Protocol of the Session on February 27, 2009

Es stellt jedenfalls keine neue ökonomische Erkenntnis dar, dass der Staat in Krisenzeiten auch gefordert ist. Aber es ist auch eine Erkenntnis aus dieser Krise, dass in Zeiten, in denen die Wirtschaft läuft, die wirtschaftliche Betätigung des Staates nicht unbedingt von Erfolg gekrönt ist. Man muss sich nur die Landesbanken anschauen.

Herr Kollege Hartloff, ich gebe Ihnen recht, was für ein Glück, dass wir sie nicht mehr haben, sonst hätten wir noch ganz andere Belastungen zu schultern. Das sieht man jetzt in Bayern und Baden-Württemberg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie unsere Position zur Steuerentlastung kritisch betrachten, dann betrachte ich Ihre Position zur Haushaltskonsolidierung natürlich auch kritisch und messe sie an dem, was dann geschieht.

Ich werde es wieder wiederholen: Vor der letzten Bundestagswahl hat die SPD und haben auch Sie versprochen: keine Mehrwertsteuererhöhung! – Nach der Bundestagswahl wurde eine Mehrwertsteuererhöhung – sogar noch höher, als die CDU geplant hatte – mit der Begründung eingeführt, man müsse den Haushalt konsolidieren.

(Dr. Schmitz, FDP: So war das!)

Das hat mich zwar gewundert, weil nämlich Herr Eichel Finanzminister war, aber in Ordnung.

Dann schauen wir uns das letzte Jahr an. Das letzte Jahr, das Jahr 2008, war mit einer Nettoneuverschuldung von rund 970 Millionen Euro geplant, ich runde jetzt ab.

Wir haben im letzten Jahr zusätzliche Einnahmen, die natürlich auch aus dieser Mehrwertsteuererhöhung und anderem kommen, von 840 Millionen Euro gehabt. Dann hätte man eigentlich auf eine Nettoneuverschuldung am Jahresende von 130 Millionen Euro kommen müssen,

was schon sehr nahe an einen ausgeglichenen Haushalt kommt, aber eben keinen ausgeglichenen Haushalt bedeutet.

Tatsächlich haben wir aber eine Nettoneuverschuldung in etwa der Höhe wie veranschlagt, nämlich 970 Millionen Euro. Jetzt werden Sie sagen: Wir haben Vorsorge getroffen. Das haben Sie eben dargestellt. Nur, diese Vorsorge ist schlichtweg kreditfinanziert.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Sie haben nur die Kreditfinanzierung in ein anderes Jahr vorgezogen. Eine echte Vorsorge liegt nur dann vor, wenn Sie Mehreinnahmen zurückstellen, die über den Ausgaben liegen. Das ist aber hier nicht der Fall gewesen; denn Sie haben trotzdem mehr ausgegeben, als Sie eingenommen haben.

Um es einmal an einem Beispiel aus einem privaten Bereich klarzumachen, sodass man das vielleicht leichter verstehen kann: Ende des Jahres fängt jeder an, sich gute Vorsätze für das neue Jahr vorzunehmen. Dann haben wir jetzt eine Person X. Diese sagt sich: Im nächsten Jahr will ich es endlich einmal schaffen durchzukommen, ohne mein Konto zu überziehen. – Dann geht er um sein Auto herum, schaut in die Garage und stellt fest: Nächstes Jahr brauche ich neue Winter- und neue Sommerreifen. –

Dann rechnet er grob überschlägig und kommt zu dem Ergebnis: Das wird eng. – Dann denkt er nach: Wie schaffe ich es im nächsten Jahr, das ohne Schulden zu machen? – Er kommt dann auf den genialen Gedanken: Ich überziehe noch schnell im Dezember das Konto um 1.000 Euro, lege es auf dem Sparbuch an, um dann im nächsten Jahr die Summe vom Sparbuch abzuheben und davon die Reifen zu bezahlen in dem Wohlgefühl, keine Schulden gemacht zu haben. –

(Beifall der FDP)

Das stimmt, in dem Jahr hat er keine Schulden gemacht, aber im Jahr davor. Genauso ist die Vorsorge hier zu verstehen.

(Baldauf, CDU: Ertappt!)

Es ist keine echte Vorsorge. Sie verlagern nur den Zeitpunkt, zu dem Sie die Kredite aufnehmen. Das ist nicht unbedingt ein Ausweis für Transparenz und Haushaltsklarheit.

(Beifall der FDP und bei der CDU – Hartloff, SPD: Insgesamt sind es weniger Kredite!)

