Protocol of the Session on May 26, 2010

Für die Landesregierung hat nun Herr Ministerpräsident Kurt Beck das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es mehr als angemessen ist, über ein Thema, das die Menschen so sehr umtreibt wie wenig anderes, in diesem Parlament zu debattieren, nachdem innerhalb von kürzester Zeit, in den letzten zwei Wochen, doch Entscheidungen zu treffen waren, die Deutschland insgesamt tangieren und die sich über Dimensionen erstrecken, die sich für Deutschland auf rund 170 Milliarden Euro als Garantiegrößenordnung belaufen.

In den letzten Tagen – es wird Ihnen nicht anders gegangen sein als mir – wird man vielfach angesprochen von Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere auch von älteren Menschen, die ihre Sorge äußern, eine Sorge, die sich aus der Erfahrung eines Währungsschnittes speist, den sie erleben mussten, und die natürlich vor dem Hintergrund dieser komplexen Materie noch stärker besorgt sind, ob sie noch einmal erleben müssen, dass das, wofür sie gearbeitet haben, wieder infrage gestellt wird. Dies ist eine zentrale Sorge, die sicherlich die Menschen überall in Europa umtreiben würde, wenn man die Gelegenheit hätte, in ähnlicher Weise unmittelbar mit ihnen zu sprechen.

Es ist wohl wahr, dass wir uns bei einer solchen Gelegenheit der Bedeutung und der Chance einer europäischen Zusammenarbeit bewusst bleiben müssen. Dies ist eine Riesenchance für Frieden und Freiheit, aber auch für ökonomische und ökologische Fortschritte und für die Handlungsfähigkeit auf diesem europäischen Kontinent, der viele Nationen, aber eine relativ überschaubare Fläche umfasst, wenn man es einmal mit anderen Kontinenten vergleicht. Es ist natürlich eine Herausforderung an uns alle, die politischen Gegebenheiten so mitzugestalten, dass die soziale Dimension, das heißt das, was den Menschen in Europa dient, auch vernünftig organisiert wird.

Dass es eine große Entscheidung gewesen ist, eine gemeinsame Währung zu schaffen, davon bin ich nach wie vor überzeugt. Dass es zum Beispiel – um nur die Transferkosten von früher, also um nur die Geldtauschkosten von früher einmal zu betrachten – die Bundesrepublik Deutschland und natürlich die Wirtschaft und die Menschen rund zehn Milliarden im Jahr kosten würde, wenn wir noch getrennte Währungen hätten, sei nur ein Beleg dafür, dass es in vielfältiger Weise Bedeutung hat, in diesem Raum eine gemeinsame Währung zu haben. Daran kann es keinen Zweifel geben.

(Baldauf, CDU: Das sehe ich auch so!)

Deshalb wäre es auch ein seltsamer Stil, wenn wir uns wirklich gegenseitig unterstellen würden, dass diese Grundüberzeugungen dadurch infrage gestellt werden, dass man Antworten auf eine Krisensituation unterschiedlich bewertet. Das möchte ich zunächst einmal deutlich machen.

Ich möchte zum Zweiten unterstreichen, dass sich die Landesregierung immer dafür eingesetzt hat, alles zu tun, um dieser Überzeugung gerecht zu werden, auch

dort, wo es gilt, Entscheidungen zu treffen, die helfen können, eine Währung mit zu stabilisieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen aber auch, dass wir alles andere als in der Lage wären, heute zu behaupten, dass wir am Freitag vergangener Woche im Deutschen Bundestag und im Deutschen Bundesrat zum letzten Mal solche stützenden Maßnahmen ergreifen mussten.

Sie wissen, dass international höchst angesehene Persönlichkeiten von deutlich größeren Notwendigkeiten sprechen, um auf Dauer Absicherungen des Euro zu schaffen. Deshalb finde ich, verbietet sich ein allzu forscher Ton in diesem Zusammenhang. Es ist eher die Sorge angebracht, die der Präsident der BaFin geäußert hat, als er im Deutschen Bundestag bei der Anhörung geredet hat. Jochen Sanio hat dort gesagt: Eigentlich müsste einem blümerant sein. Mir ist auch nicht gut. –

Das ändert nichts daran, dass man trotzdem handeln muss. Aber mit dem Brustton der Überzeugung jetzt hier zu sagen, wie konntet ihr denn nicht mit zwei Füßen auf die Lösungsansätze, die dort geboten werden, aufspringen, ohne die zweite Seite, nämlich die Vermeidung weiterer Risiken für die Zukunft ausreichend ausgestaltet zu sehen, ist doch ein ziemlich mutiges Unterfangen.

