Protocol of the Session on September 24, 2015

Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Hüttner.

Herr Minister, Sie sprachen davon, dass wir in RheinlandPfalz eine relativ geringe Anzahl von Straftaten haben. Welche Bedeutung hat für die Landesregierung das Thema Aufklärung und Prävention im gesamten Kampf gegen den Rechtsextremismus?

Das ist seit vielen Jahren ein stehendes Thema. Wir haben das Thema Rechtsextremismus in der Ernsthaftigkeit, in der die rheinland-pfälzische Landesregierung dieses Thema bekämpft und angeht, nicht erst jetzt mit den neuen Flüchtlingsströmen auf der Agenda ganz nach oben gesetzt.

Ich bin jetzt fast zehn Jahre in Verantwortung im Innenministerium. Das war immer ein ganz bedeutsames Thema für uns. Zu lösen – das wissen wir – ist ein solch gesamtgesellschaftliches Problem am Schluss nur mit Mitteln der Prävention und dem Einräumen der Chance, dass sich

Menschen aus einem solchen Milieu wieder lösen können. Das ist am Schluss immer eine Hilfe für Einzelne.

Ein Telefon, das 24 Stunden rund um die Uhr besetzt ist, eine Hotline, hat viele Tage keinen Anruf. Wenn wir dann aber einer jungen Frau oder einem jungen Mann – und es sind leider oftmals die Jüngeren – aus dem Milieu wieder heraushelfen können, bekämpfen wir Rechtsradikalismus auf eine ganz besonders gute Art, also Prävention in der gesamten Breite.

Zum Schluss: Das immer wieder neue Werben ist unsere gemeinsame Verantwortung für eine gesellschaftliche Ächtung von Extremismus und insbesondere natürlich auch Rechtsextremismus. Deswegen freue ich mich – ich habe eben Remagen als Stichwort genannt –, dass ich viele von uns immer wieder bei Demonstrationen treffe, bei denen man Flagge zeigt, bei denen man sagt: Wir sind als Politikerinnen und Politiker in einer ganz besonderen Verantwortung. Wir müssen, wenn wir über gesellschaftspolitische Veränderungen reden, auch selbst mit allerbestem Beispiel und mit voller Überzeugung vorneweg marschieren.

Herr Hüttner, das ist ein Thema, das für uns alle – und wir haben im Landtag oft darüber gesprochen – eine ganz große Bedeutung hat.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Johnen.

Herr Minister, gibt es neue Erkenntnisse zum Brandanschlag in Niederstedem?

Nein, die Ermittlungen laufen. Ich habe es eben ausgeführt. Neue Erkenntnisse haben wir im Moment nicht. Ich hätte sonst darauf hingewiesen. Sobald wir Erkenntnisse haben, würde ich sie im Innenausschuss in der geeigneten Form, möglicherweise als vertrauliche Information, den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten zur Kenntnis geben.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Lammert.

Herr Minister, sind Ihnen Aktivitäten der Gruppierung „Der III. Weg“ im Bereich der neu eingerichteten Notunterkunft in Diez bekannt?

Vielen Dank, Herr Kollege Lammert. Ja, sie sind uns durch

aus bekannt. Wir haben unter anderem ausgewertet, was wir von der Einwohnerversammlung dort gehört haben und teilweise natürlich auch mit eigenen beobachtenden Kräften erlebt haben. Dort waren unserer Einschätzung nach zehn bis zwölf Aktivisten der Partei „Der III. Weg“ mit anwesend und haben durchaus versucht, durch verbale Agitation eine Stimmung gegen Flüchtlinge in Diez zu entfalten.

Es sollen 500 Menschen bei dieser Bürgerversammlung anwesend gewesen sein, was schon ein riesiger Erfolg ist. Die Bürgerinnen und Bürger haben sich eindeutig gegen diese Versuche ausgesprochen, sie sozusagen zu missbrauchen und gegen die Flüchtlinge in der Kaserne in Diez aufzubringen. Ich habe es bei meinem Besuch in Diez auch ausdrücklich so gesagt: Man kann nur stolz darauf sein, dass die Bürgerinnen und Bürger eindeutig demokratisch und menschenfreundlich reagiert haben und diese zehn bis zwölf verbal agierenden Aktivisten des „Der III. Weg“ sehr in die Schranken gewiesen haben. Das finde ich toll.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Kollegin Spiegel.

Herr Innenminister, welchen Rat geben Sie ehrenamtlich und hauptamtlich in der Flüchtlingspolitik Engagierten, wenn es durch soziale Netzwerke, per E-Mail oder sogar persönlich zu verbalen oder nonverbalen Beschimpfungen, Bedrohungen oder sogar Attacken kommt? Wohin können sich diese Menschen wenden?

