Protocol of the Session on March 18, 2010

Meine Damen und Herren, es ist vergesellschaftet mit der Diskussion um Hartz IV, Herr Kollege Hartloff; denn Hartz IV definiert den Mindestlohn sogar ohne Arbeit.

(Hartloff, SPD: Hartz IV definiert doch keinen Mindestlohn!)

Die Landesregierung hat auf eine Anfrage unserer Fraktion zum Lohnabstandsgebot ausgeführt, dass in etwa in der Landeshauptstadt Mainz der Lohnabstand gewährleistet ist bei einem Einkommen von 14,63 Euro. Das hat man herangezogen, um in etwa das Lohnabstandsgebot in Mainz bei den hohen Kosten der Unterkunft zu gewährleisten.

Dass das keine Relation sein kann für einen gesetzlichen Mindestlohn, ich glaube, das leuchtet sogar Ihnen ein.

Das ist die Problematik. Das ist das Dilemma: Wenn der Mindestlohn zu hoch ist, dann wird er Arbeitsplätze vernichten.

(Beifall der FDP und der CDU – Hartloff, SPD: Wenn der Mindestlohn 15 Euro beträgt, vernichtet er Arbeitsplätze?)

Die Hans-Böckler-Stiftung, die sicher frei vom Vorwurf ist, zu weit rechts zu stehen, schreibt – das ist das angekündigte Zitat –: Offensichtlich gibt es Spielräume für die Festsetzung von Mindestlöhnen, sodass negative Beschäftigungseffekte erst bei Überschreitung eines bestimmten Niveaus erfolgen. –

(Hartloff, SPD: Traurig, aber das ist Wissenschaft!)

Aha, hollaho.

Das wird also nicht bestritten. Wenn ich den Mindestlohn zu hoch ansetze, dann hat er negative Beschäftigungsaspekte. Das ist unumstritten.

Setze ich den Mindestlohn zu niedrig an, dann habe ich das Problem, dass er mir nicht hilft,

(Eymael, FDP: So ist es!)

dass er aus der vollzeitigen Arbeit eben nicht den Lebensunterhalt garantiert. Wenn das so wäre, bräuchten wir die Aufstockung in Hartz IV ja nicht, die – ich wiederhole mich – den Mindestlohn de facto definiert.

Meine Damen und Herren, noch ein letzter Satz: Mindestlohn versus Lohnzuschüsse versus Kombilohn.

Sie sind doch überall und immer mit dabei gewesen: Vom Mainzer Modell über die Kurzarbeit bis hin zum Kommunal-Kombi-Modell

(Glocke des Präsidenten)

ich komme zum Schluss –,

wo Aufstockersysteme aus pragmatischen Erwägungen heraus installiert wurden. Dies sind doch die Systeme, die keine Arbeitsplätze vernichten. Von daher widersprechen Sie sich im Grunde genommen selbst.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat nun Herr Ministerpräsident Beck.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin daran gewöhnt, dass man mir so manches unterstellt. Aber dass es in dieser Frage von meiner Seite missverständliche Äußerungen gibt, kann mir wirklich niemand ernsthaft unterstellen.

(Beifall der SPD)

Dass man zum Mindestlohn unterschiedlicher Meinung sein kann, ist eine ganz andere Frage. Aber die CDU behauptet, ich würde versuchen, mir irgendwo eine andere Basis aufzubauen. Dass dies auch noch von Ihnen so betont worden ist, Herr Dr. Schmitz, ist wirklich eine Unredlichkeit, wie ich sie selten erlebt habe.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Ich möchte Ihnen noch einmal vorlesen, was ich in diesem Interview gesagt habe, und ich stehe zu jeder Zeile. Wer meine Worte so fehlinterpretiert, wie Sie es getan haben, der soll seine Interpretation aufrecht erhalten und soll einmal irgendeinem Menschen, der halbwegs Deutsch versteht, erklären, wie Sie zu einer solchen Behauptung hinsichtlich meiner Positionen kommen.

