Protocol of the Session on December 10, 2009

Wenn Sie sich die Frage der Föderalismusfreundlichkeit und der Kommunalfreundlichkeit dieser vorgeschlagenen Regelung anschauen, kommen Sie mit allen Fachleuten zu dem Schluss, dass es wider diese Ziele läuft, was hier getan wird.

Wenn dann in der Verzweiflung der Situation auf einmal Aufgabenfelder mit aufgerufen werden, die zumindest mit einer sauberen Gegenfinanzierung nichts zu tun haben, indem gesagt wird, wir helfen euch bei der Bildungsfinanzierung, muss man sagen, dass dies absolut gegen das spricht, was gerade die FDP zu Recht eingefordert hat, nämlich eine saubere Trennung der Zuständigkeiten.

Jetzt sollen wieder aus Verzweiflung Mischzuständigkeiten gefördert werden, damit man das eine oder andere Land aus der Ablehnungsfront aller Länder herausbrechen kann. Ich finde, das ist eine bemerkenswerte und sehr grundlegende Fehlentwicklung.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen zweiten Punkt aufrufen, nämlich die Kommunalfreundlichkeit. Wenn das, was die Koalition in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen hat – dies wird von den Partnern unterschiedlich interpretiert –, umgesetzt wird, haben wir für das Land Rheinland-Pfalz bei voller Wirkung der ganzen Entwicklungen 500 Millionen Euro und die Kommunen 200 Millionen Euro per anno weniger in der Kasse.

Zu den Selbstfinanzierungseinwänden, die immer vorgebracht werden, möchte ich Ihnen raten, die Sachverständigengutachten zu lesen. Selbst die kühnsten Annahmen gehen von 20 %, einige ganz wenige von 25 % Refinanzierung aus.

(Zuruf aus dem Hause: 30 %!)

Meinetwegen 30 %. Das habe ich nicht gelesen. Das mag sein. Sie müssen mir einmal erklären, wie wir es in einer Zeit hinbekommen wollen, in der wir uns vorgenommen haben – Grundgesetz – und vornehmen wollen – Änderung der Landesverfassung; wir sind dankenswerterweise über alle Fraktionen hinweg sehr weit –, dass wir diese Schuldenregel einhalten, selbst wenn ich auf der Zeitschiene einmal 30 % Gegenfinanzierung unterstelle. Ich sage Ihnen, das ist nicht zusammenzubringen. Ich bin nicht der Einzige, der das unter den Regierungschefs der Länder so sagt.

Ich komme zum zweiten Punkt. Ist es wirklich eine Wachstumsmaßnahme? Das muss ich nicht genauer untersuchen, weil der Kollege Hartloff argumentativ im Einzelnen darauf hingewiesen hat, welche dieser Maßnahmen nach dem Urteil aller Sachverständigen wachstumsintensiv ist.

Wenn man die einzelnen Interessen betrachtet, handelt es sich um durchaus gewünschte Maßnahmen. Das ist keine Frage. Wenn man aber das Ganze betrachtet, ist von einem Wachstumsimpuls ganz im Sinne der Argumentation von Jochen Hartloff leider nicht zu reden. Ich bitte Sie, das sehr sorgfältig abzuwägen. Das ist nicht die Behauptung der Sozialdemokratie oder von anderen, sondern eine durchgängige Position.

Jetzt haben wir noch konjunkturelle Effekte aufzuarbeiten. Der Auffassung kann man durchaus sein, dass man sagt, das Konjunkturprogramm I und das Konjunkturprogramm II reichen nicht, wir wollen ein Konjunkturprogramm III.

Herr Abgeordneter Schreiner, Sie haben so in etwa argumentiert.

(Schreiner, CDU: Genau!)

Das ist genau falsch. Es ist nämlich auch stehende Meinung, dass ein Programm, das zum 1. Januar beginnen und allenfalls nach Ihren eigenen Absichten – einmal abgesehen von dem ersten Schritt – in den weiteren Schritten erst im Laufe des Jahres 2011 aufgenommen werden soll, wenn ein Aufschwung kommt, mitten in den Aufschwung als Entlastung hineinzielt. Das sagen auch alle Sachverständigen. Erste Wirkungen würden dann in 2011, also mitten im Aufschwung, ein völlig falsches Signal und eine falsche Ausrichtung bedeuten. Das, was Sie dann erst aufnehmen wollen, nämlich einen weiteren Schritt der Steuerentlastung, würde in einem hoffentlich sich stabilisierenden Aufschwung ohnehin keinen Sinn machen.