Erst einmal rate ich jeder und jedem, das soll man nicht ertragen. Das ist keine Spielerei. Das kann im Zweifelsfall durchaus zu Übergriffen gegen die Personen führen. Es ist auch so, wenn man dies tatenlos geschehen lässt, wehrt man sich nicht, und das ist nicht zu akzeptieren.

Wohin kann man sich wenden? Natürlich an unsere Polizei und an die Staatsanwaltschaft. Das wären die geeigneten Ansprechbereiche. Ich behaupte, wenn man damit zu seiner verantwortungsvoll agierenden kommunalen Verwaltung geht, gibt sie das auch weiter.

Das darf man nicht akzeptieren. Das darf man nicht abtun; denn wir stellen auch fest, es gibt immer und immer wieder Spiralen von Gewaltentwicklung. Wenn man auf der einen Seite zunächst einmal verbal agieren darf, wenn das keine Widerstände hervorruft, ist die nächste Schleife sehr schnell erreicht, und zum Schluss sind wir dann bei Attacken, Angriffen, Schmierereien oder sogar bei Angriffen gegen Menschen.

Deswegen muss man von Anfang an – aus eigenem Interesse, aber auch insgesamt gesehen aus Interesse an

dieser staatlichen Situation – sofort einen Riegel vorschieben. Eine E-Mail an die Polizei weiterleiten, eine E-Mail an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, und dann werden sie ein Verfahren aufnehmen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Baldauf.

Herr Innenminister, vielen Dank für diese klaren Worte und dass wir dort vorangehen sollen. Deshalb lautet meine Frage, rekurrierend auf die vorherige Anfrage im repressiven Bereich: Wie stehen Sie zur Strafbarkeit von Sympathiewerbung in diesem Bereich, weil natürlich auch diese Personen Nachahmer finden?

Über Ihrer Frage steht: Ich frage die Landesregierung. Die Landesregierung hat eben geantwortet. Sie hat sogar zweimal auf Ihre Frage geantwortet. Da die Landesregierung eine gemeinsame Haltung hat, kann ich mich dem Herrn Kollegen Professor Robbers nur anschließen.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Schmidt.

Herr Minister, ich danke der Landesregierung für vorbildliches Vorgehen gegen rechte Hetze im Hinblick auf Flüchtlinge. Man hört Berichte, dass auch Salafisten versuchen, die Flüchtlinge für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Welche präventiven Maßnahmen unternimmt die Politik gegen islamistische Hetze im Hinblick auf die Meinungsfreiheit bei säkularen Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund?

Wenn ich Ihnen zunächst einmal Folgendes sagen darf: Die Entwicklung der Salafisten bundesweit ist besorgniserregend. Wir haben eine Steigerung der Zahl der Salafisten bundesweit auf derzeit 7.900. Im Juni dieses Jahres – das ist nicht lange her – sind wir von 7.500 ausgegangen, also eine deutliche Steigerung. In Rheinland-Pfalz liegen wir unverändert bei 120 Personen. Wir sind allerdings auch nicht der Hotspot der salafistischen Bewegung in Deutschland.

Da allerdings Bundesländergrenzen dabei keine Rolle spielen, ist das für uns ein insgesamt zu betrachtendes Bedrohungsszenario. Wer sich noch an die Auftritte von Pierre Vogel zum Beispiel in Koblenz erinnert, weiß, welches Menschenbild dort vermittelt wird, für welch schreckliches Menschenbild auch beim Umgang mit Frauen – wir haben

in den letzten Tagen mehrfach darüber gesprochen – dort geworben wird und wie man versucht, an junge Menschen heranzukommen. Dann weiß man, dass wir auch rund um das Stichwort Koranverteilung sehr, sehr aufmerksam sein müssen.

Ich habe im Innenausschuss und in den entsprechenden Kommissionen des Landtags mehrfach berichtet, wie intensiv wir zum Thema Salafismus aufgestellt sind. Das ist in der Einzelaufstellung kein Thema für eine öffentliche Sitzung, aber ich habe mehrfach darüber berichtet, dass wir das sehr, sehr genau im Blick haben.

Wenn man jetzt den Sprung zu der Frage der Menschen aus Deutschland wagen würde, die sich zum Beispiel in IS-Terrorcamps aufhalten, dort zum Teil im Krieg als lebende Bomben oder im Kriegseinsatz umgekommen sind und zum Teil auch wieder zurückkommen, wissen wir, dass in diesem Bereich das Spektrum der Salafisten sehr ausgeprägt ist. Das haben wir sehr, sehr genau im Blick.

