Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist sich sehr wohl bewusst, dass die Flüchtlingssituation auch zu einer stärkeren Belastung der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften führen kann. Ungeachtet etwaiger Einsparungen zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse ist die Justiz gleichwohl personell und sachlich in einer Weise ausgestattet, die es ermöglicht, auch hierauf effektiv zu reagieren. Wir werden das zeitgerecht und schnell jeweils tun.
Vielen Dank. Es geht ja um die im Jahr 2002 veränderte Bestrafung der Sympathiewerbung. Das gab es ja schon einmal. Heißt das, wenn ich Sie richtig verstehe, dass Sie dasjenige, was an Sympathiewerbung Richtung IS und anderer terroristischer Vereinigungen besprochen wird, als Meinungsfreiheit abtun?
Das ist eine sehr allgemein gestellte Frage. Man muss als Jurist und dann auch vor den Strafgerichten immer ganz genau schauen, was tatsächlich passiert ist. So allgemein lässt sich die Frage sinnvoll nicht beantworten. Sehr Vieles von dem, was gesagt wird, ist strafbar nach den Beleidigungs- und Aufforderungstatbeständen zu Straftaten und all diesen Dingen, Volksverhetzung und was der Dinge mehr sind. Es kommt darauf an, was genau gesagt worden ist. Dann gibt es einen Bereich, den Sie jetzt wahrscheinlich nicht im Auge haben, aber den man auch sehen muss, der in der Tat noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Ich glaube, wir sollten uns nicht in die Situation begeben, dass wir den Terroristen und den Feinden der Freiheit auf den Leim gehen und die Freiheit abschaffen. Das dürfen wir nicht tun. Dort, wo die Grenze überschritten ist, müssen wir und werden wir mit aller Härte des Rechtsstaates dem entgegentreten.
Ja, Herr Staatsminister, ich möchte Sie noch einmal genau auf diesen einen Punkt ansprechen, den die CoVorsitzende Katrin Göring-Eckardt als Dreck, der in die Mülltonne gehört, bezeichnet hat. Es geht um die Sympathiebekundungen im Internet zugunsten krimineller und terroristischer Vereinigungen, die bis 2002 strafbar waren. Sind Sie der Meinung, dass diese nicht unter Strafe gestellt gehören?
Eben. Ich beharre darauf, dass das rechtsstaatliche Strafrecht genau hinschauen muss, was konkret getan worden ist. Wir dürfen hier nicht im Nebel rumstochern. Vieles von dem, was Katrin Göring-Eckardt ertragen muss, ist strafbar und wird verfolgt und zu Recht verfolgt. Da sind unerträgliche Hasstiraden veröffentlicht. Dagegen müssen wir vorgehen. Dagegen gehen wir mit aller Härte des Rechtsstaates jeweils in den rechtsstaatlichen Formen vor.
Zur Frage der Stellen: Sind Sie der Auffassung, dass zwei halbe Stellen bei der Staatsanwaltschaft in Koblenz ausreichend sind, um diese Cyber-Kriminalität zu bekämpfen?
Wir haben in weiser Voraussicht diese Stelle der besonderen Cyber-Kriminalitätsverfolgung bei der Staatsanwaltschaft eingerichtet. Wir sind der Auffassung, dass es im jetzigen Stadium ausreicht; denn die Verfolgung solcher Straftaten liegt zunächst einmal bei der Polizei. Die ist dafür sehr gut ausgestattet. Die Verfolgung der Straftaten auf der Ebene der Staatsanwaltschaften ist gut geregelt. Wir haben die besondere Stelle gegen Cyber-Kriminalität stets im Auge. Wir werden, sobald das in irgendeiner Weise erforderlich ist, diese besondere Stelle noch einmal verstärken.
Man muss aber auch sehen, dass wir im Moment im Stadium der Erprobung dieser konkreten besonderen Art der Zusammenfassung von Kriminalititätsverfolgung sind. Man sollte in guter Bewirtschaftung der knappen Ressourcen,
die wir im Land insgesamt haben, angesichts der Schuldenbremse nun auch nicht zu viel in Anfangstätigkeiten stecken, sondern gut die Erfahrungen nutzen, die wir im Moment machen. Wir werden zeitgerecht, schnell und effektiv auf die dann sich ergebenden Entwicklungen reagieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben Gäste, und zwar Schülerinnen und Schüler des Max-von-Laue-Gymnasiums aus Koblenz, Leistungskurs Sozialkunde, den Chor ZOAR des Rheinhessischen Diakonie-Zentrums aus Heidesheim, der schon unten im Foyer gesungen hat,
sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 142. Mainzer Landtagsseminars. Seien Sie herzlich willkommen!
Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer und Nils Wiechmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Zunahme rechter Hetze und Übergriffe gegen Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz – Nummer 3 der Drucksache 16/5599 betreffend –, auf.
1. Wie haben sich die Zahlen der Brandanschläge und sonstigen Angriffe (Körperverletzung, Beleidigungen, Sachbeschädigung) gegen Flüchtlingsunterkünfte in den letzten vier Jahren entwickelt?
2. Wie bewertet die Landesregierung die Bedrohungslage der Flüchtlinge aufgrund rechtsextremer Umtriebe?
3. Welche Sicherheitsmaßnahmen sind aufgrund rechter Agitation notwendig, um Flüchtlinge zu schützen?
Verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen der Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu Frage 1: Die große Zahl der vor Krieg und Verfolgung insbesondere nach Deutschland flüchtenden Menschen prägt derzeit sowohl die Medienberichterstattung als auch die öffentliche Diskussion. Auch rechte Parteien und Gruppierungen greifen die Asyl- und Flüchtlingsthematik auf und instrumentalisieren sie einerseits, um ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren, und andererseits, um breite Teile der Bevölkerung direkt zu erreichen und für ihre Ziele zu gewinnen.
Zwar können wir konkrete Ursachen und Wirkungszusammenhänge zwischen rechter Agitation und konkreten Übergriffen auf Unterkünfte von Asylsuchenden und Flüchtlingen nur einschätzen, Tatsache ist jedoch, dass sowohl im Bund als auch in Rheinland-Pfalz die Zahl der polizeilich registrierten rechten Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte in jüngster Zeit stark ansteigt.
Während der Polizei von 2011 bis 2013 überhaupt keine Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte bekannt wurden, gab es 2014 eine solche Tat zu verzeichnen. In diesem Jahr ermittelte die Polizei bereits in 16 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte. Die jeweiligen Tatvorwürfe sind in erster Linie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung und die Störung des öffentlichen Friedens durch das Androhen von Straftaten. Allerdings haben uns in den letzten Monaten auch zwei Gewaltdelikte nachhaltig gezeigt, dass wir besonders achtsam sein müssen, nämlich die Brandstiftung am 6. Mai 2015 an der damals im Bau befindlichen Containerunterkunft in Limburgerhof und am 13. August 2015 in Niederstedem.
Die Ermittlungen dauern in beiden Fällen noch an und berücksichtigen selbstverständlich auch einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund. Im Vergleich zur bundesweiten Entwicklung liegen die Fallzahlen in RheinlandPfalz auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. 2015 registrierte die Polizei bundesweit bislang 315 politisch motivierte Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Im vergangenen Jahr waren es 198. Auch die Zahl der Gewaltdelikte stieg von 28 in 2014 auf 37 in diesem Jahr.
Die Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden in Rheinland-Pfalz widmen dieser Entwicklung große Aufmerksamkeit. Dabei hat die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität einen besonders hohen Stellenwert. Dementsprechend gehen Polizei und Staatsanwaltschaft jedem Ermittlungsansatz akribisch nach und versuchen, mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten die Taten aufzuklären. 11 der 16 Ermittlungsverfahren in Rheinland-Pfalz sind inzwischen abgeschlossen. Davon konnten sechs Fälle aufgeklärt und die Tatverdächtigen ermittelt werden.
Zu Frage 2: Angesichts der weiterhin steigenden Zahl der in Deutschland schutz- und asylsuchenden Flüchtlinge müssen wir davon ausgehen, dass auch das rechtsextremistische Spektrum seine Anstrengungen, die Asylpolitik polarisierend aufzuarbeiten und für die eigenen Interessen zu nutzen, weiter verstärkt. Insbesondere die rechten Parteien NPD und „Der III. Weg“ entfalten öffentlichkeitswirksame Aktivitäten, wie zum Beispiel die Organisation von Kundgebungen, Aufzügen und Info-Ständen sowie das
Verteilen von Flugblättern. Leider werden sich viele aus diesem Spektrum in Remagen in wenigen Wochen aus einem solchen Anlass wiedersehen.
