Protocol of the Session on June 25, 2009

Einige Fragen möchte ich kurz skizzieren:

Was kostet eine solche Einführung unter Berücksichtigung aller Faktoren tatsächlich? Wie hoch sind die Anschaffungskosten?

Wie sollen die Schulen den verwaltungsmäßigen Mehraufwand des Leihsystems leisten? – Wir wollen doch keine Debatte darüber aufmachen, dass es wegen der Abwicklung des Leihsystems zu Unterrichtsausfall kommt, nicht wahr?

Wo kommen das Geld, das Personal oder der Sachverstand her? Wer ist nach dem Gesetzentwurf kinderreich und wer einkommensschwach? Wie sollen die Schulen Einkommensprüfungen vornehmen oder den Sozialausweis prüfen, um festzustellen, wer von der Leihgebühr befreit ist? Wer wickelt den Gebühreneinzug ab? Wie sieht ein Mahnverfahren aus? Wer prüft eventuelle Schäden und deren Regulierung?

Welchen Ausleihbestand soll man festlegen, wenn Eltern frei entscheiden können, Bücher doch selbst anzuschaffen? Wie ist es zu verstehen, dass alle Lernmittel immer aktuell sind, wenn diese einerseits alle drei Jahre ersetzt, andererseits aber diese Lernmittel alle drei Jahre an sozial schwache Familien abgegeben werden? Wird dann doch mit unterschiedlichen Büchern gearbeitet? Wie wird eine Schlechterstellung einzelner Schülergruppen zum heutigen System vermieden?

Zu beobachten ist, dass in den Schulen zudem vermehrt sogenannte Arbeitshefte anstelle von Büchern angeschafft werden. Diese sind nicht wieder verwendbar, da darin – da es sich um Arbeitshefte handelt – Eintragungen gemacht werden. Gerade in Grundschulen sind diese Arbeitshefte sehr beliebt. Ich schildere Ihnen einmal ein Erlebnisbeispiel.

Von der Schulbuchliste im 1. Schuljahr sind von neun Positionen an einer Schule sechs Arbeitshefte, die zwei Drittel der Gesamtanschaffungskosten ausmachen. Bei einem Kind in der fünften Klasse sind von elf Büchern immerhin noch vier Arbeitshefte. Diese Materialien bleiben bei dem Gesetzentwurf der CDU vollkommen unberücksichtigt. Mit einem Ausleihsystem bekommen wir das auch nicht in den Griff. Werden die Materialien nämlich nicht angeschafft, werden sie im Unterricht anderweitig ersetzt, aber dies geht sicherlich nicht zum Nulltarif.

Aber andererseits gibt es aus meiner Sicht durchaus auch Bücher, die sich für ein solches Ausleihsystem eignen, zum Beispiel Fachliteratur, vor allem teure Fachliteratur, oder schulzeitbezogenen Bände, wie zum Beispiel Atlanten, Schulbibeln oder andere Möglichkeiten.

Immer dann, wenn möglichst wenig Veränderungen in einer relativ großen Zeitspanne zu erwarten sind, ist dies besonders attraktiv, Ersatz bei Beschädigungen vorausgesetzt.

Viele Einzelfragen sind offen. Diese müssen verantwortlich beantwortet werden. Erst dann können wir entscheiden. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf auf die kritischen Punkte und offenen Fragen hin prüfen und – wie schon angekündigt – im Ausschuss eine Anhörung beantragen.

Wir wollen wissen, was die Lehrerinnen und Lehrer dazu sagen, denen eine Menge an Verwaltungsarbeit zu Beginn eines Schuljahres, also zu einer Zeit, in der sowieso viel außerhalb des Unterrichts zu tun ist, aufgebürdet werden soll. Wir wollen wissen, wie die Eltern ein solches Leihsystem beurteilen, ob dies aus deren Sicht eine Entlastung darstellt und unter welchen Kriterien es Akzeptanz findet.

Wir wollen wissen, wie die Schulträger dazu stehen, die einen Großteil der Verwaltungsorganisation tragen müssen. Wir wollen wissen, was die Schülerinnen und Schüler dazu sagen, die direkt betroffen sind. Erst wenn alle Fakten auf dem Tisch sind, alle Für und Wider abgewogen sind, können wir eine verantwortungsvolle Entscheidung zu einer möglichen Umstellung des jetzigen Systems der Lernmittelfreiheit in Rheinland-Pfalz treffen.

Letztlich müssen wir uns entscheiden, ob wir ein entgeltliches Leihsystem oder eine wirkliche Lernmittelfreiheit haben wollen,

(Frau Morsblech, FDP: So ist es!)

auch wenn Letzteres in Zeiten knapper Kassen schwer herzustellen ist. Deshalb sehen wir eine angemessene Beteiligung der Eltern durchaus.