Es gibt noch drei Zusatzfragen, und dann möchte ich die Liste schließen. Herr Kollege Hüttner, bitte.

Herr Minister, Sie sprachen vorhin vom Vorgehen von Polizei und Justiz. Ich habe das so verstanden, dass die Hetze in aller Regel eine Straftat darstellt und das Entscheidende dabei die Strafverfolgung ist. Nun ist es aber so, dass die IP-Adresse bei den Providern nur relativ kurz erkennbar ist und damit in der weiteren Folge nicht mehr vorhanden ist. Wo sehen Sie dort eine Problematik, oder sehen Sie keine Problematik darin?

Wenn der Minister, der für Innere Sicherheit zuständig ist, darin keine Problematik sehen würde, wäre das falsch, glaube ich. Für uns ist es schwierig, damit umzugehen. Wir kennen aber auch – und darüber diskutieren wir hier auch immer wieder – den Spannungsbogen zwischen der Frage der Freiheit der und des Einzelnen und den Notwendigkeiten, die man in der Strafverfolgung hat, insbesondere, wenn man IS oder andere Organisationen betrachtet, die teilweise bestens organisiert, mit viel Geld ausgestattet sind und sich durchaus ausländischer Server etc. bedienen. Dann ist das nicht einfach.

Ich finde, trotzdem gilt das, was ich eben Frau Schellhammer und Frau Spiegel sagte: Jede einzelne Erkenntnis muss man den Strafverfolgungsbehörden melden, und wir versuchen, sie zurückzuführen.

Diese ganze Situation ist bekannt. Das ist nicht immer einfach, die Technik, auch der Verschlüsselung, und, und, und. Alles, was wir in Hellfelder überführen wollen, wird nicht einfacher. Es wird schwieriger. Das ist so.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Lammert.

Herr Minister, noch einmal bezogen auf die Aktivitäten rund um die aktuelle Notunterkunft in Diez: Liegen Ihnen Erkenntnisse vor, dass dort kürzlich Flugblätter in den umliegenden Häusern verteilt wurden, unter anderem mit genauen Hinweisen und Anordnungen oder konkreten Maßnahmen und Vorschlägen, wie man eine künftige Erstaufnahmeeinrichtung verhindern kann? Sehen Sie darin zum Teil schon verfassungsrechtliche Bedenken bzw. sogar eventuelle erste Ansätze strafrechtlicher Natur?

Sie wissen, dass wir auch bei dem Stichwort Limburgerhof solche Situationen hatten, und wir gucken uns diese Flugblätter extrem genau an.

(Alexander Licht, CDU: Auch in Sohren gab es diese Flugblätter!)

Die gibt es an vielen – – –

Ich dachte beispielsweise an Limburgerhof. Immer dann, wenn sie uns überlassen werden, werden sie natürlich vom Verfassungsschutz und vom Landeskriminalamt geprüft, ob wir dagegen vorgehen können, insbesondere dann, wenn es Absendervermerke gibt.

Wir haben Situationen, in denen wir zwar Flugblätter haben, die imaginär auf eine Organisation hinweisen, aber bei denen wir den tatsächlichen Verfasser nur sehr schwer, wenn überhaupt überführen können.

Diese Beispiele, also – ich sage einmal – in eine solche Diskussion, 500 Menschen, die informiert werden wollen und informiert werden sollen, wie geht es denn mit einer solchen Erstaufnahmeeinrichtung voran, welche Menschen kommen dahin und, und, und, schon zu nutzen, zeigen, dass man dort offenkundig eine Offensivstrategie hat. Wenn man das dann über das Verteilen von Besorgnis oder Ängste auslösenden Flugblättern anreichert – ich glaube, das darf ich sagen; Herr Lammert, Ihr Briefkasten ist nicht weit weg von dieser Aufnahmeeinrichtung –, dann weiß man, dass das die Nachbarschaft in massivem Maße verunsichern soll. Am Schluss steht immer hintendran, Bevölkerung verunsichern und als Grund in den Raum stellen, es sind die Flüchtlinge. Dagegen versuchen wir natürlich mit allem, was wir haben, vorzugehen. Vollkommen klar.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schweitzer.

Herr Minister, meine Frage bezieht sich auf die Partei „Der III. Weg“. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herr Maaßen, hat vor einigen Wochen, also zum

Beginn des Sommers, die Partei „Der III. Weg“ neben anderen Parteien als einen zentralen Akteur des rechtsextremen Spektrums identifiziert.