Protocol of the Session on November 11, 2009

Was hat die CDU gemacht? Ruck, zuck hat sie die Bewertungsmöglichkeiten ausgeschaltet. Der geneigte Leser nennt so etwas Zensur, aber wir wollen nicht so streng sein.

Was passierte dann? Das ganze Ding wurde noch einmal eröffnet. Wir probieren’s einfach noch einmal, ob es statt sechs oder sieben Sechsen vielleicht zehn oder zwölf Sechsen gibt. Sie ahnen es schon: Die Noten für Ministerpräsident Beck und die Regierungstruppe waren nicht weniger schlecht, sondern sie waren genauso gut.

Was machte die CDU-Fraktion? Sie nahm die Bewertung aus dem Netz. Der geneigte Leser nennt das jetzt wirklich Zensur. Aber danke schön, lange genug waren die Statistiken eingestellt, sodass die Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz und vor allem die Presse, die dankenswerterweise ausführlich darüber berichtet hat, doch schon sehen konnten, wie die Noten für Ministerpräsident Beck waren.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Das waren die zwei Stufen der Blamage über das Internet. Über die zwei Stufen der Blamage im Internet ist eines klar geworden: Jeder findet diesen „spickmich“Vorwurf lächerlich. Wir hier heute auch, Frau Kollegin.

(Beifall der SPD)

Wie ist denn die Situation? Die Situation ist so, dass es in anderen Bundesländern bereits eine gute Idee gibt. Man entleiht Bücher. Eltern müssen dafür entweder gar nichts oder einen Anteil bezahlen.

Frau Kollegin, diese Situation haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf aufgegriffen. Jetzt kommt das Aparte: Sie haben dann plötzlich behauptet, obwohl es das im Saarland, in Niedersachen und in anderen Bundesländern und in ähnlichen Formen in Hamburg und SchleswigHolstein gibt, Sie hätten das erfunden. Das erinnert einen ein wenig an die Werbung für die Schweizer Bonbons, bei der gefragt wird, wer das wirklich erfunden hat. Frau Kollegin, Sie haben das nicht erfunden. Irgendwann ist Ihnen das auch klar geworden. Sie haben nämlich die Anhörung kommentiert und dazu geschrieben: Die Anhörung hat gezeigt, dass unser System in anderen Bundesländern bereits erfolgreich und unbürokratisch läuft. – Das ist eine aparte Formulierung. Unser

System, neu erfunden, läuft bereits in anderen Ländern erfolgreich und unbürokratisch.

Frau Kollegin, was haben wir gemacht? Das schildere ich jetzt kurz: Wir haben das Rad, das es seit Jahrhunderten und Jahrtausenden auf der Welt gibt – leihen und mieten –, genau wie Sie in anderen Ländern beobachtet und gesagt: Das ist keine dumme Idee. Bevor wir aber dieses Rad benutzen, wollen wir dieses Rad so gut machen, dass es in unserem Land wirklich gut rollt.

Dann haben wir die Punkte, die bei Ihnen leider schwammig oder überhaupt nicht erläutert sind, in unserem Entwurf sehr deutlich formuliert und – das haben wir vorhin gesehen – finanziert, während Sie uns in Ihrem Gesetzentwurf vormachen wollen, das sei alles völlig ohne Geld möglich. Ich darf zitieren. In Ihrem Gesetzentwurf steht, das System sei kostenneutral und verursache somit im Haushalt keine weiteren Kosten. Eine Anschubfinanzierung scheinen Sie auch nicht zu brauchen. Aber ohne sie geht es nun wirklich nicht, Frau Kollegin.