Diese Aktivitäten sind nach den derzeitigen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden lokal organisiert. Daher sind sie im Hinblick auf die Art und Anzahl jeweils von den Möglichkeiten der örtlichen Szene abhängig. Auch aufgedeckte Straftaten wurden bislang vorwiegend von am Tatort oder in der näheren Umgebung ansässigen Personen begangen.
Auch das Internet – wir haben eben darüber gesprochen – wird zur rechten Propaganda genutzt. Insbesondere die zuletzt bekannt gewordenen Veröffentlichungen geografischer Karten mit bundesweiten und auch rheinlandpfälzischen Standorten von Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünften ist geeignet, potenziellen Tätern konkrete Tatgelegenheiten aufzuzeigen. Wahrscheinlich sind sie genau deswegen ins Netz gestellt worden. Es ist nicht auszuschließen, dass in Zukunft vermehrt mit Straftatversuchen gegen Personen und die Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu rechnen sein wird.
Zu Frage 3: Der Polizei ist die besondere Bedeutung von Sicherungsmaßnahmen bewusst. Ich habe oft darüber vorgetragen. Neben der Aufklärung der Straftaten widmet sie auch dem Schutz der Flüchtlinge und ihrer Unterkünfte ihre besondere Aufmerksamkeit. Die örtlichen Polizeiinspektionen bestreifen die Flüchtlingsunterkünfte in RheinlandPfalz einschließlich der im Bau befindlichen Standorte zu unterschiedlichen Zeiten.
Zwischen den örtlich zuständigen Polizeibehörden und den Verantwortlichen der Unterkünfte wurden Informationsund Kommunikationswege festgelegt. Die jeweiligen Ansprechpartner und ihre Erreichbarkeiten sind bekannt, sodass eine gegenseitige Information, was zwingend notwendig ist, im Bedarfsfall jederzeit sichergestellt ist.
An den rheinland-pfälzischen Standorten der Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende haben wir die örtlich zuständigen Polizeidienststellen in der Möglichkeit, Personal rund um die Uhr einzusetzen, deutlich verstärkt. Diese stellen sowohl die Sicherheit der Menschen in den Unterkünften, aber auch – das ist mir genauso wichtig – die der Bürgerinnen und Bürger der Region sicher. Das ist sicherlich der richtige Ansatz. Kleinere Unterkünfte, wie zum Beispiel Wohnungen und Appartements, die als Wohnraum für Flüchtlinge erkennbar sind, unterliegen ebenfalls einem besonderen Augenmerk im Rahmen des Streifendienstes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Ihnen versichern: Der Schutz sowohl der Asylbegehrenden und der Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz als auch unserer Bevölkerung steht bei der Polizei ganz obenan.
Wir haben in der letzten Woche beispielsweise im „REPORT MAINZ“ hören müssen, dass inzwischen Unterstützerinnen und Unterstützer, aber auch Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker möglicherweise von Bedrohung betroffen sind, wenn sie Flüchtlinge unterstützen. Das Thema wurde eher im Bundesvergleich angesprochen. Wie bewertet es die Landesregierung, wenn sich die Bedrohungslage nicht nur auf Flüchtlinge, sondern auch auf die Personen fokussiert, die die Flüchtlinge vor Ort unterstützen?
Da gilt das Gleiche. Das ist absolut nicht zu akzeptieren. Das eine oder andere, was zu meiner Person im Netz geäußert wird und was ich als Mail bekomme, hat auch schon eine große Nähe zu einer mindestens verbalen Bedrohung. Das wird einigen im Raum so gehen. Das gilt leider Gottes Menschen, die sich für Flüchtlinge engagieren. Das ist absolut nicht zu akzeptieren.
Was wir dagegen tun können, das tun wir auch. Im Netz ist das schwierig. Wir haben eben darüber gesprochen, dass dann auch alle Hemmungen fallen. Das ist mein Eindruck. Wenn ich davon ausgehen müsste, dass jeder das, was er oder sie schreibt, unter rechtsradikalen Gesichtspunkten ernst nimmt, dann würde einem angst und bange werden. Was man da lesen muss, ist – freundlich ausgedrückt – sehr empörend und absolut menschenunwürdig.