Sie wissen genauso gut wie ich, dass sich alle einig sind und wir uns auch in der Vergangenheit alle einig waren, dass Konjunkturprogramme zwei Dinge in jedem Fall gewährleisten müssen. Sie müssen zeitnahe Wirkungen entfalten und zeitlich begrenzt sein, weil sie ansonsten die Wirkungen, die man in den konjunkturell schwachen Zeiten braucht, nach aller Überzeugung nicht erfüllen. Das kann bei den Zeitabläufen, die ich aufstelle, nicht unterstellt werden.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrte Damen und Herren, ich will Ihnen mit einigen Passagen aus Auszügen aus dem Sachverständigengutachten vor Augen führen, dass die steuerpolitische Grundannahme wirklich infrage gestellt werden muss, die diesen Überlegungen zugrunde liegt. Ich will auch unterstreichen – Jochen Hartloff hat dies gesagt –, dass wir ernste Zweifel haben müssen, ob die Nachbesserung bei der Erbschaftssteuer, die Sie jetzt vorschlagen, verfassungsrechtlich Bestand haben kann.

Ich habe damals an den ersten Entlastungen im Bereich der Erbschaftssteuer mitgewirkt. Uns hat damals die Bundesregierung entgegengehalten – wir hätten durchaus eine offenere Regelung gewünscht –, das geht nicht, weil der Ausnahmecharakter einer entsprechenden Entlastung bei der Erbschaftsteuer im Einzelnen durch eine andere gleich hohe Besteuerung in der Wertigkeit und den damit zu betrachtenden Gesichtspunkten aufgewogen werden muss. Deshalb sind diese Einschränkungen gekommen, die Sie jetzt aufheben.

Ich will mit Ihnen nicht immer rufen wie die, die zu allem gleich sagen, es sei verfassungswidrig. Dass dieses Bedenken ernst zu nehmen ist, ist nicht meine Erfindung, sondern ist das, was uns entgegengehalten worden ist, als die Regelung, die jetzt verändert werden soll – – – Sie ist vor weniger als zwei Jahren erst ins Gesetz geschrieben worden.

Ich habe gesagt, dass man hinsichtlich der steuerpolitischen Wirkungen große Fragezeichen machen muss.

Erlauben Sie mir, dass ich aus der Pressemeldung des Sachverständigenrats zitiere. Dort ist zu lesen: „Eine Wirtschaftspolitik, die eine konsequente Exit-Strategie vermissen lässt und zu geringe Spielräume für Investitionen in Bildung und Innovation schafft, läuft Gefahr, die Zukunft aufs Spiel zu setzen.“ Dies als Folgerung zu dem, was hier vorgeschlagen ist. Der Sachverständigenrat an anderer Stelle: Steuersenkungsversprechen ohne solide Gegenfinanzierung sind unseriös. –

Deshalb, wir sind nicht gegen Steuerentlastungen. Wir sind auch nicht dagegen zu schauen, ob man nicht im Familienbereich die Menschen entlasten kann. Aber dies muss dann im Steuersystem sauber an anderer Stelle gegenfinanziert sein.

Meine Damen und Herren, die Einnahmebasis darf nicht nach unten weggedrückt werden, sonst werden wir in der Republik den Stabilitätspakt miteinander nicht schaffen.

(Beifall der SPD)

Korrigieren Sie mich, wenn Sie schon einmal deutlichere Worte vom Sachverständigenrat gehört haben als die, die ich jetzt wörtlich zitiere: Er – der Sachverständigenrat – mahnt zu harten Einschnitten statt Tagträumereien, und er warnt vor – wörtlich – finanzpolitischem Harakiri. –

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde, wenn man sich das vom Sachverständigenrat ins Stammbuch schreiben lassen muss, dann können Sie doch nicht erwarten, dass die Länder der Bundesrepublik Deutsch

land und die Kommunen sagen, das, was er macht, ist prima, wir schließen uns dem Harakiri an.

Meine Damen und Herren, wir als Landesregierung nicht.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Weiner, CDU)

Ja.

Dann will ich Ihnen noch zitieren, wie das andere Regierungen in Deutschland sehen.

Es ist nicht so, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung aus parteipolitischen Gründen die Vorreiterspitze einer solchen Auseinandersetzung führt.

Ich will mit dem Hamburger Finanzsenator, Herrn Freytag (CDU) beginnen. Er sagt – das ist nachzulesen in der „Süddeutschen Zeitung“ – wörtliche Rede –: „nicht mit dem Fett der Länder das Kotelett des Bundes braten.“ Das ist ein schönes Bild. Da hat er recht.

