Protocol of the Session on July 3, 2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständige Volksvertretung zu wenden. Dieses Recht ist verankert in Artikel 17 unseres Grundgesetzes und in Artikel 11 unserer Landesverfassung.

Wir sprechen heute über den Jahresbericht des Bürgerbeauftragten und des Petitionsausschusses des vergangenen Jahres 2014. Das Petitionsrecht spielt in unserem Landtag seit Langem eine bedeutende Rolle, was sich nicht zuletzt in der Funktion des Bürgerbeauftragten widerspiegelt.

Der Bürgerbeauftragte ist eine wichtige Institution, um beim Landtag das Kontrollrecht der Bürgerinnen und Bürger über das Parlament auszuüben und persönliche Belange und Anregungen zur Gesetzgebung einzureichen. Der Petitionsausschuss ist somit eine Art Bürgerausschuss. Ihm kommt in unserer parlamentarischen Demokratie eine Schlüsselrolle zu.

Im ersten Teil des Jahresberichtes wird die gute und wichtige Vernetzung des Bürgerbeauftragten im Land und darüber hinaus dargestellt. Wenn er von Sachsen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und anderen Bundesländern befragt wird, so zeigt sich immer wieder, dass RheinlandPfalz mit ihm ein Mehr an Bürgernähe und -beteiligung im Bundesvergleich aufweist. Bürgerinnen und Bürger zeigen auf Probleme, die sie betreffen, und geben Anregungen, was noch besser gemacht werden kann.

Als Vermittler trägt er dazu bei, dass Verständnis geweckt wird, Aufklärung erfolgt und Fehler behoben werden. Dies gelingt ihm sicherlich auch in seiner neuen Aufgabe als Beauftragter für die Landespolizei. Hierauf können wir stolz sein. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass hier in unserem Land eine sehr hohe Priorität dem Petitionsrecht eingeräumt wird.

Es ist positiv, dass seit 2014 auf Anregung von Dieter Burgard grenzüberschreitend in der Großregion die Bürgerbeauftragten, wie es im Jahresbericht dargestellt ist, enger zusammenarbeiten. Gerade als Abgeordneter im Grenzraum zu Luxemburg und Belgien schätzt man es sehr, wenn bei Problemen länderübergreifend zusammengearbeitet wird, wenn es zum Beispiel um Steuern, Rentenoder Krankenversicherungsfragen geht.

Ich möchte nun auszugsweise auf ein paar Themenbereiche des vergangenen Jahres eingehen. Im Jahresbericht wird auf das Problem gerade älterer Bürger, besonders alleinstehender Frauen hingewiesen, welche bei beitragspflichtigen Ausbaumaßnahmen von Straßen oftmals hohen

Beitragsbelastungen ausgesetzt sind, da sie große Grundstücke in Dörfern besitzen und somit die Ausbaukosten auf wenige Anlieger umgelegt werden. Niedrige Renten, kaum Chancen auf Übernahme des Hauses durch die Kinder lassen hohe Beitragszahlungen teilweise bei niedrigen Werten der Immobilien kaum zu.

Für die älteren Anlieger ist die Straße oft noch gut genug, und der Ausbau sollte nicht zu kostspielig sein, der die Anlieger überfordert. Andererseits sind Investitionen in die Infrastruktur der Gemeinde häufig Impulsgeber für die zukünftige Entwicklung der Gemeinde.

Hier appelliert der Bürgerbeauftragte mit Recht – da spreche ich auch aus Erfahrung als Ortsbürgermeister –, dass frühzeitig und umfassend informiert wird, die Gemeinde die sinnvollste und zweckmäßigste Ausbauvariante wählt und den Betroffenen großzügige Ratenzahlungen anbietet.

Im Jahresbericht wird im Kapitel Ausländerrecht unter der Überschrift „Dorf setzt sich für Bleiberecht einer RomaFamilie ein“ beschrieben, wie sich in meinem Landkreis der Ortsbürgermeister und ein Großteil der Gemeinde aktiv gegen eine Abschiebung einsetzen. Die jahrelange Integrationsleistung der Familie, der Nachweis eines Arbeitsplatzes und die sehr guten Deutschkenntnisse und Bildungsanstrengungen der Kinder erfuhr der Bürgerbeauftragte bei einem Besuch der Familie. Es wurde ein Härtefallersuchen von Dieter Burgard eingebracht, und über ein positives Votum der Härtefallkommission erhielt die Familie Aufenthaltsrecht durch Beschluss der Ministerin für Integration, Irene Alt.