Herr Kollege Hartloff, Sie sagen, insgesamt seien es weniger Kredite. Das weiß ich nicht, wenn Sie 970 Millionen Euro einplanen. Sie haben 840 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen. Eigentlich müssten Sie dann mit 130 Millionen Euro wegkommen. Tatsächlich machen Sie 970 Millionen Euro Schulden. Also haben Sie doch deutlich Kredite aufgenommen, um in diesem Jahr – ich komme jetzt auf mein Hütchenspiel von der letzten oder vorletzten Haushaltsrede – einmal das Hütchen hochzuheben, vor dem „Geld“ steht. Das Hütchen, vor dem

„Schulden“ steht, bleibt dann verschlossen. Herr Kollege Hartloff, wissen Sie, das ist nur hin und her geschoben. Dann wird das Hütchen aufgehoben, das gerade passt. Es ist Fakt, dass diese Rücklage kreditfinanziert ist und nicht sauber aus Mehrerlösen.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir reden über ein Paket für unser Land von rund 550 Millionen Euro, rauf oder runter. Wie viel es wirklich kosten wird, wissen wir erst, wenn die Zinsenabrechnung kommt. Lassen wir es, das brauchen wir jetzt nicht spitz auszurechnen.

Fakt ist, dass wir aber im Jahr 1,2 Milliarden Euro für Zinsen und Tilgung ausgeben. Das ist doppelt soviel, wie eigentlich das Konjunkturprogramm für unser Land ausmacht. Diese Zahlen machen deutlich, wie groß unsere Handlungsspielräume wären, wenn es gelänge, in den nächsten Jahren sukzessive diese Zinstragungslast herunterzudrücken, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Ich räume gern ein, dass man das nicht von einem Tag auf den anderen schafft, aber man schafft es auch nicht, indem man die Möglichkeiten, die es gibt, nicht nutzt. Das ist im letzten Jahr geschehen, weil die Mehreinnahmen für andere Dinge verauslagt und nicht zur Schuldentilgung benutzt worden sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Lassen Sie mich noch einige kurze Ausführungen zu dem machen, was dann hier beschlossen wird.

Herr Finanzminister, Sie haben dargestellt, dass Sie dies mit einem Sonderfonds erreichen wollen. Dies ist aus Sicht meiner Fraktion durchaus vernünftig, da auf diese Weise gegenüber dem Bund am besten dargelegt werden kann, wohin das Geld geflossen ist.

Herr Kollege Baldauf, Sie haben soeben gefordert, dass die Kommunen weitestgehend in der Lage sein sollen zu entscheiden, wie das Geld ausgegeben wird. Ich wundere mich eigentlich, dass diese Position von der CDU auf Bundesebene nicht so beschlossen worden ist. Die Große Koalition hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, in dem ziemlich präzise dargelegt wird, wofür das Geld auszugeben ist. Darin ist des Weiteren festgelegt, dass dies das Land zu überwachen hat und auch dafür haftet, dass es so geschieht. Was soll denn das Land anders tun? –

Anstatt heute Ihre Forderung aufzustellen, hätten Sie besser vorher bei Frau Merkel angeklopft und dafür gesorgt, dass der Spielraum für die Kommunen aufrechterhalten wird. Wenn aber auf Bundesebene beschlossen wird, dass das Geld weitestgehend in den Bildungssektor fließen soll, muss das Land irgendwie sicherstellen, dass es auch dort ankommt. Dies lässt sich leider nicht anders machen, als in gewisser Weise Festlegungen zu treffen, wenngleich die Kommunen

selbstverständlich die Freiheit haben sollten, dies auch zukünftig selbst zu entscheiden.

Aber eines wird dieses Paket bei den Kommunen auf keinen Fall lösen, nämlich den Instandhaltungsrückstau, den es in hohem Maße bei den kreisfreien Städten und den Landkreisen, also insbesondere bei den Schulträgern, gibt. 550 Millionen Euro werden im Land sehr schnell versickern, und sie werden bei Weitem nicht ausreichen, das wettzumachen, was sich in den letzten Jahren aufgestaut hat. Dies erhält deshalb auch weiterhin die Verpflichtung aufrecht, zukünftig dafür zu sorgen, dass sowohl die kreisfreien Städte als auch die Landkreise von ihrer Einnahmensituation her in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben als Schulträger überhaupt erfüllen zu können. Dies können weder sie noch das Land allein lösen. Dafür bedarf es einer neuen Verteilung der Finanzströme, was auf Bundesebene zu regeln ist.

So, wie es derzeit aussieht, werden aber weder die kreisfreien Städte noch die Landkreise jemals in die Lage kommen, letztendlich die Aufgaben zu erfüllen, die sie wahrzunehmen haben. Das, was wir heute beschließen, wird nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Deshalb sollten wir die Erwartungen nicht zu hoch hängen. Ich habe viele Presseberichte gelesen, was in den Kommunen vor Ort diskutiert wird und welche Maßnahmen plötzlich mit dem Geld realisiert werden sollen.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Ich hoffe, die Entscheidungen, die wir heute in diesem Parlament treffen, führen nicht zu allzu großen Enttäuschungen vor Ort; denn all das, was man sich vor Ort vorstellt, wird letztlich nicht genügen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich habe für meine Fraktion zugesagt, dass wir im Interesse einer schnellen Wirksamkeit des Konjunkturprogramms ein zügiges Verfahren in diesem Parlament ermöglichen werden. Ich stelle für meine Fraktion fest, dass wir diese Zusage auch einhalten werden. Wir werden in der nächsten Woche im Haushalts- und Finanzausschuss sehr zügig beraten und werden am Donnerstag endgültig den Nachtragshaushalt beschließen. Insofern hoffe ich, dass die Ziele, die mit diesem Konjunkturprogramm – bei aller Kritik, die wir daran äußern – verbunden sind, im Interesse unseres Landes erfolgreich sein werden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP)

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Schreiner das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein Wort vorneweg: Ohne die

Zwischenrufe von Herrn Ramsauer fehlt mir direkt etwas. Wenn er irgendwo im Haus zu finden ist, würde ich mich freuen, wenn er den einen oder anderen Zwischenruf machen würde. Das belebt die Diskussion. Herr Minister, auch von der Regierungsbank muss man sich als Abgeordneter durchaus den einen oder anderen Zwischenruf gefallen lassen. Insofern glaube ich, dass es falsch war, mit dem Finger auf die Abgeordneten zu zeigen.

