Protocol of the Session on December 10, 2008

Noch ein Wort zu dem Antrag der CDU in Bezug auf die Mehrlingsgeburten. Dem können wir nicht zustimmen. Es gibt eine Landesstiftung – das werden Sie auch wissen – „Familie in Not“. Diese Landesstiftung hat in solchen Fällen schon erheblich mehr finanzielle Zuschüsse gegeben als diese 2.500 Euro, von denen Sie sprechen.

Vielleicht überrascht es Sie nicht, wenn Sozialdemokraten sagen: Wir wollen schon sehr zielgenau fördern. Es macht wenig Sinn, dass eine wohlhabende Familie, die eine Mehrlingsgeburt hat, mit 2.500 Euro unterstützt wird, wir das Geld dann aber bei denjenigen, die es wirklich dringend nötig hätten, nicht mehr haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit den unterschiedlichsten Projekten und Initiativen hat die Landesregierung die Rahmenbedingungen für Familien deutlich verbessert. Die SPD-Fraktion ist entschlossen, diesen Weg für die Familien weiterzugehen. Daher haben wir auch dazu einen weiteren Antrag unter der Überschrift „Mehr Chancen für Kinder und Familien“ gestellt.

Meine Damen und Herren, gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sollte für alle Menschen selbstverständlich sein. Ich bin sicher, dass wir diesem Ziel bei Menschen mit Migrationshintergrund durch die Einsetzung der Enquete-Kommission sehr viel näher kommen werden.

Frau Thelen, Sie haben eben unseren Antrag in Bezug auf die zusätzliche Fördersumme von 200.000 Euro für das Integrationskonzept angesprochen. Das ist ein besonderes Integrationskonzept, das sehr auf Kommunen abgestellt ist. Wir halten es für außerordentlich wichtig, dass das zu den Gesamtintegrationsmaßnahmen von 2,7 Millionen Euro hinzukommt.

Wenn ich von gleichberechtigter Teilhabe am Leben gesprochen habe, meine Damen und Herren, so gilt dies ganz besonders für Menschen mit Behinderungen. Was haben wir da in Rheinland-Pfalz inzwischen alles erreicht? Das Persönliche Budget – übrigens inzwischen zehn Jahre alt; es ist noch von Florian Gerster hier vorgestellt worden –, das Budget für Arbeit, eine Verbesserung für Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt – auch da können wir erhebliche Fortschritte feststellen –, die Unterstützung der Integrationsfirmen oder das betreute Wohnen für Menschen mit Behinderungen.

Gestern Abend, als ich nach Hause kam – vielleicht darf ich Ihnen die Geschichte kurz erzählen –, fand ich einen wundervollen Brief von einer Frau mit schweren Behinderungen aus meinem Wahlkreis vor. Sie wollte sich für meine Aufmerksamkeit bedanken, weil sie nämlich vor einigen Wochen vom Ministerpräsidenten mit dem Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet worden ist. Seit 20 Jahren hat sich die promovierte Philosophin für ein selbstbestimmtes Leben mit persönlicher Assistenz eingesetzt. In dem Brief von gestern hieß es – ich darf zitieren –: Ich habe persönliche Assistenz und kann deshalb in meiner Wohnung leben und einer interessanten Arbeit nachgehen. –

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass wir solch engagierte Menschen, solch engagierte Betroffene haben, und ich bin auch froh, dass die Landesregierung und auch die Fraktion der SPD darauf hört, welche Vorschläge uns diese Menschen machen.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Die gesamte Sozialpolitik des Landes Rheinland-Pfalz stellt den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns. Im Sommer hat Bernhard Nacke vom Katholischen Büro Mainz einen glänzenden Vortrag zu Politik, Religion und den Gemeinsamkeiten und Schnittstellen gehalten. Eine der Grundaussagen lautet: Wertvolle Politik achtet jeden Menschen. Das ist das aus der katholischen Soziallehre bekannte Prinzip der Personalität. Danach hat jeder Mensch einen Anspruch auf die würdevolle Beachtung seiner Person, aber auch auf das, was ihm wertvoll und heilig ist, was seinem Heilsein dient. –