(Zuruf des Abg. Wirz, CDU)

Was steht in unserem Entwurf? In unserem Entwurf wird ganz klar geregelt, wer in den Genuss der völligen Lernmittelfreiheit kommt. In den Genuss völliger Lernmittelfreiheit kommen alle Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen und die unter der gesetzten Einkommensgrenze von derzeit 26.500 Euro liegen. Dieser Wert ist deshalb in einer Verordnung festgelegt – Frau Kollegin, Sie sollten das wissen –, weil er natürlich in den nächsten Jahren überprüft und immer wieder angemessen geändert werden muss.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

In dem Entwurf der SPD ist klar geregelt, dass auch Schülerinnen und Schüler aus den Vollzeit-Wahlschulen im BBS-System an der neuen Lernmittelfreiheit teilnehmen. In diesem System ist klar geregelt, dass der neue Organisationsaufwand nicht wie bei Ihnen auf den Schultern der Lehrkräfte, auf den Schultern der Schulen abgeladen wird. Ich zitiere gleich noch aus dem Gesetz. Vielmehr sollen die Schulträger diese Aufgabe bei voller Finanzausstattung für den Mehraufwand übertragen bekommen. In diesem Gesetzentwurf ist die unausweichlich notwendige Anschubfinanzierung für das gesamte Projekt der neuen Lernmittelfreiheit klar geregelt.

Da Sie schon wieder den Kopf geschüttelt und auch im Ausschuss versucht haben, uns zu erläutern, in Ihrem Gesetzentwurf stehe nicht, die Schulen seien diejenigen, die die Aufgaben zu übernehmen hätten, möchte ich noch einmal aus Ihrem Gesetzentwurf zitieren: „Die Organisation des Leihsystems übernimmt die jeweilige Schule. Zur Organisation erhalten die Schulen Zuschüsse.“ In der Begründung steht: „Die Schulen sind mit der Organisation des schulischen Alltags und der Zusammensetzung und Verhaltensweisen ihrer Schülerschaft vertraut. Dieses praxiserprobte Wissen soll für eine bürokratiearme Regelung der Lernmittelausleihe genutzt werden. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe erhalten sie über den Schulträger gesonderte Zuschüsse vom Land.“ Im Gesetz selbst heißt es in Artikel 1 Absatz 6: „Die

Durchführung der entgeltlichen Lernmittelausleihe erfolgt durch die Schulen.“ Wer von Ihnen jetzt behauptet, die Schulen hätten diese Aufgabe nicht zu übernehmen, hat entweder sein eigenes Gesetz nicht gelesen oder nicht verstanden.

(Schweitzer, SPD: Oder beides!)

Frau Kollegin, bei Ihnen bleibt die Illusion, wir könnten das ohne Geld machen. Jetzt haben Sie sogar das Geld dafür im Haushalt völlig abgelehnt. Bei Ihnen bleibt die Unklarheit, wer in den Genuss der Lernmittelfreiheit kommt. Sie erwähnen die berufsbildenden Schulen nicht, Sie belasten die Lehrerinnen und Lehrer mit einem Entwurf. Dennoch – das will ich betonen, denn wir haben es auch im Ausschuss betont – sind Sie auf dem gleichen Weg, auf dem auch wir uns jetzt, nur sehr viel präziser, bewegen. Sie haben ein Modell gewählt, das andere Bundesländer schon länger erfolgreich gewählt haben. Es ist nicht Ihres, es ist sicherlich auch nicht das der anderen Bundesländer. Schauen Sie einmal nach Europa, dann sehen Sie, dass es in anderen europäischen Ländern ähnliche Modelle gibt.

(Zuruf von der CDU: Warum haben Sie die ganze Zeit nichts gemacht?)

Wie man also behaupten kann, man habe quasi einen Urheberrechtsanspruch, erschließt sich mir nicht.

Wir, Frau Kollegin, stehen dazu, dass wir gute Ideen, die in anderen Ländern funktionieren, sehr wohl zum Wohl unserer Kinder und zum Wohl der Schulen in unserem Land übernehmen, an die Bedingungen anpassen, die wir in unserem Land brauchen, und dann praktizieren.

(Zurufe von der CDU)

Daran ist überhaupt nichts Bemerkenswertes. Gute Ideen zu übernehmen und auch auszuführen, ist im Alltag eine eigentlich recht schlaue Verhaltensform. Bis jetzt – das ist das Verwunderlichste an Ihrem Verhalten, Frau Kollegin – haben Sie eigentlich auch immer umgekehrt argumentiert. Ich will Sie einmal daran erinnern, wie es war, als wir ein System der Lehrer- und Lehrerinnenausbildung vorgestellt haben, ein System, das in der Tat noch in keinem Bundesland der Bundesrepublik so praktiziert worden ist. Was war das zentrale Argument der CDU, um es ablehnen zu können, obwohl es an vielen Stellen sehr viel Zustimmung bekommen hat?

