Protocol of the Session on June 25, 2009

die in der Vergangenheit immer wieder versucht haben, Unterstützung auch im politischen Bereich zu geben.

Ich komme zum Schluss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schwul/lesbische Lebensformen gehören zur Vielfalt von Lebensformen in Rheinland-Pfalz, und ich würde mich freuen, wenn wir im Ausschuss eine sehr konstruktive und sachliche Diskussion mit dem Ziel führen würden, Gleichberechtigung und Antidiskriminierung zu verwirklichen.

(Beifall der SPD)

Frau Kollegin Pepper, Angst vor Ihnen habe ich noch nicht, auch nicht vor Ihrer Rede.

Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Peter Schmitz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, in der Tat, es geht in dieser Diskussion nicht um sexualkundliche Betrachtungen, sondern es geht um Rechte und Pflichten in Verantwortungsgemeinschaften, und es geht in letzter Konsequenz nicht nur um die betroffenen Personen, die diese Veränderungen nachvollziehbar einfordern – es ist eine vergleichbar geringe Gruppe der Betroffenen in RheinlandPfalz, jedenfalls unter 1.000 Personen –, sondern es geht in letzter Konsequenz um unser Familienbild und um Kinder. Das ist das, was wir bedenken müssen.

Ich glaube, es geht auch nicht nur um Antidiskriminierung oder den Schutz von Minderheiten, sondern es geht im eigentlichen Sinne um Toleranzfragen. Es geht um Toleranz, und dies ist mehr als Antidiskriminierung,

(Beifall der FDP)

und es ist auch mehr als der Schutz von Minderheiten.

Meine Damen und Herren, da wir uns alle auf Artikel 6 des Grundgesetzes beziehen, geht es nicht um einen Dammbruch, und es geht auch nicht um einen ausschließlich positiv belegten Fortschritt in der Antidiskriminierung, sondern es geht um einen Blick auf gesellschaftliche Realitäten, den die Politik mit vollziehen und nachvollziehen muss.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, die Politik muss im Rahmen ihrer Möglichkeiten anleiten, aber sie darf nicht Realitätsverweigerung sein; dann ist sie erstarrt. Meine Damen und Herren, das, was wir jetzt zu besprechen haben, sollten wir deshalb insgesamt nicht zu hoch hängen.

Ich bin davon überzeugt, dass in der Diskussion die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Stellung von Ehe und Familie und dem Lebenspartnerschaftsgesetz, das wir im Jahr 2001 mit durchaus unterschiedlichen Positionen besprochen haben, also diese neue Orientierung in Karlsruhe, eine entscheidende Rolle für die Politik spielen muss, wenn man überlegt, wie es weitergehen soll.

Bei diesem Landesgesetz muss man durchaus sehen – darüber haben wir im Ausschuss noch zu sprechen –, dass es nicht nur Zustimmung gab. Es gibt in der Tat die sehr ernst zu nehmende Position der katholischen Kirche, die sehr gut begründet ist. Es gibt auch eher am Rande den Wunsch berufsständischer Versorgungswerke, die für sie zutreffenden Versorgungsfragen und Zuständigkeiten in eigener Verantwortung zu regeln. Das ist unter subsidiären Aspekten auch eine wichtige Position.

Ich komme aber auf die Sätze zurück, die ich eingangs gesagt habe. Im Kern der Diskussion steht der Begriff von Ehe und Familie. Ist das die Kernzelle – das ist ein modernerer Aspekt, so glaube ich –, oder ist es die Keimzelle einer Gesellschaft? Leben wir in einer Zeit, in der Ehe und Familie notwendigerweise mit Kindern und den daraus resultierenden Rechten und Pflichten vergesellschaftet sind, oder ist es nicht so, dass sich das Familienbild zum Teil auflöst und wir nicht nur den Familien Rechnung tragen müssen, die nicht in Auflösung begriffen sind, sozusagen dem Positivvorbild, sondern auch den Familien, die in Nöten sind, und den Kindern dieser Familien, die in Nöten sind? Sind wir nicht als Politik verpflichtet, diesen Kindern nicht nur mit Kinderschutzgesetzen zur Seite zu stehen, sondern auch in der Förderung von Verantwortungsgemeinschaften, und da ganz genau hinzuschauen, was wirklich langfristig dem Schutz dieser Kinder dient?

