Die Studie hat festgestellt, dass 8,3% aller Schüler in Deutschland 2004 die allgemein bildenden Schulen ohne irgendeinen Abschluss verlassen haben. In Rheinland-Pfalz hat sich – das möchte ich auch ausdrücklich positiv feststellen – der Protzentsatz etwas günstiger entwickelt. Das heißt, wir sind auf dem richtigen Weg. Aber immerhin ist die Zahl noch erschreckend. Es waren 2004 3.487 junge Menschen, die das allgemein bildende Schulsystem ohne irgendeinen Abschluss verlassen haben. Es musste festgestellt werden, dass an den Berufsschulen laut dieser Studie bundesweit rund 23 % keinen Abschluss geschafft haben. Hier ist eine Zahl, die sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert hat. Es ist seit 1994 ein Anstieg um etwa 75 % festzustellen. Ich denke, das ist ein Fakt, der uns noch einmal besonders zu denken geben sollte.
Festgestellt werden musste auch, dass 22,3 % der Schülerinnen und Schüler laut PISA 2003 Probleme bei der Lesekompetenz haben, was international gesehen der höchste Anteil ist. Selbst der erfolgreiche Hauptschulabschluss reicht oft nicht mehr für den direkten Einstieg in das Berufsleben aus. Die ganzen Aufwendungen, die wir im Zusammenhang mit Sitzenbleiben, mit Nachholen von Schulabschlüssen, mit berufsvorbereitenden Kursen betreiben, kosten – so die Rechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft – uns alle, die Länder, den Staat etwa 3,2 Milliarden Euro jährlich, was eine Riesensumme ist. Die Frage müssen wir uns stellen: Was können wir tun, um diese Situation zu verändern? Warum ist es so wichtig, diese Situation zu verändern?
Die Studie wird zu einem Zeitpunkt vorgestellt, zu dem viele Schülerinnen und Schüler auf der Suche nach Ausbildungsplätzen sind, wobei wir uns alle bemühen,
sie zu unterstützen und ihnen eine Chance für eine Ausbildung zu geben. Aber wir hören auch aktuell wie schon in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Enquete-Arbeit, wo wir bei der Enquete-Kommission „Zukunft der Arbeit“ eine sehr umfassende Anhörung zu diesem Thema hatten, dass die Wirtschaft nach wie vor auch erhebliche Klage erhebt, dass selbst die, die den Hauptschulabschluss haben – manchmal sogar den Realschulabschluss –, immer noch mangelhafte Kompetenzen vorweisen, die eine Ausbildungsreife nicht als gegeben erscheinen lassen. Ich denke, das ist auch ein wichtiges Alarmsignal.
Warum darf uns das Problem nicht ruhen lassen? – Es geht um die Lebenschancen der jungen Menschen. Eine gute Ausbildung ist immer noch die beste Garantie, später nicht von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein.
Wir haben eine demografische Entwicklung mit einer dramatischen Veränderung der Altersstruktur unserer Bevölkerung. Immer mehr junge Menschen müssen immer mehr ältere Menschen versorgen. Das heißt, wir haben gar nicht mehr den Raum, auf irgendeinen jungen Menschen und – ich sage bewusst – die Hebung seiner Bildungspotenziale verzichten zu können. Nur so sind sie in der Lage, nachher als aktives Mitglied unserer Wirtschaft auch in die sozialen Sicherungssysteme einzuzahlen.
Der dritte Punkt, der mit Sicherheit nicht zu vernachlässigen ist, ist, unser Wohlstand hängt davon ab, dass wir im internationalen, im globalen Wettbewerb von den Fähigkeiten, von dem Know-how in den Köpfen unserer Menschen profitieren, wir gute Ideen für Produkte und für Dienstleistungen haben, mit denen wir international wettbewerbsfähig sind, weshalb es ein Manko unserer Wirtschaft ist, wenn immer mehr junge Menschen diese Ziele nicht erreichen.
Wir müssen uns engagiert einsetzen für eine bessere Bildung, für eine frühere kindlichere Förderung und letztendlich dann auch dafür, um die Chancen dieser jungen Menschen auf einen Arbeitsplatz zu verbessern.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Thelen hat es eben
angesprochen, dieses Thema der jungen Menschen, die die Schule verlassen und dann auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, war natürlich ein entscheidender Punkt in unserer Enquete-Kommission. Wir haben sehr intensiv darüber diskutiert. Frau Thelen, ich darf das vorab sagen, ich freue mich darüber, dass das in einer so sachlichen Form vorgetragen worden ist, weil ich glaube, dieses Thema eignet sich nicht dazu, Ängste zu schüren, die ohnehin schon bei jungen Leuten und ihren Eltern vorhanden sein könnten.
