissionsempfehlung steht die Empfehlung des finanzpolitischen Dreamteams Klöckner/Weiland gegenüber, man sollte doch heute schon den ausgeglichenen Haushalt vorlegen.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis dafür, dass wir in dieser Beratungslage bei der Kommission bleiben und nicht dem finanzpolitischen Dreamteam der Union folgen wollen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hans-Josef Bracht, CDU)

Es wird uns auch vorgeworfen, die Ausgaben des Landes seien zu hoch. Ich empfehle einen Blick in den Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz, der zusammen mit dem Haushalt für die Haushaltsberatungen vorgelegt wurde. Darin kann man nachlesen, dass die konsolidierte Betrachtung einschließlich der Kommunen – andernfalls kann man es nicht vergleichen, weil die Länder alle unterschiedlich sind – einen Ausgabenzuwachs von 3,4 % im Zeitraum von 2011 bis 2014 ausweist. Dies ist der geringste Steigerungswert aller westlichen Flächenländer, und dabei kann man nicht von einer verschwenderischen Ausgabenpolitik sprechen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man könnte es auch noch mit einem Blick auf die strukturellen Salden im Jahr 2014 bei anderen Ländern belegen. Es ist so getan worden, als hätte bei den westlichen Flächenländern nur das Saarland ein größeres strukturelles Defizit als Rheinland-Pfalz. Das ist natürlich nicht zutreffend. Wer es genau wissen möchte, der kann sich auf Seite 8 des Finanzplans schlaumachen. Hessen hat einen strukturellen Saldo von minus 75 Euro je Einwohner, Nordrhein-Westfalen von minus 88 Euro und RheinlandPfalz von minus 28 Euro.

Das ist kein Vorwurf an die anderen Länder, zeigt aber, wir sind in einem Geleitzug, und dieser Zug fährt in Richtung Haushaltskonsolidierung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn man schon der Föderalismusreformkommission II nicht so ohne Weiteres folgen möchte, dann ist es vielleicht gut, einmal ein bisschen differenzierter auf die Bundesebene zu schauen, als immer nur zu sagen, Schäuble hat schon eine schwarze Null. Es hatte einen Grund, warum er diese schwarze Null auch deutlich früher bringen musste, warum das auch das Ergebnis der Beratungen in der Kommission war.

Er hatte eine deutlich bessere Ausgangssituation, weil sei

ne Steuern mit zunehmender Konjunktur noch einmal ganz anders anziehen, als es auf der Landesebene der Fall ist. Deswegen haben wir länger Zeit.

Aber lassen wir das einmal sein. Schäuble war auch einmal in der Situation, dass ihm gesagt wurde, er müsse schneller sein, und zwar von der Wissenschaft, auch von Vertretern unserer SPD, das muss man sagen, als wir auf Bundesebene in der Opposition waren. Dort wurden auch Erwartungen genannt, die deutlich höher waren als das, was sich in Regierungshandeln niederschlagen konnte.

Schäuble hat es richtig gemacht. Er hat nämlich gesagt, er geht schrittweise vor. Er hält jedes Jahr den Ausgabenzuwachs unter dem Einnahmenzuwachs. Das muss man konsequent machen, und dann hat man einen ausgeglichenen Haushalt.

Der Haushaltsausgleich ist grundsätzlich von zwei Seiten gefährdet, einerseits von denen, die ganz offen sagen, die Schuldenbremse ist Teufelszeug und gehört wieder abgeschafft, andererseits aber auch von denen, die Finanzpolitik überfordern und damit auch eine Gefahr für die Akzeptanz einer Konsolidierungspolitik heraufbeschwören. Ich glaube, dieser zweite Fall liegt bei der CDU-Opposition vor.

Es liegt mir auf dem Herzen, noch etwas zu dem Thema Wirtschaftskompetenz zu sagen, das hier immer hochgehalten wird. Wenn ich eben gehört habe, beim LBM herrschten angeblich untragbare Zustände, das Eigenkapital sei geringer als die Verbindlichkeiten, muss ich sagen, na ja, das ist nicht nur bei jeder Bank in Deutschland der Fall, sondern auch bei fast jedem Industrieunternehmen in Deutschland. Meine Damen und Herren, insofern empfehle ich, diese Passage in der Rede von Frau Klöckner noch einmal genau nachzulesen.

Insgesamt sind wir insofern auf dem richtigen Weg, weil die Landesregierung in diesem Haushaltsentwurf die richtigen Schwerpunkte setzt und dafür sorgt, dass wir 2020 beides erreichen können,

(Glocke des Präsidenten)

einen ausgeglichenen Haushalt und ein zukunftsfähig aufgestelltes Rheinland-Pfalz.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)