Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon viel zu dem Hintergrund gesagt worden, weshalb wir heute die Enquete-Kommission „Aktive Bürgerbeteiligung für eine starke Demokratie“ einsetzen. Ich bin genauso wie meine Kolleginnen und Kollegen froh, dass wir das heute gemeinsam tun.
Der Einsetzungsbeschluss ist so, wie er formuliert ist, aus meiner Sicht sehr gut; denn er umfasst alle wichtigen Fragestellungen, die sich bei dem Thema ergeben.
Ich möchte nur noch einmal auf drei Punkte, die mir und meiner Fraktion besonders wichtig sind, eingehen. Der erste Punkt ist bisher von den Kolleginnen und Kollegen nicht wirklich angesprochen worden. Es ist aber ein ganz entscheidender; denn ob sich Menschen engagieren, hängt in erster Linie davon ab, ob sie schon früh dazu erzogen werden, sich einzubringen.
Das heißt, die Demokratie fängt schon in der Kindertagesstätte an. Viele Kitas leisten sehr gute Arbeit. Dennoch kommt es noch selten vor, dass Kinder zum Beispiel in die Spielplatzgestaltung einbezogen werden, also dort, wo es konkret darum geht, ihren eigenen Lebensraum mitzugestalten. Ich denke, hier kann man noch ein ganzes Stück nachlegen. Gleiches gilt auch für den Jugendbereich.
Gerade wenn man mit Bürgermeistern redet, sagen diese: Wir haben doch einen Jugendraum für unsere Jugendlichen eingerichtet. Jetzt wird er nicht genutzt, oder wir müssen ihn schon wieder schließen. – Hier haben wir das Problem, dass an dieser Stelle viel zu oft gesagt wird, wir machen Politik „für Jugendliche“, aber noch zu selten „mit Jugendlichen“. Ich denke, darüber müssen wir uns Gedanken machen. Deswegen bin ich auch froh, dass wir die Ergebnisse der EnqueteKommission „Jugend und Politik“ mit in die Arbeit einbeziehen und in den Gesamtkontext von Beteiligungsmöglichkeiten stellen wollen.
Im Übrigen halte ich in diesem Zusammenhang für absolut konsequent, das Wahlrecht auf 16 Jahre abzusenken, wie wir es in der Koalitionsvereinbarung festgelegt haben. Ich hoffe sehr, dass wir auch dazu eine große Mehrheit im Parlament finden.
Ich komme zum zweiten Punkt, dem Stichwort „Bürgerhaushalt“. Ich halte diesen für ein sehr gutes Instrument, um die Bürgerinnen und Bürger gerade in Zeiten, in denen gespart werden muss – Frau Kollegin Schellhammer hat es auch schon angesprochen – zu beteiligen. Es gibt durchaus unterschiedliche Meinungen und unterschiedlich erfolgreiche Beispiele.
Bonn – das konnte man in der letzten Woche auf der Zugfahrt nach Berlin lesen – gehört sicher zu den weni
ger guten Beispielen; denn dort ging es zum Schluss nur noch um die wöchentliche Blumenlieferung in das Büro des Oberbürgermeisters. Ich denke, das sind Beispiele, aus denen man lernen kann. Man muss sich genau ansehen, was nicht gut gelaufen ist. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir davon eine ganze Menge lernen können.
Bonn macht aber auch deutlich – auch das ist schon mehrfach angesprochen worden –, dass wir uns über die Kosten der Bürgerbeteiligung unterhalten müssen; denn es ist klar, dass es diese nicht zum Nulltarif geben kann. Wenn Entscheidungen dann eine größere Legitimationsbasis haben, ist es das wert.
Ich komme zum dritten Punkt. Für mich ist die soziale Dimension von Beteiligung ganz wichtig; denn hier geht es um die Kernfrage, wie wir es schaffen, dass diejenigen, die sich abgehängt fühlen, in Gestaltungsprozesse einbezogen werden und sich auch selbst einbringen können. Teilhabe und Beteiligung darf nicht nur ein Instrument für einige wenige Privilegierte sein – das hat Herr Kollege Lammert sehr ausführlich dargelegt –, wie das zum Beispiel in Hamburg bei der gescheiterten Schulreform der schwarz-grünen Regierung passiert ist.