Ich möchte daran anknüpfen, was Herr Mertin soeben über die Vorträge von Herrn Finanzminister Deubel im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und im Haushalts- und Finanzausschuss ausgeführt hat, wo er stundenlang berichtet und einem am Schluss der Kopf schwirrt. Vorträge, die man wie heute der Presse entnehmen kann, werden seitens der Journalisten als Verdummungsversuche wahrgenommen.

Ich möchte, wie es Herr Mertin schon getan hat, ebenfalls den Versuch unternehmen, Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in einfachen Zahlen noch einmal klarzumachen, worum es eigentlich geht und was wir beschließen. Natürlich geht es um das Konjunkturpaket II, das für die Jahre 2009 und 2010 mit 312,5 Millionen Euro zusätzlichen Ausgaben im Haushalt stehen wird. Aber es geht auch in allererster Linie darum – und dies sollten wir nicht kleinreden –, dass wir die schon bei der Aufstellung und bei der Verabschiedung des Haushaltes im letzten Jahr absehbaren Steuerminderausgaben berücksichtigen müssen. Dies sind wesentlich höhere Beträge; denn dabei geht es um 470 Millionen Euro im Jahr 2009 bzw. um 760 Millionen Euro im Jahr 2010. Dies bedeutet, im Delta reden wir über Beträge, die wir gegenfinanzieren müssen, und zwar über einen Betrag von 780 Millionen Euro in diesem Jahr und von über 1 Milliarde Euro im nächsten Jahr.

Es ist natürlich einfach, zunächst einmal die 234 Millionen Euro vom Bund zu nehmen. Herr Minister Deubel hat soeben deutlich gemacht, dass es in diesem Jahr 460 Millionen Euro und im kommenden Jahr 500 Millionen Euro neue Schulden geben wird, über die wir als Parlament zu befinden haben. Dabei gehört aber auch zur Wahrheit – Herr Mertin hat es soeben angesprochen –, dass 90 Millionen Euro der Gegenfinanzierung in diesem Jahr und 250 Millionen Euro im kommenden Jahr die Aktivierung von Kreditermächtigungen darstellen, die dieses Parlament in der Vergangenheit gegeben hat.

Dies bedeutet im Kern, wenn wir nur den Kernhaushalt betrachten und nicht den Konzernhaushalt, aktivieren wir mit diesem Doppelhaushalt und mit diesem Nachtragshaushalt Kreditermächtigungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro als zusätzliche Schulden. Bei dieser Zahl muss man schon einmal kurz die Luft anhalten; denn all diese Schulden, die wir heute aufnehmen, ob wir sie nun Entnahmen aus Rücklagen oder Nettokreditaufnahmen nennen – semantisch ist das Finanzministerium immer auf der Höhe der Zeit –, werden den kommenden Generationen aufgebürdet. Im Kern müssen also diese 1,3 Milliarden Euro, die wir brauchen, um den Nachtragshaushalt 2009/2010 gegenzufinanzieren, die kommenden Generationen zurückzahlen. Vielleicht hat man

Ihnen in der Fraktion etwas anderes erzählt, aber das ist das Geld, über das wir reden.

Ich bin dem Landesrechnungshof sehr dankbar, dass er aktuell im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen seinen Bericht über die Prüfung der vergangenen Haushaltsjahre vorgestellt hat, in dem deutlich wird, dass die Regierung Beck bzw. Herr Ministerpräsident Beck die Krone als Schuldenkönig in Deutschland trägt. Anstatt in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen einen Haushaltsausgleich zu schaffen, anstatt im vergangenen Jahr Rücklagen zu bilden, ohne dabei neue Schulden zu machen – das ist schließlich möglich; andere Bundesländer haben es uns vorgemacht –, müssen wir auch die Steuerausfälle und das Konjunkturpaket in diesem Jahr aus neuen Schulden finanzieren.

Ich zitiere ausdrücklich aus dem Bericht des Rechnungshofs, der feststellt, „dass der hohe Kreditbedarf bis Ende 2007 zu einer Gesamtverschuldung von 27,4 Milliarden Euro führte.“ – Ich sage Ihnen die Zahl noch einmal, 27,4 Milliarden Euro! – „Der Schuldenstand hat sich somit gegenüber dem Jahr 1994 mehr als verdoppelt. Die Pro-Kopf-Verschuldung des Landes lag mit 6.348 Euro um fast 25 % über der aller Flächenländer.“