Ich möchte darauf eingehen, was Sie eben gesagt hatten, nämlich den Rückgang derjenigen jungen Menschen, die keinen Schulabschluss haben. Völlig einig sind wir uns dabei, jeder Einzelne ist zuviel. Das ist keine Frage. Bei diesen 7,2 % derjenigen, die jetzt im Jahr 2005 ohne einen Schulabschluss die Schule verlassen haben, müssen wir sehen, dass bei diesen ca. 3.400 auch 2.000 Schulabgängerinnen und Schulabgänger beinhaltet sind, die aus Förderschulen kommen. Das ist jetzt noch einmal ein ganz besonderes eigenes Thema. Ich will nur darauf hinweisen, dass die Förderschulen eine ganz eigene Konstruktion haben und wir wissen müssen, dass in diesen 7,2 % auch diejenigen beinhaltet sind, die aus Förderschulen kommen.
Nun sehen wir uns an, was wir gemacht haben. Im Wesentlichen sind diese jungen Menschen, die keinen Schulabschluss haben, junge Menschen, die benachteiligt sind, aus welchen Gründen auch immer, ob sie nun Pech hatten oder ob sie tatsächlich schwer vermittelbar sind; denn auch das müssen wir sehen. Das gibt es auch. Da müssen wir ehrlich sein. Hier im Land Rheinland-Pfalz gibt es viele Mittel landespolitischer Art. Ich nenne immer den Ovalen Tisch des Ministerpräsidenten, der sich im Wesentlichen um diese jungen Menschen kümmert.
Wer in der letzten Woche beim 60. Geburtstag von Dr. Rauch dabei war, sieht, dass die IHK Rheinhessen, nämlich unser klassischer Verbündeter, die Aktivitäten des Ministerpräsidenten hoch gelobt hat und dort klar ist, dass nur im Einvernehmen von Wirtschaft, Kammern, Gewerkschaften und Landesregierung Erfolge verzeichnet werden können.
Dazu gehören die Job-Füxe, die Jugendscouts, das Aktionsprogramm „Neue Chancen 6000 plus“ und natürlich auch das, was Kurt Beck in seiner Regierungserklärung angekündigt hat, nämlich dass es in RheinlandPfalz an jeder Hauptschule Sozialarbeiter geben soll.
Dann müssen wir sehen, dass es um die Qualifizierung geht. Wir hatten in der Enquete-Kommission festgestellt, dass es merkwürdige Phänomene gibt. Ein Phänomen besteht darin, dass Mädchen in der Regel den besseren Schulabschluss machen als Jungen. Trotzdem ist die Quote der Mädchen, die ohne Abschluss von der Schule
gehen, auch höher als die der Jungen. Das beißt sich. Hierfür haben wir auch keine Erklärung gefunden.
Tatsache ist, dass die Mittel und die Aktionen, die die Landesregierung ins Leben gerufen hat – dazu gehören der Girls’ Day, der gesamte Ada-Lovelace-Prozess –, dazu beitragen müssen und sollen, die Mädchen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Dann kommen wir zu den jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Meine Damen und Herren, auch das war ein großes Thema.
Ich kann nur sagen, dass die Einführung der Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz ein ganz wesentlicher Punkt dafür ist und sein soll, dass die benachteiligten jungen Menschen aufgefangen werden. Wir begrüßen das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“, weil es genau dort ansetzt, wo Probleme entstehen können, nämlich in der Grundschule und beim Spracherwerb.
Nun komme ich noch einmal zu den Qualifikationen. Da können Sie jedes Protokoll der Enquete-Kommission nachlesen. Die SPD-Fraktion hat sich immer vor die jungen Leute gestellt und gesagt, es kann nicht sein, dass jetzt plötzlich alle weniger klug sind als vor zehn Jahren. Es kann nicht sein, dass uns Untersuchungen mit gravierenden Lücken vorgelegt werden. Wo liegen die Erklärungen dafür?