In wenigen Einzelfällen, die sehr gut begründet sein müssen, kann über Petitionen und die Härtefallkommission eine Abschiebung verhindert werden. Wir brauchen jedoch nach wie vor ein Einwanderungsrecht, das geprägt ist vom Blick auf verfolgte Flüchtlinge und den Bedarf an Zuwanderung für Fachkräfte unserer Wirtschaft.

Hier danke ich unserer Ministerpräsidentin Malu Dreyer für ihren Vorstoß auf Bundesebene für eine hoffentlich zukünftige wichtige und weitsichtige gesetzliche Regelung.

Beim Arbeitslosengeld II zeigt der Jahresbericht des Bürgerbeauftragten auf, wie komplex die Probleme der Betroffenen sind. Grundsätzlich gilt auch hier, mehr Zeit für Gespräche und Beratung, überhaupt Erreichbarkeit des Sachbearbeiters in den Jobcentern lassen Probleme bei den Anträgen und Nachweisen erst gar nicht aufkommen.

Fehlerhafte Berechnungen konnten öfter vom Bürgerbeauftragten und seinen Mitarbeitern nachgewiesen werden, was für die Empfänger bei den geringen Leistungen schmerzhaft war. Neuberechnungen und Nachzahlungen waren für die Petenten ohne die Hilfe des Bürgerbeauftragten nicht zu erreichen.

Positiv ist jedoch zu erwähnen, dass die Jobcenter nach Intervention oft sehr kurzfristig die fehlerhaften Berechnungen korrigierten.

Ähnliches gilt für die Bewilligung und Berechnung für die Kosten der Unterkunft.

Im Bereich Soziales werden wieder Ablehnungen von Reha-Maßnahmen aufgeführt, da sehr oft zwischen Rentenversicherung und Krankenkasse über die Kostenübernahme gestritten wird, wer die Leistung zu erbringen hat. Die Betroffenen finden sich allein nicht mehr zurecht und brauchten Beistand des Bürgerbeauftragten.

Das neue Strafvollzugsgesetz von 2013 wurde in seiner Umsetzung 2014 für die Inhaftierten und die JVABediensteten spürbar. So wurde das Übergangsmanagement besonders betont und die Zeiten festgelegt. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Doch in der Praxis muss dies noch mehr Beachtung finden.

Der Wegfall von Päckchen mit Nahrungs- und Genussmitteln verärgerte manchen Häftling. Doch ist dies wegen der Sicherheit und dem Aufwand der Durchsuchungen, zum Beispiel das Öffnen von Paketen und Briefsendungen, zu rechtfertigen.

Dass Verlegungen in den offenen Vollzug über Petitionen möglich gemacht werden, zeigt auf, dass dieser Vollzug gerade im letzten Drittel der Haft doch stärker im Sinne von positiv vorbereitetem Übergang geprüft werden sollte. Die meisten Häftlinge sollten nicht bis zum letzten Tag im geschlossenen Vollzug bleiben, gerade auch, um eventuell noch vorhandene familiäre Bindungen zu stärken und die Arbeitsmöglichkeiten für das Leben in Freiheit abzuklären.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Strafrechtlich relevant waren Vorgänge in der Kindertagesstätte „Regenbogen“ in Annweiler, die auch in den Medien thematisiert wurden. Die betroffenen Eltern wandten sich an den Bürgerbeauftragten und forderten mehr Informationen. Die Staatsanwaltschaft und das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung reagierten umgehend und luden die betroffenen Eltern zu einer gemeinsamen Info-Veranstaltung ein. Danach wurde auch die Anregung aufgegriffen, dass bereits entlassene Kinder über das Verhalten und die Methoden von drei Erzieherinnen befragt wurden. Die Eltern bedankten sich ausdrücklich beim Bürgerbeauftragten.

Bei der Schülerbeförderung sind die Kommunen mit Blick auf den Rechnungshof teilweise sehr pauschal dazu übergegangen, Kindern und Jugendlichen die Beförderungskosten zu streichen. Da wird stets nur der kürzeste Weg aufgezeigt. Doch der kürzeste Weg ist nicht immer gangbar, wenn er zum Beispiel durch ein großes Industrie- oder Gewerbegebiet führt oder streckenweise unbeleuchtet ist. Gefährliche Wege müssen entschärft werden und, wie vom Bürgerbeauftragten erreicht, neue Wohngebiete, die außerhalb liegen, an das ÖPNV-Netz angeschlossen werden.