Für die SPD-Fraktion muss Lernmittelfreiheit sozial gerecht – für Familien und Schülerinnen und Schülern –, unbürokratisch und praxistauglich umsetzbar sein und darf den Landeshaushalt keinesfalls überfordern. Schließlich dürfen wir nicht nur Wunschzettel formulieren und an das Christkind senden, meine Damen und Herren von der CDU, sondern wir müssen auch für eine wie auch immer geartete Umsetzung geradestehen und diese verantworten.

Eine Sache stimmt mich zuversichtlich. Da die CDU jetzt das Thema „Lernmittefreiheit“ entdeckt hat, bleibt zu hoffen, liebe Frau Dickes, wenn Ihre Kinder in das Studienalter kommen, dass Sie dann auch einsichtig sind und für ein gebührenfreies Studium in Ihrer Fraktion plädieren,

(Beifall bei der SPD – Wirz, CDU: Eins nach dem anderen!)

um die Eltern zu entlasten. Hoffentlich dauert das nicht mehr so lange. Machen Sie’s doch einfach.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich das Wort weitergebe, darf ich Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt

Bingen-Kempten/Gaulsheim sehr herzlich bei uns begrüßen.

(Beifall im Hause)

Ich darf weiterhin Bürgerinnen und Bürger aus dem Bürgerverein Unkel e.V. begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Kollegin Morsblech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion bringt mit ihrem Gesetzentwurf ein wichtiges Thema in die parlamentarische Beratung ein. Wir werden auch in diesem Jahr mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit alle wieder mit dem Thema „Anschaffungskosten von Schulbüchern“ konfrontiert werden, spätestens jetzt in der Sommerpause, wo Eltern sich mit diesem Thema und den entstehenden Kosten auseinandersetzen müssen. Teilweise ist das ein finanzieller Kraftakt für die betroffenen Familien und wird zu Recht auch immer wieder gegenüber Parlamentariern thematisiert. Mittlerweile kommen in der Tat pro Kind schnell Kosten von rund 200 Euro zusammen. Wenn man im Laufe des Schuljahres – Frau Kollegin Brück hat das thematisiert – dann noch hinzuaddiert, welche anderen Kosten es in Form von Heften, Papier, Schreibgeräten, Taschenrechnern, Geodreieck, Utensilien für den Kunst- und Sportunterricht, Klassenfahrten gibt, dann ist das in der Tat mittlerweile etwas, was auch zu sozialen Belastungen führt und alle trifft.

Ich denke, diese Feststellungen sind hier im Hause unstreitig und werden von allen Fraktionen geteilt. Aus diesem Grund hat die Landesregierung bekanntermaßen auch im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen reagiert und nunmehr 13,2 Millionen für Lernmittelgutscheine in den Haushalt eingestellt.

Gleichzeitig wurden die für den Erhalt von Gutscheinen zugrundeliegenden Einkommensgrenzen angehoben.

Nach Ihren eigenen Angaben beziehen nunmehr 120.000 Schüler Gutscheine für Schulbücher. Davon bekommen einige 100 % erstattet, einige 75 %, was auch gleichzeitig von der Anzahl der Geschwisterkinder abhängig gemacht wird.

Chancengerechtigkeit ist damit allerdings nach unserem Verständnis noch nicht so realisiert, wie man sich das wünschen würde.

(Beifall der FDP)

Auch die FDP hat deshalb im Rahmen ihres letzten Parteitages als Partei über dieses Thema diskutiert. Es gab eine sehr große Einmütigkeit in dieser Frage. Für uns stand mit großer Mehrheit fest, dass Bücher in die Schule gehören und eine Schule mit Lernmitteln und damit auch mit ausreichenden Büchern für alle Schülerinnen und Schüler ausgestattet sein muss.

(Beifall der FDP)

Für uns stand vor allem auch fest, dass ein staatliches Engagement von immerhin 13,2 Millionen Euro jährlich nicht so ineffizient eingesetzt werden darf, dass nach wie vor nur einige wenige, deren Bedarf ich natürlich nicht in Abrede stellen möchte, entlastet werden, und dass trotz dieser für unser Land vergleichsweise hohen Kosten die Masse und die Mitte unserer Bevölkerung nach wie vor ihre Bücher selbst zahlen muss und dadurch in einem beachtlichen Ausmaß finanziell belastet wird. Das kann nicht Sinn der Sache sein.

(Beifall der FDP)

Die Kollegin Dickes hat zu Recht schon angemerkt, es trifft diejenigen, die jeden Morgen aufstehen und zur Arbeit gehen. Es trifft die Familien, bei denen oft beide Elterteile gemeinsam für den Lebensunterhalt sorgen und sorgen müssen. Es trifft diejenigen, die besonders von der Steuer- und Abgabenlast betroffen sind und unseren Wohlstand und auch unsere sozialen Sicherheitssysteme erwirtschaften müssen. Fast alle anderen Bundesländer verfügen über eine generelle Lernmittelfreiheit oder ein Ausleihsystem. Das ist im Sinne der Chancengerechtigkeit von Kindern und Jugendlichen.

