Protocol of the Session on September 21, 2006

Herr Ministerpräsident, es ist nicht wahr, was Sie gesagt haben. Sie haben selbst mitbeschlossen, dass die Beitragssätze um mindestens 0,5 Prozentpunkte erhöht werden.

(Beck, Ministerpräsident: Das hat doch mit dem System gar nichts zu tun!)

Das hat etwas mit diesem Eckpunktepapier zu tun.

(Beck, Ministerpräsident: Nein! Überhaupt nicht!)

Selbstverständlich hat das auch etwas damit zu tun.

(Beck, Ministerpräsident: Das ist eine Altlast! Das hat doch damit gar nichts zu tun!)

Herr Ministerpräsident, in diesem Punkt ist sich die Fachwelt absolut einig. Natürlich gibt es eine Altlast.

(Beck, Ministerpräsident: Das hat damit gar nichts zu tun!)

Das hat 1998 angefangen. 1997 hatten wir noch ein Plus. Das hat viel damit zu tun.

Aber dieses Eckpunktepapier hat ganz eklatant etwas damit zu tun. Wo sollen die Mehrkosten herkommen? Das ist deutlich. Jeder weiß es. Es wird nicht mit 0,5 % getan sein. Wir müssen schon ehrlich sein.

(Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD – Weitere Zurufe von der SPD)

Lassen Sie mich doch einmal in Ruhe ausreden.

Herr Ministerpräsident, in einem Punkt unterscheiden Sie sich von der Bundeskanzlerin. Die Bundeskanzlerin hat sich ehrlich und offen hingestellt und gesagt, wir werden in Zukunft für das Gesundheitswesen mehr Geld ausgeben müssen. Das ist die nackte Wahrheit.

Es gibt sicher Einsparpotenziale bei dem System. Da sind wir uns alle einig, aber die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt werden schneller sein. Wir müssen den Menschen die Wahrheit sagen. Das wäre ein erster Schritt, um mehr Verständigung bei diesem Thema zu bekommen.

Es wird so sein, dass wir in Zukunft mehr zahlen müssen. Darauf müssen wir uns alle einstellen. Den Leuten zu verkaufen, man kann immer mehr Leistung und bessere Zuständigkeiten für weniger Geld bekommen, wird nicht funktionieren. Das muss man klar und deutlich sagen. (Beifall bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Den letzten Satz werde ich gleich ausführen. Bemerkenswert ist, dass Sie keinen Satz zu der ländlichen Struktur gesagt haben, wo unsere Krankenhäuser überwiegend sind. Sie haben mit großen Krankenhausträgern gesprochen.

Vielen Dank. (Beifall der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie einverstanden sind, dann würde ich Ihnen vorschlagen, in der nächsten Runde sieben Minuten und nicht fünf Minuten und zwei Minuten Redezeit zu machen. – Ich sehe Einverständnis für die Regelung. Danke schön.

Frau Abgeordnete Ebli hat das Wort.

Lassen Sie mich noch wenige Anmerkungen machen. Es gibt nichts, was man in der Opposition nicht kritisieren könnte. Das ist Ihre Rolle. Das dürfen Sie gerne tun.

Herr Dr. Schmitz, ich habe mich sehr gefreut, als Sie sagten, dass Sie drei Viertel der Ausführungen des Ministerpräsidenten mittragen und folgen können, immerhin.

(Dr. Schmitz, FDP: Dass ich folgen könnte, habe ich nicht gesagt!)

Doch, das haben Sie gesagt, Sie haben wiederholt „bin ich bei Ihnen“ gesagt.

Wir dürfen auch nachsehen. Es gab eine Diskussion zur Grundleistung. Das fordern Sie in Ihrem Grundsatzpapier. Eine Pflicht, sich zu versichern, darf es nur für Grundleistungen geben, die den Einzelnen im Krankheitsfall finanziell überfordern. Sie fordern nur Grundleistungen.

(Dr. Schmitz, FDP: Im Rahmen der GKV! – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Ja, es ist sehr interessant nachzulesen.

