Protocol of the Session on July 6, 2006

Die vorliegenden Berichte über die Arbeit des AdR zeigen, dass seine Bedeutung in der Praxis weit über seine Funktion als rein beratendes Gremium hinausgeht. Dass der AdR sehr ernst genommen wird, zeigt die regelmäßige Teilnahme von Mitgliedern der Europäischen Kommission an den Sitzungen der verschiedenen Fachkommissionen. Auch Präsident Barroso diskutierte mit den Teilnehmern der Plenarsitzung im November vergangenen Jahres. Der AdR sieht sich als strategischen Partner der Kommission.

So hatten auch die Vertreter regionaler und kommunaler Verbände Gelegenheit zum direkten Meinungsaustausch.

Bemerkenswert finde ich auch die gemeinsamen Sitzungen von AdR und Mitgliedern des Europaparlaments.

Eine besondere Bedeutung kommt sicher der regionalen Vernetzung zu, die sich der AdR auf die Fahne geschrieben hat. So können die regelmäßigen Treffen von Vertretern der Gebietskörperschaften in Brüssel zum Gedankenaustausch genutzt werden. Manches gemeinsame Projekt hat hier schon seinen Anfang genommen. Sehr beachtlich sind in diesem Zusammenhang die seit einigen Jahren in Brüssel stattfindenden Open Days, die in Zusammenarbeit von AdR und Kommission durchgeführt werden. Bei den Open Days im letzten Oktober waren über 100 Städte und Regionen mit ihren Büros in Brüssel vertreten. In 66 Workshops wurden im Sinne von „Best Practice“ zahlreiche Projekte diskutiert. Über 2.500 Personen konnten als Teilnehmer verzeichnet werden. Daran kann man den großen Stellenwert dieser Veranstaltung erkennen. Wir sehen, aufgrund seiner Aktivitäten und Initiativen ist der AdR zu einer festen

Größe im europäischen Konzert geworden. Dafür möchte ich Herrn Staatssekretär Dr. Karl-Heinz Klär und seinem Team herzlich danken.

(Beifall bei der SPD)

Wie geht es weiter mit Europa? Was sind die politischen Zielsetzungen des AdR? In seiner Entschließung vom Februar 2006 hat der Ausschuss der Regionen seine drei Hauptziele wie folgt formuliert:

1. Förderung eines politischen und bürgernahen Europas,

2. Stärkung der territorialen Solidarität innerhalb der Union und

3. Konsolidierung der politischen und institutionellen Rolle des AdR.

Unabhängig davon, ob man so weit geht, der Auffassung des amerikanischen Historikers David A. Ball, zu folgen, der ein Europa der Regionen anstelle des – wie er es nennt – historisch überholten Gebildes des Nationalstaats sieht, oder den Ausschuss der Regionen eher als eine zweite oder dritte Kammer einer föderalen europäischen Verfassungsstruktur im embryonalen Zustand erkennt, wie ihn der Brüsseler Korrespondent Felix Lutz beschreibt, bleibt eines wohl unbestritten: Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Brüssel immer mehr Themen besetzt, die insbesondere die Regionen betreffen und die Regionalpolitik inzwischen über ein Drittel des EU-Haushalts ausmacht, erkennt man die Notwendigkeit, gerade die Akteure des regionalen Bereichs stärker an der Willenbildung zu beteiligen.

Der AdR ist auch ein Gremium regionaler Vernetzung. Beispielsweise hat sich eine interregionale Gruppe von Vertretern der Großregion Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Wallonie, französische Gemeinschaft, deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien zwecks gemeinsamer Interessenvertretung gebildet. Damit spiegelt sich dieses ausgezeichnete Beispiel gelungener Regionalpolitik auch im AdR wider.

In der letzten Sitzung des Europaausschusses wurden die Ergebnisse des 9. Gipfeltreffens in Trier am 1. Juni 2006 in Trier vorgestellt. Das Zehn-PunkteProgramm, das am 24. Januar 2005 anlässlich des 8. Gipfels in Metz verabschiedet worden war, wurde in der 18-monatigen Präsidentschaft von Ministerpräsident Kurt Beck zu einer echten Erfolgsstory. Davon zeugen die einhelligen Beurteilungen in der gesamten Medienlandschaft.

Die Politik in der Großregion ist gelebtes Europa. An dieser Stelle muss man Ministerpräsident Beck danken. Ihm gebührt ein Dank für dieses beispielhafte Engagement. (Beifall der SPD)

Nach seinem Selbstverständnis sieht sich der AdR als Sprachrohr der regionalen und lokalen demokratischen Ebene und will Subsidiaritätsgewissen der Europäischen Union sein.

Unterstützen wir nach Kräften diese Bemühungen, damit durch einen starken AdR die Akzeptanz eines vereinten Europas wachsen kann.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Enders.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 1992 wurde der AdR als Vertretungsorgan der Gemeinden, der Städte und Regionen der gesamten EU ins Leben gerufen. 1994 fand dann die erste Sitzung statt.