Das macht niemand so, damit stehen Sie mutterseelenallein in der ganzen Bundesrepublik. Eine solche Solitärlösung kann man doch nicht einführen. Keiner macht das so. – Jetzt auf einmal mahnen Sie, Frau Kollegin, an, wir müssten den Stein der Weisen völlig neu finden. Nein, wir verlassen uns auf gute Erfahrungen, die andere schon gemacht haben.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat Ihnen einen gut durchdachten und vor allen Dingen vorhin durch unseren Haushaltsbeschluss finanzierten Lösungsweg vorgelegt, ein Konzept, bei dem wirklich alle Eltern im Land Rheinland-Pfalz entlastet werden, ein Konzept, bei dem alle Eltern, die bisher schon gefördert wurden, nun völlige Lernmittelfreiheit erhalten, ein Kon

zept, das zusätzliche Schulformen in die neue Lernmittelfreiheit einbezieht und das die Schulen auf gar keinen Fall mit ungerechtfertigten Aufgaben belastet, ein Konzept, bei dem die Schulträger die ihnen neu übertragenen zusätzlichen Aufgaben der bisher schon vorhandenen Aufgabe, die Lernmittel zu organisieren, erstattet bekommen, ein Konzept, bei dem die notwendige Anschubfinanzierung durch den jetzt schon beschlossenen Nachtragshaushalt gewährleistet worden ist.

Meine Damen und Herren, wenn das stimmt, was Frau Dickes gesagt hat, dann sollten Sie jetzt diesem Konzept zustimmen, auch wenn Sie zuvor das dafür notwendige Geld – für mich ist das völlig unbegreiflich – abgelehnt haben.

(Schweitzer, SPD: So sind sie!)

Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu dem Entwurf der FDP-Fraktion sagen, der, wenn man ganz ehrlich ist, eigentlich kein Entwurf, sondern lediglich ein Vorschlag ist, und zwar ein Vorschlag mit einer erstaunlichen Finanzierung.

Frau Kollegin Morsblech, Sie sagen uns nicht, wie Sie es machen wollen, Sie sagen nur, dass es eine völlige Lernmittelfreiheit für alle geben soll. Kein Elternteil soll mehr etwas bezahlen. Wie das möglich sein soll, wer die Aufgaben erledigt, wer die Organisationsstrukturen übernimmt, erzählen Sie uns bis jetzt nicht. Ich gehe davon aus, Sie möchten es irgendwann noch konkretisieren.

Was mich aber wirklich wundert, ist, dass wir in der Diskussion um die Beitragsfreiheit in den Kindertagesstätten hier in diesem Haus von Ihrem Fraktionsvorsitzenden mehrfach erklärt bekommen haben, er finde, dies sei der völlig falsche Ansatz; denn zum Beispiel jemand wie er – in Rheinland-Pfalz gebe es viele Familien, die finanziell so gut gestellt seien – brauche doch wirklich keine Unterstützung finanzieller Natur, um den Kindergartenplatz für seine Kinder zu bezahlen. Jemand wie er, schlussfolgere ich, braucht doch dann auch keine finanzielle Unterstützung, um die Schulbücher zu bezahlen. Bei uns hat er nur noch ein Drittel zu übernehmen, bei Ihnen ist es einfach unlogisch.

(Glocke der Präsidentin)

Ich bin gespannt darauf, wie Sie es uns erklären wollen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat die Frau Kollegin Morsblech das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst begrüße ich für meine Fraktion, dass wir

uns in diesem Haus darüber einig sind, dass das bisherige Gutscheinsystem, das einkommensschwachen Eltern die Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern teilweise oder ganz abnimmt, alle anderen aber mit dieser Aufgabe komplett alleinlässt, nicht mehr zeitgemäß ist und wir zu einer neuen Regelung kommen müssen, die alle Eltern und damit insbesondere auch die Mitte unserer Gesellschaft entlastet.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktionen von CDU und SPD haben sich nun entschieden, ein entgeltliches Leihsystem für Schulbücher vorzuschlagen und einführen zu wollen, bei dem Eltern ein Drittel des Ladenpreises eines Buches dafür entrichten müssen, dass ihr Kind das jeweilige Buch ein Jahr lang benutzen darf. Die FDP-Landtagsfraktion möchte in der Tat etwas anderes. Wir wollen den Einstieg in eine echte generelle Lernmittelfreiheit in Rheinland-Pfalz, und wir haben dazu im Rahmen der Nachtragshaushaltsberatungen einen Vorschlag gemacht.