Lassen Sie mich Thema „Krankenhäuser“ eines sagen. Natürlich wissen wir, dass es Krankenhäuser mit finanziellen Problemen gibt. Es gibt aber auch Krankenhäuser, die es beispielhaft verstehen, wie man es aus eigener Kraft und mit vorhandenen Ressourcen schafft, einen ausgeglichenen Haushalt zu haben und Leistungen und Aufgaben zu schultern. Das Krankenhaus in Pirmasens ist beispielsweise zu nennen.

Wir haben das Instrumentarium des Landeskrankenhauszielplanes, das ein gutes ist und auf das man in Zukunft verstärkt eingehen muss.

Die Tarifpartner haben einen Abschluss bei dem Ärztetarif getätigt. Das ist ein Grund dafür. Wir wussten das. Nicht umsonst haben sich die Verhandlungen so lange hingezogen. Wir wissen es bzw. wir stehen dazu, dass die Ärzte für diese wirklich wichtige Leistung besser bezahlt werden müssen. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie und von wem es finanziert werden soll. Dahinter steht ein Solidarsystem, das diese Kosten zu schultern hat.

Ich denke, es wird noch viele Punkte geben, über die wir zu reden haben. Insgesamt befinden wir uns auf einem guten Weg. Das vorhandene Solidarsystem muss mit dem vorhandenen Leistungskatalog erhalten bleiben. Daran darf nicht gegangen werden. Es gibt Bürgerinnen und Bürger, die keine Wahl haben. Für diese müssen wir stehen.

(Beifall bei der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Kollege Dr. Schmitz hat das Wort. Sie haben sieben Minuten Redezeit wie die anderen Fraktionen auch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich, ob meine Rede das Magenknurren übertönen kann. Ich muss die sieben Minuten nicht notwendigerweise ausnutzen.

Ich möchte da anschließen, wo ich aufgehört habe und insbesondere auf die Rede des Herrn Ministerpräsidenten Bezug nehmen. Das ist wieder ein Punkt, bei dem

selbstverständlich Einigkeit über alle Parteien hinweg besteht.

Frau Ebli, dass Gutmenschtum Ihrer Rede unterstützen wir absolut. Wir sind alle Gutmenschen. Es gibt vielleicht hauchweise noch bessere Gutmenschen. Aber insgesamt sind wir alle auf dem richtigen Weg.

Wir müssen feststellen, dass es sich beißt, dass es nicht mehr funktioniert. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Sie sagten, wir wollen die Prävention stärken. Es gab die letzte Jahrhundertreform. Das ist die einzige Replik, die ich mir erlaube. Ich möchte auch nicht nach hinten, sondern nach vorne schauen.

Früher bekam der Kassenpatient nach einer Zahnfleischbehandlung, die vielleicht 1.000 DM gekostet hat, den Zahnstein für einen den gesetzlichen Kassen in Rechnung gestellten Betrag von ca. 10 DM entfernt. Beim letzten Jahrhundertwerk wurde das gestrichen. Das sage ich zum Thema „Leistungseinschränkung“.

Wer jetzt noch verantwortungsbewusst nach einer GKVfinanzierten Zahnfleischbehandlung Nachsorge betreiben will, muss aus eigener Tasche 30 Euro bis 40 Euro zahlen. So sieht die Welt wirklich aus. Ich glaube, das ist eine Welt, die wir beide nicht wollen, ich als Leistungserbringer nicht und Sie als Politiker nicht, Herr Ministerpräsident.

Lassen Sie uns daran arbeiten, diese Situation zu verbessern. Das geht in einem System, das ein ganz besonders wichtiges Segment einer Gesellschaft ist. Da gehe ich Ihnen Recht. Das ist mit ganz wenigen anderen Dingen vergleichbar, beispielsweise vielleicht noch mit der Lebensmittelversorgung. Das können wir uns heute nicht vorstellen. Aber die ältere Generation weiß noch, was es heißt, Hunger zu leiden. Wenn wir dieses System als ganz besonders wichtig einstufen und uns überlegen, wie wir es organisiert haben, dann entspricht das im Wesentlichen Organisationskriterien, die andere staatlich angeleitete Systeme zum Scheitern gebracht hat. Es ist staatlich verantwortet. Es ist staatlich organisiert und beaufsichtigt. Es konzentriert sich seit Jahrzehnten auf eine Mischung aus Mangelverwaltung, Leistungseinschränkung und/oder Zuzahlung. Ich will die Diskussion nicht führen, wer woran schuld ist.

