Ich habe mich immer auf den Standpunkt gestellt, dass das eine Frage ist, die eine seltsame Botschaft in sich trägt, nämlich dass die Gesellschaft das Recht hat, eine solche Rechnung aufzumachen. Ich halte es nicht für geboten, über diese Frage volkswirtschaftlich und mit Krämerseele nachzudenken. Für mich ist Menschenwürde und der Wert des Lebens nicht abhängig von der eigenen Stärke, von der vermeintlichen Autonomie. Sie ist nicht abhängig von der Lebensphase und der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Stärke, in der sich ein Mensch befindet. Menschenwürde ist und bleibt unantastbar, egal in welchem persönlichen Zustand sich ein Mensch befindet.
Ich bin sehr froh, dass einige der Sachverständigen auf diesen Punkt eingegangen sind. Ich will Professor Klie aus Freiburg nennen, der sehr bedeutend den Punkt angebracht hat, als er formuliert hat. „Ein Bild von Würde, das mit persönlicher Leistungsfähigkeit verbunden ist, gefährdet die Achtung all derjenigen Personen, die „vulnerabel“ – also verletzlich – „sind“.
Herr Dr. Posern von der evangelischen Kirche hier in Rheinland-Pfalz hat formuliert „mein Leben gehört mir, ist (...) ein abstrakter Trugschluss“.
Meine Damen und Herren, ich neige zu dieser Auffassung. Es gibt so etwas wie einen Kult der Autonomie in unserer Gesellschaft, der vergessen lässt, dass das Leben, die Persönlichkeit sich in einer modernen Gesellschaft nur dann erfüllt, wenn wir in Beziehungen sind, manchmal auch in
Abhängigkeit, und zwar auch dann, wenn wir es selbst nicht spüren, weil wir uns vermeintlich stark, kräftig und unantastbar fühlen. Aber die Abhängigkeit ist dennoch da. Darum ist es wichtig, dass wir die Frage, wie lange soll der Mensch leben, leben dürfen, sich selbst gestatten, leben zu dürfen, nicht von der Frage einer vermeintlichen Autonomie abhängig machen. Das ist zumindest meine persönliche Position.
Ich will auch sagen, dass es bedeutend war, wie sehr die Frage der Ärzteschaft in der Debatte eine Rolle gespielt hat. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir unseren Ärztinnen und Ärzten Vertrauen entgegenbringen sollen und sie auf die Gesellschaft vertrauen können sollen, wenn es darum geht, dass für sie Rechtssicherheit herrscht, wenn sie in Grenzsituationen ihres beruflichen Alltags kommen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat all die Punkte, die uns wichtig sind, in einem Antrag formuliert, auf den ich gern noch einmal auch gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen in der weiteren Debatte eingehen würde. Meine Fraktion hat mich gebeten, mich am Ende der Debatte noch einmal zu Wort zu melden, sodass ich diese Punkte zunächst abschließen kann.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! So vielfältig wie das Leben ist, so vielfältig ist auch das Sterben. Das hat nichts mit dem Alter zu tun, sondern das hat mit der individuellen Verfassung, dem Schicksal und mit dem Leben zu tun. Sterben ist ein Teil des Lebens und nicht ein Teil des Todes.
Wir fragen uns: Geht das den Gesetzgeber etwas an? Geht das die Politiker etwas an? Ja, es geht uns etwas an, weil es um Grenzsituationen im menschlichen Leben geht. Grenzsituationen sind Situationen, in denen wir eine Hand brauchen. Wir brauchen eine Hand, wenn wir ins Leben hineingehen. Wir brauchen auch eine Hand, wenn wir das Leben verlassen. Es ist schon eine entscheidende Frage und ein großer Unterschied, ob es eine Hand ist, an der wir sterben, oder ob das eine Hand ist, durch die wir sterben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu den Grenzsituationen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns frei von Fraktionszwang, frei auch von den üblichen Debatten und von partei- und fraktionspolitischen Diskussionslinien darüber unterhalten, was wichtig ist und etwas über die Temperatur in einer Gesellschaft aussagt.
Wenn man in einer Grenzsituation ist, hat man schnell Ängste und Sorgen. Die Medizin und der technische Fortschritt haben viele Hoffnungen gebracht. Wir überleben heute Krankheiten und Erkrankungen. Es ist wunderbar, dass man weiterhin zusammen sein kann mit seinen Liebsten, mit Freunden in der Gesellschaft. Diese Entwicklung und die Technik bringen auch Sorgen. Das ist diese Sorge davor, dass man, wenn der Körper nachlässt, vielleicht die geistige Selbstbestimmung und die Frage der Einwilligungsfähigkeit nachlässt. Darum geht es. Wenn meine Einwilligungsfähigkeit nicht mehr so gegeben ist, dann frage ich mich, was am Ende passiert. Was passiert, wenn ich nicht mehr will oder nicht mehr kann? Das sind viele Sorgen, Ängste und Fragen.
