„Leiharbeit nicht für Lohndumping und Abbau von Stammbelegschaften missbrauchen (Eröffnung von Schlecker XL-Märkten in Rheinland-Pfalz)“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/4221 –
In der ersten Runde stehen fünf Minuten Redezeit und in der zweiten Runde zwei Minuten je Fraktion zur Verfügung. Wer meldet sich zu Wort?
Lassen Sie mich zu Beginn feststellen, Leiharbeit ist ein sinnvolles Instrument des Arbeitsmarktes, wenn ihre eigentliche Funktion, nämlich vor allem die kurzfristige Bewältigung von Auftragsspitzen oder Vertretung, beachtet wird. Mit dem Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt aus dem Jahr 2003 sollte die Leiharbeit noch stärker als Instrument für die Wiedereingliederung arbeitsloser Menschen in den Arbeitsmarkt genutzt werden. Wir müssen jedoch feststellen, dass die Leiharbeit zunehmend missbraucht wird, und zwar zum einen für Lohndumping, wenn zum Beispiel durch Tarifverträge Niedriglöhne etabliert werden, und zum anderen, um Stammbelegschaften abzubauen und durch billigere Leiharbeitskräfte zu ersetzen.
Der aktuelle Anlass, aus dem wir heute über dieses Thema diskutieren, ist das neue Geschäftsmodell der Firma Schlecker, welches in den vergangenen Wochen häufig Gegenstand der Presseberichterstattung war. Nach diesem Modell wird eine Vielzahl kleinerer Schlecker-Filialen schrittweise geschlossen, und an anderer Stelle eröffnet der Konzern neue größere XL-Märkte in einer eigenständigen GmbH.
Laut den Gewerkschaften werden durch die Gründung dieser neuen GmbH die bislang geltenden Tarifverträge für den Einzelhandel, nebenbei auch noch die Betriebsräte und der Kündigungsschutz der bislang beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgehebelt, weil das neue Unternehmen die alten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht übernehmen muss. Die Beschäftigten der neuen XL-Märkte verdienen nach Angabe der Gewerkschaft ver.di fast nur noch halb soviel wie diejenigen in den vormaligen kleineren Schlecker-Märkten, weil sie nunmehr als Leiharbeitskräfte beschäftigt werden. Die Stundenlöhne bewegen sich zwischen 6,50 Euro bis 7 Euro. Von Mindestlohn oder etwas in dieser Richtung hat die Firma Schlecker wohl noch nichts gehört.
Bisher mussten sich die Löhne in den Schlecker-Filialen am Einzelhandelstarif orientieren. Das sind im Schnitt 12,71 Euro.
Nebenbei gibt es für die Beschäftigten weniger Urlaubstage, und auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld fallen weg.
Als Partner der Drogeriekette fungiert dabei ein Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, dessen Geschäftsführer ein früherer Personalmanager bei Schlecker ist. Tarifpartner dieser Firma ist wiederum die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen, die inzwischen vom Landesarbeitsgericht Brandenburg für nicht tariffähig erklärt wurde.
Aus der Presse war die für mich sehr zynische Haltung der Drogeriekette Schlecker zu dem Vorwurf „Lohndumping“ zu entnehmen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: Die Arbeitsbedingungen (…) bewegen sich vollkommen im Rahmen des allgemein Üblichen und entsprechen darüber hinaus in jedem Fall den geltenden Bestimmungen. – Das ist der springende Punkt dieser Angelegenheit.
Meine Damen und Herren, das ist unhöflich, was auf allen Seiten des Parlamentes stattfindet. Ich bitte Sie, das einzustellen. Lassen Sie die Kollegin reden.
Es ist skandalös, wie durch Trickserei und mithilfe der sogenannten Christlichen Gewerkschaften von einem Unternehmer wie Schlecker Tarifverträge und Mindestlöhne unterlaufen werden und durch Billigtarife und Lohndrückerei eine Zweiklassengesellschaft in der Arbeitswelt entsteht.
Vergessen wir nicht, selbst bei vollschichtiger Arbeit können die Betroffenen nur über Aufstockungen nach SGB II, also über Hartz IV, überhaupt das Minimum zum Lebensunterhalt erzielen. Das ist für mich Ausnutzung in ihrer verwerflichsten Form.