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Familie ist ein viel benutzter Topos, ein viel benutzter Begriff, der auch reichlich ausgeschlachtet wird. Das ist eine juristische Konstruktion. Im christlichen Sinne ist das ein Sakrament, das ist auch eine Marketingzielgruppe, nicht zuletzt auch für die Politik. Familie heutzutage ist für viele immer noch ein Traum. Für mich ist es ein

Traum. Aber es ist für viele auch zum Alptraum geworden.

Wir können Politik nicht nur auf eine Seite der Gesellschaft ausrichten, auf die Seite, die just uns gerade passt, die nur in mein Menschenbild passt. Meine Damen und Herren, Toleranz hat auch etwas damit zu tun, wie ich die Dinge sehe, wenn ich selbst betroffen wäre oder wenn meine Kinder lesbisch oder schwul wären.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall, dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe nunmehr Punkt 14 der Tagesordnung auf:

Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/3481 – Erste Beratung

Ich erteile Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Die Landesregierung legt, wie zugesagt, noch vor der Sommerpause den Entwurf eines Landesgesetzes über Wohnformen und Teilhabe vor. Damit wollen wir selbstverständlich die Chance nutzen, die sich aus der Föderalisierung des Heimrechts für die Länder ergibt.

Zeitlich und inhaltlich bewegen wir uns im Einklang mit den bundesrechtlichen Entwicklungen des Vertragrechts, das Ende Mai in Form des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes vom Bundestag beschlossen worden ist und am 1. Oktober 2009 in Kraft treten wird.

Zahlreiche Verbände – ich muss sie jetzt nicht alle aufzählen – haben zu unserem Gesetzentwurf Stellung genommen und wurden im Vorfeld der Einbringung beteiligt. Die Landesregierung hat im Ergebnis verschiedene dieser Anregungen in den Gesetzentwurf und auch in die Begründung aufgenommen, die zum Teil auch bereits im Rahmen einer Veranstaltung „Dialog Sozial“ in unserem Ministerium vorgetragen worden waren.

Insgesamt greift der Entwurf des Landesgesetzes über Wohnformen und Teilhabe, den wir heute vorlegen, die veränderten Lebenswirklichkeiten behinderter und pflegebedürftiger Menschen auf. Er ist nicht mit dem Status quo des alten Heimgesetzes behaftet, sondern stärkt

differenzierte Angebote der Teilhabe und des Wohnens, wie sie inzwischen bestehen. Er fördert auch die Weiterentwicklung dieser unterschiedlichen Wohn- und Teilhabeformen.

Der Gesetzentwurf ist damit die konsequente Fortführung der jahrelangen Politik der Landesregierung für und mit pflegebedürftigen sowie behinderten Menschen. Selbstbestimmung und Teilhabe sind dabei die Leitlinien, die schon seit vielen Jahren unsere Politik bestimmen. Sie wurden Anfang der 90er Jahre erfolgreich mit der Psychiatriereform verwirklicht, bei der wir Großeinrichtungen dezentralisiert haben und heute immer noch gemeindeintegrativ ausgestalten. Sie finden sich wieder im Persönlichen Budget, was sich bis zum heutigen Tag wirklich sehr gut weiterentwickelt hat.

Sie haben die Expertise „Wohnen, wo ich will“ und die Zielvereinbarung, die darauf begründet war, maßgeblich mit bestimmt. Auch die „Charta für ein Soziales Rheinland-Pfalz – Politik für Menschen mit Behinderung“ ist Ausdruck dieses Verständnisses von Teilhabe und Selbstbestimmung.

