Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dickes, Sie haben mich mit Ihrer Rede gerade eben jetzt etwas verwirrt. Sie haben in Ihrer Rede nämlich nicht oder zum großen Teil nicht über das gesprochen, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben. Sie haben sich sehr wohl und richtig auf die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bezogen. Vielleicht haben Sie aufgrund des Aufschlagens Ihres Antrages vor einigen Wochen bemerkt, dass Sie da ein bisschen daneben gelegen haben und sich deshalb heute in eine andere Richtung orientiert.
Ich möchte deshalb noch einmal auf Ihren Antrag – das, was uns geschrieben als Landtagsdrucksache vorliegt – zurückkommen und mich vor allen Dingen jetzt erst einmal auf die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und den Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung dieser UN-Konvention in meinem Redebeitrag beschränken, weil die UNKonvention Barrieren in der Gesellschaft in den Blick nimmt und die strukturelle Ausgrenzung behinderter Menschen verhindern will.
Sie will das Recht auf gesellschaftliche Einbeziehung stärken. Sie überwindet den defizitorientierten Ansatz von Behinderung zu einem Ansatz, der an Vielfalt orientiert ist und zu einem selbstverständlichen Miteinander führen will. Leider geht die Intention dieser UNKonvention aus Ihrem schriftlich vorgelegten Antrag nicht hervor. Im besten Fall deklassieren Sie dort die UN-Konvention zum bloßen Impulsgeber. Der CDUAntrag ist nämlich davon geprägt, das Anderssein in einer längst überholten Struktur zu zementieren. Gerade das wollen wir nicht.
Im Gegenteil, wir begrüßen, dass die Landesregierung als erstes Bundesland ein Jahr nach der Ratifizierung der UN-Konvention einen Aktionsplan zur Umsetzung der Ziele dieser UN-Konvention vorgelegt hat und dies in einem breiten Beteiligungsprozess mit vielen Gruppierungen und gesellschaftlichen Gruppen diskutiert wurde und übrigens auch mit dem von Ihnen in Ihrem Antrag geforderten Expertenrat bereits diskutiert worden ist.
Dieser Aktionsplan soll helfen, die Ziele schrittweise umzusetzen. Der Politikbereich der Bildung nimmt dabei einen sehr wichtigen Platz ein. Sie gehen in Ihrem Antrag auf die Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf ein. Das sind in Rheinland-Pfalz 4,4 % der Schülerinnen und Schüler. Das ist einer der niedrigsten Werte aller Bundesländer. Individuelle Förderung ist eine ganz wichtige Säule rheinland-pfälzischer Bildungspolitik. Deshalb kann sich Rheinland-Pfalz im bundesweiten Vergleich auch heute schon als eines der Länder sehen lassen, denen es am
ehesten gelingt, Kinder in der Regelschule zu integrieren. Daran wollen wir weiter arbeiten. Lebenslang lernen soll gemeinsam stattfinden. Das ist unsere Vision.
Deshalb wird die inklusive Bildung weiter ausgebaut und nicht, wie in Ihrem Antrag beschrieben, der Sonderstatus betont. Für uns ist entscheidend, was die Eltern möchten und was für das Kind gut ist. Für uns ist auch wichtig, dass die inklusive Bildung von Anfang an ab dem Alter von null stattfindet, und zwar mit allen an Bildung und Erziehung beteiligten Personen.
Dazu gehören neben dem Ausbau von weiteren integrativen Kindertagesstätten, Krippen und der Frühförderung auch die Verankerung inklusiver Bildung in den Bildungserziehungsrichtlinien sowie die Verankerung von sonderpädagogischen Inhalten in der Ausbildung und Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern. Das gilt genauso beim Ausbau der Schwerpunktschulen und der Lehreraus- und -weiterbildung. Der Verankerung von sonderpädagogischen Inhalten bei der Lehrerbildung in allen Schularten kommt eine besondere Bedeutung für die individuelle Förderung von unterschiedlichen heterogenen Lerngruppen zu.
Um diese Ziele des Ausbaus inklusiver Bildung zu erreichen, ist es wichtig, das Netz von Schwerpunktschulen – wie gesagt – in allen Schularten auszubauen. Die Erfahrungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass der Mix aus einem Angebot von Förderschulen und Schwerpunktschulen dazu geeignet ist, diese Aufgabe individueller Förderung qualifiziert zu lösen.
Klar sein muss aber auch, qualifizierte Förderschulangebote müssen erhalten bleiben, wenn Eltern von betroffenen Kindern dieses Angebot wünschen und brauchen. Wir wollen keine Ausweitung des Systems der Förderschulen. Dem Elternwillen kommt für die gewünschte Zielvorstellung zur Beschulung ihres Kindes eine hohe Bedeutung zu, wobei seitens der Schulaufsicht versucht wird, auch diesen Elternwillen umzusetzen, was auch immer abhängig von der Zahl der wohnortnah vorhandenen Plätze an Schwerpunktschulen ist.