Sie sehen, das Themenspektrum des Petitionsausschusses ist sehr vielseitig und abwechslungsreich, aber stets am Interesse unser Bürgerinnen und Bürger orientiert.

Jüngst konnte sich der Petitionsausschuss mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag über deren Erfahrungen und Arbeitsweisen austauschen. Dabei konnten wir sehr interessiert den Umgang mit öffentlichen Petitionen

und der Möglichkeit, öffentliche Anhörungen durchzuführen, erörtern. Hier können wir uns auch für unser Land eine Weiterentwicklung vorstellen.

Ich komme zum Schluss. Im Namen der SPD-Fraktion sage ich den Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss Dank und Anerkennung für eine sehr konstruktive Zusammenarbeit über alle Fraktionsgrenzen hinweg. Ebenso danke ich der Landtagsverwaltung für ihre Unterstützung. Dankbar sind wir dem Bürgerbeauftragten Dieter Burgard und seinem neuen Stellvertreter, Herrn HermannJosef Linn – ich sehe ihn oben auf der Tribüne –, sowie seinem gesamten Team. In den Dank einschließen möchte ich auch unseren Ausschussvorsitzenden Fredi Winter.

Der Jahresbericht 2014 ist mehr als ein Nachweis, wie bürgernah, zum Beispiel bei fast 40 Sprechtagen im Jahr und vielen Terminen vor Ort, auch im 40. Jahr des Bestehens dieser Institution erfolgreich gearbeitet wird. Der Bürgerbeauftragte schafft mehr Transparenz, hinterfragt und prüft Entscheidungen, weckt gegenseitiges Verständnis und hilft konkret Menschen bei individuellen Problemen.

Wir wünschen Dieter Burgard, seinem Team und dem Petitionsausschuss auch im laufenden Jahr Erfolg für die Bürger. Dies hilft auch den öffentlichen Einrichtungen in Rheinland-Pfalz, noch bürgerfreundlicher, bürgernäher, einfach besser zu werden. Wir sind stolz auf unser rheinland-pfälzisches Erfolgsmodell.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, möchte ich gerne Gäste bei uns im Landtag begrüßen. Wir begrüßen Schülerinnen und Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums Kaiserslautern, Renties aus Schornsheim und Alte Herren aus Vendersheim und Gau-Bickelheim sowie Bürgerinnen und Bürger aus der Südpfalz. Herzlich willkommen in Mainz!

(Beifall im Hause)

Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Meurer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorsitzende Fredi Winter hat schon die grundlegenden Zahlen und Fakten zur Tätigkeit des Bürgerbeauftragten vorgestellt. Ich werde diese Zahlen nicht wiederholen und mich kurzfassen. Es ist mir aber wichtig, auf einige Punkte einzugehen. Sie werden feststellen, es ist immer schwierig, wenn man an dritter Stelle spricht. Ich will Ihnen aber nicht alles wieder vortragen.

Über 40 Jahre gibt es jetzt schon das Amt des Bürgerbeauftragten. Die unvermindert hohe Zahl der Eingaben zeigt, dass der damals durch die CDU eingerichtete Anlaufpunkt für die Bürger weiterhin notwendig und wichtig ist.

Auch im 40. Jahr bleibt der Bericht strukturell unverändert und bietet Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeit, sich schnell und umfassend einen Überblick zu verschaffen. Gleichzeitig gibt es auch die schnelle Möglichkeit zu schauen, wo bei den Bürgerinnen und Bürgern der Schuh drückt. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich kann Sie nur ermuntern, auch einmal einen Blick hineinzuwerfen. Es gibt einen Querschnitt von Anliegen, die darauf hinweisen, wo und in welchen Feldern es Handlungsbedarf gibt.

Wie in den vergangenen Jahren, lag auch im zurückliegenden Jahr der Schwerpunkt der Eingaben im Bereich Strafvollzug und Soziales. Das verwundert nicht, sind dies doch Lebensbereiche, die für die Betroffenen schwierig sind, da sie sich teilweise auch in Ausnahmesituationen befinden. Das kann ein Gefängnisaufenthalt sein oder auch die Versagung von Sozialleistungen, die erheblich in das Leben der Betroffenen eingreifen.

