Protocol of the Session on September 3, 2009

Sie beginnen alle damit – das ist eine Gemeinsamkeit in allen drei Anträgen; das möchte ich hervorheben – zu sagen, dass wir insgesamt ein leistungsfähiges und gutes Gesundheitssystem in Deutschland haben. Das wird auch von allen Experten dieser Welt bestätigt, auch wenn es Unzufriedene im Gesundheitssystem gibt.

Trotzdem ist es so, dass wir auf unser Gesundheitssystem stolz sein können. Kein Mensch hat jemals bezweifelt, dass man es immer weiterentwickeln muss. Darauf komme ich noch einmal zu sprechen. Das sind U-Bootmäßige Vergleiche. Ich finde es nicht seriös, diese in dieser Debatte zu äußern.

(Beifall der SPD)

Ich möchte aber noch ein paar gute Nachrichten mitteilen; denn ich habe die Anträge sehr genau gelesen. Es gibt doch noch Gemeinsamkeiten der politischen Parteien zumindest hier im Raum zu bestimmten Fragen in der Gesundheitspolitik.

Ich denke, uns eint alle, dass wir eine flächendeckende ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte und -ärztinnen als wichtiges Anliegen ansehen und in den Anträgen bestätigen, dass sie vorhanden ist und wir dafür sorgen und helfen müssen, dass sie auch in Zukunft sichergestellt ist. Dazu gehört auch eine angemessene Vergütung. Das ist selbstredend. Dafür haben sich der Ministerpräsident und ich seit Jahren eingesetzt. Wir stehen nach wie vor hinter diesem Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen auch zur freien Arztwahl und Therapiefreiheit. Natürlich möchten wir Transparenz und Wahlfreiheit für die Versicherten. Wir wollen auch keine überflüssige Bürokratie.

Ich möchte ganz klar sagen, dass das Schlagworte sind, auf die wir uns verständigen können. Keiner spricht Ihnen, und zwar weder der CDU noch der FDP, ab, dass Sie sich ein solidarisches System vorstellen. Aber wir haben eine andere Vorstellung von der Solidarität als Sie. Das unterscheidet Sie von uns. Das muss man sehr klar formulieren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie schon die Anträge vor der Bundestagswahl stellen – das ist Ihr gutes Recht –, dann muss man auch sehr klar den Unterschied deutlich machen.

Bevor ich auf den FDP- und dann auf den CDU-Antrag zu sprechen komme, möchte ich sagen, dass Frau Grosse von Wattebällchen gesprochen hat. Ich finde, wenn man die beiden Anträge der FDP-Landtags- und Bundestagsfraktion vergleicht, stellt man fest, dass das eigentlich Wurfgeschosse sind, wenn man ein solidari

sches Verständnis hat, wie wir es als SPD-geführte Landesregierung vertreten.

Ich möchte auch Herrn Dr. Enders sagen, dass die Landesregierung natürlich gesundheitspolitische Leitziele hat. Auch darauf werde ich noch einmal eingehen. Wir finden auch, dass sie im Sinne einer Nachhaltigkeit wirken.

Ich darf noch eines zynisch anmerken. Ich war bereits bei zwei Gesundheitsreformen dabei. Bei der ersten war es auch noch die CDU, bevor sie sich ein ganzes Stück weit neoliberal gewandelt hat. Sie hat zum Beispiel zu Themen wie der Bürgerversicherung gestanden, weil sie ein ganz anderes gesamtheitliches Gefühl für das Thema „Solidarität“ als heute hatte.

Deshalb ist es eher zu bedauern, dass Sie ausgerechnet dieses Thema als Beispiel dafür nehmen und auf nachhaltige Konzepte, die auf der Solidarität beruhen, verzichten. Ich komme darauf zu sprechen.

Zuerst möchte ich auf den Antrag der Fraktion der FDP eingehen. Ich habe mir auch den Antrag der Bundestagsfraktion der FDP angeschaut, weil dieser bundesweit überall Thema in den Parlamenten ist. Ein Punkt, den Sie sehr harmlos verpacken, ist, dass Sie sich in Wahrheit ein völlig anderes System vorstellen. Sie rücken – dies wird im Antrag der Bundestagsfraktion klar – von der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Dort gehen Sie von Unternehmen aus. Darin wird von Unternehmen mit sozialer Verantwortung gesprochen. Sie wollen nichts anderes als einen privaten Krankenversicherungsmarkt.

Herr Dr. Schmitz, wir haben schon so oft darüber gesprochen. Ich unterstelle, dass das auch hinter Ihren Äußerungen steckt. Das ist mit den Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen nicht zu machen.

(Beifall der SPD)

In dem dortigen Antrag wird auch davon gesprochen, dass man sich auf das medizinisch wirklich Notwendige konzentrieren muss. Wie oft habe ich die Debatte auf Bundesebene gehört, was medizinisch notwendig und was wirklich medizinisch notwendig ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Das steht im Antrag der FDP-Bundestagsfraktion. Es ist immer wieder auch in Ihren Reden zu hören, dass man natürlich über Leistungskürzungen nachdenken und überlegen muss, was das medizinisch Notwendige ist.