Damals war es so, dass sich diejenigen, die meiner Meinung nach zweifelsohne am meisten von der Reform profitiert hätten, an der Entscheidung nicht beteiligt haben. Auch aus solchen Prozessen und solchen Ergebnissen müssen wir lernen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir setzen mit der Enquete-Kommission das Signal, dass wir Beteiligung nicht nur als Abstimmung über von Parlamenten und Räten getroffene Entscheidungen insbesondere über Großprojekte verstehen. Wir verstehen Bürgerbeteiligung als Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Entscheidungsprozesse, weil wir davon überzeugt sind, dass die Akzeptanz von Entscheidungen dann deutlich größer ist. Das hat nicht zuletzt auch die Bürgerbeteiligung bei der Kommunal- und Verwaltungsreform gezeigt. Darauf können wir aufbauen. Ich freue mich auf die Arbeit in der Kommission.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir uns heute in diesem Haus über die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Aktive Bürgerbeteiligung für eine starke Demokratie“ unterhalten, darüber diskutieren und diese auch gemeinsam beschließen werden.
Wir sind erst am Beginn dieses Prozesses neuer Beteiligungsformen, offener Diskussionen und Dialoge mit den Bürgerinnen und Bürgern und allem, was dazugehört. Momentan ist es – Frau Kollegin Schellhammer hat es schon angesprochen – in unserem Land mit der Bürgerbeteiligung noch nicht allzu weit bestellt. Von dem, was im Antragsentwurf schon dargelegt wurde und gut zu lesen ist, war in den letzten Wochen und Monaten wenig zu spüren.
Es geht an allen Ecken und Enden darum, weniger die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Wollt ihr eine Brücke, wie steht es um eure Verbandsgemeinde, oder was brennt euch sonst unter den Nägeln? Das ist alles noch meilenweit von dem entfernt, was wir in der Enquete-Kommission besprechen wollen. Sei’s drum! Wir stehen erst am Anfang dieses Prozesses und werden in der Enquete-Kommission sicher einiges hören, was man in diesem Land deutlich verbessern kann.
Ein Punkt wird sicher sein, wie das Internet zur Informationsgewinnung und zu solchen Diskussionsprozessen beitragen kann. Open Data und Onlinebeteiligung sind schon als Stichpunkte im Einsetzungsantrag genannt worden. Wir können auch in diesem Haus etwas lernen und müssen uns an die eigene Nase fassen; denn das, was der Landtag im Moment an Einbindung und Information für die Bürgerinnen und Bürger bietet, gleicht einer Einbahnstraße und noch nicht einmal einer, die sonderlich gut ausgebaut ist. Die Möglichkeit der OnlinePetition sei an der Stelle ausdrücklich ausgenommen.
Meine Damen und Herren, die CDU hat schon vor der Wahl ein Konzept zur aktiven Bürgerbeteiligung vorgelegt. Wir haben darüber diskutiert und es der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein wichtiger Punkt dabei ist auch der Abbau bürokratischer Hemmnisse. Dabei geht es nicht nur um Quoren, die man braucht, oder wie lange eine Unterschriftenliste sein und wo sie ausliegen darf. Es geht auch nicht nur darum, dass man lernen muss, mit Bürgerbeteiligungsmodellen, wie das Frau Kollegin Machalet richtig gesagt hat, umzugehen und sie zu erlernen. Es geht darum, dass man Menschen eine Chance geben muss, Prozesse so zu gestalten, dass normale Menschen die Möglichkeit haben, sie zu verstehen und sich aktiv daran zu beteiligen.
Das wird nicht bei allen politischen Fragen auf Anhieb gelingen. Es gibt auch Sachverhalte, die sehr kompliziert und nicht mit einem Ja oder Nein zu beantworten sind. Nicht jede Aufstellung eines Bebauungsplans mit seinen Beteiligungen öffentlicher Träger und Tausenden behördlicher Stellungnahmen muss so kompliziert gemacht sein, dass nicht einmal aktive und langjährige Ratsmitglieder die Möglichkeit haben, alles im Einzelnen nachzuvollziehen.
Bürgerbeteiligung muss ein ernst gemeintes Angebot sein. Wenn die Menschen mitdiskutieren und Vorschläge machen wollen, dann müssen sie auch Gelegenheit haben, die Sachverhalte, um die es geht, zu verstehen. Es ist eine große Herausforderung für uns, das so zu
Internet, Transparenz, faire Verfahren, Quoren, Verfahrenswege – all das in Zeiten knapper Kassen zu schaffen, wird nicht einfach. Es gibt nicht mehr zu verteilen. Es besteht auch die Gefahr, dass sich bei manchen Angeboten eine Art Mitbestimmungselite – so hat es „DIE ZEIT“ genannt – herausbildet, die dann für ihre eigenen Interessen kämpft und vielleicht das große Ganze aus dem Auge verliert.
Ein Beispiel kann die Abstimmung über die Hamburger Schulstrukturreform sein, die nicht so abgelaufen ist, wie sie auf breiter Basis im Parlament diskutiert worden ist.