In diesem Zusammenhang hat es sich im Bereich des Strafvollzugs bewährt, dass der Bürgerbeauftragte auch vor Ort geht. Anliegen können dort persönlich vorgebracht und Hemmschwellen abgebaut werden. Dadurch wird auch deutlich, dass das Amt des Bürgerbeauftragten nicht statisch, sondern im Sinne der Bürger angepasst ist. Es zeigt aber auch, dass der Service weiter ausgebaut und verbessert werden kann und muss.

Nach wie vor ist es auch in den anderen Bereichen wichtig, dass die Verwaltung insgesamt bürgernäher wird. Das ist ein viel genutztes, aber in der Praxis zu wenig realisiertes Stichwort. Bescheide, die für die Bürger so verständlich sind, als kämen sie aus einem anderen Land, tragen nicht dazu bei, die vielzitierte Bürgernähe herzustellen.

(Alexander Schweitzer, SPD: Das stimmt!)

Das zeigt sich auch daran, dass viele Anliegen nur mit einer Auskunft erledigt werden konnten. Das ist etwas, was die angesprochenen Verwaltungen auch selbst vornehmen könnten. Allein, sie tun es offensichtlich nicht. Die Verwaltungsarbeit sollte sich daher nicht nur auf den Erlass von Bescheiden beschränken, sondern die Dienstleistung der Erläuterung der getroffenen Entscheidung umfassen.

Es gibt schon Pilotprojekte, bei denen der betroffene Bescheid in bürgerverständlichen Worten in einem Beiblatt erklärt wird. Damit kann viel erreicht werden. Der Bürger fühlt sich nicht direkt eingeschüchtert und traut sich dann vielleicht auch selbst nachzufragen, wenn man ihm auf halbem Weg entgegenkommt.

Das ist sicherlich eine Möglichkeit, um das Verfahren zu vereinfachen, die man weiter verfolgen sollte. Dazu gehört aber auch, dass beispielsweise Rückrufbitten von Antragstellern erfüllt und sie nicht einfach ignoriert werden. Einige Beispiele im Jahresbericht gründen nur auf der Tatsache, dass die Verwaltung auf Fragen von Betroffenen überhaupt nicht reagiert hat. Das ist so nicht akzeptabel.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Manchmal resultieren die Anliegen auch aus Kompetenz

streitigkeiten – der Kollege ist darauf schon eingegangen –, wenn es um verschiedene Kostenträger geht. In einem Fall haben Eltern die Kostenübernahme einer Integrationshilfe für behindertes Kind beantragt. Dabei war unstrittig, dass die Kosten übernommen werden. Allerdings streiten sich zwei mögliche Kostenträger, nämlich die Krankenkasse und Kreisverwaltung, darüber, wer zuständig ist. Erst nachdem der Bürgerbeauftragte eingeschaltet wurde, konnte eine Lösung erreicht werden, die so aussieht, dass die Krankenkasse zunächst die Kosten übernimmt und sich dann mit der Kreisverwaltung auseinandersetzt, wer letztendlich für die Zahlungen zuständig ist.

Im Sinne einer dienstleistungsorientierten Verwaltung hätte das auch ohne Umweg und Zeitverzögerung über den Bürgerbeauftragten gehandhabt werden können. Es zeigt sich, es gibt noch viel zu tun in unseren Verwaltungen.

Auch wenn manche Eingaben zum Schmunzeln führen, darf doch nicht vergessen werden, dass dies Anliegen sind, die für den betroffenen Bürger einen solchen Einschnitt darstellen, dass sie sich damit an den Bürgerbeauftragten wenden. Gleiches gilt auch für Anliegen, die für einen Außenstehenden vielleicht nicht nachvollziehbar sind oder den Eindruck erwecken, es sei nur ein marginales Problem.

Positiv muss vermerkt werden, dass viele Anliegen, zum Beispiel im Strafvollzug, zum Anlass genommen werden, um getroffene Entscheidungen noch einmal zu überdenken. Zwar wird dem Anliegen nicht in jedem Fall entsprochen und abgeholfen, aber allein die Tatsache, dass sich der Entscheidungsträger noch einmal mit dem Fall befasst und die Entscheidung begründet, kann zumindest zu einer Entspannung führen. Das ist eine nicht zu unterschätzende Leistung.