(Dr. Schmitz, FDP: Das habe ich in zehn Jahren nicht gesagt, Frau Ministerin!)

Ich kann nur noch einmal wiedergeben, dass wir uns an diesem Thema bis zum Gehtnichtmehr abgearbeitet haben. Wenn man nicht ganze Leistungsbereiche aus der Krankenkasse ausgliedern will, kann man im Grunde genommen am Leistungskatalog nichts machen.

Ich möchte etwas zu dem Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenkasse und darüber sagen, wie Sie es aus meiner Sicht in den Anträgen interpretieren.

Dort heißt es, nur dort soll Hilfe geleistet werden, wo sie unbedingt notwendig ist. Sie soll aus Steuermitteln finanziert werden. Was heißt das konkret: Es heißt aus meiner Sicht konkret, dass reiche Menschen zugunsten einkommensschwächerer Personen entlastet werden, und es heißt selbstverständlich auch – – – Im Moment haben wir ein Umlageverfahren. Im Moment ist klar, je mehr ich verdiene, umso mehr zahle ich in die Krankenkasse ein. Diejenigen, die wenig verdienen und kein Geld haben, haben exakt die gleichen Leistungsansprüche wie die Reichen es auch haben. Wenn ich aber den Sozialausgleich ganz anders organisiere, indem ich ihn einfach nur als Port mit Steuermitteln mache und sage, bestimmte Leistungen werden ab einem bestimmten Einkommen bezahlt, dann ist das ein vollkommen anderes System.

(Beifall der SPD – Ministerpräsident Beck: So ist es!)

Wenn man das will, muss man dazu stehen.

Ich habe auch kein Problem damit, mich damit auseinanderzusetzen. Im FDP-Antrag steht das mit dem Solidarprinzip drin, das aus Steuermitteln finanziert werden soll. Ich habe kein Problem damit, mich damit auseinanderzusetzen. Aber ich habe ein Problem damit, dass wir mit Begriffen hantieren und jeder etwas anderes darunter versteht.

Was die SPD unter Solidarität im Gesundheitssystem versteht, ist ganz klar definiert. Ich sage es Ihnen auch nachher noch einmal genau. Wir sind hinter den Begriffen klar identifizierbar. Die FDP ist es aus meiner Sicht nicht. Deshalb habe ich auch den Bundestagsfraktionsantrag gelesen, um manche Begriffe vielleicht etwas besser zu verstehen.

Ich möchte sagen, ich halte auch nichts davon, vom Sachleistungsprinzip abzurücken. Wir haben heute schon die Möglichkeit, das Kostenerstattungsprinzip zu machen. Es wird von den wenigsten Menschen in Anspruch genommen. Es ist und bleibt ein Problem, das nicht gelöst ist, wie Menschen, die ernsthaft schwer krank sind, in Vorleistung treten sollen.

Natürlich kann man sich vorstellen, dass Krankenkassen schnell eintreten. Aber das Risiko bleibt bei den schwer kranken Menschen, die einkommensschwach sind, ob sie letztendlich wirklich die Kostenerstattung leisten können oder nicht. Wenn die Krankenkasse nicht schnell genug bezahlt, hängt das Risiko voll bei den Betroffenen. Das halte ich für problematisch.

Selbst der Deutsche Ärztetag hat mit dem Hinweis auf die sozialen Probleme einen Beschluss für die Kostenerstattung genau mit diesen Argumenten wieder zurückgezogen.

Noch etwas zu dem CDU-Antrag. Den finde ich irgendwo ein Stück weit aufschlussreich. Wir haben das schon öfter diskutiert. Frau Grosse hat darauf hingewiesen. Die

Distanzierung der CDU-Fraktion vom Gesundheitsfonds ist auch eine Distanzierung von dem, was die Bundeskanzlerin vertritt und woran sie festhält. Ich finde es zurzeit überhaupt nicht nachvollziehbar – dies sage ich ganz klar –; denn der Gesundheitsfonds erweist sich gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Krise eher als stabilisierender Faktor, weil damit Beitragssatzerhöhungen im Moment, und zwar auf dem Höhepunkt der Krise, vermieden werden können, und die Krankenkassen bekommen Planungssicherheit, weil ihre Einnahmen verstetigt sind. Das ist ein klarer Vorteil.