Deshalb muss für die FDP das Ziel der Überlegungen, die wir hier anstellen, nach Möglichkeit eine generelle Lernmittelfreiheit sein.

(Beifall der FDP)

Wir sind jetzt natürlich nicht fernab jeglichen Realismus, was unseren Landeshaushalt betrifft. Wir wissen auch, dass dies zunächst einmal erhebliche Investitionskosten mit sich bringen und auf Dauer auch eine zusätzliche finanzielle Belastung für das Land darstellen würde. Wir haben das einmal durchgerechnet – wir haben das einmal versucht, wissend, dass es immer sehr gefährlich ist, hier in diesem Plenarsaal etwas zu rechnen, ich wage es trotzdem –, also aufgrund der Schätzungen, die wir im Vergleich zum Land Hessen vorgenommen haben, die eine generelle Lernmittelfreiheit haben. Wir haben auch geschaut, dass uns die hessischen Kollegen noch einmal etwas unter die Arme greifen. Ich denke, eine Schätzung kann man schon anstellen. Man sieht, dass die Anstrengung auch im Bedarf an Lernmitteln liegt, die dann erneuert und jeweils auf dem neuesten Stand gehalten werden müssen.

Im aktuellen hessischen Haushaltsentwurf wurden deshalb noch einmal die Mittel für Lernmittel um 22 % erhöht. Dort werden 39 Euro pro Schüler im allgemeinbildenden- und berufsbildenden Bereich im Schnitt aufgewendet. Wenn man das Modell umrechnet, dann kommt man auf rund 46 Millionen Euro Erstinvestitionskosten für den allgemeinbildenden Bereich und noch einmal auf rund 4 Millionen Euro für den berufsbildenden Bereich. Das heißt, um zunächst einmal einen Grundbestand herzustellen, müsste man rund 50 Millionen Euro aufwenden, wenn man das erst einmal anschaffen möchte.

Wenn man dann die Zahlen weiter zugrunde legt, wird man zusätzlich zu den bereits jährlich im Haushalt eingestellten Mitteln für die Erneuerung des Bestandes ungefähr 5,4 Millionen Euro brauchen, also 13,2 Millionen plus 5,4 Millionen Euro künftig aufwenden müssen,

damit aktuelle und zeitgemäße Lernmittel zur Verfügung stehen. Das heißt, man hat also vor allem am Anfang eine sehr große Herausforderung zu bewältigen und hat dann einen Mehraufwand, der – im Vergleich zu dem, was wir bisher machen – von den Kosten-NutzenErwägungen relativ überschaubar wäre.

Ich bin aber der Überzeugung, dass man in der Tat kreative und gute Lösungen für eine schrittweise Einführung einer generellen Lernmittelfreiheit finden kann, wenn man gemeinsam an einem Strang zieht. Man könnte zum Beispiel – auch da hat die CDU angedeutet, wie das im Rahmen ihres Konzeptes aussehen könnte – zunächst einmal mit der Grundschule beginnen und dann den Lernmittelbestand Schuljahr für Schuljahr schrittweise weiter aufbauen.

Man könnte in unsere Nachbarländer schauen. Das wurde hier an dieser Stelle getan. Man könnte dort bewährte Lösungen durchdiskutieren. Das niedersächsische Modell der entgeltlichen Ausleihe scheint sich ganz gut zu tragen. Man muss im Hinblick auf das Saarland sehen, dass diese Systeme dort vor einem anderen Hintergrund eingeführt worden sind. Dort wollte man von der generellen Lernmittelfreiheit weg. Für uns sollte das nicht das Ziel sein.

(Unruhe im Hause)

Man muss sich noch einmal die Details genau ansehen.

(Glocke des Präsidenten)

Bitte etwas mehr Ruhe.

Zu Recht wurde angemerkt, dass ein Teil der Eltern mit ihrem System erheblich entlastet wird. Ein anderer Teil, nämlich diejenigen, die zurzeit einen Gutschein bekommen, der zu 100 % ihren Bedarf deckt, würde bei einem solchen Modell möglicherweise schlechter gestellt. Diejenigen, die keine Sozialleistungen erhalten und einen 100 %-Gutschein bekommen, sind zu nennen. Das müsste man alles prüfen. Das gilt auch für den Verwaltungsaufwand der einzelnen Schulen. Das gilt auch für den Fall, dass die Schule über die Eltern Geld einnehmen muss. Das halte ich für nicht unproblematisch.