Herr Ministerpräsident, auch dieses Gesetz weist wieder in diese Richtung. Wir haben beim Jahrhundertwerk gesagt, das ist keine Reform, sondern das sind 500 Seiten zusätzliche Bürokratie. Zu diesen 500 Seiten kommen jetzt noch einmal 500 Seiten zusätzliche Bürokratie. Das sage ich zum Thema „Bürokratieabbau“, abgesehen davon, was nachher auf dem Verordnungsweg an Tausenden von Seiten hinzugefügt wird, bevor es von den Gerichten „verhackstückt“ wird und nachher einen Komplikationsgrad erreicht, den kein Mensch mehr versteht.

Ich will keinen Lobbyisten reinwaschen. Das führt dazu, dass das Grundvertrauen nicht nur der Leistungserbringer und der Patienten in die Politik in diesem Bereich verschwindet. Bei jedem Wort, das irgendein Politiker in den Mund nimmt, wird sofort überlegt, wie er mich über den Tisch ziehen will.

Wenn Sie beispielsweise anmahnen, dass die Kassen mit den Ärzten direkt verhandeln sollen, wenn also das Monopol der Kassenärztlichen Vereinigung und Kassenzahnärztlichen Vereinigung gebrochen – vielleicht habe ich etwas überzogen – zumindest relativiert werden soll, dann sind wir uns einig. Aber das soll nicht so sein, dass große Kassen mit einzelnen Leistungserbringern Verträge abschließen sollen. Das ist ein asymmetrisches System, dem sich ein einzelnes Krankenhaus oder ein einzelner Landarzt im Hunsrück überhaupt nicht entziehen kann.

Es ist nicht die Frage, dass wir Wettbewerb wollen, sondern wie wir ihn wollen. Es ist nicht die Frage, dass wir eine integrierte Versorgung wollen, sondern wie wir sie wollen. Es ist nicht die Frage, dass wir steuerliche Zuschüsse für ein System wollen, dass in der Krankenversicherung zum Teil in Bereiche finanziert wird, die eigentlich staatliche Daseinsvorsorge sind, sondern wie wir es wollen.

Wenn Sie sagen, die Kollegen der CDU auf Bundesebene und die bösen Lobbyisten verhindern, dass Sie einen vernünftigen Wechsel hinbekommen, dann sind wir wieder zusammen.

Aber Sie haben Verständnis dafür, dass ich das nicht lobend herausstellen kann. Die Menschen erwarten, dass die Probleme gelöst werden, nicht, dass erklärt wird, warum die Probleme unlösbar sind. Bei aller Standardfreude, die jeder Politiker am Wahlabend in die Mikrophone hustet, muss uns doch eins insgesamt zu denken geben, dass nämlich der Parlamentarismus an den Rändern aufdröselt.

Sie haben gestern oder vorgestern formuliert, wir brauchen mehr Netzwerke gegen Rechtsextremismus. Ich hoffe, Sie sehen das mit dem Linksextremismus, der zurzeit nicht so im Diskussionsforum steht, genauso. Aber davon gehe ich aus.

Ich habe nichts gegen die Stärkung von Netzwerken gegenüber politischem Extremismus, ich mahne aber an, dass wir alle gemeinsam eine Politik machen, die die Leute wieder an Politik glauben lässt, und keine Politik, die, wenn es denn am 1. April nächsten Jahres überhaupt wahr wird und nicht nur Makulatur sein wird, die Leute noch mehr irritiert, noch mehr von den Wahlurnen abhält und das passiert, was wir bei der letzten Großen Koalition auf Bundesebene erlebt haben. Auch wenn es uns taktisch helfen würde, ich will das nicht. Um diese Verantwortung bitte ich Sie, Herr Ministerpräsident.

Danke sehr.

(Beifall der FDP – Ministerpräsident Beck: Das hört sich alles gut an, aber sagen Sie einmal wie! – Pörksen, SPD: Salbungsvolle Worte!)

Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Rosenbauer.