Auch da haben wir in der Enquete-Kommission – ich habe das Protokoll dabei – einen Verbündeten gefunden, der normalerweise nicht direkt neben uns steht. Das ist der Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz gewesen, Herr Podzun, der in der Enquete-Kommission ausdrücklich gesagt hat, dass er nicht zu denjenigen gehören würde, die sagen würden, dass die jungen Menschen in ihrer Bildung immer schlechter würden. Er hat ausdrücklich gesagt, die Anforderungen würden höher werden. Auch das müssen wir sehen. In den Betrieben werden die Anforderungen für die jungen Menschen höher. Er hat aber auch gesagt – dies erwähne ich auch –, dass es einzelne Problemfälle gibt, die man sich genau anschauen müsse.
Lassen Sie mich noch eines sagen, bevor wir in die zweite Runde gehen: Die Tests, die die jungen Leute zu bestehen haben, ob nun bei Boehringer oder bei der BASF – – – Auch darüber hatten wir in den EnqueteKommission gesprochen.
Ich wäre sehr dafür, dass wir alle so einen Test mitmachen, damit man einmal sieht, es liegt im Zweifel nicht an der schlechten Schulbildung, sondern es liegt daran,
(Beifall der SPD – Pörksen, SPD: Vorsicht! – Hartloff, SPD: Ich bin ganz froh, dass ich die Schule hinter mir habe!)
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar, dass die CDU dieses Thema aufgerufen hat. Wir diskutieren es in einem ganz anderen Klima als in den vergangenen Jahren, in denen eine Fraktion, die jetzt nicht mehr anwesend ist, glaubte, diesen Bereich zur Profilierung nutzen zu können und den Weg der Gemeinsamkeiten unnötig verlassen hat. Deshalb bin ich dankbar für das Thema. Ich bin auch dankbar für den Ton, den meine beiden Vorredner angeschlagen haben. Wir werden über die Jahre genügend Möglichkeiten haben, uns in einzelnen Dingen auseinander zu setzen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns über die Grundsätze gemeinsam im Klaren sind.
Ein Jugendlicher, der keinen Ausbildungsplatz bekommt, ist ein Jugendlicher zu viel. Das ist nicht nur eine Frage volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Effizienz, sondern das ist in allererster Linie eine Frage der Menschenwürde, der Achtung vor dem Individuum, der Vorstellung, die alle diejenigen entwickeln sollten, die auf der Sonnenseite stehen, was es für jemanden heißt, der sich mit 15 Jahren aussortiert fühlen muss, bei dem mit 15 Jahren gesagt wird, dich brauchen wir nicht, du bist eine Pfeife, kein Hahn kräht nach dir.
Was erwarten wir von diesen jungen Mädchen und Burschen für die Zukunft, nicht in erster Linie für uns, sondern in deren eigenem Sinn?
Meine Damen und Herren, von daher ist es richtig, dass auch noch einmal erwähnt wird, was die Landesregierung getan hat. In einer Vielzahl von Aktivitäten hat man dieses Thema ernst genommen. Es gab viele Mitstreiter vor Ort, die ohne jede parteipolitische Zuordnung oder Zugehörigkeit als Lotse und Pate das Ihre getan haben, die sich in ihren mittelständischen Unternehmen einen Ruck gegeben und gesagt haben, jawohl, es passt mir personalpolitisch nicht ganz in den Kram, aber ich bilde auch dieses Jahr wieder jemanden aus.
Die Bezuschussungen sind immer nur das Sahnehäubchen obendrauf. Wegen einer Bezuschussung bildet niemand aus.
Meine Damen und Herren, wir müssen auch deutlich machen, dass eine klare Korrelation besteht zwischen dem Erfolg der Wirtschaft, dem Erfolg vor allem des
Ein Mittelstand – die immer noch zu hohe Zahl der Insolvenzen belegt dies –, der um die eigene Existenz fürchtet, wird weniger bereit sein, sich Gedanken über Ausbildungsplätze zu machen als derjenige, der wirtschaftlich solide fundiert ist.
Deshalb ist es wichtig, dass diese Instrumente weiter genutzt werden. Es ist aber auch wichtig, dass man versteht, wer in letzter Konsequenz Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt, und sich immer wieder klarmacht, dass dies im Wesentlichen die Wirtschaft und der Mittelstand sind.
Ich hoffe sehr, dass die neue Landesregierung diese tiefe Verankerung, auch emotionale Verankerung, im Mittelstand, die eine der großen Vorteile von RheinlandPfalz ist, nicht ohne Not aufgibt und aus parteipolitischen Blickwinkeln heraus Dinge nicht in dem Maß fördert, wie dies in der Vergangenheit geschehen ist.