Unser Ziel ist es, dass Eltern künftig wählen können, ob ihr beeinträchtigtes Kind an einer Regelschule oder an einer Förderschule unterrichtet wird. Dem Elternwillen oder Schülerwillen des beeinträchtigten Kindes entsprechend muss auch ein begleiteter Wechsel zwischen
diesen beiden Systemen möglich sein. Wir wollen gerade mehr Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, an Schwerpunktschulen und damit an Regelschulen unterrichtet zu werden. Dass das anders ist als bei dem von der CDU gewünschten Modell, zeigt sich auch an den Forderungen der CDU nach einem gesonderten neuen Schulabschluss. Einmal ganz abgesehen davon, dass dieser gesonderte Schulabschluss in einer besonderen Form der Berufsreife schon heute für alle Kinder möglich ist, die die Berufsreife erlangen, muss es aber das Ziel sein, mehr Kindern einen Schulabschluss, eine Berufsreife und eine Berufsausbildung zu ermöglichen und die Zahl der Kinder ohne Abschluss drastisch zu reduzieren.
Dahin gehen die Bemühungen des Landes sowohl im allgemeinbildenden Bereich als auch im berufsbildenden Bereich. Neben dem Ausbau der Schwerpunktschulen gehört dazu natürlich auch die Weiterentwicklung dieses Schwerpunktschulkonzepts. Dabei wird es zu einer verstärkten Kooperation zwischen Regelschule und Förderschule kommen. Der Weg kann zu einem Förderschulkompetenzzentrum, einer stärkeren Vernetzung der Schularten und dem Transfer sonderpädagogischer Kompetenz hinführen.
Es ist wichtig, dass in den Schwerpunktschulen die Ausstattung stimmt, und zwar sowohl personell als auch räumlich, sachlich und organisatorisch. Die Stundenzuweisungen im personellen Bereich werden derzeit bereits verändert und sollen künftig pauschalisiert zugewiesen werden, sodass die Entwicklung dieser Schulkonzepte weiter unterstützt wird.
Natürlich ist es wichtig, dass Förderschulen künftig auch Ausbildungsschulen sein sollen, im Fach Bildungswissenschaften die sonderpädagogischen Aspekte eine besondere Berücksichtigung und besondere Stellung bekommen und den Elternwünschen zum integrativen Unterricht Rechnung getragen wird sowie auch die Umsetzung und Auswertung all dieser Dinge im Rahmen eines Gutachterportals weiterentwickelt werden.
Der Vision von einem lebenslangen gemeinsamen Lernen zu einem selbstverständlichen Miteinander wollen wir auch durch eine verbesserte Anschlussorientierung und die Ausweitung des sogenannten Normalisierungsprinzips näherkommen. Die neuen Regelungen in der Grundschulordnung, dass alle Schulneulinge an der zuständigen Grundschule angemeldet werden sollen, sind dazu wichtige Beiträge.
Es gibt also noch viel zu tun auf dem Weg zu einem gemeinsamen lebenslangen Lernen. Unsere Haltung ist ganz klar eine andere als die Ihre.
Wir wollen eine inklusive Bildung orientiert an dem Aktionsplan der UN-Konvention. Wir sehen, dass Sie das erschreckend anders interpretieren, als wir das tun. Wir werden also einen Alternativantrag einbringen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen stellt die Vielfalt und die Individualität von Menschen in den Mittelpunkt. Sie will durchsetzen, dass Menschen mit Behinderungen künftig nicht mehr durch den Staat in ihren persönlichen Freiheiten und in ihrer vollen gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt werden. Weil wir alle in diesem Haus dieser Menschenrechtskonvention uneingeschränkt zustimmen, hat sich der rheinland-pfälzische Landtag im Januar 2008 einstimmig für die Ratifizierung und auch für die Einbeziehung der Verbände behinderter Menschen in den weiteren Prozess der Umsetzung der Konvention ausgesprochen.
Nach meinen Informationen – ich sage ganz offen, ich habe auch einmal bei unserer Bundestagsfraktion angerufen – ist die rheinland-pfälzische Landesregierung im Moment wohl die einzige Landesregierung bundesweit, die einen konkreten Aktionsplan zur Umsetzung der UNKonvention vorgelegt hat. Sie war bei dieser Aufgabe nicht nur schnell, sondern meines Erachtens auch sehr konkret.