Das gilt natürlich auch in der Pflegepolitik. Ich erinnere nur an das Landesgesetz zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pflegerischen Angebotsstruktur, das wir im Jahr 2006 erlassen haben. Es war die Grundlage, um ambulante Hilfestrukturen überhaupt sinnvoll aufzubauen und auszubauen. Das sind die BeKo-Stellen, die heute zu Pflegestützpunkten weiterentwickelt werden. Es sind all diese unterschiedlichen Förderungen im komplementären und niederschwelligen Bereich sowie die kommunale Pflegestrukturplanung.

Ein letzter Punkt, den ich in diesem Zusammenhang noch einmal ansprechen möchte, um Ihnen deutlich zu machen, dass wir seit vielen Jahren eine Linie haben, die wir in unserer Politik verfolgen, ist natürlich, dass wir die Kommunen unterstützen, entsprechende Versorgungsstrukturen auch wirklich zu planen und weiterzuentwickeln, und unsere neue Expertise zum Thema „Pflege und Unterstützung im Wohnumfeld“ mit vielen wertvollen Handlungsempfehlungen, die eine Gutachtergemeinschaft mehrerer Hochschulen für uns entwickelt hat. Das alles gehört zum sozialpolitischen Rahmen oder auch Zusammenhang, in dem die Landesregierung das Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe heute vorlegt.

Konkret hat das zur Folge: Der Entwurf eines Landesgesetzes über Wohnformen und Teilhabe unterstützt gemeinschaftliche selbstbestimmte Wohnformen älterer, behinderter und pflegebedürftiger Menschen. Er fördert die Teilhabe der Menschen in den Einrichtungen und in der Gesellschaft. Er stärkt ihre Position als Verbraucher und Verbraucherinnen. Er fördert die Qualitätsentwicklung in den Einrichtungen, reduziert die bürokratischen Anforderungen an die Einrichtungen, und er verbessert die Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen. –

Bei der Regelung des Geltungsbereichs des Gesetzes war es eine ganz besondere Herausforderung, die Wohnformen zu definieren, die der staatlichen Aufsicht unterliegen sollen. Um es vorwegzunehmen, wir haben ein gestuftes Verfahren gewählt und verschiedene Kate

gorien von Einrichtungen gebildet, die in unterschiedlicher Intensität der Aufsicht der zuständigen Behörde unterliegen.

Wir sind konsequent den Weg gegangen, selbstbestimmte Wohngemeinschaften nicht der staatlichen Überprüfung zu unterstellen. Wir haben das auch sehr wohlüberlegt getan. Ich halte es für richtig, dass überall dort, wo Menschen auch mit Behinderung oder Pflegebedarf selbstbestimmt zusammenleben, diese Wohn- und Lebensformen wie jede andere private Wohnsituation behandelt werden. Sie unterliegen also keiner Aufsicht nach einem besonderen Ordnungsrecht.

Wir schaffen mit dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe aber die Grundlage für ein spezifisches Beratungsangebot für Initiatoren und Initiatorinnen von selbstbestimmten Wohngemeinschaften. Sie sollen Informationen zur selbstbestimmten gemeinschaftlichen Haushalts- und Lebensführung auch bei Unterstützungs- und Pflegebedarf bekommen, und sie sollen bei der Konzeption der Wohngemeinschaft bei Bedarf beraten werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin mir bewusst, dass es zum Spannungsfeld zwischen staatlicher Aufsicht und Überwachung einerseits und selbstbestimmtem unabhängigen Leben und Wohnen andererseits sicherlich noch Diskussionen in der Beratung geben wird. Ich vertrete die Auffassung, dass es bei klar definierten Anforderungen, wie wir sie für selbstbestimmte Wohnformen definiert haben, auch für Menschen mit Hilfebedarf Lebensbereiche geben muss, in denen allein die für alle Bürger und Bürgerinnen geltenden ordnungsrechtlichen Regeln, zum Beispiel das allgemeine Polizeirecht oder andere, Anwendung finden.

