Protocol of the Session on May 14, 2009

Die klare historische Einbindung habe ich schon angesprochen. Gegenwartsbezüge und ein lokaler Kontext als exemplarisches Lernen sollen stärker hervorgearbeitet werden.

Die Koordinierungsstelle für Zeitzeugen haben wir gemeinsam im Antrag angesprochen. Sie soll zur Vermittlung von Wissen über die DDR mit beitragen, indem sie Kontakte zu Vertretern von Bürgerrechtsbewegungen, aber auch zu den einfachen Zeugen des Alltags vermit

telt, die berichten können, wie sich Verfolgung und Unterdrückung im Alltag ausgewirkt haben.

(Beifall der SPD)

Wir empfehlen den Schulen auch ein fächerübergreifendes Arbeiten und Projekte fächerübergreifender Art. Klassenfahrten zu Gedenkstätten in den neuen Bundesländern – eventuell zusammen mit möglicherweise vorhandenen ostdeutschen Partnerstädten – können dazu beitragen, dieses Thema zu vertiefen und die Erfahrungen der Menschen ins Bewusstsein zu bringen, weil wir diesen Antrag gerade vor dem Hintergrund diskutieren, dass die Geschichte der DDR zu wenig im Bewusstsein unserer jungen Menschen ist und sie zu wenig über die Geschichte der Unterdrückung gewusst haben.

Zum Schluss werden Angebote der Lehrerfort- und Weiterbildung sowie Unterrichtsmaterialien angesprochen. Das Ministerium wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Unterrichtsmaterial in ausreichender Zahl vorhanden ist. Fortbildungen sollen auch an historisch bedeutsamen Orten in Verbindung mit Zeitzeugengesprächen stattfinden.

Ich meine, in seiner jetzigen Form richtet sich der Antrag in einer umsetzbaren und praktikablen Art und Weise an die Schulen und gibt ihnen Hilfestellungen und Hinweise, wie dieses Thema stärker herausgearbeitet und richtig im Unterricht eingesetzt werden kann. In diesem Sinne treten wir natürlich für diesen gemeinsamen Antrag ein.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Es spricht Herr Kollege Dr. Weiland.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, es ist ein gutes Zeichen, dass wir zu diesem wichtigen Thema einen gemeinsamen Antrag vorlegen, den wir miteinander besprechen und dann auch beschließen können, weil ich meine, dass bei diesem Thema Gemeinsamkeit in bestimmter Weise schon ein Wert an sich ist. Deshalb bin ich dankbar, dass in den Gesprächen und gemeinsamen Beratungen dieser Antrag zustande gekommen ist. Dadurch wird bei diesem wichtigen Thema gezeigt, dass durch parlamentarische Beratungen Initiativen auch noch verbessert werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, anlässlich seines Ausscheidens als Intendant des Deutschlandradio wurde Ernst Elitz Anfang April in einem Interview gefragt: „Woran liegt es, dass heutzutage so viele ein falsches Bild von der DDR haben?“ – Elitz antwortete darauf: „Im Seelenhaushalt des Menschen wird das Unangenehme gern verdrängt. Wer nicht mit sich klarkommt, braucht die Ausrede: Früher war alles besser. Wer mitgemacht hat, will sich reinwaschen. Und der

Dritte sagt, lass mich doch in Ruhe mit den alten Kamellen. Umso wichtiger ist es,“ – so Elitz weiter – „dass die Sternstunde der deutschen Geschichte, die friedliche Revolution von 1989, zum Schwerpunkt an den Schulen wird. Dass darüber so selten gesprochen wird, ist für mich“ – also für Elitz – „ein klares Versagen der Bildungspolitik.“

Dem wollen und dem werden wir in Rheinland-Pfalz – jedenfalls unter anderem auch mit unserem gemeinsamen Antrag, den wir heute besprechen – entgegenwirken. Dabei hilft keine Schwarz-Weiß-Malerei, dabei hilft keine Rechthaberei und erst recht keine Selbstgerechtigkeit weder von der einen noch von der anderen Seite. Eine Kritik am Regime, eine Kritik an der Diktatur ist dabei nicht mit einer Kritik an den Menschen gleichzusetzen, die unter ihr gelebt haben, unter ihr leben mussten; denn wer sich auf diese Gleichung einlassen würde, hätte die Diskussion schon verloren.

Es hilft in der Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Kapitel der deutschen Geschichte – wie übrigens auch bei der Auseinandersetzung mit anderen schwierigen Kapiteln der deutschen Geschichte – nur genaues Hinsehen und Differenzieren, genaues Hinsehen und Differenzieren auch in der aktuell geführten Diskussion über das, was es in der DDR möglicherweise an Gutem gegeben hat, z. B. die Kindergärten. Genaues Hinsehen und Differenzieren!

Natürlich gab es Kindergärten, in denen sich Kinder auch wohlgefühlt haben, das Sandmännchen geliebt haben, gespielt, gemalt und gesungen haben. Sie haben z. B. das beliebte Lied vom Volkspolizisten gesungen mit dem bekannten Refrain: „Und wenn ich mal groß bin, damit ihr es wisst, dann werde ich auch so ein Volkspolizist.“

Kinder fanden es vielleicht auch spannend, wenn Offiziere der NVA zu Besuch kamen und vom Kampf gegen den Imperialismus erzählt haben, wozu auch die von ihnen sogenannte Sicherung der Friedensgrenze zählte. Es ist eben dieses Ineinanderverwobensein von Normalität und Anormalität, das typisch ist für das Leben in einem totalitären Staat, für das Leben in einer Diktatur.

Wer sich davon ein Bild machen will, dem sei dringend z. B. die Lektüre von „Der Turm“ von Uwe Tellkamp empfohlen. Die Geschichte spielt unter Ärzten. Da gab es viel Aufopferung, viel menschliche Wärme und Zuwendung und großes ärztliches Können im Gesundheitssystem. Den Mangel am Notwendigsten konnte das dann letztlich doch nicht ganz wettmachen.

Wir finden, es wäre schön, wenn unsere Schülerinnen und Schüler außer den unverzichtbaren historischen Fakten über Hohenschönhausen, die Mauertoten, Bautzen und schließlich über die friedliche Revolution auch einen differenzierten Einblick in das Alltagsleben der Diktatur bekämen. Es wäre schön, wenn unser gemeinsamer Antrag dazu einen Beitrag leisten könnte.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Morsblech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass dieses Antrags war ursprünglich auch eine Studie der Freien Universität Berlin, die uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass das DDR-Bild von Schülerinnen und Schülern und deren Zugang zu Informationen über diesen Teil der deutschen Geschichte durch die Schule erhebliche Defizite aufweist.

Die Studie, die bundesweit in den Medien diskutiert worden ist, enthielt zwar keine rheinland-pfälzischen Daten, sie war jedoch für uns alle Anlass, erneut darüber nachzudenken, welches Bild und welcher Aufklärungsgrad insbesondere bei jungen Menschen im Hinblick auf die Vergangenheit der neuen Bundesländer in Rheinland-Pfalz vorherrscht und inwiefern wir die Auseinandersetzung mit diesem Teil der deutschen Geschichte in der Schule weiter fördern können.

Zu wissen, welche Bedeutung Diktaturen und Regime, die nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien handeln, für eine Gesellschaft und das eigene tägliche Leben haben, ist die wichtigste Grundlage, um eine Demokratie wirklich schätzen zu können.

Wer eine Ahnung davon hat, was der Nationalsozialismus im Deutschen Reich und der Sozialismus der DDR für das Leben der Menschen und die persönliche Freiheit und das soziale Miteinander bedeutet haben, wird eher bereit sein, sich für die Demokratie aktiv einzusetzen, für unsere freiheitliche Grundordnung zu engagieren und zumindest diese Demokratie wertzuschätzen, indem er sein Wahlrecht wahrnimmt.