Die UN-Konvention fordert nicht nur bessere Bildungs- und Teilhabechancen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, sondern auch ein Recht auf inklusive Bildung. Hier hat der Aktionsplan der Landesregierung bereits recht konkret formuliert, wie eine solche inklusive Bildung schrittweise vor dem Hintergrund der aktuellen rheinland-pfälzischen Strukturen vom Kindergarten bis zur Universität fortentwickelt und gestaltet werden kann.
Im schulischen Bereich setzen Sie vor allem auf den Ausbau von Schwerpunktschulen. Dieser Weg erscheint sinnvoll. Das wird im CDU-Antrag auch nicht bestritten. Wir müssen nämlich nicht nur dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche ein Recht auf die persönliche Bildung in einer Regelschule haben, sondern dass auch die entsprechenden Rahmenbedingungen und Ressourcen dort vorgefunden werden, die sie zu ihrer persönlichen För
Rheinland-Pfalz verfügt wie andere Bundesländer auch über ein gewachsenes System von Förderschulen. Dort ist die Kompetenz nach wie vor zentral angesiedelt. Es gibt die unterschiedlichsten Förderschwerpunkte. Man hat sich hier bisher in hohem Maße auf die Sicherung von Bildungschancen für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen spezialisiert. Auf dieses Know-how will man natürlich auch weiter zurückgreifen. Man möchte auch diese speziellen Förderräume nicht auf einen Schlag für die Kinder und Jugendlichen zunichte machen.
Deshalb macht es Sinn, zum einen Förderschulen zu erhalten und zum andern aber auch Kompetenzzentren aufzubauen. Sie sollten dann natürlich nicht nur die jeweiligen Schwerpunkte in der jeweiligen Region, die dort zufällig vorhanden sind, beinhalten, sondern darüber hinausgehend Personen, die umfassend beraten können, auch die Schulen im regionalen Umfeld beraten können.
Ich meine, wir stehen vor der strukturellen Aufgabe zu sagen, man braucht tatsächlich eine regionale Beratung und dort die Möglichkeit, Lehrerinnen und Lehrer nicht nur auf diese Aufgaben vorzubereiten, sondern möglicherweise im Prozess des Aufbaus von Schwerpunktschulangeboten zur Verfügung zu stehen, um zu beraten und um auch mit den Akteuren in den jeweiligen Schwerpunktschulen dafür zu sorgen, dass ein förderliches und angenehmes Klima für die Schülerinnen und Schüler hergestellt wird, die in diese Schule kommen. Insgesamt müssen die Prozesse positiv gestaltet werden.
Ich meine, man kann strukturell noch etwas daran arbeiten, dass man noch stärker auf die vorhandenen Kompetenzen zurückgreift und das regionaler organisiert. Das ist eine Idee, die mir gekommen ist, als ich den Antrag der CDU-Fraktion las, der leider an der Stelle auch nicht viel konkreter wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Teilen baut der Antrag der CDU-Fraktion sinnvoll auf dem auf, was der Aktionsplan bereits vorsieht. Zu anderen Teilen meine ich, da hätten Sie etwas konkreter werden können. Wenn Sie sagen, die Entscheidung über den Lernort ist eine gemeinsame partnerschaftliche Aufgabe von Eltern, Förderpädagogen und Vertretern der Regelschulen, ist das in den Fällen schön, in denen man sich gemeinschaftlich über den richtigen Lernort einigen kann und da ein gemeinsames Interesse formuliert. Problematisch wird es dann, wenn sich die aufnehmende Schule, die Förderpädagogik und die Eltern nicht einig sind. Dann müssen wir meiner Meinung nach als Politik und auch als Staat formulieren, wer die Entscheidung trifft. Da muss man dann auch den Mut haben zu sagen, wenn ich etwas vorschlage, sage ich, wer an dieser Stelle die Entscheidung treffen soll.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie zu einigen Punkten insgesamt konkreter werden. Meine Redezeit ist jetzt auch zu Ende. Ich finde es deshalb sehr gut, dass Sie zu diesem Thema eine Anhörung beantragen werden.
Dann werden wir mit Sicherheit gemeinsame Wege finden können, weil ich meine, in der Grundtendenz stehen wir im Landtag zu dieser Frage zusammen. Keiner möchte etwas abschaffen, was gewachsen vorhanden ist und den Kindern zugute kommt, aber wir wollen die Dinge weiterentwickeln.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte mich sehr herzlich für die überwiegend doch sehr abgewogenen Ausführungen bedanken. Ich meine, dass es um ein wichtiges Thema geht. Es ist schon gesagt worden, dass die UN-Behindertenrechtskonvention in diesem Haus nicht nur frühzeitig, sondern auch einstimmig unterstützt wurde. Allen musste klar sein, dass das für die Bildungsdebatte bundesweit und auch in Rheinland-Pfalz einen neuen starken Anstoß geben würde.