Meine Damen und Herren, ich finde, das ist ein sehr guter und sehr wichtiger Grundsatz. Die SPD-Fraktion wird sich weiterhin anstrengen, in diesem Sinne Sozialpolitik in Rheinland-Pfalz zu betreiben, die politischen Rahmenbedingungen so zu fassen, dass jeder Mensch das Leben führen kann, das er möchte, es so leben zu können, wie es ihm wertvoll und heilig ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir bei der Besprechung des Einzelplans 06 wieder ein wenig zum vernünftigen Umgang miteinander zurückgekommen sind. Die Debatte um die soziale Marktwirtschaft fand ich ein wenig schräg. In klassischen Mustern hat jeweils der eine dem anderen dies oder jenes vorgeworfen und umgekehrt. Ich glaube nicht, dass die Leute das von uns allen erwarten.

Jetzt also zur zurück zur Sachpolitik. Ich glaube, wir können gemeinsam stolz darauf sein, dass wir im Bereich der Sozialpolitik vom Grundsatz her alle in die gleiche Richtung wollen. Das sage ich nicht nur für uns als FDP, sondern das ist auch mein Eindruck in der Ausschussarbeit bis hin zum persönlichen Verhältnis mit den Kollegen – vor allem Kolleginnen – im Ausschuss.

Meine Damen und Herren, aber es ist natürlich ein ganz weites Feld, das es zu besprechen gilt. Das geht vom Kinderschutz bis zur Altenpflege, von der Teilhabe bis zu Fragen sozialer Gerechtigkeit, von der Integration bis zur Gesundheits- und Pflegepolitik, Nichtraucherschutzgesetzgebung, Organisation einer stärker ehrenamtlich gestützten Sozialpolitik usw. Wir haben wieder einmal die klassische Positionierung. Die Opposition namens Hedi Thelen sagt: Das ist alles nicht so doll. Sie kommt unter anderem auf unser aller Lieblingsthema, die Arbeitsplätze der Pendler, zu sprechen. Frau Kollegin Grosse sagt: Wir sind das beste aller Länder. – Es ist schon spannend: Wo stehen wir jetzt? Sind wir gut oder schlecht? Ich darf Sie schon auf eine typisch liberale Festlegung einstimmen. Ich glaube, die rheinlandpfälzische Sozialpolitik ist nicht schlecht, sie ist aber

auch nicht gut. Das lässt sich auch begründen. Schauen wir uns die Dinge im Einzelnen an.

(Heiterkeit im Hause)

Ich wollte Ihnen zum Abschluss des Abends noch etwas bieten. Schauen wir uns die Dinge im Einzelnen an. Es ist in der Tat zu begrüßen, dass die Landesregierung einzelnen neuen Bereichen eine große Aufmerksamkeit schenkt, dass man beispielsweise das Kindswohl, die Integrationsanstrengungen bei Menschen mit Migrationshintergrund, den wirklich auch von hohem persönlichen Engagement der Ministerin geprägten Einsatz im gesamten Pflegebereich, die diversen, bereits von Frau Grosse benannten Budgets und auch den Verteilschlüssel für Rheinland-Pfalz bei bundesweit vergebenen Zusatzmilliarden durchaus lobend herausstellen kann. Aber bei so viel Oppositionskonsens und Ehrlichkeit muss man auch die andere Seite sehen; die ist auch gewichtig.

Meine Damen und Herren, wir haben nach wie vor eine in hohem Maße von Undurchlässigkeit geprägte Unterschicht. Das räumen auch Vertreter der SPD ein. Das muss uns allen wehtun.

