Protocol of the Session on October 8, 2009

Meine Damen und Herren, ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Es geht um das, was von Bundesseite getan wird. Das halte ich ausdrücklich für richtig und unterstütze es. Das ist die Abschirmung von Unternehmen. Dazu zählt auch das, was wir seitens des Landes hinzugefügt haben, um den berechtigten Vorbehalten kleinerer und mittlerer Unternehmen entgegenzusteuern,

dass man den großen helfe, weil sie deutlich wahrgenommen würden, und den kleineren und mittleren nicht geholfen werde. Dem haben wir mit einem eigenen Konzept entgegengesteuert. Über 600 Unternehmen haben sich an diesem Konzept auf der Beratungs- und Vorbereitungsschiene beteiligt. 78 Unternehmen konnten wir vor einer schlimmen wirtschaftlichen Situation bewahren. 13 Verfahren befinden sich derzeit in der Prüfung. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir für rund 30 Unternehmen andere Wege gefunden. Mit „wir“ meinen wir insbesondere die Investitions- und Strukturbank. Wir haben andere Wege gefunden, um ihnen zu helfen, aus einer schwierigen Krise herauszukommen. Ich finde, das ist richtig.

Wenn wir sehen, wie hoch der Ausschöpfungsgrad der Bürgschaften für Unternehmen ist – die Bürgschaften für die Unternehmen sind jetzt gemeint –, dann ist es vor dem Hintergrund unserer Bereitschaft, Beiträge zu leisten oder vor dem Hintergrund geleisteter Beiträge für die Opel-Rettung verständlich, Sie zu bitten, in diesem Nachtragshaushalt dafür Vorsorge zu treffen, dass wir, sollte es eine Zuspitzung der Situation geben, gegen Ende des Jahres noch handeln können und nicht die Botschaft mitteilen müssen, unser Bürgschaftsvolumen ist ausgeschöpft.

Ich finde, dafür heute Vorsorge zu treffen, ist geradezu unsere Pflicht. Ich weiß nicht, wie man irgendwo einen Strich darunter pauschal ziehen und alles kritisieren kann. Ich halte das für richtig und notwendig. Deshalb schlagen wir es Ihnen vor.

(Beifall der SPD)

Wenn man das unterm Strich betrachtet, muss das dazu führen, dass man es als logisch ansieht, dass man nicht auf der einen Seite Programme als Investitionshilfen vorsieht und auf der anderen Seite versucht, das wieder einzusparen. Das wäre geradezu eine abstruse Verhaltensweise. Diese Logik ist von Herrn Mertin und von Herrn Kollegen Hartloff unterstrichen worden. Weil wir uns so verhalten, ist dieser Haushalt, so wie es Herr Finanzminister Dr. Kühl gesagt hat, ein antizyklischer. Wir betrachten uns in der Pflicht, in dieser Situation so zu handeln.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, ich nennen ein Zweites. In diesem Haushalt gibt es eine Reihe von Veranschlagungen, die keines Nachtragshaushaltes bedurft hätten, die man auch aufgrund des Haushaltsrechts hätte im laufenden Haushalt durch Mehrausgaben etc. dem Haushalts- und Finanzausschuss vortragen können. Wir waren uns aber von Anfang an bewusst, dass wir einen zweiten Nachtragshaushalt vor dem Hintergrund dieser großen Veränderungen brauchen und die Risiken dort offen veranschlagen. Ich glaube, das ist richtig.

Sie können sich die Debatte in Baden-Württemberg, unserem Nachbarland, anschauen und feststellen, wie heftig die Auseinandersetzungen darüber gehen, wann die dortige Landesregierung die entsprechenden Finanzdaten für einen dort zur Beratung anstehenden Doppelhaushalt vorlegt und ob man diese Daten vor

November vorlegt. Mit einer solchen Haltung hätten wir uns eine ganze Zeit lang vor solchen Zahlen drücken können. Ich glaube, das wäre nicht verantwortbar gewesen, weder für den Rest des Jahres 2009 noch für 2010. Damit hätten wir einfach mehr Unsicherheit und auf jeden Fall mehr Unklarheit als Klarheit gesetzt.

Ich will noch einmal betonen, dieser Nachtragshaushalt ist eine klare Offenlegung einer weiß Gott herausfordernden finanzpolitischen Situation. Aber es ist auch eine klare Antwort auf die wirtschaftspolitische Situation und die arbeitsmarktpolitische Vorsorge.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, es ist kritisiert worden, dass es um Sparsamkeit geht.