(Beifall der SPD)

Deshalb: Es geht um diesen EU-Schutzschirm.

(Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Man muss ja nicht zuhören. Ich sage trotzdem, wie ich es sehe.

Es geht um diesen EU-Schutzschirm. Ich habe in zwei Reden, also zu der Griechenlandhilfe und auch am vergangenen Freitag zu diesem Schutzschirm im Deutschen Bundesrat, deutlich gemacht – ich habe auch an der Debatte im Deutschen Bundestag teilgenommen –, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung zu dieser Hilfe steht. Ich habe aber deutlich gemacht, dass eine zweite Seite zu dieser Medaille dazugehört. Das ist die, dass wir nicht immer größere Wunden, die uns gerissen werden, und zwar der europäischen Ökonomie und den Staaten und damit den Menschen, schlicht und einfach mit immer größeren Pflastern versuchen zu versorgen, sondern dass wir alles tun müssen, um nicht neue Wunden entstehen zu lassen.

Ohne Frage gehört dazu Haushaltsdisziplin. Das gilt für Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, Irland und für Deutschland.

(Baldauf, CDU: Und für Rheinland-Pfalz!)

Und für uns. Aber, liebe Kollegen von der CDU, ausgerechnet in einer solchen Debatte, in der es um bundesweite und europäische Dimensionen geht, jetzt hier hinzukommen und eine rheinland-pfälzische Debatte zu führen, dazu sage ich, ja, ich stehe dazu, dass wir auch konsolidieren müssen. Wir werden Ihnen das auch beweisen. Ich werde genau wieder erleben, was ich seit 16 Jahren erlebe. Wenn wir Einsparvorschläge machen,

dann sind Sie hinterm Baum. Wenn draußen jemand dagegen protestiert, stehen Sie auf der Wiese und demonstrieren mit. Das wird kommen.

(Starker Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Bracht und Baldauf, CDU)

Ich sag Ihnen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

(Weitere Zurufe des Abg. Bracht, CDU)

Sie sind immer laut, lieber Herr Kollege Bracht. Das weiß ich. Aber Sie konnten nicht einmal einen Haushalt von 1,5 Millionen im Griff behalten und haben sich um ein Drittel verhauen. Also insoweit wäre ich da ganz vorsichtig, anderen über Finanzen Belehrungen geben zu wollen. Da wäre ich ganz vorsichtig.

(Beifall der SPD – Weitere Zurufe des Abg. Bracht, CDU)

Na ja, Sie wissen, was gemeint ist. Wenn man 1,4 Millionen hat und 400.000 gehen einem verloren und man weiß nicht, wo sie sind, und dann stellt man sich hierher und gibt anderen Belehrungen, wie man mit Finanzen umgeht, da wäre ich unter dem Tisch vor Scham, sage ich Ihnen, lieber Kollege. Da wäre ich unter dem Tisch vor Scham und würde nicht so laut rufen.

(Beifall der SPD – Zurufe des Abg. Bracht, CDU)

Ich wollte aber doch in dieser Situation in Erinnerung rufen – das nehme ich für den Haushalt Rheinland-Pfalz für 2008/2009 und erst recht für 2009/2010 in Anspruch, wie wir es im Bund mit akzeptiert haben –, wir haben eine Rekordverschuldung, aber wir haben beim Bund auch eine Rekordverschuldung von 80 Milliarden Euro. Ich werfe es ausdrücklich nicht vor, weil es sich zu einem gerüttelt Maß um konjunkturstützende Maßnahmen gehandelt hat. Aber ich lasse es mir auch nicht hier – im Gegenteil – einfach vorwerfen ohne jede Differenzierung. So geht das nicht, zumindest nicht unwidersprochen.