Der Gesetzentwurf umfasst die folgenden Wohnformen: Einrichtungen mit einem umfassenden Leistungsangebot, in denen Bewohner und Bewohnerinnen alle Leistungen erhalten, also Wohnen, Verpflegung, Pflege und Unterstützung. Hier besteht ein hohes Maß an struktureller Abhängigkeit unabhängig davon, ob die Leistungen aus einer Hand oder auf der Basis verschiedener, aber miteinander verbundener Verträge erbracht werden. Diese Einrichtungen werden künftig grundsätzlich einmal im Jahr unangemeldet überprüft.

Unter Einrichtungen mit höherer Selbstbestimmung und Teilhabe verstehen wir unter anderem Wohngruppen, in denen pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderungen Pflege und Unterstützungsleistungen und Verpflegung von unterschiedlichen Anbietern in Anspruch nehmen können, in denen die Gesamtversorgung aber von einem Anbieter oder dem Vermieter organisiert wird. Auch hier sehen wir einen erhöhten Schutzbedarf der Bewohner und Bewohnerinnen, sodass diese Einrichtungen anzeigepflichtig sind und Anforderungen zu erfüllen haben. Die Prüfungen sollen aber nur anlassbezogen, zum Beispiel bei Vorliegen von Beschwerden, vorgenommen werden.

Angebote des Servicewohnens, in denen nur ganz allgemeine Unterstützungsleistungen verpflichtend geleistet werden, fallen nicht in den Anwendungsbereich die

ses Gesetzes. Auch Tages- und Nachtpflege und stationäre Hospize unterliegen nicht mehr der Aufsicht, da dort nach unserer Auffassung andere Möglichkeiten der externen Qualitätssicherung bestehen.

Um Einrichtungen zu einem Teil des Zusammenlebens im Wohnquartier zu machen, haben wir eine spezielle Regelung zur Teilhabe in das Gesetz aufgenommen. Bewohner und Bewohnerinnen sollen dabei unterstützt werden, am Leben in der Gemeinde außerhalb der Einrichtung teilzunehmen. Umgekehrt sollen Bürger und Bürgerinnen des Wohnquartiers auch an den Leistungen der Einrichtung partizipieren können. Das bedeutet eine interessante zusätzliche Perspektive für die Träger.

Zu dieser Vorschrift gab es ganz unterschiedliche Stellungnahmen. Meine Bitte ist, das zentrale Anliegen der Öffnung der Einrichtungen nicht mit dem Hinweis „Machen wir sowieso schon alles“ kleinzureden. Natürlich gibt es engagierte Einrichtungen, für die das gelebte Normalität ist. Ich erinnere an die Pflegedemo, als Frau Meurer, die Leiterin einer Einrichtung, mit drei ihrer Bewohner und Bewohnerinnen da war. Wenn wir angesichts des demografischen Wandels Rahmenbedingungen für die Zukunft gestalten wollen, dann gehört dieser Aspekt des offenen, barrierefreien Gebens und Nehmens im Wohnumfeld zwingend für alle dazu und nicht nur für besonders Engagierte.

(Beifall bei der SPD)

Bei den Regelungen zur Mitwirkung der Bewohner und Bewohnerinnen haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass auch Externe, zum Beispiel Angehörige, Betreuer oder Ehrenamtliche, in angemessenem Umfang gewählt werden können. Nur ersatzweise und auf ein Jahr befristet kann statt eines Bewohnergremiums ein Angehörigen- und Betreuerbeirat gewählt werden. Auch das war ein Punkt, der in der Anhörung sehr unterschiedlich bewertet worden ist. Wir wollen dieses Gremium aber bewusst nicht als Dauereinrichtung, weil wir darin die Gefahr sehen, dass Bewohner und Bewohnerinnen dominiert werden. Stattdessen sollen sie Unterstützung erfahren, damit sie ihre Anliegen selbst geltend machen können.