(Beifall bei der FDP)

Das Land hat bisher jährlich über 13 Millionen Euro für Gutscheine ausgegeben, von denen überhaupt nur rund ein Viertel der Schülerinnen und Schüler und damit der betroffenen Familien profitiert haben. Wir sind der Überzeugung, dass man mit einem in der Relation jährlich relativ geringem Mehraufwand auf Dauer erreichen könnte, dass Schulbücher dort angeschafft werden, wo sie hingehören, nämlich in der Schule. Zu einer guten und kostenfreien schulischen Bildung, unabhängig vom Einkommen der Eltern, gehören auch gute und kostenfreie Lernmittel. Bücher gehören untrennbar zu guter Schule. Hier wollen wir einen finanziellen Schwerpunkt setzten.

Meine Damen und Herren, interessant ist allerdings auch, worüber Sie sich hier im Hause streiten und worüber nicht. Es ist selten genug, dass sich CDU und SPD in der Bildungspolitik so annähern, dass sie fast deckungsgleiche Vorschläge machen. Trotzdem wird eine sehr kleinliche Diskussion über Urheberrechte und andere Dinge geführt, die für viele Menschen nicht mehr wirklich verständlich ist.

Ich persönlich würde es noch verstehen, wenn Sie sich über die Frage der Finanzierung Ihrer Vorhaben auseinandersetzen würden; denn natürlich müssen Sie, wenn Sie eine entgeltliche Lernmittelausleihe einführen, zunächst einmal genau dasselbe tun wie für die allgemeine Lernmittelfreiheit. Sie müssen erst einmal für alle Schulen den entsprechenden Grundbestand an Büchern anschaffen. Das kostet überschlagen irgendetwas zwischen 50 und 70 Millionen Euro. Sie mögen mich da korrigieren.

Woher das Geld dann tatsächlich kommen soll, außer dass dafür einmal wieder neue Schulden aufgenommen werden sollen, hat allerdings noch niemand hier im Hause gesagt. Auch die Regierung und die SPD-Fraktion können es uns heute nicht sagen. Stattdessen werden – wie gesagt – relativ kleinliche Diskussionen geführt. Für mich ist das zum Teil nicht mehr nachvollziehbar.

Sie streiten sich darüber, wer denn die bisher noch nicht vernünftig finanzierten Bücher ausgibt. Sie streiten sich dann über die Frage, wer freigestellt werden soll oder nicht. Das ist noch etwas, was ich nachvollziehen kann. Das ist in der Tat eine wichtige Frage. Die würde aber, wenn Sie eine generelle Lernmittelfreiheit einführen und diesen etwas mutigeren Schritt gehen würden, nicht anfallen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich hier im Hause einig sind und auch in der Umsetzung bis in viele Details hinein dasselbe wollen, dann sollten Sie vor allem darum ringen, wie man in schwieriger Finanzlage dieses Vorhaben so finanzieren kann, dass diejenigen, die heute zur Schule gehen, nicht hinterher einen nachgelagerten Beitrag, nachgelagerte Schulbuchkosten in Form von Steuern, die sie für Zins und Zinseszins aufbringen, auf den Buckel gebunden bekommen. Das wäre eine sinnvolle Diskussion.

Meine Damen und Herren, das war auch die Kritik, die meine Fraktion immer wieder beim kostenfreien Kindergarten geübt hat. Wir haben immer gesagt, sie machen es so, dass die Kinder hinterher, wenn sie erwachsen sind, einen nachgelagerten Beitrag zahlen müssen, weil Sie heute die Freistellung über Schulden finanzieren.

(Beifall bei der FDP)