Ich will ganz deutlich für meine Fraktion sagen, mit der Endlichkeit des Lebens macht man keine Geschäfte. Das ist uns wichtig.
So wie ich es wahrgenommen habe – sowohl bei der Anhörung als auch bei der Auswertung der Anhörung –, glaube ich, dass es zumindest bei der Mehrheit fraktionsübergreifend so ist, dass wir es nicht wollen, dass Geschäfte mit dem Tod und mit den Ängsten gemacht werden und wir gewerbsmäßige Sterbehilfevereine nicht zulassen, sogar verbieten wollen in Deutschland.
Dann kommen wir natürlich zu der Frage der standesrechtlichen Freiheit. Es gibt sehr unterschiedliches ärztliches Standesrecht innerhalb von Deutschland. Ich kann es jetzt nur für mich sagen, weil wir in der Fraktion nicht darüber abgestimmt haben, weil wir deutlich gemacht haben, dass wir hier frei reden. Wir stimmen zwar nicht ab wie der Deutsche Bundestag. Es sind schwierige Entscheidungen, weil es auch Nuancen in den einzelnen Anträgen sind. Aber ich bin der Meinung, dass das Standesrecht, wie wir es in Rheinland-Pfalz haben, dass man eben nicht alles in Wort, Buchstabe und Gesetz schreiben kann, gut ist und es auch Dinge geben muss, die man nicht regelt, die so sind, wie sie sind, weil dort Menschen sind und agieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sorgen vor einem Würdeverlust sind die Sorgen, die uns natürlich umtreiben. Menschen müssen Wertschätzung erfahren können. Deshalb wird es für meine Fraktion entscheidend um die Fragen gehen: Was können wir hier im Land tun, damit Menschen nicht den eigenen Druck verspüren, Schmerzen entkommen zu müssen, und zwar nicht durch Hilfe, sondern durch früheres Ableben? Palliativmedizin ist der Mantel, Pallium, der um einen liegt. Die Medikamente kurieren nicht, aber sie lindern. Das Lindern ermöglicht ein würdevolles Leben, ein lebenswürdiges Leben bis zuletzt.
Dazu brauchen wir erstens Menschen. Auch wenn das Konto voll ist, der Euro hat keine Arme und Hände. Wir brauchen genügend Pflegerinnen und Pfleger, wir
brauchen ambulante spezialisierte Palliativmediziner und Teams, und zwar flächendeckend in unserem Land.
Wir müssen die weißen Flecken wirklich überdecken. Wir müssen es schaffen, dass Hospizarbeit und Palliativmedizin jedem zugänglich sein werden.
Ich möchte mich dem Kollegen Schweitzer anschließen. Auch ich werde noch einmal in der letzten Runde etwas sagen. Auch wir haben einen Antrag vorgelegt. Ich denke: Das Leben braucht Liebe, Sterben aber auch.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass wir diese Debatte miteinander führen, wir sie miteinander geführt haben, auch, wie wir sie miteinander geführt haben, nämlich in einer ganz anderen Form, als wir das sonst tun. Für mich ganz persönlich habe ich es als sehr bereichernd empfunden. Ich hoffe, wir konnten unseren Teil zu dem beitragen, was ich versucht habe, in der ersten Orientierungsdebatte zu formulieren, dass die Debatte an sich einen kleinen Fortschritt hat, nämlich wir das Thema Sterben, das Thema Krankheit aus dem Schweigen herausholen und in die Öffentlichkeit bringen; denn es eint uns alle, dass wir davon ausgehen, dass die Menschen ein Recht auf Teilhabe, auf Nichtvergessenwerden haben. Das gilt in ihrem individuellen Umfeld genauso wie in der Frage der politischen Debatte.
Deswegen möchte auch ich mich dem Dank anschließen an alle, die an dieser Debatte mitgewirkt haben, unabhängig von der individuellen Position, Haltung, Erfahrung oder Meinung, ob das eine Orientierungsdebatte in der Ausschussanhörung war, in Gesprächen, die wir alle in den Fraktionen geführt haben, aber ich hoffe, auch quer über die Fraktionsgrenzen hinweg. Ich glaube, die Debatte an sich hat dem Thema gutgetan und auch einen Beitrag dafür geleistet, dass diese Themen nicht mehr im Verborgenen stattfinden, sondern ein Stück weit eine Öffnung stattgefunden hat.