(Beifall der FDP)

Und nicht genug damit, die Unterschicht erhält auch noch Zufluss aus der Mittelschicht. Der Terminus „verlorene Mitte“ beschreibt einen sehr traurigen Zustand, nämlich die Tatsache, dass man von unten nicht herauskommt, wohl aber von oben sehr schnell abrutscht. Deshalb steht das weiter im Lastenheft einer Landesregierung, die so gern mit ihren vielen positiven Prozessen glänzen will. In Vierfarbdrucken und in allen anderen Varianten versucht sie zu glänzen. Die Prozesse untereinander geschrieben oder haushaltstitelmäßig abgebildet sind in der Tat beeindruckend. Aber uns Liberale interessieren mehr die Ergebnisse.

(Beifall der FDP)

Frau Ministerin, mir wäre es im Zweifel lieber, die Sozialpolitik wäre mangels Problemen ersatzlos gestrichen, als dass wir die gleichen sozialpolitischen Probleme von Haushalt zu Haushalt wie eine riesige Bugwelle vor uns herschieben.

Meine Damen und Herren, es gibt weitere Bereiche, die unbedingt ins Schwarze und nicht ins Goldene Buch des Regierungshandelns gehören. Demografie-Vorsorge in der Sozialversicherung ist ein kompletter Ausfall. Das ist eine komplette Pleite.

(Beifall der FDP)

Das ist eine Politik, als ob es kein Morgen gäbe, obwohl die demografischen Berechnungen, die jetzt wieder aktuell gekommen sind, schlimmer sind denn je. Aufwachen Regierung!

Meine Damen und Herren, bei der Chancengerechtigkeit gibt es immer noch das alte Gehäcksel. Herr Schweitzer, Ihr Redebeitrag – wo ist er jetzt, er ist schon geflüchtet –

war insoweit auch nicht unbedingt erhellend. Ist er noch da? Man übersieht ihn schwerlich.

(Pörksen, SPD: Er hat gewusst, dass Sie kommen, da ist er abgehauen! Er hat Angst vor Ihnen!)

Dieser alte Kampf um die Formen der Gerechtigkeit! Liebe Leute, kann es denn etwas Gerechteres geben als die Gerechtigkeit bei den Chancen, für die wir Liberale eintreten? Ist es nicht viel besser, Menschen zu Beginn des Lebens unabhängig von der Frage ihrer Herkunft, ihres Status und ihrer Talente die Chancen entwickeln zu lassen, die in ihnen ruhen? Ist es nicht viel wichtiger für das Fortkommen einer ganzen Gesellschaft als das nachherige Teilen, als die Teilhabgerechtigkeit durch Herstellen einer sozialen Gerechtigkeit, die ich jetzt von der Wortwahl her eher dem saarländischen Wahlkampf zugeschrieben hätte als einer seriösen Auseinandersetzung hier in diesem Hohen Hause?

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, ich komme zur Situation des Gesundheitssystems und zur Situation der Pflege. Bei der Pflege beziehe ich mich einfach auf das, was Frau Kollegin Thelen gesagt hat, und spare Zeit.

Die Situation in der Gesundheitspolitik ist ganz schlecht. Ich sehe den Ministerpräsidenten noch vor ca. eineinhalb Jahren mit einer flammenden Rede, dies sei die erste Gesundheitsreform, die den Menschen keine zusätzlichen Opfer abverlangt. Ja: Zum Preis einer Tendenz zur zentralisierten Staatsmedizin mit einem Gesundheitsfond von 15,5 %. – Herr Ministerpräsident, da schnauben Sie nicht mehr. Die sind inzwischen mediengängig: 15,5 % Gesundheitsbeiträge in der Krankenversicherung von einer Regierung, die angetreten ist, die Lohnnebenkosten auch in diesem Bereich zu senken!