Der Ausschuss ist eigentlich die einzige Institution, die als Sprecher für lokale und regionale Gebietskörperschaften in der EU vorhanden ist. Damit ist diese Einrichtung wichtig und nicht verzichtbar, wie manche meinen.

Der vorgelegte Bericht über die Arbeit und die Arbeitsergebnisse ist für jeden Abgeordneten interessant. Ich gehe davon aus, dass jeder der Kollegen ihn intensiv studiert hat.

Der Bevölkerung ist der AdR leider wenig bis kaum bekannt. Wenn man Bürgerinnen und Bürger einmal fragt, stellt man sehr oft fest, dass die meisten mit dem Begriff nichts anfangen können.

(Hartloff, SPD: Da kann man auch Parla- mentarier fragen!)

In dem Zusammenhang habe ich festgestellt, dass die Menschen quer durch die Parteien hinweg auch oft die Namen der Europaabgeordneten ihrer Region nicht kennen, meine Damen und Herren. Da haben wir es besser, uns kennt man in der Regel besser.

Dann hört man Stimmen, die sagen, die EU trete auf der Stelle, sei nicht bürgernah, transparent genug. Das alles zusammenfassend könnte man sicher durchaus als eine gewisse Verdrossenheit bezeichnen.

Allerdings haben sich – wenn man sich mit dem AdR beschäftigt – die politischen Rahmenbedingungen für die Arbeit des Ausschusses im Lauf der abgelaufenen dritten Mandatsperiode verändert. Mit der Erweiterung zum 1. Mai 2004 kamen 95 neue Mitglieder hinzu.

Die Arbeiten des Verfassungskonvents, an dem der Ausschuss mit sechs Beobachtern beteiligt war, wurden ebenso begleitet wie der Europäische Rat. Das Ergebnis brachte einige Verbesserungen für den AdR.

Ich möchte aber nicht verschweigen, dass nicht alle gewünschten Verbesserungen in dem Umfang kamen, wie man es sich gewünscht hätte; denn um die Arbeit des Ausschusses effektiv zu gestalten, ist es notwendig

wie der Kollege Klöckner es erwähnte –, dass ihm ein Organstatus zuerkannt wird; auch das Klagerecht vor dem EuGH, wie im Verfassungsentwurf vorgesehen, gehört dazu.

Zusammenfassend kann man sagen, die Funktion des Ausschusses muss dergestalt geklärt werden, dass er auch in der Lage ist, tatsächlich die Interessen der Regionen angemessen zu vertreten. Dazu gehört obligatorisch ein Dialog zwischen Rat, Europaparlament und Kommission im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens. Dazu kann man durchaus in einem gewissen Umfang über ein Vetorecht diskutieren.

Das Europäische Institut für öffentliche Verwaltung hat in einer Untersuchung vor einiger Zeit beschrieben, dass die tatsächliche Entwicklung des Ausschusses bescheidener gestaltet wurde, als man das erhofft hatte. Aber immerhin ist er in der ersten Dekade seines Bestehens doch ein fester Bestandteil im Gefüge der EU geworden und kann zunehmend Einfluss auf Politikgestaltung nehmen.

Ich möchte es positiv erwähnen, dass der Ausschuss die Aufnahme des Hinweises auf die regionale und kommunale Selbstverwaltung im Verfassungstext und die Anerkennung der Bedeutung einer bürgernahen Demokratie in der Union sowie die im Vertrag geschaffene verfassungsrechtliche Grundlage für die Einhaltung der Prinzipien von Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität wirklich erreicht hat.

Mit Bedauern muss ich feststellen, es ist nicht erreicht worden, dass er Organstatus erhält. Damit hat er keine aktive Rolle im Rechtsetzungsverfahren zugewiesen bekommen. Erfreulich ist – wie Herr Kollege Klöckner ansprach –, dass Kommissionspräsident Barroso vor einem Jahr unterstrich, wie wichtig ihm und der Kommission die Meinung der Regionen und der lokalen Institutionen sei, die er wortwörtlich als wesentlich für die Europäische Union einstufte.

Am Rande bemerkt – wie es auch im Bericht erwähnt wird –, ob es ein Ausdruck des politischen Erwachsenwerdens ist, wenn man die bisher neutrale Sitzordnung nach Alphabet zugunsten einer im parlamentarischen Rahmen vorhandenen Sitzordnung nach Fraktionen aufgibt, mag ich bezweifeln. Kleinere Regionen und Staaten befürchten einen gewissen Verlust der Identität.

Zustimmen möchte ich der Feststellung im Bericht, dass durch die EU-Erweiterung um zehn Staaten das Abstimmen von konsensfähigen Positionen im AdR schwieriger geworden ist.