Wenn wir über solche Grenzsituationen nachdenken, dann wird mir persönlich eines klar: Jeder Mensch ist ein Individuum, jeder Mensch ist anders. Genau in diesen Grenzsituationen, wenn es um die Frage des Sterbens, von Leid und von Not geht, dann wird immer deutlicher, dass wir Menschen nicht in Schubladen packen können und wir die Frage, dass wir für alle ein Sterben in Würde wollen, gemeinsam mit Ja beantworten.
Was bedeutet es, individuell in Würde zu sterben? Für jedes Individuum ist es möglicherweise mit anderen Antworten, mit anderen Vorstellungen belegt. Deswegen tun wir uns in der Politik so unglaublich schwer, wir, die wir den Auftrag haben, sozusagen stellvertretend für die Men
schen in diesem Land verbindliche Entscheidungen und verbindliche Vorgaben zu treffen, weil wir über Situationen reden, die höchst individuell und deswegen in höchstem Maß ethisch und von Wertvorstellungen geprägt sind.
Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, einen Konsens festzustellen. Der Konsens liegt darin begründet, dass wir sagen: Wir brauchen die größtmögliche Unterstützung, die größtmöglichen Teilhabechancen für Menschen, die alt, pflegebedürftig werden, die schwer krank sind, und zwar bis zuletzt.
Deswegen bin ich froh, dass wir im Kern – das sieht man beiden Anträgen an – der Auffassung sind, dass die Themen Hospizversorgung und Palliativmedizin Themen sind, die weiter vorangetragen werden und die wir auch flächendeckend in Rheinland-Pfalz stärken müssen. Wenn wir das als gemeinsames Ergebnis dieser Debatte nehmen, haben wir für die Menschen, die noch in diese Situation kommen, schon einen großen Schritt getan. Da gebe ich dem Kollegen Schweitzer recht. Das sind die Dinge, über die wir nicht nur volkswirtschaftlich reden müssen, sondern es ist auch unsere gemeinsame Verantwortung als Politik, die Menschenwürde und die Menschenrechte sozusagen buchstäblich bis zur letzten Sekunde jedem einzelnen Menschen zuteil werden zu lassen. Ich bin froh, dass wir diese Aufgabe gemeinsam angehen, meine Damen und Herren.
Ich will jedoch auch sagen, dass es zu kurz gesprungen ist zu sagen: Wir brauchen die bestmögliche Hospiz- und Palliativversorgung, dann sind alle Fragen beantwortet. Das ist nicht der Fall. Wir wissen das auch. Wir müssen uns der Frage stellen: Haben wir den Mut, hier als Gesetzgeber entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, oder haben wir ihn nicht? – Ich persönlich würde mir mehr Mut für die Politik wünschen. Mehr Mut bedeutet auch mehr Zutrauen in die individuelle Entscheidung.
So weit sind wir noch nicht, aber die Debatte trägt vielleicht dazu bei, einen guten Schritt weiter nach vorn zu kommen. Ich glaube auch, dass wir uns nicht wegducken sollten und die Verantwortung für die Ärztinnen und Ärzte auf das Standesrecht schieben. Ich glaube, dass wir hier den Ärztinnen und Ärzten viel zu viel Verantwortung geben und sie ein Stück weit alleinlassen.
Aber lassen Sie mich schließen mit Worten von Peter Hintze von der CDU-Bundestagsfraktion: Die politische Debatte ist gut, weil damit das Sterben der Menschen aus dem allgemeinen Schweigen herausgenommen wird. –
Meine Damen und Herren! Wir haben Gäste im Haus, und zwar Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt Rheinzabern. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Monaten dem Thema Sterbebegleitung in einer umfassenden und auch gründlichen Diskussion viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet. Wir haben mit viel Empathie nachempfunden, was hinter den Ängsten und Wünschen der Menschen steht.
Deshalb bin ich der Meinung, dass die Debatten um Sterbehilfe und um Sterbebegleitung zusammengehören. Ich halte es für falsch, dass ich, wenn ich den Satz „Ich will sterben“ vernehme, als erstes über Sterbehilfe nachdenke. Ich halte es hingegen für richtig, darüber nachzudenken, was hinter dieser Äußerung steckt, was die Motivation dieser Aussage ist. Ich bin mir sicher, dass wir einen großen Teil der Ängste nehmen können, wenn wir über ein sehr gutes Versorgungsnetz im Gesundheitsbereich und in der Pflege verfügen und darüber auch intensiv aufklären und umfassend informieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in RheinlandPfalz haben wir ein gut ausgebautes Versorgungsnetz mit 35 ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdiensten, davon zwei ambulante Kinderhospize, sieben ambulante Hospizdienste, acht stationäre Hospize sowie ein Kinderhospiz und acht Teams, die eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung anbieten.