Ich zitiere wörtlich:

In dem Artikel ist von Herrn Folz gefragt worden:

„Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der von staatlichen Transferleistungen lebt, zum Beispiel von Hartz IV. Das ist das sogenannte Lohnabstandsgebot, das aber in der Praxis kaum umzusetzen ist. Wie ist das Problem zu lösen?“

Meine Antwort:

„Das Problem ist nicht damit zu lösen, dass man den Bedürftigen immer noch weniger gibt, sondern damit, dass wir durch Mindestlöhne denen, die Arbeit haben, einen anständigen Lohn garantieren. Mindestlöhne können es zudem unattraktiv machen, aus bestehenden Tarifbindungen herauszugehen.

Wir wollen ja nicht, dass es überall Mindestlöhne gibt; darum geht es gar nicht. Wir wollen, dass Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer in ihren Tarifbindungen bleiben. Auf diese Weise werden anständige Löhne garantiert.“

Die zweite Frage zu diesem Komplex:

„Selbst ein Mindestlohn von neun oder zehn Euro hilft in einigen Fällen nicht, mehr zu bekommen als ein HartzIV-Empfänger.“

Darauf meine Antwort:

„Wie gesagt, ich will, dass Tarifverträge wieder eine Chance haben. Im Osten Deutschlands ist es längst eine

Lohnspirale nach unten, die im Gange ist. Hier muss eine Decke nach unten eingezogen werden. Die tarifliche Bindung muss wieder Platz greifen und Normalität werden. Mindestlöhne sollen diesen Prozess befördern.“

Ich habe in meinem Leben noch nie eine andere Position vertreten als die, die ich in diesem Artikel wiedergegeben habe. Noch nie in meinem Leben!

(Beifall der SPD – Beifall auf der Zuschauertribüne – Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Frau Thelen, daran gibt es nichts zu deuteln. Ich hatte noch nie eine andere Position dazu, und dies ist eine absolut saubere und ordnungspolitisch einwandfreie Position.

Herr Ministerpräsident, ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie unterbrechen muss. – Von der Tribüne dürfen keine Beifalls- und keine Missfallensbekundungen erfolgen.

Meine Damen und Herren, ich hatte noch nie eine andere Position dazu.

Lassen Sie mich eines deutlich sagen: Ich halte es für eine der großen Grundweichenstellungen der Marktwirtschaften dieser Welt – ich rede nicht von Planwirtschaften oder anderen Wirtschaftsformen –, dass einer der ältesten Anstandsgrundsätze der Menschheit auch weiterhin gilt. Dieser Grundsatz lautet: Wer vollschichtig anständige Arbeit leistet, muss von seiner Arbeit auch leben können. – Wenn wir diese Richtschnur erst einmal verlassen, wenn wir definieren, dass es Arbeiten gibt, die notwendigerweise gemacht werden müssen, die aber ihres Lohnes nicht mehr wert sind, wo kommen wir denn dann am Ende dieses Gedankens hin, meine Damen und Herren?

(Beifall der SPD – Eymael, FDP: Das ist populistisch! Das ist unmöglich!)

Das ist nicht populistisch, es ist eine der Grundwahrheiten, die den Grundüberzeugungen des christlichen Glaubens wie auch jeder anständigen Sozialethik entspricht, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD – Herr Abg. Baldauf, CDU, macht eine Handbewegung)

Herr Baldauf, wenn sich ein Christdemokrat wie Sie bei dieser Gelegenheit zynisch am Kopf kratzt, – – –

(Baldauf, CDU: Woher wollen Sie wissen, dass ich mich zynisch am Kopf kratze?)

Ich möchte darauf verzichten, nun zu zitieren, was Persönlichkeiten wie Nell-Breuning und andere dazu gesagt

haben. Wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen gern die Sozialenzyklika des letzten Papstes einmal zum Lesen zu, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD)