Protocol of the Session on May 13, 2009

Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordnete! Ein Menschheitstraum wird wahr: Wir Menschen werden immer älter, und die meisten Menschen können ihr Alter genießen. Wir gehen einer Gesellschaft des längeren Lebens entgegen. Das ist ein Geschenk.

Zusammen mit dem Rückgang der Geburten wird die gestiegene Lebenserwartung in Zukunft allerdings dazu führen, dass die Altersstruktur sich verändert. Im Verhältnis zu den Jüngeren wird der Anteil der älteren Menschen deutlich zunehmen.

(Vizepräsidentin Frau Klamm übernimmt den Vorsitz)

Für Politik und Gesellschaft ist das Herausforderung und Chance zugleich. Die Herausforderung liegt vor allem in der sozialen Sicherung, der Infrastruktur, der Arbeit, der Qualifikation, auch der Sicherung der solidarischen Beziehungen zwischen Alt und Jung. Die Chancen lie

gen im Wissen, der Kompetenz, dem Schatz an Lebenserfahrung und der Bereitschaft der älteren Menschen, aktiv zu bleiben und sich zu engagieren.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordnete, die Landesregierung setzt bewusst auf Chancen einer Gesellschaft des längeren Lebens. In dieser Zielsetzung sehen wir uns auch bestärkt durch den im Mai letzten Jahres von SPD, CDU und FDP in diesem Hause beschlossenen Antrag zu den Zukunftsperspektiven für ältere Menschen. Die älteren Menschen von heute und erst recht die von morgen sind biologisch, sozial und auch psychisch deutlich jünger und aktiver als früher. Wir schaffen Rahmenbedingungen, damit sie ihre Kompetenzen und Erfahrungen nutzen und einbringen können. Denen, die Unterstützung brauchen, helfen wir, ihr Leben so lange wie möglich eigenständig und selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden und im vertrauten Wohnumfeld zu gestalten.

(Beifall der SPD)

Ziel der Landesregierung ist es, dass die gewonnene Lebenszeit mit einer guten Lebensqualität einhergeht. Wir möchten, dass die Menschen im Alter gut leben in Rheinland-Pfalz.

Dabei ist uns wichtig, dass die Sicherung der Lebensqualität im Alter die Jüngeren nicht über Gebühr belastet. Es geht uns um die solidarischen Beziehungen zwischen den Generationen. Junge und Alte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Deshalb bedeutet Seniorenpolitik heute auch, Ältere verstärkt mit einzubeziehen. Sie werden für den Erhalt der Lebensqualität in einer Gesellschaft des längeren Lebens dringend gebraucht.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Herren und Damen Abgeordnete, ich bin Woche für Woche, Monat für Monat im Gespräch mit vielen älteren Menschen, ob bei Veranstaltungen, in Pflegeeinrichtungen oder den Häusern der Familie. Dabei ist mir klar geworden, dass wir die Grundideen, unser Bild vom Alter, den roten Faden, der unser politisches Handeln für ältere Menschen bestimmt, deutlicher machen müssen. Das will ich in dieser Regierungserklärung tun.

Das gesellschaftliche Altersbild ist immer noch von Vorurteilen geprägt. Alt sein bedeutet für viele, nicht mehr für sich selbst sorgen zu können, gebrechlich, hilfe- oder pflegebedürftig zu sein.

Demgegenüber haben die meisten älteren Bürger und Bürgerinnen heute jedoch die Chance, die gewonnenen Jahre bei guter Gesundheit zu gestalten. Sie fühlen sich noch voller Energie, wollen aktiv bleiben und ihre Erfahrungen einbringen.

Das vorherrschende Altersbild verkennt diese Entwicklung. Aber nicht nur das, auch auf die hilfebedürftigen älteren Menschen trifft es nicht zu. Ältere Menschen verfügen, ob hilfebedürftig oder nicht, über hohe emotio

nale und kommunikative Kompetenzen. Sie haben einen besonderen Zugang zu ihren Enkeln, zu den jungen Menschen. Sie haben Geschichte erlebt und geschrieben und können sie erzählen. Häufig vermissen sie, dass ihre Lebensleistung und ihre Potentiale von der Gesellschaft anerkannt und wertgeschätzt werden. Deshalb brauchen wir ein neues Bild vom Alter.

Wir brauchen eine breite Diskussion über das Alter, die von Älteren, Alten und Jungen gemeinsam geführt wird. Wir müssen uns klar machen, dass es das Alter nicht mehr gibt, das heißt, wir müssen differenzieren zwischen den jungen Alten, den heute 60-Jährigen, die gerade erst in das Alter hineinwachsen, den älteren Menschen um die 80 Jahre, die noch gesund und aktiv sind, und all denen, die unsere Sorge und Unterstützung brauchen, die pflegebedürftig sind.

Was bedeuten die gewonnenen Jahre für den Einzelnen und für die Gesellschaft? Was machen wir mit diesem Geschenk an Leben? Es geht nicht mehr nur um Vorsorge für das Altenteil. Für viele geht es um zehn, zwanzig, in absehbarer Zeit sogar um bis zu 30 Jahre, die wir als ältere Menschen leben und gestalten können.

Das Alter ist ein Prozess, der heute länger dauert als unsere Jugend. Er umschließt nicht eine, sondern mehrere Generationen. Mehrere Generationen haben die Chance, ihre besonderen Kompetenzen und Erfahrungen für sich selbst zu nutzen und gesellschaftlich einzubringen.

Auch das gehört in die Diskussion um ein neues Altersbild: Mit welchen Generationen haben wir es zu tun? Wie definieren die Kriegskinder und die Nachkriegskinder ihr Alter? Was wünschen sie sich? Was brauchen sie? Wofür müssen und dürfen wir ihnen danken? Was sind sie bereit, uns weiterzugeben?

Die Landesregierung fördert diese Diskussion. Wir fördern, dass Jung und Alt gemeinsam Zukunftsprojekte, einen neuen Umgang mit dem Alter entwerfen, z. B. durch das Bürgergutachten zur Kommunal- und Verwaltungsreform, durch den BrückenPreis des Ministerpräsidenten, durch Begegnungen, Foren oder die Häuser für Familien, die Mehrgenerationenhäuser.

In vielen Bereichen unserer Politik orientieren wir uns bereits längst an einem neuen Bild des Alters. Ich werde das näher erläutern.

Auch in der Wirtschaft wurde das Altern jahrzehntelang als fortschreitender Verlust an Leistungsfähigkeit und Kompetenz verstanden. Gesucht wurden junge Beschäftigte, aktive und dynamische. Allmählich aber wird immer deutlicher, ältere Menschen sind ein Aktivposten.

(Beifall der SPD)

Sie haben etwas, das man in keiner Schule lernen kann, berufs- und betriebsspezifische Erfahrungen, vor allem aber Lebenserfahrungen.

Unternehmen, die auf das Wissen und die Kompetenzen ihrer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bauen, gestalten Arbeitszeiten, Aufgaben und Abläufe heute al

ternsgerecht. Sie orientieren sich dabei an den besonderen Bedürfnissen und Kompetenzen ihrer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Sie bilden altersgemischte Teams und investieren in die Gesundheit ihrer Beschäftigten.

Um den notwendigen Wissenstransfer in die Betriebe zu organisieren, habe ich im letzten Jahr das Kompetenzzentrum „Zukunftsfähige Arbeit“ ins Leben gerufen. Zusammen mit den Betrieben erarbeitet es Konzepte, die die Gesundheit der Belegschaft, die Arbeitsbedingungen, Führungsgrundsätze, Mitarbeiterkompetenzen und die nötige Weiterbildung berücksichtigen.

Es bietet Einstiegsberatung, Fachberatung und mit dem „Online-Atlas Zukunftsfähige Arbeit“ eine leistungsfähige Internetplattform, die Unternehmen und Beschäftigten hilft, die passende Unterstützung zu finden.

In unterschiedlichen Branchen und Betrieben unseres Landes gibt es viele gute Beispiele für alternsgerechtes Arbeiten. Ich nenne den Handwerksbetrieb Dachdecker Neger, bei dem ältere Dachdecker für die Kundenbetreuung und für Messeauftritte qualifiziert werden. Ich nenne die VR-Bank Südpfalz in Landau, wo ein Knowhow-Transfer zwischen älteren und jüngeren Führungskräften entwickelt und ein Coaching zur Stressbewältigung für ältere Beschäftigte eingeführt wird.

Es gibt viele weitere Projekte, überall in unserem Land, die zeigen: Alternsgerechtes Arbeiten nutzt Unternehmen und Beschäftigen. Die Landesregierung wird den Weg in diese Zukunft weiter aktiv unterstützen, damit die Menschen in Rheinland-Pfalz im Alter gut leben können!

(Beifall der SPD)

Um die jüngere Generation in unserer älter werdenden Gesellschaft nicht zu überfordern, ist die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bis 2029 unumgänglich. Genauso wichtig aber ist es uns, den Übergang von der Erwerbs- in die Ruhestandsphase flexibler zu gestalten und Altersarmut zu vermeiden.

Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass die „Rente mit 67“ um zusätzliche Möglichkeiten eines flexiblen, gleitenden und sozial abgesicherten Übergangs in den Ruhestand ergänzt wird. Weder Anpassungen in der Arbeitswelt noch Änderungen im Rentenrecht allein reichen aus. Beide Ansätze müssen zusammenkommen.

Schon einige Jahre vor Erreichen der Altersgrenze sollte es möglich sein, einen Teil der gesetzlichen Altersrente zu beziehen und gleichzeitig bei reduzierter Arbeitszeit weiter zu arbeiten. Die Landesregierung hat und wird sich weiter dafür einsetzen, dass die rentenrechtlichen Voraussetzungen für dieses Übergangsmodell in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages geschaffen werden.

Erste Tarifverträge in der Chemischen Industrie, der Metall- und der Elektroindustrie zeigen, dass solche Ansätze umsetzbar sind. Besonders erfreulich finde ich, dass die vorhandenen Mittel auf beruflich stark belastete Gruppen wie Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter

konzentriert werden können. Um Einbußen nach dem endgültigen Ausscheiden aus dem Berufsleben auszuschließen, trete ich dafür ein, dass sich auch die Unternehmen an der Finanzierung solcher Modelle beteiligen.

(Beifall der SPD)

Meine sehr geehrten Herren und Damen, nur wenn es gelingt, Wege zu finden, die für die Betroffenen auch gangbar sind, ist die Anhebung des Rentenalters auch für alle zumutbar! Das war und ist die Position der Landesregierung.

Zum 1. Juli dieses Jahres werden die Renten um 2,4 % steigen. Nach Jahren von Nullrunden oder geringer Rentenerhöhungen kommt der letzte Wirtschaftsaufschwung jetzt auch bei den Seniorinnen und Senioren an.

Dass ältere Menschen in unserem Land eine verlässliche Alterssicherung haben, muss auch oder erst recht für Krisenzeiten gelten. Negative Rentenanpassungen darf es in Deutschland nicht geben. Ich unterstütze deshalb nachdrücklich das Vorhaben von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, das Rentenrecht so zu gestalten, dass die Renten auch dann nicht sinken, wenn die sozialversicherungspflichtigen Einkommen wegen Kurzarbeit zurückgehen.

(Beifall der SPD)

Unser Ziel ist es, dass ältere Menschen auch in Zukunft armutsfeste Renten erhalten. Dabei sollten wir daran festhalten, dass Renten vor allen Dingen das Ergebnis der Beiträge sind, die während des Erwerbslebens in die Rentenversicherung fließen. Deshalb kommt es vor allem darauf an, die Erwerbsbiographien zu stärken.

Die Landesregierung hat sich nachdrücklich, unter anderem durch eine Bundesratsinitiative, für die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen eingesetzt.

(Beifall der SPD)

Mittlerweile sind etwa vier Millionen Beschäftigte in Deutschland durch Mindestlöhne geschützt. Das ist ein wichtiger Fortschritt. Ganz wichtig ist, dass jetzt auch die Pflege mit einbezogen ist. Das betrifft allein in Rheinland-Pfalz etwa 50.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Meine sehr geehrten Herren und Damen, zur Stärkung der Erwerbsbiographien gehören auch die Beseitigung der Lohndiskriminierung von Frauen, von Migranten und Migrantinnen, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eine zielgruppenorientierte Arbeitsmarktpolitik, eine Bildungspolitik, die auf Chancengleichheit setzt, die systematische Qualifizierung für das gesamte Arbeitsleben und darüber hinaus die umfassende Einbeziehung von Selbstständigen in die Rentenversicherung.

(Beifall bei der SPD)

Wo solche vorbeugenden Ansätze nicht ausreichen, muss die Rentenversicherung soziale Benachteiligungen noch gezielter ausgleichen, z. B. für Pflege oder Kinder

erziehung. Bedarf für Verbesserungen im Rentenrecht sehe ich bei der Langzeitarbeitslosigkeit. Die Beiträge der Bundesagentur für Arbeit an die gesetzliche Rentenversicherung müssen dort noch deutlich erhöht werden.