Wenn Sie in dem CDU-Antrag bezogen auf den Fonds von Bürokratie sprechen, dann fragen Sie Herrn Hecken, den Sie ganz gut kennen. Er ist der Hüter des Gesundheitsfonds beim Bundesversicherungsamt und dürfte ziemlich klar sagen und Ihnen klarmachen, dass der Gesundheitsfonds mit einer ausufernden Bürokratie – so heißt es da – wenig zu tun hat.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Noch etwas verblüfft mich, wenn ich das sagen darf. Sie sprechen immer noch vom System der Kopfprämie in der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Das tut das Parteiprogramm der CDU nicht mehr. Von diesem Modell profitieren aus meiner Sicht allein diejenigen im Land mit hohen und höchsten Einkommen, und Geringverdiener, vor allem auch Familien, zahlen die Zeche. Wir wollen keine Kopfprämie, um das noch einmal klar zu sagen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Zum Präventionsgesetz. Herr Dr. Enders, das Präventionsgesetz war kein Gesetz von Ulla Schmidt. Das Präventionsgesetz war ein in der Bundesregierung abgestimmter Entwurf. Er war damals mit allen 16 Bundesländern abgestimmt. Es gab nur eine einzige Gruppe, die dagegen war, nämlich die Unions-Bundestagsfraktion. Der Name Frau Widmann-Mauz ist wahrscheinlich inzwischen national bekannt. Dieses Gesetz ist gegen den Willen aller Bundesländer aufgehalten worden. Ich denke, es ist eigentlich ein Skandal; denn es war nicht mehr so wie am Anfang. Es war ein ganz gut handhabbares Präventionsgesetz. Es hätte uns geholfen, die Dinge umzusetzen. Leider ist es nicht eingetreten. Das bedauern wir. Aber wir werden in der nächsten Wahlperiode, auch wenn es zweimal gescheitert ist, dranbleiben, dieses Gesetz zu bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch etwas zu dem Thema „Wahlfreiheit“ sagen. Das ist in Ihren beiden Anträgen als Thema enthalten. Sie reden von der Wahlfreiheit des Versicherungsschutzes für alle Versicherten und halten gleichzeitig an der Trennung der Versicherungssysteme unverrückbar fest. Das geht gar nicht. Das geht nicht zusammen. Ich verstehe auch nicht, warum das so schwer zu begreifen ist.

Solange wir zwei Versicherungsmärkte haben, die nach unterschiedlichen Regeln arbeiten, bei denen wir Versicherungsgrenzen und Ähnliches haben, haben die Menschen keine wirkliche Wahlfreiheit; denn sie werden

eingeteilt in die Gruppe, die in dem privaten Krankenversicherungsmarkt tätig sein kann, und die, die in der gesetzlichen Versicherung ist. Ich verstehe gar nicht, warum Sie immer wieder von Wahlfreiheit sprechen.

Alle ernst zu nehmenden Experten halten den deutschen Weg mit den zwei Versicherungssystemen für einen Irrweg. International gesehen ist es ein Sonderweg. Wenn Sie mich fragen, leidet das Gesundheitswesen, was die Finanzierung betrifft, hauptsächlich daran, dass wir die beiden Versicherungsmärkte haben. Es ist ein Witz, immer wieder zu behaupten, dass die PKV die GKV finanziert. Wenn man die Märkte mit gleichen Zugangsvoraussetzungen zusammenlegen würde, dann hätten wir global gesehen ein viel kleineres Problem.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Das immer wieder zu beschönigen, geht – ehrlich gesagt – nicht in meinen Kopf hinein.

Ich möchte noch einmal sagen, wo die SPD steht. Wir setzen natürlich auf das Modell der Bürgerversicherung und gegen eine ungerechte Zweiteilung des Versicherungsmarkts. Wir wollen, dass die Bürger und Bürgerinnen, also auch die Privatversicherten, in den Solidarausgleich mit einbezogen werden. Nur ein Versicherungsmarkt ist tatsächlich Garant dafür, dass es eine echte Wahlfreiheit gibt.

Wir haben mit der letzten Gesundheitsreform wichtige Schritte in eine gerechtere Finanzierung des Gesundheitswesens unternommen. Dazu gehört, dass wir inzwischen gesamtgesellschaftliche Aufgaben durch Steuermittel finanzieren. Es gehört dazu, dass Nichtversicherte den Zugang zu einem Krankenversicherungssystem finden. Wir stehen, und das zeigt auch der Antrag der SPD-Fraktion, klar zum solidarischen Krankenversicherungssystem. Ich denke, das ist nachvollziehbar. Das heißt, Beiträge nach finanzieller Leistungsfähigkeit. Das ist eines der großen Prinzipien der Solidarität. Es heißt, medizinisch notwendige Leistungen für alle, unabhängig davon, was sie verdienen. Es heißt auch, Schutz vor Überforderung, und es heißt, paritätische Finanzierung.

Meine sehr verehrten Herren und Damen, ich bin schon ein bisschen über meine Zeit, möchte aber trotzdem noch zwei Sätze zur Landespolitik sagen, weil es mich so ein bisschen ärgert.

Die CDU kritisiert die Landesregierung nicht nur an der Stelle, dass wir die „falschen“ Konzepte wie die Bürgerversicherung verfolgen, sondern sagt auch, man merkt es exemplarisch an dem „unzureichenden“ sogenannten Masterplan zur Stärkung der ärztlichen Versorgung.

Ich habe es schon öfter erzählt und mache es heute wieder, um Ihnen zu sagen, was in der Zwischenzeit bei diesem Masterplan passiert ist.