Der Arbeitnehmer wird zum Sozialfall ohne die geringste Chance auf eine angemessene Entlohnung. Das bedeutet auf der anderen Seite, die Billiglöhne werden subventioniert, und zwar zugunsten der Unternehmen durch den Steuerzahler. Es kostet den Steuerzahlen Millionen, dass Leiharbeiter im Billiglohnverfahren eingesetzt werden.
Der Bundesgesetzgeber ist gefordert, umgehend die notwendigen Korrekturen an der bestehenden Gesetzeslage vorzunehmen, um dem Missbrauch vorzubeugen.
Die Bundesregierung ist gefordert, klar Stellung zu beziehen und zügig einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem solche Geschäftspraktiken wie im Fall Schlecker nicht mehr möglich sind. Die Landesregierung hat ges
tern einen entsprechenden Entschließungsantrag für den Bundesrat vorgelegt. Die SPD-Fraktion unterstützt und begrüßt diese Bundesratsinitiative ausdrücklich;
denn es müssen nicht nur die bereits erwähnten Lücken geschlossen werden, um Lohndumping und die Verdrängung von Stammbelegschaften zu verhindern, sondern es muss wieder gelten, gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Auch für die CDU – sowohl im Bund als auch im Land – ist es ein unsägliches Verfahren, das hier von der Firma Schlecker praktiziert wird. Es ist wirklich Lohndumping und Ausbeutung von Tausenden von Mitarbeitern aus Gründen des Gewinnstrebens in einer Art und Weise, die auch von uns nicht akzeptiert wird.
Sehr geehrte Frau Sahler-Fesel, Sie haben auch noch einmal dargelegt, dass die Zeitarbeit durchaus ein wichtiger Faktor für diese Wirtschaftsentwicklung hier ist. Ich denke, man sollte daran erinnern, 2003 wurde von RotGrün die damals noch im Gesetz befindliche Beschränkung der Zeitarbeit aufgehoben, weil damals auch gesehen wurde, mit diesen Mitteln können wir den nur schwer anspringenden Arbeitsmarkt schneller in Bewegung setzen. Das hat sich als richtig erwiesen. Deshalb wollen wir in jedem Fall eine grundsätzliche Verteufelung der Zeitarbeit vermeiden und lehnen das auch absolut ab.
Wir brauchen die Zeitarbeit als wichtiges Instrument, um den Arbeitsmarkt auch weiter möglichst schnell wieder in Gang zu bringen und den Arbeitgebern Möglichkeiten zu bieten, Produktionsspitzen und saisonale Aufträge aufzufangen und schnell wieder in die Produktion einzusteigen. Wir wissen alle, dass wir etwa 1,5 % Wachstum in Deutschland brauchen, damit wir allein unseren Stand an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern halten, weil das etwa dem entspricht, was wir an Produktivitätsverbesserungen durch unsere qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer wieder erwirken. Wir
wissen nicht erst seit der Krise, wie schwierig es ist, über diese Schwelle hinüber Wachstum zu generieren, aber wenn es uns gelingt, muss es auch sehr schnell seinen Niederschlag im Arbeitsmarkt finden. Deshalb brauchen wir auch die Zeitarbeit.
Allerdings möchte ich noch einmal einige Fakten benennen. Interessanterweise gibt es auch noch andere Unternehmen außer Schlecker, die sich dieses meines Erachtens falschen Systems bedienen, eigentlich eine Art Scheinzeitarbeit etablieren, um zu ihrem Vorteil Lohnkosten zu sparen und aus der Tarifpflicht herauszukommen. Da ist zum Beispiel die Arbeiterwohlfahrt Westliches Westfalen zu nennen – sie gründete eine eigene Zeitarbeitstochter, um Küchenkräfte zu verschieben – oder die „Frankfurter Rundschau“. Die Beilagen werden nach Information des Deutschen Journalistenverbandes jetzt nur noch von der Tochterfirma Pressedienst GmbH geliefert, und mit Sicherheit nicht mehr zu den tariflichen Bedingungen, wie das vorher der Fall war.