(Beifall der SPD)

Ja, wir müssen uns dieser Konsolidierungsaufgabe stellen, ja auch zum Zweiten, die Kontrollmechanismen innerhalb der Europäischen Union müssen gestärkt werden. Sie werden sehen, das wird ein schwieriges Geschäft; denn wir alle, die wir auch Parlamentarier sind, werden nicht zustimmen, dass das sogenannte Königsrecht der Parlamente jetzt an einen EUKommissar abgegeben wird und er dann bestimmt, was in den Haushalten stehen darf oder nicht. Aber darüber wird debattiert. Ich erfinde hier doch keine Geschichten.

Wir müssen also einen anderen Weg finden, einen Weg der Transparenz und sicher auch einen Weg, der dann Korridore bestimmt und stärker deren Einhaltung einfordert, als dies bisher der Fall gewesen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte doch ein wenig vor Geschlichtsklitterung warnen. Als es

um den 480-Milliarden-Rettungsschirm für die Banken gegangen ist, da war es nicht so, dass dort nicht der Versuch vom damaligen Finanzminister unternommen worden wäre,

(Zuruf von der FDP)

ja, ich war dabei –, ein Regulierungssystem für die Banken mit hinzuzufügen. Das ist an den internen nicht vorhandenen Möglichkeiten der Bundeskanzlerin, dies bei ihrer eigenen Fraktion so durchzusetzen, gescheitert. Ich möchte es Ihnen nur in Erinnerung rufen. So war es.

(Mertin, FDP: Wir haben trotzdem zugestimmt! Das habe ich gesagt!)

Das ist richtig. Auf die Zustimmung will ich noch gerne kommen, lieber Herr Kollege, wenn Sie wollen, gerne jetzt.

Ich möchte Ihnen auch gar nicht Herrn Schäffler vorhalten. Da steckt man nicht immer drin, wobei es schon ein Meisterstück war, in der größten Krise den Rücktritt von Herrn Trichet zu fordern. Er war immerhin bis dahin Ihr zuständiger Sprecher. Sie haben ihm Vertrauen zugeordnet. Er kann doch kein Hinterbänkler gewesen sein, wenn man so spricht. Er ist es nicht mehr.

(Dr. Schmitz, FDP: Hier und heute nicht! – Mertin, FDP: Was ich davon halte, habe ich ja eben gesagt!)

Ja gut, ich will es ja nur sagen. Man darf es aber in Erinnerung rufen. Bis vor wenigen Wochen hat er die Position der FDP in diesen Fragen vertreten.

Was mich aber mehr befasst, ist: Wie kommen Sie denn dazu, uns hier mit solcher Vehemenz die Tatsache vorzuwerfen, dass wir uns enthalten haben? – Weil dieser zweite Teil, nämlich die Absicherung in die Zukunft hinein, Kontrolle der Banken, eine Abschöpfung von Gewinnen, die niemand wollen kann, nämlich Gewinne, die aus rein spekulativen Geldgeschäften entstehen, die mit Wertunterlegung überhaupt nichts zu tun haben, gefehlt hat, weil man seitens der Berliner Koalition nicht in der Lage war, das in ein Papier zu schreiben und es als Entschließung im Bundestag mit zu vertreten, deshalb hat sich meine Fraktion im Bundestag enthalten.

(Zuruf des Abg. Eymael, FDP)

Herr Eymael, es ist gut, wenn man schaut, wer sich noch enthalten hat.

(Zuruf des Abg. Mertin, FDP)

Dr. Hermann Otto Solms, der Mann, der, wenn es so gelaufen wäre, wie es vielfach betrachtet worden ist, heute auch Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland sein könnte. Das ist ein von mir sehr hoch geschätzter Kollege.

Wenn sich der finanzpolitische Sprecher der FDPFraktion mit einer, wie ich finde, genauso guten Begründung wie es meine, unsere ist, dort der Stimme enthält, dann frage ich Folgendes: Wie kommen Sie dazu zu

sagen, dass eine Fraktion, die insgesamt zu dieser Auffassung kommt, das Gleiche tut, auch mit einigen Ausnahmen, aber im Regelfall das Gleiche tut, dass das, was wir tun, auf einmal verwerflich ist? Wie kommen Sie dazu, mit dieser Verve hier gegen uns zu argumentieren?

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Eymael, FDP – Zurufe von der CDU und FDP: Oh!)

Ja, oh. Nicht immer wie es passt.

Ich will jetzt gar nicht darüber reden, dass in der CDU/CSU-Fraktion – – –