Der Fraktionschef der Freien Demokraten in SchleswigHolstein, Herr Kubicki – wörtliche Rede –: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen Steuerentlastungen.“ Wir auch nicht, füge ich ein. „Aber“ – wieder wörtliche Rede – „wir können und wollen sie nicht aus dem Länderhaushalt bezahlen.“ (…) „Deshalb verlangen wir eine Kompensation vom Bund.“ Wir auch, füge ich hinzu.

Lieber Herr Kollege Mertin, wenn der Bund ein sauberes Verfahren wählt, wir im Vermittlungsausschuss einen Ausgleich hinbekommen und der Bund dies als Last alles auf sich nehmen kann – ich zweifle daran –, wenn er das kann, sind wir die letzten, die sich einer Steuersenkung verweigern, aber nicht so herum, wie es jetzt läuft.

(Beifall der SPD)

Der saarländische Finanzminister, auch nicht der sozialdemokratischen Umtriebe verdächtig – wörtlich –: Nicht verkraftbare Einnahmeausfälle, die im Widerspruch zu den Verpflichtungen aus der Schuldenbremse stehen, sind hinzunehmen. –

Ich könnte das fortsetzen, indem ich Herrn Kollegen Tillich zitiere. Ich will es nur mit einem Satz aus seinen Stellungnahmen tun. Tillich, Ministerpräsident in Sachsen – Sie wissen es –, CDU-Ministerpräsident – wörtlich: Steuersenkungen auf Pump halte ich für unverantwortlich. Da müssen wir uns mehr einfallen lassen. –

Dafür, was die Bundesregierung vorhat, sehe ich im Augenblick keinen Spielraum. – „Es muss der Grundsatz gelten: erst rechnen, dann entscheiden.“

Christian Wulff, wenn ich es richtig weiß, nicht unsere Couleur, verwendet für die Pläne – er bezieht seine Kritik ausdrücklich auf die FDP – die Vokabeln – wörtlich – „unseriös, „unverantwortlich“, „Unfug“. Er warnt vor einem – in der „Süddeutschen Zeitung“ und als letztes

Zitat im „Handelsblatt“ vom 19. Oktober dieses Jahres nachlesbar – finanzpolitischen Blindflug.

Meine Damen und Herren, wenn ich diese Zitate als meine Aussage benutzt hätte, der Tumult hier im Saal – – –

(Zurufe von der CDU)

Das müssen Sie doch nicht mir sagen. Ich habe nur zitiert. Ich zitiere zu Recht.

(Zuruf aus dem Hause)

Da haben Sie völlig recht.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann es Ihnen nicht ersparen. Ich rate Ihnen nachzulesen, was die Präsidentin des Städtetages dieser Republik, Frau Oberbürgermeisterin Roth, Frankfurt, (CDU) sagt. Sie fürchtet um die Handlungsfähigkeit der Städte, und sie sagt, das Ziel, ein gutes Angebot bei Bildung, Kultur und Integration zu sichern, etwa durch Jugendclubs, Schwimmbäder und Theater, sei infrage gestellt.

Es ist aber genau unsere zentrale Sorge, dass wir in Kernbereichen der Kultur, der Bildung und des Sozialstaates am Ende unsere Aufgaben nicht mehr werden erfüllen können. Wenn diese Weichen erst einmal falsch gestellt sind, wenn beispielsweise durch die Einbrüche der Einnahmen bei den Kirchen – – – Wenn die Kirchen aus der Trägerschaft von öffentlichen Einrichtungen endgültig herausgedrängt wurden – Sie wissen, wie eng es dort ist –, dann werden Sie diese Strukturen nie mehr verändern.

Meine Damen und Herren, deshalb, nicht aus Tagespolitik, sondern aus der grundsätzlichen Erwägung ist unser Widerstand gegen diese grundfalsche Orientierung der Politik so hart.

(Beifall der SPD)

Ich verzichte darauf zu zitieren, was die „Süddeutsche“ unter Bezug auf das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit ausgesagt hat, weil Herr Kollege Hartloff zu dieser Frage, nämlich zur Wirkungsverteilung in die Gesellschaft hinein, einiges gesagt hat. Es ist eine völlig schiefe Wirkungsverteilung. Es werden die unten und im mittleren Bereich eben nicht stärker entlastet, sondern diejenigen, die diese Entlastung nicht brauchen.