Betont werden kann eine Feststellung im Bericht zum Thema „Regionalpolitik“, nämlich der Vorschlag zur Errichtung eines europäischen Verbunds für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und zum Phänomen der Billigfluglinien und deren Auswirkungen auf die Regionalentwicklung. Aufgrund unserer geografischen Lage und dem aufstrebenden Flughafen Frankfurt-Hahn hat das für Rheinland-Pfalz natürlich eine gewisse Bedeutung.

Für mich als jemandem, der sich noch nicht so lange mit dem Thema beschäftigt, war die Tatsache schon sehr merkwürdig und als Abgeordneter nicht nachvollziehbar, dass es nicht möglich ist, dem AdR den Plenarsaal in Brüssel regelmäßig für dessen Plenartagung zur Verfügung zu stellen, obwohl das Europäische Parlament dann zeitgleich immer in Straßburg tagt; dies vor dem Hintergrund der nach wie vor noch gespannten Beziehungen, obwohl es zu einer angeblichen Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament in Sachfragen gekommen ist.

Es wird mit der Gefahr der Verwechslung begründet. Ich halte das für lächerlich, absurd und einer parlamentarischen Ordnung nicht zuträglich. Wir sollten auf unsere EU-Abgeordneten, die wir alle kennen, einwirken, dass dem AdR die vertraglich zugewiesenen Möglichkeiten akzeptabler Arbeitsbedingungen gewährt werden.

Ein Arbeitsschwerpunkt – darauf will ich zum Schluss kommen – war der Themenbereich „Zukunft der EU“ mit der Herausforderung, wie Erweiterung und Vertiefung der Integration gelingen kann. Ich begrüße es außerordentlich, dass im AdR-Plenum die Stellungnahme durch einen Änderungsantrag dahin gehend ergänzt wurde, dass die völkerrechtliche Anerkennung der Republik Zypern für den AdR eine Voraussetzung ist, um Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei beginnen zu können. Alles andere wäre in meinen Augen absurd gewesen.

Begrüßen kann man auch, dass man sich in der jetzt schon begonnenen Mandatsperiode dem Thema „Subsidiarität“ eingehend widmen will. Ganz erfreulich ist es – ich sehe die Kollegin Morsblech –, dass in der vierten Mandatsperiode auch ein Mitglied der kleinen Oppositionspartei für Rheinland-Pfalz im AdR vertreten ist.

Diesen Umstand haben wir allerdings nicht dem Wohlwollen der Landesregierung zu verdanken, sondern er ist ein Produkt des Ausgangs der letzten Landtagswahl.

Vielen Dank. (Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liest man die Drucksachen 14/4128 und 14/4902, die die Arbeit und die Arbeitsergebnisse des Ausschusses der Regionen (AdR) im Zeitraum Juli 2003 bis Dezember 2005 und die Bilanz der 3. Mandatsperiode (2002 bis 2006) beleuchten, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der AdR versucht, sich in Brüssel Gehör zu verschaffen, dort um Anerkennung ringt, seine Arbeit jedoch nicht ernst genommen wird.

Ich habe diese beiden Drucksachen gelesen. Sie waren so ehrlich, dass sich mir der Eindruck vermittelt hat, dass man es probiert, aber andere nicht wollen, Herr

Dr. Klär. Das zeigt sich daran, dass das Parlament ihn in Brüssel nicht tagen lassen will, weil er unter Umständen – in Anführungszeichen – einen lästigen Konkurrenten darstellen könnte.

Da der AdR keine Entscheidungsbefugnisse hat, ist er darauf angewiesen, sich durch profunde Arbeit bei der Kommission, bei den Regierungen und beim Europäischen Parlament Gehör zu verschaffen, was offensichtlich – ich habe es bereits betont, so mein Eindruck aus beiden Berichten – nicht leicht ist.

Aufgrund der Erweiterung der EU am 1. Mai 2004 um zehn mittel- und osteuropäische Staaten hat dies auf den AdR weit reichende organisatorische und politische Folgen nach sich gezogen. Die Zahl der Mitglieder ist von 222 auf 317 angewachsen. Eine Fachkommission umfasst nunmehr im Schnitt 75 Mitglieder. Das Abstimmen von konsensfähigen Positionen wird immer schwieriger und damit auch die Einflussmöglichkeiten des AdR im europäischen Konzert.

Der AdR musste mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass einige seiner Forderungen, wie zum Beispiel als EU-Organ anerkannt zu werden und damit eine aktive Rolle im Gesetzgebungsverfahren zugewiesen zu bekommen, keine Berücksichtigung gefunden hat. Das Europäische Parlament betrachtet den AdR – so ist mein Eindruck – als lästige Konkurrenz.

Die Kommission und die Regierungen nehmen den AdR deshalb nicht so zur Kenntnis, wie er es sich wünscht, weil seine Beschlüsse, Anregungen und Resolutionen im europäischen Rechtsgebungsverfahren nicht beachtet werden müssen. Obwohl mit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 der AdR als Vertretungsorgan der Gemeinden, Städte und Regionen der EU ins Leben gerufen wurde, kämpft er bis zum heutigen Tag um Anerkennung und Reputation.