Das sind aber alles Dinge, über die hier nicht zu entscheiden ist, sondern die zunächst einmal in der Enquete-Kommission zu diskutieren sind. Ich freue mich auf diese Diskussion, bei der der Weg der Diskussion schon ein großes Stück des Ziels ist.
Meine Damen und Herren, wir werden die Demokratie in der Enquete-Kommission mit Sicherheit nicht neu erfinden, aber wir werden sie weiterdenken. Dabei geht es um eine repräsentative Demokratie, die durch aktives bürgerschaftliches Engagement unterstützt und am Ende gestärkt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir stimmen über den Antrag „Einsetzung einer Enquete-Kommission ‚Aktive Bürgerbeteiligung für eine starke Demokratie‘“ – Drucksache 16/331 – ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/310 –
Zunächst ist der Antrag durch die antragstellenden Fraktionen zu begründen. Wer meldet sich dafür zu Wort? – Frau Kollegin Anklam-Trapp hat das Wort. Es wurde eine Grundredezeit von zehn Minuten vereinbart.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die aktuell in Deutschland geführte Diskussion in der gesamten Bevölkerung ist zu gut 70 % auf pro Mindestlohn ausgerichtet. Die meisten Menschen in unse
rem Land wollen, dass man für seine Arbeit guten und angemessenen Lohn erhält. Derzeit trifft die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro auf rund 1,3 Millionen voll erwerbstätige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zu. Dies sind in unserem Land sogenannte Aufstocker. Insgesamt arbeiten in Deutschland ungefähr 5 Millionen Menschen im Niedriglohnbereich, und zwar von der Hand in den Mund.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn ich diese Zahlen vortrage, hinter denen sich jeweils ein menschliches Schicksal verbirgt, macht sich bei mir selbst ein Gefühl des Fremdschämens breit, weil von der Politik dem bisher kein Riegel vorgeschoben wurde und für eine Umsetzung bisher eine schwarz-gelbe Mehrheit in Berlin fehlt. Besonders davon betroffen sind die Frauen. Klar ist, dass die, die heute im Erwerbsleben zu wenig verdienen, um leben zu können, morgen von ihrer Rente nicht werden existieren können. Diese Schieflage ist überdeutlich. Deshalb brauchen wir aus der Sicht der SPD-Fraktion eine eingezogene Lohnuntergrenze von 8,50 Euro, um Lohndumping zu verhindern.
Dieser aktuellen Diskussion hat sich in den vergangenen Tagen die CDU Trier-Saarburg angeschlossen. Dies wurde von den Landtagskollegen Arnold Schmitt, Adolf Weiland aus dem Kreis Mayen-Koblenz und Wolfgang Reichel aus Mainz mitgetragen. Ich suche gerade Herrn Kollegen Reichel, aber er ist im Moment leider nicht im Plenum.
Dieses positive Umdenken erlebten wir, wenn ich mich richtig erinnere, bereits im Jahr 2007. Ich verfolgte damals mit vielen Kolleginnen und Kollegen eine Rede von Michael Billen, der sich damals schon klar in der Form positionierte, dass jemand von dem, was er verdient, auch tatsächlich leben können muss.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete oder besser sehr geehrte Herren Abgeordnete – die Damen fehlen da noch ein bisschen –, für Ihren persönlichen Einsatz sind wir Ihnen dankbar und begrüßen es ausdrücklich, dass Sie Ihre Meinung in Rheinland-Pfalz – ich hoffe, das wird auch deutlich auf dem Parteitag der CDU im November der Fall sein – überdacht haben. Genauso haben Sie, meine Damen und Herren von der Union, in der Ihnen verbleibenden Regierungszeit Positionen bei der Bildung und bei Energiefragen überdacht und umgesteuert.
Liebe, sehr geehrte Frau Klöckner, teilen Sie uns doch heute Ihre klare Position zum Thema „Mindestlohn“ mit. Darauf freuen wir uns. Das würden wir genauso gerne hören wie wir Ihr freundliches Lächeln sehen.
Für was steht die CDU-Fraktion? Ich gebe einmal einen kurzen Rückblick auf die Positionen der CDU, die im Parlament ausgesprochen wurden und auf die ich mich beziehen darf. Der damalige Fraktionsvorsitzende der CDU Christian Baldauf sprach in der Debatte im Jahr 2007, die ich nachgelesen habe: Ein flächendeckender,
über ganz Deutschland hinweg festgesetzter gesetzlicher Mindestlohn würde zur Chancenlosigkeit der niedrig Qualifizierten führen. Sie würden von der Teilhabe ausgeschlossen. Hunderttausende von Arbeitsplätzen würden gefährdet, und das würde Schwarzarbeit nach sich ziehen. –