Wissen Sie, das ist wohl wahr. Wir werden miteinander den Lackmustest zu bestehen haben, wenn wir Ihnen die Regeln der Schuldengrenze und dazu entsprechende Haushaltsentscheidungen vorgeschlagen haben.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich verstehe diese Forderung, die richtig ist. Vor dem Hintergrund dessen, was wir gestern Nachmittag und heute bisher erlebt haben, muss man aber doch sagen, es graust einem schon ein bisschen. Wie kann man das zusammenbringen? Heute Morgen hat die Sprecherin der Union über die Schülerbeförderung so geredet, dass 30 Millionen Euro zusätzlich per anno locker vom Hocker gefordert werden. Dann kommt der Sprecher der Union wenige Stunden später und macht uns Vorwürfe, wir wären nicht sparsam.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Sie haben nicht zugehört, Herr Ministerpräsident!)

Ja sicher habe ich zugehört. Im Unterschied zu Ihnen war ich nicht draußen und weg, sondern ich war die ganze Zeit da.

(Bracht, CDU: Sie haben nicht zugehört!)

Wir werden Ihnen das einfach nicht unwidersprochen durchgehen lassen. Sie können sich so verhalten. Es ist Ihre Sache, wie Sie Politik verstehen. Sie haben jetzt wieder Unterschriften mitgebracht, bei denen es darum geht, kleinere Klassen zu schaffen.

(Unruhe bei der CDU)

Wir haben auch mit den Leuten geredet.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Ja, Sie nehmen das selektiv wahr.

Meine Damen und Herren, wer will das nicht? Es geht aber nicht an, hier solche Brandreden zu halten. Ich weiß es nicht, aber ich bin davon überzeugt, dass Sie nicht den Mut hatten, den Leuten zu sagen, dass es über 100 Millionen Euro zusätzlich kosten würde, wenn das umgesetzt wird, was mit diesen Unterschriften ge

fordert wird. Ich bin davon überzeugt, dass Sie das nicht gemacht haben.

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU)

Da können Sie lachen, aber es geht um Ihre Ernsthaftigkeit und um unsere Ernsthaftigkeit in diesem Hohen Hause.

(Beifall der SPD)

Lieber Herr Kollege Baldauf, das, was Sie abgeliefert haben, war unglaublich.

(Baldauf, CDU: Ich kriege ja Angst vor Ihnen!)

So herum wird nichts draus, dass Sie jedem nach dem Mund reden, an jeder Demonstration, bei der es um Mehrausgaben geht, teilnehmen und dann hier Sparbrandreden halten.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Meine Damen und Herren, Herr Mertin hat auf seine Erfahrungen seinerzeit als Justizminister verwiesen.

(Mertin, FDP: Es war immer schön, als ich ihn traf!)

Bei mir war das genauso.

Ich höre ständig, die Mittelbehörden müssten verändert werden. Der Meinung kann man sein. Ich bin nicht der Meinung. Als wir aber damals diesen Schritt gegangen sind, habe ich an den Personalversammlungen in Trier, Koblenz und Neustadt teilgenommen. Da waren auch die Vertreter der CDU und – Entschuldigung, ich muss das sagen, Herr Mertin – der FDP. Ich war da ganz allein. Keiner wollte das mehr. Alle haben gesagt, nein, so war das nicht gemeint. Natürlich könne man noch einmal über alles reden. So ist das immer, wenn es konkret wird, meine Damen und Herren.

Wir bleiben dabei, wir haben in den Personalhaushalten jedes Jahr eine Effizienzrendite von 1,8 % erwirtschaftet mit den Ausnahmen Polizei und die Bereiche, über die wir uns verständigt hatten.

Ich habe vergangene Woche mit den Hauptpersonalräten zusammengesessen. Das ist kein Honiglecken, weder für die Leute, die ihren Job machen müssen, noch für uns, wenn wir mit Mängeln konfrontiert werden. Frau Kollegin Conrad, wenn es um die Lebensmittelkontrolle und andere Dinge geht, kann man nicht einfach sagen, ihr habt nicht recht. Natürlich müsste man und würde man auch gerne mehr machen, aber beides geht eben nicht zusammen.

Von nicht sparsam kann also überhaupt nicht die Rede sein, meine Damen und Herren.

Ich möchte Ihnen in Bezug auf die angebliche Rekordverschuldung noch einmal die Zahlen in Erinnerung rufen. Das sind statistische Zahlen der zentralen Datenstelle der Landesfinanzminister, Stand August dieses Jahres. Da liegt Rheinland-Pfalz im Mittelfeld gemessen

am Bruttoinlandsprodukt in Prozenten, meine Damen und Herren. Natürlich sind mir 25,2 % auch zu hoch, aber ich bitte mit zu sehen, was wir in den vergangenen Jahren als Zusatzherausforderungen in diesem Land Rheinland-Pfalz durch das Konversionsprogramm geleistet haben. Wenn ich das herausrechne, wären wir deutlich im vorderen Mittelfeld. Jetzt liegen wir genau im Mittelfeld.