Wenn wir an die Kommunal- und Europawahlen denken, dann eint uns in diesem Hause alle eines, nämlich die Sorge um die Wahlbeteiligung und darum, dass wieder einmal vergleichsweise wenige Menschen und insbesondere auch wenig junge Menschen am 7. Juni motiviert sein werden, in ein Wahllokal zu gehen und dort demokratische Parteien und Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, bis zum Mauerfall hat mich persönlich – ich möchte diese persönlichen Worte auch gern nutzen, um noch einmal die Wichtigkeit dieses Antrags zu unterstreichen – auch als Jugendliche kein politisches Ereignis beeindruckt. Ich war eher eine von den Desinteressierten. Ich war damals zu der Zeit des Mauerfalls 17 Jahre alt. Ich habe mich zwar immer in meinem direkten Umfeld in der Schule aktiv engagiert, aber nie für kommunal-, landes- und bundespolitische Belange interessiert.

Als ich 1989 gesehen habe, was die Menschen in der DDR durch ihr eigenes Engagement, ihren Mut, ihr demokratisches Grundverständnis und ihre Motivation selbst geschafft haben, aber auch welchen Befreiungsschlag sie dabei wagen mussten, um über ihre Geschicke selbst bestimmen, aber auch um in unserem politi

schen System leben zu dürfen, hat mich das tief beeindruckt. Ich habe zum ersten Mal auch so etwas wie Dankbarkeit empfunden, dass ich in einem solchen Land mit einer solchen Grundordnung leben darf.

Mir ist zum ersten Mal bewusst geworden, dass meine eigene persönliche Stimme und die jedes anderen notwendig ist und auch eigenes Engagement in diesem Staat gefragt ist. Deshalb gab für mich und für viele andere in meiner Generation der Mauerfall den Ausschlag dafür, sich politisch zu engagieren und selbst einzubringen.

Deshalb bin ich froh, dass es uns in diesem Hause gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag aller hier vertretenen demokratischen Parteien auf den Weg zu bringen. Ich freue mich, dass der Antrag mit den enthaltenen Forderungen so konkret geworden ist, die direkt klare Aufträge an die Landesregierung formulieren.

Wir schieben aber – das hat der Kollege bereits gesagt – mit diesem Antrag die Verantwortung nicht wieder in die Schule hinein, sondern formulieren klare Aufträge und Inhalte zur Überarbeitung von Lehrplänen, für die Vermittlung von Zeitzeugen und die pädagogischen Serviceeinrichtungen. Dass dies so gelungen ist, ist für die FDP-Fraktion ausdrücklich zu begrüßen.

Dennoch hat uns an diesem Antrag etwas verwundert. Obwohl im feststellenden Teil des Antrags sehr umfassend und klar darauf eingegangen wird, warum eine verstärkte Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte in der Schule notwendig ist, wird trotzdem in dem Antrag das sozialistische DDR-Unrechtsregime nicht als solches beim Namen genannt. Der Nationalsozialismus wird von uns stets als solcher benannt.

Ich denke, es ist auch wichtig, dass wir als Demokraten in der Lage sind, das sozialistische DDR-Regime offen beim Namen zu nennen, damit wir uns künftig genauso offen im Rahmen von Gedenktagen, aber auch bei anderen Anlässen gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern mit dieser Zeit auseinandersetzen können. Natürlich werden wir dennoch diesem sehr wichtigen Antrag zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ganz ausdrücklich bei Herrn Abgeordneten Fuhr, Herrn Abgeordneten Dr. Weiland und Frau Abgeordneter Morsblech stellvertretend dafür bedanken, dass es diesen gemeinsamen Antrag gibt, aber vor allen Dingen auch für die sehr gehaltvolle Debatte.

Liebe Frau Abgeordnete Morsblech, vielleicht kann man auch noch die letzte vermeintliche Differenz ausräumen. Ich habe auf die Schnelle nachgeschaut und finde unter dem vierten Spiegelstrich Folgendes: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass die bereits eingerichtete Koordinierungsstelle für Zeitzeugen verstärkt zur Vermittlung von Wissen über das Unrechtssystem der DDR genutzt wird, …“ – Insofern kann ich die letzte Differenz noch aufklären.