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, Ihre Erfolge in der Arbeitslosenpolitik – um das auch zu nennen –, Ihre Erfolge in der Arbeitsmarktpolitik, auf die Sie so stolz sind: Ist das wegen des Regierungshandelns geschehen oder trotz des Regierungshandelns? – Das weiß kein Mensch. Es spielt auch keine Rolle. Nur, wenn Sie sich für die jetzige gute Situation loben lassen wollen, dann müssen Sie auch in der sich abzeichnenden Krise Verantwortung für das übernehmen, was uns hoffentlich nicht blüht, was aber kommen kann. Da muss man schon sagen, entweder – oder. So zu tun, als ob sich das, was rheinlandpfälzischer Fleiß, Unternehmergeist und Verantwortung auch für Arbeitsplätze durchgesetzt und erarbeitet haben, eine Partei auf die Fahnen schreiben kann, das finde ich ein wenig überzogen.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, warum geht es in all diesen Bereichen nicht schneller voran? Warum treten wir so sehr auf der Stelle? Fehlt es an Geld? Schwerlich. 1,6 Milliarden Euro ist ein Batzen Geld. Wir sind in der „Golfwährung“ angekommen. Überschlägig geht es dann in Richtung 100.000 Golf auf einen Schlag. Die bekommen wir dann von Nord- bis Süd-Rheinland-Pfalz gar nicht

mehr unter. Da müssten wir im Elsass anbauen. Das ist verdammt viel Geld. Es ist nicht unser Ansatz, dass wir diese Sozialpolitik billiger wollen. Das ist nicht unser liberaler Ansatz. Wir wollen diese Sozialpolitik besser in den Ergebnissen für die Betroffenen.

(Beifall des Abg. Auler, FDP)

Meine Damen und Herren, 1,6 Milliarden Euro Gesamthaushalt, allein Eingliederungshilfe von ca. 560 Millionen Euro pro Jahr. Frau Kollegin Grosse hat es gesagt. Sie hat es als Lob gemeint. Ich schließe mich dem Lob an. Das war sehr vorausschauend, vor zehn Jahren persönliche Budgets anzudenken. Aber warum kommen wir denn nicht voran? Frau Ministerin, Sie wissen die FDP an Ihrer Seite, wenn Sie Widerstände bei den Trägern haben. Ich weiß, dass das kein einfaches Geschäft ist. Es ist aber nicht damit getan, dass wir Eingliederungshilfen immer weiter steigen lassen und uns darauf zurückziehen, dass es in anderen Bundesländern noch schlechter aussieht.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt sind die von Frau Kollegin Grosse schon zurückgewiesenen Forderungen der FDP, ESF-Mittel umzuwidmen. Frau Kollegin Grosse, die Diskussion ist nicht neu. Sie sagen, es gehe nicht. Wir sagen, es geht. Wenn es nicht ginge – lassen Sie es mich so formulieren –, dann wäre es in der Tat ein Armutszeugnis für den Haushaltsgeber. Das wollen Sie doch hoffentlich nicht auf uns gemeinsam sitzen lassen.

(Ministerpräsident Beck: Das ist doch EU-Recht!)

Aber Herr Ministerpräsident, Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass wir in der Lage sind, genau in diesen Positionen, in die wir es umgewidmet haben, es nach Wort und Fakten den ESF-Bedingungen gemäß anzupassen und umzusetzen. Das weiß jeder, der sich mit dieser Sache befasst hat.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie es nicht wollen, dann sagen Sie es, aber ziehen Sie sich nicht auf juristische Positionen zurück, die nicht haltbar sind.

(Ministerpräsident Beck: Das ist der Aufruf zum Rechtsbruch!)

Na, ich will es nicht vertiefen, Herr Ministerpräsident. Ich nehme an, Ihre juristische Kompetenz gibt das her. Von daher wollen wir es nicht weiter vertiefen.

(Ministerpräsident Beck: Nein, nein! Dies hat nichts mit Juristerei zu tun!)

Wir mit unseren Auskünften, die wir qualifiziert eingeholt haben und qualifiziert erhalten haben, auch von Mitgliedern der Verwaltung dieses Hohen Hauses, bekommen gesagt, es geht. Sprechen Sie mit Ihren Leuten. Vielleicht erfahren Sie es dann.