Es ist Ihr gutes Recht, dass Sie das kritisieren. In der Opposition würde ich das vermutlich umgekehrt auch nicht anders machen. Die Fakten kann man aber nicht einfach negieren, und man kann keine Behauptungen aufstellen, die mit der Realität relativ wenig zu tun haben.

Meine Damen und Herren, dann erlauben Sie mir, dass ich noch einmal ein Wort zur Einnahmeseite sage. Das ist in der Tat eine dramatische Entwicklung. Sie ist in Rheinland-Pfalz nicht signifikant abweichend von der – soweit wir sie kennen – in anderen Ländern. Die meisten Länder – Herr Kollege Dr. Kühl hat das gesagt – haben noch keine neuen Haushalte oder Nachtragshaushalte vorgelegt. Insoweit kann man nur auf die Bezug nehmen, die ihre Zahlen schon veröffentlicht haben. Danach liegen wir überall in der gleichen Größenordnung. Wenn ich Hessen sehe, werden die im Jahr 2010 im Vergleich zu 2008 7,7 % Einnahmeverluste haben. Wir gehen von 7,5 % aus. Das sind Größenordnungen, bei denen es keine signifikanten Abweichungen gibt. Wir haben alle das gleiche Problem. Der Bund hat ein noch größeres Problem mit 10,8 %. Dies ist eine reale Herausforderung.

Wenn man sich dann einmal ansieht, wie sich die Personalausgabenquoten entwickeln – man muss versuchen, die Dinge auf eine objektive Größenordnung zu bringen –, kann ich auf jeden Fall feststellen, dass sie bei uns stabil bleibt. Wir liegen jetzt bei 37,8 % Personalkostenquote, und wir werden 2010 auf 38 % kommen. Das hängt natürlich mit der Erhöhung der Gehälter zusammen, aber das hängt auch mit der relativen Senkung des Haushaltsvolumens zusammen gemessen an den Personalkosten, die natürlich stabil bleiben bzw. sogar leicht steigen trotz der 1,8 % Rendite, weil eben die Steigerung der Löhne und Gehälter dazugekommen ist.

Die Kreditfinanzierungsquote ist natürlich mit 17 % in 2010 durch die Sondereffekte hoch, aber sie liegt nicht höher als im Schnitt der anderen Länder, die sich in dieser Größenordnung – 1 % hin oder her – bewegen.

Bei der Zinsausgabenquote helfen uns natürlich die niedrigeren Zinssätze, aber die Zinsausgabenquote wird sogar leicht sinken, weil wir das Glück haben, dass wir eine günstige Zinssituation haben.

Ich will das einfach einmal an solchen Daten messen, die einen objektiven Vergleich mit anderen öffentlichen Haushalten zulassen und nicht nur emotionale Reaktionen darstellen.

Dann wird eine Diskussion darüber geführt, wie es mit der Belastung der Menschen ist. Ich meine, dass niemand von uns den Willen hat oder Freude daran hat,

Menschen oder Betriebe höher zu belasten als dies unabdingbar notwendig ist. Die permanenten Substanzverluste bei den öffentlichen Haushalten und der Zwang bei den Kirchen, die an die Steuereinnahmen entsprechend gekoppelt sind, sich Jahr für Jahr von Aufgaben zu trennen, sind doch Zeichen dafür, dass wir nicht über unsere Verhältnisse in Rheinland-Pfalz leben, sondern das sind Zeichen dafür, dass wir ein echtes strukturelles Problem haben. Natürlich kann man an manchen Stellen noch sparen. Damit bin ich völlig einverstanden. Wie gesagt, wir werden Ihnen dazu auch einiges vorlegen und zumuten.

Auf der anderen Seite ist es aber so, dass wir zu niedrige Einnahmen haben, um das, was erwartet wird, und schon gar nicht um das, was von Ihnen gefordert wird, auch nur annähernd durchfinanzieren zu können. Das ist eine Realität, meine Damen und Herren. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Dann stellt sich die Frage, was man tun kann und wie man es tut. Natürlich gibt es da Denkschulen. Ich will gar nicht noch einmal das wiederholen, was Herr Kollege Dr. Kühl deutlich gemacht hat hinsichtlich der „thatcherischen“ und der „reaganschen“ Lehre und dem, was wir da erlebt und erfahren haben. Ich will Ihnen aber noch einmal sagen, dass ich massive Steuersenkungen für nicht finanzierbar und im Gesamtstaat für nicht verkraftbar halte.