Ich finde die Debatte heute auch deswegen wichtig, weil sie aus meiner Sicht ein sehr positives Signal auch vor dem Hintergrund ist, dass dieser Antrag mit dem 20. Jahrestag der friedlichen Revolution von 1989 fast zusammenfällt. Ich glaube, dass wir alle Anlass haben, dem mutigen Engagement der Menschen aus der ehemaligen DDR zu danken, die nach Jahrzehnten der Unfreiheit einen demokratischen Staat wollten.

Dass wir diesen Antrag jetzt beraten und damit verbinden, dass es eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit der Geschichte der ehemaligen DDR gibt, ist auch Anerkennung und Dankbarkeit für dieses Engagement, die an dieser Stelle zum Ausdruck kommen sollen.

Ich finde den Antrag nicht nur sehr gut, sondern er gibt auch sehr konkrete Handlungsaufträge. Deswegen haben wir auch mit der Umsetzung dessen begonnen, was uns auf den Weg gegeben worden ist. Ich hatte bereits bei der letzten Debatte angekündigt, dass ich eine Lehrplanrevision für notwendig halte. Vielleicht haben Sie es mitbekommen. Wir haben inzwischen die fachdidaktische Kommission ausgeschrieben, sodass unmittelbar und sehr zügig mit den entsprechenden Arbeiten begonnen werden kann.

Wir haben bei der Koordinierungsstelle „Zeugen der Zeit“, die verstärkt Wissen über diese Zeit vermitteln soll, begonnen, weitere Vertreterinnen und Vertreter auch der Bürgerrechtsbewegung anzusprechen, weitere Zeitzeugen zu suchen, damit Schülerinnen und Schülern authentische Gesprächspartnerinnen und -partner zur Verfügung stehen.

Die Forderung nach fächerübergreifenden Arbeiten zur DDR-Geschichte und Schulfahrten zu ostdeutschen Gedenkstätten ist ebenfalls sehr sinnvoll, für die wir gemeinsam werben und die wir in die schulische Praxis mit einbeziehen können.

Ich freue mich, dass der Landtag, die Landeszentrale für politische Bildung, die Landesregierung und auch mein Haus das Jubiläumsjahr des Mauerfalls angemessen begehen und dafür eine Reihe von Anlässen gefunden haben. In diesen Tagen habe ich gerade für den „Tag des politischen Gesprächs“ geworben. Sie alle haben die Chance, an diesem „Tag des politischen Gesprächs“ auch in Schulen unterwegs zu sein. Eines der Leitthemen ist die deutsch-deutsche Geschichte. Auch diese Chance sollten wir nutzen.

Darüber hinaus hat die Landeszentrale für politische Bildung in Absprache mit dem Landtag beim Schüler- und Jugendwettbewerb als eines von drei Themen explizit das Thema „20 Jahre nach dem Mauerfall – Was

wissen wir heute von den neuen Bundesländern“ verankert. Auch hier gibt es eine konkrete Bezugnahme.

Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der Hambacher Disput der Landeszentrale für politische Bildung sich dem Thema „Mauerfall – Wiedervereinigung“ widmen wird.

Ich darf auch noch darauf hinweisen, dass vonseiten der Landeszentrale gemeinsam mit dem Bildungsministerium beabsichtigt ist, die Wanderausstellung der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zur Geschichte und Funktion der Stasi nach Rheinland-Pfalz zu holen und mit anzubieten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das sind zum Abrunden der Debatte ein paar konkrete Beispiele, was wir in diesem Jahr tun können.

Ich bedanke mich noch einmal dafür, dass es möglich war, dass wir auf der Grundlage eines gemeinsam formulierten Antrags weiterarbeiten können. Selbstverständlich bin ich jederzeit bereit, Ihnen auch immer mitzuteilen, was wir von diesen vielen Anregungen, die in diesem Antrag enthalten sind, jeweils umgesetzt haben.